Mittelpunkt der Lebensinteressen bei Doppelansässigkeit
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Dr. Bw., Adr.1, vertreten durch Stb., gegen den Bescheid des Finanzamtes N. betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2007 entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der Bescheid betreffend Einkommensteuer 2007 wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
In einer Beilage zur Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2007 wies der Berufungswerber (Bw.) darauf hin, dass seine Entsendung nach Frankreich mit begonnen habe und voraussichtlich mit enden werde. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen sei ab in Frankreich.
Mit Einkommensteuerbescheid vom setzte das zuständige Finanzamt die Einkommensteuer mit einer Gutschrift von € 1.933,07 fest, wobei die für die Tätigkeit in Frankreich erzielten Einkünfte des Bw. in Höhe von € 162.269,44 für die Berechnung des Progressionsvorbehaltes herangezogen wurden.
Der Bw. erhob mit Schriftsatz vom Berufung und führte aus, dass der Bescheid in folgenden Punkten angefochten werde: Der beiliegende Lohnzettel für den Zeitraum bis sei nicht berücksichtigt worden (KZ 245 € 114.971.05). Die steuerfreien Bezüge in Höhe von € 162.269,44 aufgrund der Tätigkeit in Frankreich seien als Progressionseinkünfte berücksichtigt worden.
Es werde die Berücksichtigung des beiliegenden Lohnzettels für den Zeitraum bis im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer beantragt. Die steuerfreien Bezüge in Höhe von € 162.269,44 seien nicht als Progressionseinkünfte zu berücksichtigen. Begründend führt der Bw. aus, dass seine Entsendung nach Frankreich mit begonnen habe. Seine Bezüge bis seien in Österreich der laufenden Lohnsteuer unterworfen worden. Ab habe der Bw. seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen nach Frankreich verlagert. Die Bezüge für den Zeitraum bis seien gemäß Artikel 23 (2) Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich-Österreich nicht für den Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen, da der Bw. ab diesem Zeitpunkt nicht in Österreich ansässig sei.
Mit Ergänzungsersuchen vom wird darauf verwiesen, dass der Bw. in der Berufung mitteile, dass ab dem keine Ansässigkeit in Österreich bestehe, und seien zum Nachweis folgende Fragen zu beantworten beziehungsweise Unterlagen vorzulegen:
"1. In Adr.1 sind S.A., S.B., S.F. u. Bw. mit Nebenwohnsitz angemeldet. Wurde das Haus in Adr.1 ab der Entsendung nach Frankreich vermietet? Wenn ja, bitte um Vorlage des Mietvertrages. 2. Lt. Beilage zur Arbeitnehmerveranlagung 2007 begann die Entsendung nach Frankreich mit dem und wird voraussichtlich am enden. Bitte um Vorlage des Entsendungsvertrages. Wo werden Herr Dr. Bw. u. Gattin nach Ablauf der Entsendung wohnhaft sein? 3. Welche Art von Unterkunft bewohnt Herr Dr. Bw. samt Familie in Frankreich (Haus od. Wohnung)? Auf welche Dauer wurde die Unterkunft gemietet? Bitte um Vorlage des Miet- oder Kaufvertrages? 4. Auf welches Kreditinstitut wird das Gehalt von Dr. Bw. überwiesen?"
In Beantwortung des Ergänzungsersuchens wird eine Kopie der ersten Seite des Entsendungsvertrages, eine Kopie der französischen Steuererklärung, die im Anhang 1 Angaben zur Mietwohnung in Paris enthält (190m²), sowie eine Bestätigung von Stb.2, dass Herr Bw. gemäß Artikel 4 des Doppelbesteuerungsabkommens Frankreich-Österreich in Frankreich ansässig sei, vorgelegt.
Weiters wird ausgeführt, Herr Dr. Bw. habe das Haus in Adr.1 ab der Entsendung nicht vermietet. Das Ehepaar S. werde nach Beendigung der Entsendung nach Frankreich voraussichtlich wieder in das Haus in Adr.1, zurückkehren.
Herr Bw. wohne in Adr.2, Frankreich, in einer Mietwohnung.
Die Gehaltszahlungen würden auf das Konto 00. bei der Raiffeisenbank Adr.3 überwiesen.
