Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 10.02.2009, RV/1348-L/08

Allfälliges Verschulden der Abgabenbehörde/des Abgabepflichtigen am Zustandekommen einer Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuernachforderung ist für die Anspruchsverzinsung ebenso irrelevant wie eine allfällige Verletzung des Treu- und Glaubensgrundsatzes (Vertrauensschaden). Anspruchszinsenberechnungszeitraum endet abgesehen von Fällen iSd. § 250 Abs. 2 BAO grundsätzlich nicht mit dem Tag der Erlassung des Stammabgabenbescheides, sondern mit dem der Bekanntgabe (§ 97 Abs. 1 BAO) des Stammabgabenbescheides vorangehenden Tag.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., wohnhaft in X, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom betreffend Festsetzung von Anspruchszinsen 2006 in Höhe von 539,59 Euro (§ 205 BAO) entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Anspruchszinsen 2006 zum Einkommensteuerbescheid 2006 vom werden auf Basis nachstehender Berechnungsgrundlagen in Höhe von 546,47 Euro festgesetzt:


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Zeitraum
Differenz- betrag (€)
entrichtete Anzahlung
Bemessungs-grundlage (€)
Anzahl Tage
Tages-zinssatz (%)
Zinsen (€)
-
11.026,46
0,00
11.026,46
282
0,0142
441,54
-
11.026,46
0,00
11.026,46
61
0,0156
104,93
Abgabenschuld
546,47 €

Die Fälligkeit des mit dieser Entscheidung festgesetzten Abgabenmehrbetrages ist aus der Buchungsmitteilung zu ersehen.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.), ein deutscher Staatsbürger, zog im Februar 2002 nach Österreich zu und wohnte zunächst, ehe er seinen Hauptwohnsitz Ende August 2007 an obige aktuelle Adresse verlegte, mehrere Jahre in Y.

Im August 2008 reichte der Bw. bei seinem Wohnsitzfinanzamt elektronisch eine Einkommensteuererklärung für 2006 ein und erklärte damit für diesen Veranlagungszeitraum unter Bekanntgabe von "zwei" bezugsauszahlenden Stellen einerseits lohnsteuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von einem inländischen Arbeitgeber (lt. elektronischer Lohnzetteldatenübermittlung Nettoeinkünfte von der Fa. A für den Bezugszeitraum 1. Jänner bis in Höhe von 12.943,88 €) und andererseits Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ohne Lohnsteuerabzug (Kennzahl 762) in Höhe von 38.937,00 €. Zur näheren Erläuterung der unter KZ 762 offen gelegten Einkünfte übermittelte der Abgabepflichtige dem Wohnsitzfinanzamt ergänzend folgende Unterlagen:

->Gehaltsabrechnungen der Firma deutscheGmbH per Adresse D-PLZ NN für die Monate Mai bis Dezember 2006

->Jahreslohnsteuerbescheinigung der Firma deutscheGmbH für 2006 datiert mit

->Schreiben des bayrischenFinanzamtes an den Bw. vom betreffend Unterlagennachreichung für die dortige Einkommensteuerveranlagung 2006.

Aus diesen Beilagen geht hervor, dass der Bw. von Mai bis Dezember 2006 bei einer deutschen Arbeitgeberin in Bayern grenznah zu Österreich beschäftigt war, und dass die diesbezüglichen Auslandsbezüge seinerzeit laufend der deutschen Lohnsteuer (insgesamt 10.006,57 €) unterworfen wurden.

