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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 24.09.2012, RV/0328-L/12

E-Mail stellt keinen wirksamen Antrag auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe dar

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck vom betreffend erhöhte Familienbeihilfe für das Kind K ab August 2011 entschieden:

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Das im Jänner 1992 geborene Kind der Berufungswerberin begann nach Besuch von Volks- und Hauptschule am bei der Fa. XY Elektro GmbH in B eine Lehre als Elektriker, und erlitt am einen schweren Mopedunfall, der auch zu einer Persönlichkeits- und Verhaltensstörung mit maßgeblichen sozialen Beeinträchtigungen führte.

In der Bescheinigung des Bundessozialamtes vom wurde rückwirkend zum der Grad der Behinderung mit 50 %, voraussichtlich drei Jahre anhaltend festgestellt. Ferner wurde festgestellt, dass der Untersuchte voraussichtlich nicht dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Die Berufungswerberin bezog aufgrund dieser Bescheinigung ab April 2009 neben dem Grundbetrag an Familienbeihilfe auch den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung des Kindes im Sinne des § 8 Abs. 4 FLAG.

Im Zuge einer Überprüfung des Beihilfenanspruches forderte das Finanzamt am einen Nachweis für den noch aufrechten, allenfalls (nochmals) verlängerten Lehrvertrag bzw. ein Lehrabschlussprüfungszeugnis für das anspruchsvermittelnde Kind an.

Die Berufungswerberin legte daraufhin am ärztliche Bestätigungen, einen Antrag vom auf Zuerkennung einer Invaliditätspension für das Kind, sowie eine Berichtigung des Lehrvertrages vor, derzufolge die am begonnene Lehrzeit aufgrund näher angeführter Krankenstandstage bis erstreckt wurde.

Das Finanzamt forderte am eine neuerliche Bescheinigung des Bundessozialamtes im Sinne des § 8 Abs. 6 FLAG an.

In der Bescheinigung vom wurde der Grad der Behinderung wiederum mit 50 %, voraussichtlich weitere drei Jahre anhaltend festgestellt. Ferner wurde auch in dieser Bescheinigung festgestellt, dass der Untersuchte voraussichtlich nicht dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Aufgrund dieser Bescheinigung sowie des Umstandes, dass das Lehrverhältnis des Kindes am geendet hatte, stellte das Finanzamt die Auszahlung der Familienbeihilfe (Grundbetrag und Erhöhungsbetrag) ab August 2011 ein.

Am wurde vom Finanzamt eine am Vortag eingelangte E-Mail des A, Vertreter des Vereins SHT Lobby in Wels, mit folgendem Inhalt ausgedruckt:

Sehr geehrte Frau C,

im Anschluss an unser heutiges Telefonat bezüglich der erhöhten Familienbeihilfe für K bzw. seine Muter (Vers.Nr. 0000) untenstehend meine Kontaktdaten und im Anhang die von Kind/Mutter erteilte Vollmacht vom .

Wie besprochen gründen wir uns in unserer Sichtweise auf die in den Finanzämtern Grieskirchen-Wels und Linz bei vergleichbaren Fällen so gehandhabten und im Erläuterungsblatt zum Antrag ebenso beschriebenen Rechtslage, wonach ein Kind als erheblich behindert gilt

wenn eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung (Dauer voraussichtlich mehr als drei Jahre) im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung vorliegt und dadurch ein Grad der Behinderung von mindestens 50 % besteht

oder

das Kind infolge einer erheblichen Behinderung oder Erkrankung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Der erste oben angeführte Punkt trifft nach unserem Erachten auf K völlig zu und ist auch in den Sachverständigengutachten von Frau Dr. B. vom 18.4.2.011 und gleicherweise im Sachverständigengutachten von Herrn Dr. K. vom so beschrieben. Der zweite Punkt kann zum jetzigen Zeitpunkt - zu Recht - noch nicht beurteilt werden. Diesbezüglich ist eine weitere Nachuntersuchung nach 3 Jahren von beiden Gutachtern empfohlen worden.

Da K ab 21.9. auf psychosozialer Reha sein wird und seine Mutter als Antragstellerin aufgrund einer massiven Seheinschränkung einen eventuellen Abweisungsbescheid nicht adäquat beeinspruchen kann wurden wir bevollmächtigt, in dieser Angelegenheit aktiv zu werden. Ich bitte deshalb in dieser Angelegenheit auch um Weiterleitung allfälliger Informationen an mich als Vertreter der SHT-Lobby (www.sht-Iobby.at).

Im Übrigen sind wir vomKind bereits im Jänner 2011 zu diversen Zielsetzungen im Zuge der Rehabilitation beauftragt worden und bieten dazu auf Wunsch ein Case Management an.