Der Bw. sei am zusammen mit seiner Gattin und seiner Tochter nach Frankreich übersiedelt und sei in Frankreich ansässig geworden. Der erwachsene Sohn besuche die Wirtschaftsuniversität Wien und sei in Österreich geblieben.
In Frankreich habe der Bw. die Position des Vorstandsvorsitzenden der F.. übernommen. Der Entsendungsvertrag sei gemäß dem Beschluss der Hauptversammlung zur Bestellung zum Vorstand in Frankreich bis zum vorerst befristet worden. Die Bestellung und damit die Tätigkeit in Frankreich könne aber verlängert werden und den Zeitraum von 5 Jahren überschreiten.
Gemäß Randzahl 7596 der EStR 2000 sei für Entsendungszeiträume zwischen zwei und fünf Jahren die steuerliche Ansässigkeit anhand der besonderen Umstände des Einzelfalles zu beurteilen.
Es werde die Bestätigung von Stb.2, dass der Bw. in Frankreich ansässig sei, übermittelt.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde über die Berufung entschieden, der Bescheid abgeändert und zur Begründung wie folgt ausgeführt:
1. Der der Berufung vom (eingelangt am ) beigelegte Lohnzettel für den Zeitraum 1.3. - sei im Rahmen der Berufungsvorentscheidung berücksichtigt worden.
2. Die Erledigung weiche vom Begehren des Bw. aus folgenden Gründen ab: Der Antrag die für die Tätigkeit in Frankreich erzielten Einkünfte in Höhe von € 162.269,44 mangels Ansässigkeit in Österreich nicht dem Progessionsvorbehalt zu unterziehen werde als unbegründet abgewiesen. Strittig sei, ob die Republik Österreich die Bezüge für eine in Frankreich ausgeübte Tätigkeit in Österreich unter Progressionsvorbehalt berücksichtigen dürfe. Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 seien natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hätten, mit allen in- und ausländischen Einkünften (unabhänigig vom Ort des Zuflusses) unbeschränkt steuerpflichtig. Entsprechend der Vorhaltsbeantwortung vom habe der Bw. das Haus in Adr.1 ab der Entsendung nicht vermietet. Eine Abfrage im zentralen Melderegister habe ergeben, dass der Bw. ab bis den Hauptwohnsitz und ab in Adr.1 einen Nebenwohnsitz gemeldet hatte. Damit liege ein Wohnsitz in Österreich vor. Laut Vorhalt sei der Bw. am mit seiner Gattin und seiner Tochter A. nach Frankreich übersiedelt. Er bewohne in Paris eine Mietwohnung. Dies führe zu einem weiteren Wohnsitz in Frankreich. Im Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich - Österreich sei in Art. 4 (2) geregelt, dass wenn jemand in 2 Vertragsstaaten einen Wohnsitz inne habe, für die Zuordnung welcher Staat als Ansässigkeits- oder als Quellstaat zu qualifizieren sei die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen maßgebend seien (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Bei kurzfristigen Auslandsaufenthalten (im Ausland von weniger als 2 Jahren) werde idR davon auszugehen sein, dass keine Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen in das Ausland erfolge. Bei länger als 5 Jahre dauernden Aufenthalten im Ausland werde hingegen die äußere Vermutung für die Verlegung des Mittelpunktes der Lebensinteressen in das Ausland sprechen, wenn auch der Ehegatte und die haushaltszugehörigen Kinder in das Ausland übersiedelten.
Im gegenständlichen Fall sei aus folgenden Gründen von keiner Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen nach Frankreich auszugehen:
a) Befristeter Auslandseinsatz Die Entsendung nach Frankreich erfolge für den Zeitraum bis zum . Das bestehende Dienstverhältnis in Österreich werde durch den Auslandseinsatz nicht unterbrochen.
b) Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes Das Haus in Adr.1 werde beibehalten und sei auch nicht vermietet. Alle nach Frankreich übersiedelten Personen, der Bw., seine Gattin und seine Tochter seien laut Abfrage beim zentralen Melderegister ab dem bei diesem Haus als Nebenwohnsitz gemeldet. Vorher seien diese Personen mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen. In der Vorhaltsbeantwortung werde ausgeführt, dass das der Bw. und seine Gattin nach Beendigung der Entsendung nach Frankreich voraussichtlich wieder in das Haus in Adr.1, zurückkehren werde.