Mit Bescheid vom führte das Wohnsitzfinanzamt beim Bw. die Einkommensteuerveranlagung für 2006 durch und setzte damit die Einkommensteuer für dieses Jahr auf Basis eines ermittelten Einkommens von 46.573,55 € mit 11.026,46 € fest. Da für den Veranlagungszeitraum 2006 keine Einkommensteuervorauszahlungen festgesetzt gewesen waren, kam es mit diesem Veranlagungsbescheid gleichzeitig zur Vorschreibung einer Einkommensteuernachforderung in Höhe von 11.026,46 €. Aus den Bescheiddaten ist ersichtlich, dass dieser Einkommensermittlung für 2006 neben den lohnsteuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Monate Jänner bis April 2006 (12.943,88 €) auch die deutschen Lohneinkünfte des Bw. der Monate Mai bis Dezember 2006 (lt. vorgelegter Unterlagen brutto 40.053,00 € abzüglich Pflichtbeiträge iHv. 6.248,49 €) zugrunde gelegt wurden. Außerdem wurde bei der Einkommensteuerberechnung auch der Grenzgängerabsetzbetrag mit 54,00 € (§ 33 Abs. 5 Z 3 EStG 1988) berücksichtigt. Angesichts dieser Bescheidgrundlagen ist das Finanzamt für den Veranlagungszeitraum 2006 somit von unbeschränkter Steuerpflicht des Bw. in Österreich (Erfassung des Welteinkommens) ausgegangen, und hat dabei den Bw. hinsichtlich seiner deutschen Lohnbezüge der Monate Mai bis Dezember 2006 abweichend zur bisherigen deutschen Vorgangsweise als österreichischen Grenzgänger nach Deutschland mit Folge des alleinigen Besteuerungsrechts für diese Auslandsbezüge qualifiziert (Artikel 15 Abs. 6 DBA Ö-BRD 2000 iVm. Punkt 8 des Zusatzprotokolls), weil dieser damals in Y grenznah zu Deutschland wohnte (Entfernung zur Grenze 30 km) und im bayrischen NN grenznah zu Österreich (Entfernung zur Grenze rund 4 km) arbeitete.

Mit weiterem Bescheid gleichfalls vom wurden dem Bw. auch Anspruchszinsen 2006 von der Einkommensteuernachforderung für 2006 in Höhe von 539,59 € wie folgt vorgeschrieben:


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Zeitraum
Differenz- betrag (€)
entrichtete Anzahlung
Bemessungs-grundlage (€)
Anzahl Tage
Tages-zinssatz (%)
Zinsen (€)
-
11.026,46
0,00
11.026,46
282
0,0142
441,54
-
11.026,46
0,00
11.026,46
57
0,0156
98,05
Abgabenschuld
539,59 €

Am erhob der Abgabepflichtige gegen den Anspruchszinsenbescheid 2006 "Einspruch" und brachte dabei in diesem als Berufung zu wertenden Schriftsatz vor, dass er die konkrete Zinsenfestsetzung als ungerechtfertigt empfinde, weil er sich schon vor Aufnahme seiner unselbständigen Beschäftigung in Deutschland ausdrücklich mehrfach telefonisch beim inländischen Wohnsitzfinanzamt, beim zuständigen deutschen Finanzamt und auch beim Steuerberater der deutschen Arbeitgeberin erkundigt hätte, wo die künftigen deutschen Lohnbezüge zu versteuern seien, und ihm dabei einhellig die Auskunft der Bezugsbesteuerung in Deutschland erteilt worden wäre. Von den deutschen Lohnbezügen der Monate Mai bis Dezember 2006 wäre in der Folge auskunftsgemäß deutsche Lohnsteuer einbehalten und abgeführt worden. Anlässlich der im Jahr 2008 durchgeführten Einkommensteuerveranlagung für 2006 sei das Wohnsitzfinanzamt nun im Nachhinein von seiner damals erteilten Rechtsauskunft abgegangen und habe diese Auslandsbezüge mit Folge der aktenkundigen Einkommensteuernachforderung für 2006 in die inländischen Besteuerungsgrundlagen einbezogen. Da die zinsenanspruchsbegründende Einkommensteuernachforderung für 2006 vorbringensgemäß somit in einer nachträglich als unrichtig erkannten Rechtsauskunft der zuständigen Abgabenbehörde, im Ergebnis also in einem ausschließlich der Behördensphäre zuzurechnenden Fehler begründet liege, werde daher beantragt, den angefochtenen Zinsenbescheid ersatzlos aufzuheben.