Der E-Mail war als Anlage eine Vollmacht der Berufungswerberin und des anspruchsvermittelnden Kindes an den Verein SHT-Lobby angeschlossen.

In einem Aktenvermerk vom auf diesem Ausdruck der E-Mail hielt das Finanzamt fest: "Lt. Rücksprache mit Fachbereich: AW-Bescheid erstellen + Hr.A telef. über die Zustellung des Bescheides an die ASt informieren - wegen Berufungsfrist!"

Mit einem an die Berufungswerberin adressierten und ergangenen Bescheid vom wurde der "Antrag vom auf erhöhte Familienbeihilfe" für das Kind ab August 2011 abgewiesen. In der Bescheidbegründung zitierte das Finanzamt die Bestimmungen des § 8 Abs. 5 und 6 FLAG sowie des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG und wies auf den am (in der Lehrzeit) erlittenen Unfall des Kindes hin. Das ursprüngliche Lehrzeitende sei von auf verlängert worden. Die Familienbeihilfenauszahlung (allgemeine und erhöhte) sei bis zum erfolgt. Laut beiliegendem Gutachten des Bundessozialamtes vom [richtig: ] sei beim Kind ein Grad der Behinderung von 50 %, jedoch KEINE dauernde Erwerbsunfähigkeit festgestellt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich eine im Postweg eingebrachte, vom Verein SHT-Lobby verfasste, jedoch nicht nur von dessen Vertreter, sondern auch von der Berufungswerberin (und auch vom anspruchsvermittelnden Kind) unterschriebene Berufung vom . Darin wurde ausgeführt, dass der Verein das Kind der Berufungswerberin berate und unterstütze. Aufgrund des bereits eingangs erwähnten Verkehrsunfalles bestehe bei diesem eine massive psychische Beeinträchtigung als Folge einer hirnorganischen Schädigung. Aufgrund dieser Beeinträchtigung sei es ihm trotz wiederholter Versuche nicht möglich gewesen, seine Lehrausbildung als Elektriker abzuschließen. Auch der Abschluss einer integrativen Lehre in seinem bisherigen Lehrberuf erscheine derzeit nicht realistisch. Nunmehr sollte angestrebt werden, ihn nach einer hoffentlich erfolgreichen Phase der psychischen Stabilisierung in einen geschützten Arbeitsplatz zu integrieren. Auf die beiden Sachverständigengutachten vom und werde verwiesen. Vorrangig sei demnach die psychische Stabilisierung des Klienten anzustreben. Ob und inwieweit eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt möglich sei, könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden. Sodann wurde auf die E-Mail vom verwiesen und das dortige Vorbringen wiederholt. Die dort erwähnte erste (alternative) Anspruchsvoraussetzung sei im vorliegenden Fall durch beide Sachverständigengutachten bestätigt worden. Der zweite Punkt (dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen) könne "zum jetzigen Zeitpunkt - zu Recht - noch nicht beurteilt werden". Diesbezüglich sei eine weitere Nachuntersuchung nach drei Jahren von beiden Gutachtern empfohlen worden. Maßgebend für die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe sei (nur), dass einer der beiden angeführten Punkte vollinhaltlich zutreffe. Für die wirtschaftliche Absicherung des Klienten sei die erhöhte Familienbeihilfe ein wichtiger Baustein, da ein Einsatz am allgemeinen Arbeitsmarkt zumindest in den nächsten drei Jahren nicht möglich sein werde. Der Klient beziehe seit eine befristet zuerkannte Invaliditätspension in der Höhe von 392,35 €. Um eine Ausgleichszulage werde angesucht, diese sei aber noch nicht bewilligt worden. Die erhöhte Familienbeihilfe möge vorerst zumindest bis zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung (August 2014) gewährt werden.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 FLAG wird die Familienbeihilfe nur auf Antrag gewährt. Die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind ist dabei besonders zu beantragen (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 10 Rz 1).

Die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO) gelten gemäß § 2 lit. a Z 1 dieses Gesetzes auch in Angelegenheiten der von den Abgabenbehörden des Bundes zuzuerkennenden oder rückzufordernden bundesrechtlich geregelten Beihilfen aller Art, und daher auch für die Familienbeihilfe (Ritz, BAO4, § 2 Tz 1). Für die Stellung eines Antrages auf Zuerkennung der Familienbeihilfe gelten daher insbesondere auch die Bestimmungen der BAO über die Anbringen von Parteien (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 10 Tz 2).

Gemäß § 85 Abs. 1 sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 (betreffend mündliche Anbringen) schriftlich einzureichen (Eingaben).