c) Der Sohn des Bw. (geb. 01.) sei in Österreich verblieben Er studiere an der Wirtschaftsuniversität.
d) Mit Kaufvertrag vom habe der Bw. in Adr.4 eine Eigentumswohnung angekauft Die Eigentumswohnung werde vom Sohn des Bw. als Hauptwohnsitz bewohnt. Der Bw. habe in Österreich ein Haus und eine Eigentumswohnung in seinem Eigentum, in Frankreich bewohne ein Teil der Familie nur eine Mietwohnung.
e) Die Gehaltszahlungen würden auf das Konto 00. der Raiffeisenbank Adr.3 in Österreich überwiesen.
f) Für die nach Frankreich übersiedelte Tochter sei bis zum heutigen Tag die österreichische Familienbeihilfe zur Auszahlung gelangt. Grund für die weitere Auszahlung sei, dass die Beihilfenbezieherin, die Ehefrau des Bw., im Ersuchen um Ergänzung am folgendes mitgeteilt habe: Seit Ende August 2007 lebten ihre Tochte und sie in Paris, voraussichtlich dauere es noch bis Mitte 2010. Genaueres könne man noch nicht sagen, da der Aufenthalt vom Job ihres Mannes abhänge. Die Tochter des Bw. werde nach der Matura in Österreich studieren. Die Matura soll bereits im Juni/Juli 2009 in Frankreich abgelegt worden sein.
Der UFS führe in einer Entscheidung vom (RV/1045-W/06) betreffend Doppelbesteuerungsabkommen USA - Österreich aus, dass aufgrund der gegebenen Verhältnisse - ausdrückliche Befristung des Auslandseinsatzes, Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes, Zahlung des Gehaltes auf ein inländisches Bankkonto - nicht davon auszugehen wäre, dass der Bw. im Streitjahr die engeren wirtschaftlichen und auch persönlichen Beziehungen zu den USA unterhalte. Vielmehr sei der Schluss nahe gelegen, dass diese Beziehungen nur gegenwartsbezogen sind und in naher Zukunft wieder abgebaut würden.
Aufgrund der oben angeführten Tatbestände sei umso mehr von keiner Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen i.S.d. Art. 4 (2) DBA Frankreich im Jahr 2007 auszugehen.Österreich verbleibe als Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht, eingeschränkt nach Art. 23 (2) lit. a i.V.m. lit. c mit Berücksichtigung unter Progressionsvorbehalt.
Mit Schriftsatz vom brachte der Bw. "Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 vom " ein und stellte damit im Ergebnis einen Vorlageantrag; darin wird wie folgt ausgeführt:
"Der Bescheid wird in folgenden Punkten angefochten: Berücksichtigung der in Frankreich steuerpflichtigen Bezüge in Höhe von EUR 162.269,44 im Progressionsvorbehalt (KZ 440).
Folgende Änderungen werden beantragt: Die in Frankreich steuerpflichtigen Bezüge in Höhe von EUR 162.269,44 sollen nicht bei der Veranlagung für 2007 im Progressionsvorbehalt (KZ 440) berücksichtigt werden.
Begründung: Wie der beigelegten Kopie der Bestätigung des zuständigen französischen Finanzamtes zu entnehmen ist, werde ich aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens als in Frankreich ansässig angesehen. Gemäß RZ 7596 der Einkommensteuer-Richtlinien, letzter Satz, stellt die von einer ausländischen Steuerverwaltung ausgestellte Ansässigkeitsbescheinigung ein gewichtiges Indiz für die Ansässigkeitsverlagerung in das Ausland dar.
Wenn ich in Frankreich ansässig bin, dürfen die ab dem Beginn der Tätigkeit in Frankreich steuerpflichtigen Bezüge nicht in Österreich im Progressionsvorbehalt berücksichtigt werden.
Ich ersuche daher die Veranlagung für 2007 wie oben beantragt durchzuführen."