Mit Berufungsvorentscheidung vom gab das Finanzamt diesem Rechtsmittel unter Anführung der fallbezogen maßgeblichen Passagen des § 205 BAO keine Folge und führte ergänzend dazu in der Entscheidungsbegründung noch an, dass jede Abgabennachforderung bzw. -gutschrift gegebenenfalls einen Anspruchszinsenbescheid auslöse, und dabei zwischen Nachforderung bzw. Gutschrift des Stammabgabenbescheides und Zinsenbescheid Bindungswirkung bestehe.

Am stellte der Abgabepflichtige dagegen fristgerecht einen wiederum als "Einspruch" bezeichneten Antrag auf Berufungsvorlage an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. In diesem Vorlageantrag releviert der Bw. ergänzend zu bisher auch Begründungsmängel, weil es der abweisenden Berufungsvorentscheidung behauptungsgemäß an jeglicher inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem konkreten Rechtsmittelvorbringen fehle, und ersucht daher unter Aufrechthaltung des Berufungsbegehrens für den fortgesetzten Rechtsgang insbesondere um eine nachvollziehbare Entscheidungsbegründung. Außerdem möge bei der zweitinstanzlichen Entscheidungsfindung berücksichtigt werden, dass er das Wohnsitzfinanzamt seinerzeit bei Einholung der telefonischen Rechtsauskunft betreffend Auslandsbezugsbesteuerung sogar ausdrücklich um Ausstellung einer entsprechenden schriftlichen Bestätigung ersucht, er eine solche aber nicht erhalten hätte. Sein schon damals gewonnener Eindruck des Nichteinstehenwollens der Behörde für erteilte Rechtsauskünfte habe sich jüngst wiederum bestätigt, als ihm ein Finanzamtsmitarbeiter über entsprechende Anfrage erklärt hätte, dass unrichtige telefonische Rechtsauskünfte der Abgabenbehörde vorkommen könnten, sich daraus aber keine Haftungsfolgen für die Behörde ergäben.

Mit Schreiben vom ersuchte das Finanzamt den Bw. mit der Begründung, dass die Anspruchsverzinsung verschuldensunabhängig, und damit gegenständliches, auf einen Behördenfehler abzielendes Berufungsvorbringen nicht erfolgversprechend sei, um Rechtsmittelzurücknahme und verwies dazu auf die Gesetzesmaterialien zu § 205 Bundesabgabenordnung (BAO), auf einschlägige Rechtsprechung des Unabhängigen Finanzsenates und auf den diesem Schreiben beigelegt gewesenen Anspruchszinsenerlass des BM für Finanzen vom . Dieser behördlichen Anregung kam der Rechtsmittelwerber in der Folge nicht nach, weshalb die Anspruchszinsenberufung antragsgemäß dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt wurde.

Im Zuge des zweitinstanzlichen Berufungsverfahrens nahm die verfahrensführende Referentin am telefonisch Kontakt zum Bw. auf und informierte diesen dabei unter Darlegung der maßgeblichen Gründe erneut von der Aussichtslosigkeit gegenständlicher Berufung sowie darüber, dass es aus Anlass der ergehenden Berufungsentscheidung voraussichtlich wegen Ausdehnung des Anspruchszinsenberechnungszeitraumes zu einer Verböserung kommen werde, weil im angefochtenen Bescheid Anspruchszinsen nur bis zur Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2006 () anstatt gesetzeskonform bis zur Bekanntgabe dieses Grundlagenbescheides vorgeschrieben worden wären. Da der Einkommensteuerbescheid 2006 aktenkundig ohne Zustellnachweis zur Versendung gekommen ist, wurde der Bw. anlässlich des erwähnten Telefonates auch um Bekanntgabe des diesbezüglichen Zustelldatums ersucht. Dazu erklärte dieser, dass es seinerseits zwar keine Aufzeichnungen zum Zustelldatum des konkreten Abgabenbescheides gäbe, bei der in Aussicht gestellten Zinsenneuberechnung aber aufgrund Datierung und Einbringung der Zinsenberufung je mit (Dienstag) vom (Montag) als Bescheidzustelldatum ausgegangen werden könne.