Ein Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe ist ein Anbringen im Sinn des § 85 Abs. 1 BAO.

Gemäß § 86a Abs. 1 BAO können Anbringen, für die Abgabenvorschriften Schriftlichkeit vorsehen oder gestatten, auch telegraphisch, fernschriftlich oder, soweit es durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen zugelassen wird, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingereicht werden. Durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen kann zugelassen werden, dass sich der Einschreiter einer bestimmten geeigneten öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Übermittlungsstelle bedienen darf. Die für schriftliche Anbringen geltenden Bestimmungen sind auch in diesen Fällen mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Fehlen einer Unterschrift keinen Mangel darstellt. Die Abgabenbehörde kann jedoch, wenn es die Wichtigkeit des Anbringens zweckmäßig erscheinen lässt, dem Einschreiter die unterschriebene Bestätigung des Anbringens mit dem Hinweis auftragen, dass dieses nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt.

Der Bundesminister für Finanzen kann gemäß § 86a Abs. 2 BAO durch Verordnung im Sinn des Abs. 1 erster Satz bestimmen, unter welchen Voraussetzungen welche Arten der Datenübertragung an Abgabenbehörden zugelassen sind (lit. a), dass für bestimmte Arten von Anbringen bestimmte Arten der Datenübertragung ausgeschlossen sind (lit. b) und welche Unterlagen wie lange vom Einschreiter im Zusammenhang mit bestimmten Arten der Datenübertragung aufzubewahren sind (lit. c).

Auf § 86a Abs. 2 BAO gestützt sind folgende Verordnungen ergangen:

Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Zulassung von Telekopierern zur Einreichung von Anbringen an das Bundesministerium für Finanzen, an den unabhängigen Finanzsenat, an die Finanzlandesdirektionen sowie an die Finanzämter und Zollämter, BGBl. 1991/494;

Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Einreichung von Anbringen, die Akteneinsicht und die Zustellung von Erledigungen in automationsunterstützter Form (FinanzOnline-Verordnung 2006 - FOnV 2006), BGBl. II 2006/97.

Die erstgenannte Verordnung regelt die Einreichung von Anbringen unter Verwendung eines Telekopierers (Telefaxgerätes) und ist daher auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Aus der FinanzOnline-Verordnung 2006 ergibt sich die Zulässigkeit eines per E-Mail eingebrachten Anbringens ebenfalls nicht, weil diese Verordnung die automationsunterstützte Datenübertragung in Bezug auf Anbringen (§ 86a BAO) nur für jene Funktionen für zulässig erklärt, die dem jeweiligen Teilnehmer im Finanz-Online zur Verfügung stehen.

Im Anwendungsbereich der BAO sind Eingaben mittels E-Mail somit unzulässig (z.B. ; ; ). Eine E-Mail fällt auch nicht in den Anwendungsbereich des § 85 Abs. 1 und 2 BAO, weshalb vom Finanzamt kein Mängelbehebungsverfahren einzuleiten war (siehe auch dazu ). Ein in einem Mängelbehebungsverfahren behebbares Formgebrechen liegt nicht vor, wenn die Eingabe auf unzulässige Weise (mittels E-Mail) und damit nicht rechtswirksam eingebracht wurde (vgl. etwa -I/04; ). Aus diesem Grund würde auch eine formlos nachgeholte Unterschrift zu keiner ursprünglich wirksam eingebrachten Eingabe führen, sondern es läge allenfalls erst im Zeitpunkt der Leistung der Unterschrift ein wirksamer Antrag vor, der jedoch nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides und damit Sache des vorliegenden Berufungsverfahrens wäre.

Gemäß § 289 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz - außer in den Fällen des § 289 Abs. 1 BAO - immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demnach den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Eine Aufhebung im Sinne dieser Bestimmung hat insbesondere dann zu erfolgen, wenn ein antragsgebundener Verwaltungsakt ohne Antrag erging (Ritz, BAO4, § 289 Tz 34 mit Hinweis auf ). Die Erlassung eines antragsbedürftigen Bescheides ohne Vorliegen eines wirksamen Antrages verletzt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes das Recht auf den gesetzlichen Richter (, mit Hinweis auf Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10, Rz 1520 mit Judikaturnachweisen).

Da im vorliegenden Fall die E-Mail vom keinen zulässigen bzw. rechtswirksamen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe darstellt, erging der angefochtene (antragsgebundene) Abweisungsbescheid vom nicht zu Recht, und war daher schon aus diesem Grund aufzuheben.