Über die Berufung wurde erwogen:
1.) Der Unabhängige Finanzsenat hat folgenden Sachverhalt als erwiesen angenommen:
A) Die Entsendung des Bw. nach Frankreich erfolgt für den Zeitraum bis zum . Es handelt sich damit um einen befristeten Auslandseinsatz. Im Entsendungsvertrag, abgeschlossen zwischen der F1. und dem Bw., wird dazu wie folgt ausgeführt: " ... 1. Zeitliche Erstreckung und Arbeitsort 1.1. Der Dienstnehmer wird vom bis zum zur Gesellschaft F.. in Frankreich entsandt. 1.2. Arbeitsort: Sämtliche Niederlassungen der F.., bis auf weiteres ist der Einsatz am Standort Paris vorgesehen. ..."
B) Das bestehende Dienstverhältnis in Österreich wird durch den Auslandseinsatz nicht unterbrochen. Im angeführten Entsendungsvertrag ist dazu Folgendes zu ersehen: " ... Zwischen der Gesellschaft und dem Dienstnehmer besteht ein aufrechtes, ungekündigtes Dienstverhältnis, welchem der Anstellungsvertrag vom zugrunde liegt. Mit vorliegendem Vertrag wird dieser Anstellungsvertrag für die Dauer der nachstehend spezifizierten Tätigkeit in Frankreich (Entsendung) ergänzt. Bei Überschneidungen gelten für die Dauer der Entsendung die Regelungen dieser Entsendungsvereinbarung. Nach Beendigung der Entsendung gelten wieder ausschließlich die Bestimmungen und Konditionen des Anstellungsvertrages vom . Das bestehende Dienstverhältnis in Österreich wird durch den Auslandseinsatz nicht unterbrochen. ..."
C) Der Bw. ist zusammen mit seiner Gattin und seiner minderjährigen Tochter nach Frankreich übersiedelt. Der volljährige Sohn studiert in Wien und ist in Österreich geblieben (siehe Vorhaltsbeantwortung vom , Akt S 39).
D) Der inländische Wohnsitz des Bw. wird beibehalten. In der Vorhaltsbeantwortung vom 1. Juli wird dazu ausgeführt: "Der Bw. hat das Haus in Adr.1 ab der Entsendung nicht vermietet. Das Ehepaar S. wird nach Beendigung der Entsendung nach Frankreich voraussichtlich wieder in das Haus in Adr.1, zurückkehren." Laut Zentralem Melderegister bestand für den Bw., seine Gattin und seine Tochter bis eine Hauptwohnsitz-Meldung für die angeführte Adresse, ab dem eine Nebenwohnsitz-Meldung.
E) Die Gehaltszahlungen werden auf das Konto 00. bei der Raiffeisenbank Adr.3 überwiesen (siehe Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom , Akt, S 38).
F) Der Bw. legte in der Beilage zum Vorlageantrag eine von der Steuerverwaltung Frankreichs ausgestellte Ansässigkeitsbescheinigung vor, in der ausdrücklich eine Ansässigkeit im Sinn des Doppelbesteuerungsabkommens bestätigt wird: "Certificat L'agent, ... des impòts soussigné, certifie que Monsieur Bw. déposé une déclaration des revenus 2007 auprès du centre des impóts de Centre des Impóts de P. Adr.5. Cette déclaration a été déposée au titre de l'année 2007, pour la période du 1er janvier 2007 au 31 décembre 2007 en qualité de: resident fiscal francais au sens de la convention signée entre la France et l'Autriche. A P., le " (siehe Akt, S 67).
G) Die österreichische Familienbeihilfe für die nach Frankreich übersiedelte Tochter gelangte bis laufend zur Auszahlung. Als Grund für die weitere Auszahlung wird vom Finanzamt angeführt, dass die Beihilfenbezieherin, die Frau des Bw., in Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom Folgendes mitteilte: "Seit Ende August 2007 leben meine Tochter und ich in Paris, voraussichtlich dauert es noch bis Mitte 2010. Genauers kann man noch nicht sagen, da der Aufenthalt vom Job meines Mannes abhängt. A. wird nach der Matura in Österreich studieren" (siehe Akt, S 57).
2.) Der Sachverhalt war wie folgt rechtlich zu würdigen:
Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt haben, mit allen in- und ausländischen Einkünften (unabhängig vom Ort des Zuflusses) unbeschränkt steuerpflichtig.