Über die Berufung wurde erwogen:

Die für den Berufungsfall primär relevante Bestimmung des § 205 der Bundesabgabenordnung (BAO) lautet in ihrer hier maßgeblichen Fassung des BudgetbegleitG 2001, BGBl I 2000/142, und AbgabenänderungsG 2004, BGBl I 2004/180, wie folgt:

(1) Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, sind für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge ausa) Aufhebungen von Abgabenbescheiden,b) Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt,c) auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.

(2) Die Anspruchszinsen betragen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz.Anspruchszinsen, die den Betrag von 50,00 € nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen.

(3) Der Abgabepflichtige kann, auch wiederholt, auf Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer Anzahlungen dem Finanzamt bekannt geben. Anzahlungen sowie Mehrbeträge zu bisher bekannt gegebenen Anzahlungen gelten für die Verrechnung nach § 214 am Tag der jeweiligen Bekanntgabe als fällig. Wird eine Anzahlung in gegenüber der bisher bekannt gegebenen Anzahlung verminderter Höhe bekannt gegeben, so wirkt die hieraus entstehende, auf die bisherige Anzahlung zu verrechnende Gutschrift auf den Tag der Bekanntgabe der verminderten Anzahlung zurück. Entrichtete Anzahlungen sind auf die Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuerschuld höchstens im Ausmaß der Nachforderung zu verrechnen. Soweit keine solche Verrechnung zu erfolgen hat, sind die Anzahlungen gutzuschreiben; die Gutschrift wird mit Bekanntgabe des im Abs. 1 genannten Bescheides wirksam. Mit Ablauf des Zeitraumes des Abs. 2 dritter Satz sind noch nicht verrechnete und nicht bereits gutgeschriebene Anzahlungen gutzuschreiben.

(4) Die Bemessungsgrundlage für Anspruchszinsen zu Lasten des Abgabepflichtigen (Nachforderungszinsen) wird durch Anzahlungen in ihrer jeweils maßgeblichen Höhe vermindert. Anzahlungen (Abs. 3) mindern die Bemessungsgrundlage für die Anspruchszinsen nur insoweit, als sie entrichtet sind.

(5) Differenzbeträge zu Gunsten des Abgabepflichtigen sind nur insoweit zu verzinsen (Gutschriftszinsen), als die nach Abs. 1 gegenüberzustellenden Beträge entrichtet sind.

(6) Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Anspruchszinsen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als der Differenzbetrag (Abs. 1) Folge eines rückwirkenden Ereignisses (§ 295a) ist und die Zinsen die Zeit vor Eintritt des Ereignisses betreffen.

Aus § 205 Abs. 1 BAO ergibt sich, dass Anspruchszinsen (Nachforderungszinsen und Gutschriftszinsen) für Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer festzusetzen sind, die sich aus Abgabenbescheiden nach Gegenüberstellung mit geleisteten Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, somit für aus solchen Steuerbescheiden resultierende Abgabennachforderungen und Abgabengutschriften.

