Berichtigung nach § 293 BAO bei doppelter Berücksichtigung des Pendlerpauschales
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der AB, geb. X, Adresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes XY vom betreffend Einkommensteuer 2007 [Berichtigung gemäß § 293 der Bundesabgabenordnung (BAO) zum Bescheid vom ] entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (in der Folge kurz: Bw.) reichte die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2004 am beim zuständigen Finanzamt ein, der entsprechende Bescheid datiert vom .
Die Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung für 2005, 2006 und 2007 wurden elektronisch am (für 2005), am (für 2006) und am (für 2007) eingereicht, die Bescheide ergingen am (2005), am (2006) und am (2007).
Am langte bei der Abgabenbehörde ein undatiertes Schreiben der Bw. ein, in welchem sie im Betreff neben ihrer Sozialversicherungs- und Steuernummer "Anregung der Wiederaufnahme gem. § 303 (4) BAO 2004" anführte. Bei Überprüfung ihrer steuerlichen Angelegenheiten habe sie festgestellt, dass sie das große Pendlerpauschale in Höhe von 1.692,00 € in dem Glauben, dies sei von ihrem Arbeitgeber berücksichtigt worden, versehentlich nicht beantragt habe. Auch von der Lohnverrechnung ihres Dienstgebers habe nicht mehr nachvollzogen und geklärt werden können, weshalb eine Berücksichtigung durch den Arbeitgeber in diesem Jahr nicht erfolgt sei. Sie bitte daher, ihrer Anregung stattzugeben, die Werbungskosten anzuerkennen und den Bescheid entsprechend abzuändern.
In Reaktion auf diese Eingabe verfügte die Abgabenbehörde mit Bescheid vom die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich des zuletzt veranlagten Jahres, nämlich der Einkommensteuer 2007. Mit gleichem Datum erging ein neuer Einkommensteuerbescheid 2007, in welchem das Finanzamt durch Eintrag eines Betrages von 1.615,00 € bei der Kennzahl 718 in der Eingabemaske ein Pendlerpauschale in dieser Höhe berücksichtigte. Begründend wurde angeführt, dass das Pendlerpauschale für 2007 1.615,00 € und nicht, wie beantragt, 1.692,00 € betrage, weil die Bw. rund zwei Monate Krankengeld bezogen habe.
Im Vergleich zur bisherigen Abgabengutschrift von 28,04 € ergab sich eine weitere Einkommensteuergutschrift von 619,08 €.
Am richtete die Bw. wiederum eine Eingabe an die Abgabenbehörde. Bei Überprüfung ihrer steuerlichen Angelegenheiten habe sie festgestellt, dass sie das große Pendlerpauschale in Höhe von 1.692,00 € im Glauben, dies habe bereits ihr Arbeitgeber berücksichtigt, nicht beantragt habe. Weshalb eine Berücksichtigung durch den Arbeitgeber in diesem Jahr nicht erfolgt sei, habe von der Lohnverrechnung ihres Dienstgebers nicht mehr nachvollzogen werden können.
In einem undatierten - offenbar nach einem Telefonat mit der Bw. verfassten - Aktenvermerk wurde festgehalten, dass die Verfügung der Wiederaufnahme für das Jahr 2007 unrichtig sei und die Wiederaufnahme richtigerweise für das Jahr 2004 durchzuführen gewesen wäre. Da die Bw. einem Telefonat zufolge richtige Bescheide wolle, verfügte die Abgabenbehörde in der Folge mit Bescheid vom die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO betreffend die Einkommensteuer 2004 und berücksichtigte im neuen Einkommensteuerbescheid 2004 vom ein Pendlerpauschale in Höhe von 1.692,00 €.
Ebenfalls mit Bescheid vom wurde der Einkommensteuerbescheid 2007 vom gemäß § 293 BAO berichtigt, weil, wie der Bescheidbegründung zu entnehmen ist, der Bescheid vom inhaltlich unrichtig sei. Die Anregung der Bw. vom auf Wiederaufnahme des Verfahrens habe sich auf die Arbeitnehmerveranlagung 2004 bezogen. Diesem Antrag sei mit Bescheid vom heutigen Tag entsprochen worden. Da der Arbeitgeber im Jahr 2007 ein Pendlerpauschale in Höhe von 1.957,50 € bereits bei der laufenden Lohnverrechnung berücksichtigt habe, sei die Doppelberücksichtigung für dieses Jahr korrigiert worden.