Gemäß § 26 Abs. 1 BAO hat eine Person ihren Wohnsitz dort, wo sie eine Wohnung innehat, unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass sie diese Wohnung beibehalten und benutzen wird. Der Wohnsitzbegriff ist an keine bestimmte rechtsgeschäftliche Form gebunden, sondern knüpft an die tatsächliche Gestaltung der Lebensumstände. Auch ein ständiger Inlandsaufenthalt ist für die Wohnsitzbegründung nicht notwendig, solange die Verfügungsmacht über Räumlichkeiten besteht, die zum Wohnen geeignet sind. Bleibt eine Wohnung während des Auslandsaufenthaltes vollständig eingerichtet, wird sie unbewohnt zurückgelassen und auch nicht vermietet, ist davon auszugehen, dass der inländische Wohnsitz beibehalten worden ist.
Unstrittig ist, dass der Berufungswerber in Österreich über einen Wohnsitz verfügt, den er für die Dauer seiner Auslandsentsendung auch beibehalten hat. Nach der auf OECD-Ebene akkordierten Meinung (Art. 4 Z 15 OECD-Kommentar zum Musterabkommen) ist das Beibehalten der Wohnstätte im Entsendestaat als Indiz dafür anzusehen, dass der Mitarbeiter den Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht in den anderen Staat verlagert hat.
Aufgrund der gegebenen Verhältnisse ist daher vorläufig davon auszugehen, dass der Berufungswerber im Streitjahr in Österreich ansässig und damit in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig war.
In weiterer Folge ist daher zu prüfen, ob das österreichische Besteuerungsrecht an den nichtselbständigen Einkünften des Berufungswerbers durch das DBA Frankreich eingeschränkt wird.
Gemäß Art. 15 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen BGBl 1994/613 dürfen vorbehaltlich der Art. 16, 17, 18, 19 und 20 Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden.
Gemäß Art. 15 Abs. 2 DBA Frankreich dürfen Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person für eine im anderen Vertragsstaat ausgeübte unselbständige Tätigkeit bezieht, nur im erstgenannten Staat besteuert werden, wenn
1. der Empfänger sich im anderen Staat insgesamt nicht länger als 183 Tage während eines zwölf aufeinanderfolgende Monate nicht übersteigenden Zeitraumes aufhält und
2. die Vergütungen von einem oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht im anderen Staat ansässig ist, und
3. die Vergütungen nicht von einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung getragen werden, die der Arbeitgeber im anderen Staat hat.
Nach der revidierten Fassung des Musterabkommens 1992 (wie sie auch im DBA-Frankreich eingeführt wurde) muss nun der tatsächliche Aufenthalt von mehr als 183 Tagen in irgendeinen Zwölfmonatszeitraum fallen, wobei dieser zwischen zwei Steuer- bzw. Kalenderjahren frei verschiebbar ist.
Das Besteuerungsrecht für die Vergütungen, die innerhalb des Zeitraumes bis auf die in Frankreich ausgeübte Tätigkeit entfallen, kommt Frankreich zu, weil sich der Berufungswerber innerhalb eines Zwölfmonatszeitraums an insgesamt mehr als 183 Tagen dort aufgehalten hat.
Unterhält - wie im gegenständlichen Fall der Bw. - eine Person in beiden Vertragsstaaten einen Wohnsitz beziehungsweise eine ständige Wohnstätte, entscheiden in weiterer Folge die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, also der Mittelpunkt der Lebensinteressen im Sinne des Art. 4 Abs. 2 DBA Frankreich, welcher Staat als Ansässigkeits- und welcher als Quellenstaat zu qualifizieren ist.
Gemäß Artikel 4 Abs. 1 DBA Frankreich bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragsstaat ansässige Person" eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthaltes, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist.
Ist nach Abs. 1 eine natürliche Person in beiden Vertragsstatten ansässig, so gilt gemäß Abs. 2 des Art 4 leg. cit. Folgendes:
a) Die Person gilt in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt; vefügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie in dem Staat als ansässig, zum dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen);
b) kann nicht bestimmt werden, in welchem Staat die Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Staat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Da der Bw. laut eigener Angabe das Haus in Adr.1 ab der Entsendung nicht vermietet hat und laut Auskunft des Zentralen Melderegisters des Bundesministeriums für Inneres der Bw. ab dem seinen Nebenwohnsitz in Adr.1 hat und der Bw. laut Schreiben vom für die Zeit seiner Entsendung nach Frankreich eine Wohnung in Adr.2 gemietet hat, verfügte der Bw. im zweiten Halbjahr 2007 in Österreich und in Frankreich über eine ständige Wohnstätte.