Nach Intention des Gesetzgebers des BudgetbegleitG 2001, mit dem § 205 in die Bundesabgabenordnung eingefügt wurde, sollen die Anspruchszinsen (mögliche) Zinsvorteile bzw. Zinsnachteile ausgleichen, die sich für Abgabepflichtige dadurch ergeben, dass der Abgabenanspruch für eine bestimmte Abgabe immer zur selben Zeit entsteht (z.B. für die veranlagte Einkommensteuer 2006 gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 BAO mit Ablauf des Jahres 2006), die Abgabenfestsetzungen jedoch zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen (Gesetzesmaterialien zu § 205 BAO, 311 Beilagen, XXI. GP, S. 196). § 205 BAO knüpft somit in typisierender Betrachtung allein an die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen bzw. Zinsnachteilen an, setzt also nicht voraus, dass im Einzelfall tatsächlich Zinsen (etwa durch günstige Geldanlage) lukriert wurden.

Zur Höhe der Anspruchszinsen bestimmt § 205 Abs. 2 erster Satz BAO, dass die Anspruchszinsen an den variablen Basiszinssatz gekoppelt sind und pro Jahr 2 Prozentpunkte über dem jeweils geltenden Basiszinssatz betragen.

Der Zinsenberechnungszeitraum erstreckt sich gemäß § 205 Abs. 1 BAO vom 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruches folgenden Jahres bis zur Bekanntgabe des zur Nachforderung/Gutschrift führenden Einkommensteuer-(Körperschaftsteuer-)bescheides. Unter Bescheidbekanntgabe ist dabei mit Rücksicht auf § 97 Abs. 1 BAO bei schriftlichen Erledigungen regelmäßig deren Zustellung (§ 97 Abs. 1 lit. a BAO) bzw. bei mündlichen Erledigung deren Verkündung (§ 97 Abs. 1 lit. b BAO) zu verstehen. § 205 Abs. 2 dritter Satz BAO limitiert den Zinsenberechnungszeitraum insofern, als Anspruchszinsen nur für maximal 48 Monate festgesetzt werden dürfen. § 205 Abs. 2 zweiter Satz BAO enthält zudem eine Bagatellgrenze, der zufolge Anspruchszinsen unter 50,00 € nicht festzusetzen sind.

Zur Vermeidung bzw. Minderung von Nachforderungszinsen kann der Abgabepflichtige (auf die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer) Anzahlungen iSd. § 205 Abs. 3 BAO entrichten, wobei der Abgabenanspruch für solche Anzahlungen dem § 4 Abs. 1 BAO zu Folge mit der Bekanntgabe durch den Abgabepflichtigen entsteht. Die Anzahlung ist also eine Abgabe, zu deren Entrichtung jedoch keine Verpflichtung besteht.

§ 252 BAO lautet:(1) Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind.

(2) Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Abgaben-, Mess-, Zerlegungs- oder Zuteilungsbescheid getroffen worden sind, so gilt Absatz 1 leg. cit. sinngemäß.

§ 252 Abs. 2 BAO erfasst ua. Fälle, in denen ein Abgabenbescheid gesetzlich ausdrücklich vorgesehene Grundlage für einen davon abzuleitenden anderen Abgabenbescheid abgibt. Anspruchszinsenbescheide sind Abgabenbescheide, die sich von Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheiden ableiten. Anspruchszinsen sind somit zur festgesetzten Stammabgabe formell akzessorisch, d.h. an die Höhe der im Spruch des zugrunde liegenden Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheides ausgewiesenen Nachforderung gebunden. Diese Bindungswirkung setzt rechtlich voraus, dass der Stammabgabenbescheid (Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheid) rechtswirksam erlassen wurde (vgl. Ritz, BAO-Kommentar³, § 252 Rz. 3) und hat zur Konsequenz, dass Anspruchszinsenbescheide nicht mit Aussicht auf Erfolg mit der Begründung, der zugrunde liegende Einkommensteuer-(Körperschaftsteuer-)bescheid sei inhaltlich rechtswidrig, bekämpft werden können.