Darüber hinaus ist auch dem Inhalt der E-Mail nicht zu entnehmen, dass diese auf die Beantragung der Familienbeihilfe sowie des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für das anspruchsvermittelnde Kind der Berufungswerberin ab August 2011 gerichtet wäre, wird in dieser doch nur allgemein ausgeführt, dass die Berufungswerberin "als Antragstellerin aufgrund einer massiven Seheinschränkung einen eventuellen Abweisungsbescheid nicht adäquat beeinspruchen" könne, weshalb der erwähnte Verein bevollmächtigt worden wäre, "in dieser Angelegenheit aktiv zu werden". Ein konkreter Beihilfenantrag ab einem bestimmten Zeitpunkt ist dieser E-Mail nicht zu entnehmen. Möglicherweise wurde ein solcher anlässlich des darin erwähnten Telefonates mit der Mitarbeiterin des Finanzamtes näher konkretisiert; ein Aktenvermerk oder eine Gesprächsnotiz über dieses findet sich jedoch weder in den vorgelegten Akten noch als Anmerkung in der Beihilfendatenbank.

Zur Vermeidung von Missverständnissen wird noch festgehalten, dass die Aufhebung des gegenständlichen Bescheides der Stellung eines (nicht neuerlichen, sondern erstmaligen) rechtswirksamen Antrages auf Zuerkennung der Familienbeihilfe sowie des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für das Kind (ab August 2011) nicht entgegensteht. Dabei wären jedoch die Formvorschriften der Bundesabgabenordnung zu beachten bzw. böte sich die Verwendung der Formulare Beih 1 für den Grundbetrag und Beih 3 für den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung an. Diese liegen in den Infocentern der Finanzämter auf oder können über das Internet (www.bmf.gv.at - Tools - Formulare - zur Formulardatenbank, Suchbegriff: Beihilfen) bezogen werden.

Allerdings sei unpräjudiziell und lediglich informativ noch darauf hingewiesen, dass es bei dem derzeit vom Finanzamt festgestellten Sachverhalt an den Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe bzw. des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe fehlt:

§ 8 Abs. 4 bis 6 FLAG regelt nur den Umfang des Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung bzw. das dafür erforderliche Ausmaß (Grad) der Behinderung sowie dessen Feststellung durch das Bundessozialamt. Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe dem Grunde nach (Grundbetrag) ist dagegen vor allem in § 2 FLAG geregelt. Nur wenn eine der dort normierten Voraussetzung für die Gewährung des Grundbetrages erfüllt ist, kann - bei gleichzeitiger Erfüllung der Voraussetzungen des § 8 Abs. 5 FLAG - zusätzlich der Erhöhungsbetrag gewährt werden (vgl. dazu eingehend Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 19 ff). Anders ausgedrückt: wenn schon der Grundbetrag an Familienbeihilfe nicht zusteht, kann auch kein Anspruch auf den Erhöhungsbetrag bestehen, selbst wenn ein Grad der Behinderung in Höhe von 100 % festgestellt würde.

Das Kind der Berufungswerberin wurde im Jänner 2010 volljährig. Für volljährige behinderte Kinder normieren § 2 Abs. 1 lit. c und lit. h FLAG die Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe (dem Grunde nach bzw. des Grundbetrages).

§ 2 Abs. 1 lit. c FLAG in der ab geltenden Fassung des BGBl I 111/2010 lautet:

Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Die Berufungswerberin räumte selbst ausdrücklich ein, dass in den beiden Gutachten eben gerade nicht festgestellt wurde, dass ihr Kind vorvoraussichtlich dauernd außerstande wäre, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Damit liegen aber schon die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG für die Gewährung der Familienbeihilfe dem Grunde nach nicht vor.

§ 2 Abs. 1 lit. h FLAG in der ab geltenden Fassung des BGBl I 111/2010 lautet:

Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind nicht anzuwenden.

Die Berufsausbildung (Lehre als Elektriker) wurde im vorliegenden Fall nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen des Finanzamtes im angefochtenen Bescheid am (ohne Abschluss) beendet. Es liegt daher keine Berufsausbildung mehr vor, die längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres in Verbindung mit der erheblichen Behinderung einen Beihilfenanspruch begründen könnte.

Die Erfüllung anderer, im § 2 FLAG normierter Anspruchsvoraussetzungen ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, sodass das Finanzamt im angefochtenen Bescheid zu Recht von einem Wegfall des Anspruches auf "(allgemeine und erhöhte)" Familienbeihilfe "zum " ausging, und deshalb den Beihilfenanspruch (dem Grunde nach und auch hinsichtlich des Erhöhungsbetrages) ab August 2011 zutreffend verneint.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 8 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 10 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 86a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 289 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
FOnV 2006, FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006
Zulassung von Telekopierern zur Einreichung von Anbringen, BGBl. Nr. 494/1991
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at