Bei der Klärung der Frage, wo sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Berufungswerbers befindet, ist das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse entscheidend, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Darunter sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz innehat. Die stärkste persönliche Beziehung besteht im Regelfall zu dem Ort, an dem jemand regelmäßig mit seiner Familie lebt. Daraus folgt, dass der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse einer verheirateten Person regelmäßig am Ort des Aufenthaltes ihrer Familie zu finden sein wird (siehe ).
Die Verwaltungspraxis (siehe EStR 2000, Rz 7596) geht für die Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensinteressen von folgender Rechtsansicht aus:
"Bei kurzfristigen Auslandsaufenthalten (im Ausmaß von weniger als zwei Jahren) wird in der Regel davon auszugehen sein, dass keine Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen in das Ausland erfolgt. Bei länger als fünf Jahre dauernden Aufenthalten im Ausland wird hingegen die äußere Vermutung für die Verlegung des Mittelpunktes der Lebensinteressen in das Ausland sprechen, wenn auch der Ehegatte und die haushaltszugehörigen Kinder in das Ausland übersiedeln. Für Zeiträume dazwischen wird die Frage im Einzelfall an Hand der besonderen Umstände des Einzelfalles zu klären sein. Das Vorliegen einer von der Steuerverwaltung des DBA-Partnerstaates ausgestellten Ansässigkeitsbescheinigung (in der ausdrücklich eine Ansässigkeit im Sinn des Doppelbesteuerungsabkommens bestätigt wird) stellt ein gewichtiges Indiz für die Anerkennung der Ansässigkeitsverlagerung in das Ausland dar (ständige Verwaltungspraxis im Verständigungsverfahren)."
Ein wesentliches Indiz für die Verlagerung der Ansässigkeit nach Frankreich ab dem ist die Übersiedlung des Bw. mit seiner Familie - mit Gattin und der minderjährigen Tochter - nach Frankreich. Dem Umstand dass der Sohn des Bw. nicht auch übersiedelt ist, kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu, da dieser zum Zeitpunkt der Übersiedlung bereits volljährig war und seinen Wohnsitz, schon vor der Übersiedlung der Familie nach Frankreich, für die Aufnahme eines Studiums nach Wien verlagert hat.
Ein weiteres wesentliches Indiz für die Verlagerung der Ansässigkeit des Bw. ab dem nach Frankreich ist die Ansässigkeitsbestätigung des DBA-Partnerstaates Frankreich, in der ausdrücklich eine Ansässigkeit im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens Frankreich Österreich bestätigt wird.
Jenen Indizien, die für eine Ansässigkeit des Bw. auch nach dem in Österreich sprechen - nämlich der Nichtvermietung des aufrechten Wohnsitzes in Österreich, dem ungekündigten Dienstvertrag und der Befristung des Auslandsaufenthaltes - kommt demgegenüber nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates ein geringeres Gewicht zu.
Aufgrund des gegebenen Sachverhaltes war davon auszugehen, dass der Bw. bereits ab dem die engeren wirtschaftlichen und auch persönlichen Beziehungen zu Frankreich unterhält. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bw. ist daher ab dem in Frankreich anzunehmen und sind die französischen Einkünfte in der Folge in Österreich von der Besteuerung auszunehmen.
Da ein unterjähriger Wechsel des Mittelpunktes der Lebensinteressen möglich ist, ergibt es sich, dass im Streitjahr 2007 Frankreich ab dem als Wohnsitz- beziehungsweise Ansässigkeitsstatt anzusehen ist und die für die Tätigkeit in Frankreich erzielten nichtselbständigen Bezüge in Österreich nicht besteuert werden dürfen.
Beilage : 1 Berechnungsblatt
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 26 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 Art. 15 Abs. 1 DBA F (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 613/1994 Art. 4 Abs. 1 DBA F (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 613/1994 Art. 4 Abs. 2 DBA F (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 613/1994 |
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