Im vorliegenden Fall wurden dem Bw. mit Bescheid vom auf einer Bemessungsgrundlage von 11.026,46 € für den Zeitraum bis Anspruchszinsen 2006 im Betrag von 539,59 € vorgeschrieben, wobei auf die genannte Zinsenbemessungsgrundlage für 282 Tage ( bis ) ein Tageszinssatz von 0,0142% und für die restlichen 57 Tage ( bis ) ein solcher von 0,0156% zur Anwendung kam. Grundlagenbescheid für diese Anspruchszinsenvorschreibung war der ebenfalls am erlassene Einkommensteuerbescheid 2006, mit dem es aktenkundig zu einer Einkommensteuernachforderung iHv. 11.026,46 € deshalb gekommen ist, weil im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2006 auch die ausländischen (deutschen) Einkünfte des Bw. aus nichtselbständiger Arbeit der Monate Mai bis Dezember 2006 in die inländischen Besteuerungsgrundlagen einbezogen wurden, für diesen Veranlagungszeitraum bisher aber keine anrechenbaren Einkommensteuervorauszahlungen festgesetzt gewesen waren.

Mit der am ausschließlich gegen den Anspruchszinsenbescheid 2006 erhobenen Berufung bekämpft der Abgabepflichtige weder die Höhe der konkreten Zinsenvorschreibung noch wird behauptet, dass der dem angefochtenen Zinsenbescheid zugrunde liegende Einkommensteuerbescheid 2006 inhaltlich rechtswidrig sei. Er releviert vielmehr, dass die auf der nachträglichen Geltendmachung des Besteuerungsanspruches für die deutschen Lohneinkünfte basierende Einkommensteuernachforderung 2006 und fußend darauf auch die strittige Anspruchszinsenfestsetzung zu verhindern gewesen wären, wenn das Finanzamt anlässlich der von ihm schon im Vorfeld vor Aufnahme der Beschäftigung bei der deutschen Arbeitgeberin telefonisch eingeholten Auskunft keine unrichtige Rechtsauskunft, nämlich dass die konkrete Bezugsbesteuerung in Deutschland zu erfolgen habe, erteilt, sondern es schon damals die später anlässlich der Einkommensteuerveranlagung 2006 eingenommene Rechtsposition, dass das Besteuerungsrecht für diese Auslandseinkünfte ausschließlich Österreich zukomme, vertreten hätte.

Mit diesem Rechtsmittelvorbringen macht der Bw. inhaltlich also ein Verschulden des Wohnsitzfinanzamtes am Zustandekommen der zinsenanspruchsbegründenden Einkommensteuernachforderung 2006 wegen unrichtig erteilter Rechtsauskunft und zudem sinngemäß auch Verletzung des Treu- und Glaubensgrundsatzes geltend, weil das Finanzamt im Nachhinein von seiner früher erteilten Rechtsauskunft, auf deren Richtigkeit er vertraut und der gemäß er seine steuerlichen Dispositionen getroffen habe, abgegangen sei.

Was den konkreten Verschuldenseinwand betrifft, so kann dieser gegenständlicher Berufung schon deshalb nicht zum erwünschten Erfolg verhelfen, weil es sich bei der Anordnung des § 205 Abs. 1 BAO, dass ua. Differenzbeträge an Einkommensteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für im Gesetz bestimmt umschriebene Zeiträume zu verzinsen sind, um eine verschuldensunabhängige, objektiveRechtsfolge handelt. Dass ein allfälliges Verschulden einer der beteiligten Verfahrensparteien am Zustandekommen einer Einkommen- oder Körperschaftsteuernachforderung im Anwendungsbereich des § 205 BAO unbeachtlich, und daher dem gegenständlichen Verschuldenseinwand aus Anlass dieser Entscheidung auch nicht mehr weiter nachzugehen ist, ergibt sich eindeutig also schon aus dem nicht auf die Gründe für die Steuernachforderung abstellenden Gesetzeswortlaut, war im Übrigen aber auch gesetzgeberischer Wille, da in den Gesetzesmaterialen zu § 205 BAO auszugsweise wie folgt festgehalten ist (311 Beilagen, XXI. GP, S. 196): "Ansprüche auf Anspruchszinsen entstehen unabhängig von einem allfälligen Verschulden des Abgabepflichtigen oder der Abgabenbehörde an einer erst nach dem 1. Oktober des Folgejahres erfolgenden Abgabenfestsetzung bzw. einer solchen in unzutreffender Höhe."

Soweit die Anspruchszinsenfestsetzung dem Berufungsvorbringen sinngemäß folgend offensichtlich auch unter dem Aspekt einer vom Finanzamt zu vertretenden Verletzung des Treu- und Glaubensgrundsatzes für ungerechtfertigt erachtet wird, ist auch damit aus nachstehenden Gründen nichts für eine dem Berufungsbegehren Rechnung tragende Entscheidung zu gewinnen. Außer Streit steht, dass der Grundsatz von Treu und Glauben, dem zufolge jeder, der am Rechtsleben teilnimmt, zu seinem Wort und Verhalten zu stehen hat und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen darf, was er früher vertreten hat, und worauf andere vertraut haben, auch im Abgabenrecht zu beachten ist (; , 0209). Die Anwendung dieses Grundsatzes setzt jedoch einen Vollzugsspielraum voraus, der laut höchstgerichtlicher Rechtsprechung zwar bei Rechtsanwendung im Rahmen der Ermessensübung und auch bei Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, nicht jedoch bei zwingenden Rechtsfolgeanordnungen gegeben ist (ua. ; ; ). Die Anspruchsverzinsung stellt aufgrund des Gesetzeswortlautes "Differenzbeträge an Einkommensteuer sind zu verzinsen" eine bei Verwirklichung der konkreten Tatbestandsvoraussetzungen zwingende Rechtsfolge dar. Da § 205 BAO somit keinen Vollzugsspielraum einräumt, erübrigt sich entscheidungsgegenständlich daher eine weitere Prüfung, ob dem Bw. tatsächlich wie behauptet durch unrichtige oder unvollständige Information des Finanzamtes ein Vertrauensschaden entstanden ist, weil ein solcher im Anwendungsbereich des § 205 BAO unbeachtlich ist und damit selbst bei Zutreffen unberücksichtigt bleiben müsste.

Unstrittig ist, dass der Einkommensteuerbescheid für 2006 zu einer Abgabennachforderung in Höhe von 11.026,46 € geführt, und dass der Bw. auf die Einkommensteuer 2006 keine Anzahlungen iSd. § 205 Abs. 3 BAO geleistet hat. Anhand der Aktenlage ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Einkommensteuerbescheid 2006 allenfalls nicht rechtmäßig erlassen worden wäre. Unter diesen Prämissen war es im vorliegenden Fall daher wegen der bereits oben erwähnten Bindungswirkung rechtmäßig, dass mit dem angefochtenen Zinsenbescheid Anspruchszinsen auf Basis der gesamten Einkommensteuernachforderung 2006 (11.026,46 €) festgesetzt wurden.

Im Hinblick auf §§ 205 Abs. 1 iVm. § 4 Abs. 2 Z 2 BAO ist im Rahmen dieser Entscheidung auch nicht zu beanstanden, dass im bekämpften Bescheid als Beginnzeitpunkt des Zinsenberechnungszeitraumes der herangezogen wurde, da der Abgabenanspruch für die konkret maßgebliche (veranlagte) Einkommensteuer 2006 zuvor mit Ablauf des Jahre 2006 entstanden war.

Soweit mit dem angefochtenen Bescheid jedoch Anspruchszinsen (nur) bis , also bis zum Erlassungsdatum des zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheides 2006, vorgeschrieben wurden, erweist sich dieser allerdings nicht als gesetzeskonform. § 205 Abs. 1 BAO ordnet nämlich ausdrücklich an, dass "Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen sind", und stellt damit nicht auf das Erlassungsdatum des zur Abgabennachforderung/-gutschrift führenden Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuerbescheides, sondern vielmehr auf das Wirksamwerden eines solchen Grundlagenbescheides gegenüber dem Abgabepflichtigen (rechtmäßige Zustellung bei schriftlich ergehenden Bescheiden, Verkündung bei mündlich ergehenden Bescheiden usw.) ab. Aus der Wortfolge "bis zur Bekanntgabe" ist außerdem abzuleiten, dass der Tag der Bescheidbekanntgabe selbst nicht mehr zinsenrelevant ist, die Zinsenberechnung also grundsätzlich (außer bei Zutreffen der 48-Monate-Schranke) mit dem der Bescheidbekanntgabe vorangehenden Tag zu enden hat (in diesem Sinne auch 311 Beilagen, XXI. GP, S. 196).

Der Bw. hat anlässlich des zweitinstanzlichen Berufungsverfahrens über entsprechende Anfrage der Referentin glaubhaft bekannt gegeben, dass er den formlos versendeten Einkommensteuerbescheid 2006 vom am erhalten hat. Mit Rücksicht auf diese Parteiangaben und § 205 Abs. 1 BAO ist somit entscheidungsgegenständlich in Abweichung zum angefochtenen Zinsenbescheid davon auszugehen, dass der Anspruchszinsenberechnungszeitraum nicht bereits am , sondern erst am (Tag vor Zustellung des Einkommensteuerbescheides 2006) geendet hat.

Da die Berufungsbehörde einen ihr zur Entscheidung vorgelegten erstinstanzlichen Bescheid auch außerhalb der Anfechtungspunkte auf seine Übereinstimmung mit dem Gesetz zu prüfen hat, und § 289 Abs. 2 BAO normiert, dass die Abgabenbehörde zweiter Instanz außer in den gegenständlich nicht zutreffenden Fällen des § 289 Abs. 1 leg. cit. immer in der Sache selbst zu entscheiden hat, und sie dabei berechtigt ist, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen, und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen, war der angefochtene Anspruchszinsenbescheid aufgrund der ihm in Bezug auf den Zinsenberechnungszeitraum anhaftenden Rechtswidrigkeit daher aus Anlass dieser Berufungsentscheidung zum Nachteil des Einschreiters dahin gehend abzuändern, dass die Anspruchszinsen 2006 spruchgemäß auf unveränderter Bemessungsgrundlage von 11.026,46 € für den Zeitraum bis 7. September 2008 mit 546,47 € festgesetzt wurden. Im Hinblick auf § 205 Abs. 2 BAO wurde dabei von der Berufungsbehörde für den Zeitraum bis (282 Tage) ein Zinssatz von 5,19% p.a. bzw. 0,0142% pro Tag (Basiszinssatz 3,19% p.a.) und für den Zeitraum bis (61 Tage) ein solcher von 5,70% p.a. bzw. 0,0156% pro Tag (Basiszinssatz 3,70% p.a.) zugrunde gelegt. Da bisher Anspruchszinsen 2006 im Betrag von 539,59 € festgesetzt waren, kommt es aus Anlass dieser verbösernden Berufungsentscheidung somit zu einer Abgabennachforderung in Höhe von 6,88 €.

Gegenständliche Berufung war daher aus den angeführten Entscheidungsgründen spruchgemäß unter Abänderung des angefochtenen Anspruchszinsenbescheides 2006 vom als unbegründet abzuweisen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Anspruchszinsen
Einkommensteuernachforderung
unrichtige Rechtsauskunft der Abgabenbehörde
Treu und Glauben
Vertrauensschaden
objektive Rechtsfolge
verschuldensunabhängig
zwingende Rechtsfolge
Zinsenberechnungszeitraum
Ende der Anspruchsverzinsung
Bekanntgabe des Stammabgabenbescheides
Zustellung
Zitiert/besprochen in
UFSaktuell 2009, 164

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