Mit Eingabe vom berief die Bw. gegen diesen berichtigten Bescheid und beantragte dessen ersatzlose Aufhebung, um damit den ursprünglichen Zustand entsprechend dem Einkommensteuerbescheid 2007 vom wiederherzustellen. Unterliefen der Abgabenbehörde im Zuge der Willensbildung Fehler, seien diese nicht gemäß § 293 BAO berichtigbar. Unrichtige rechtliche Beurteilungen und Fehler der Beweiswürdigung seien keiner Berichtigung nach § 293 zugänglich, ebenso nicht durch Übersehen von Aktenteilen entstandene Fehler (Ritz, BAO², § 293 Tz 8). Unter dem Titel einer Berichtigung gemäß § 293 BAO dürften keinesfalls nachträgliche Änderungen inhaltlicher Art, der Rechtsauffassung und Sachverhaltsannahmen eines Bescheides durchgeführt werden. Vergessene, übersehene, sonst nicht berücksichtigte Sachverhalte (erklärte Besteuerungsgrundlagen, Erhebungsergebnisse, Mitteilungen an die Behörde), obwohl diese Umstände aktenkundig seien, führten zu einer unrichtigen oder unvollständigen Willensbildung. Ihre unmittelbare Auswirkung auf den jeweiligen Bescheid sei aber nicht ein Fehler der Form des Willens, sondern ein inhaltlicher Fehler und daher - auch, wenn der Fehler in der Willensbildung klar zu Tage trete - keiner Berichtigung nach § 293 BAO zugänglich (vgl. ; , 90/13/0243).
Gegenständlich sei der Einkommensteuerbescheid 2007 vom gemäß § 293 BAO berichtigt worden. In der Begründung sei angeführt worden, dass der Bescheid inhaltlich unrichtig sei. Entsprechend obiger Ausführungen sei es nicht zulässig, einen Bescheid wegen inhaltlicher Unrichtigkeiten gemäß § 293 BAO abzuändern. In diesem Fall könne auch nicht von einem Schreibfehler ausgegangen werden. Dem Bearbeiter müsse bewusst gewesen sein, welches Jahr bearbeitet werde, da sogar in Zusammenhang mit einem aktenkundigen längeren Krankenstand eine entsprechende Kürzung - obwohl diese nur bei ganzjähriger Abwesenheit zulässig sei - durchgeführt worden sei. Auch das Vorliegen einer ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhenden Unrichtigkeit sei auszuschließen. Eine Berichtigung gemäß § 293 BAO sei somit unzulässig.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Unter Hinweis auf ; , 94/13/0058; , 95/15/0088 und , 2002/14/0015, führte das Finanzamt begründend aus, dass § 293 BAO die Möglichkeit schaffen solle, Fehler zu berichtigen, die in einem Auseinanderklaffen von tatsächlichem Bescheidwillen und formeller Erklärung des Bescheidwillens bestünden. Berichtigbar seien damit auch Fehler, die durch eine irrtümliche Eintragung unter der unrichtigen Kennzahl in der automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage entstanden seien () oder offenbare Unrichtigkeiten, die Schreib- und Rechenfehlern sehr nahe kämen, also Fehler in der Ausdrucksweise. Offenbar sei die Unrichtigkeit, wenn sie für die Person, für die der Bescheid bestimmt sei, erkennbar sei (, 0098, 0099).
Nicht nach § 293 BAO berichtigbar seien Fehler, die der Abgabenbehörde im Zuge ihrer Willensbildung unterlaufen seien (; , 92/15/0128). Unrichtige rechtliche Beurteilungen und Fehler der Beweiswürdigung seien daher keiner Berichtigung nach § 293 BAO zugänglich (), ebenso nicht durch Übersehen von Aktenteilen entstandene Fehler.
Die Bw. habe für das Jahr 2004 eine Anregung auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich des Pendlerpauschales eingebracht. Dieser Anregung für 2004 habe die Sachbearbeiterin auch entsprechen wollen. Allerdings sei im Zuge der Erledigung des Antrages der Bescheid für ein unrichtiges Jahr (unbeabsichtigt) erlassen worden. Dies sei für jeden mit der Sachlage Vertrauten, auch für die Bw., an die der Bescheid gerichtet gewesen sei, erkennbar gewesen. Die Berufung sei daher abzuweisen gewesen.
Mit Vorlageantrag vom beantragte die Bw. wiederum, den gemäß § 293 BAO berichtigten Einkommensteuerbescheid 2007 vom ersatzlos aufzuheben und damit den ursprünglichen Zustand entsprechend dem Einkommensteuerbescheid 2007 vom wiederherzustellen.
Die Bw. brachte gleich lautend wie in der Berufung vor und führte ergänzend aus, dass laut Berufungsvorentscheidung die Sachbearbeiterin ihrem Antrag für 2004 entsprechen wollte und unabsichtlich einen Bescheid für ein falsches Jahr erlassen habe. Weiters sei unterstellt worden, dass dies für jeden mit der Sachlage Vertrauten erkennbar gewesen sei.
Dies sei aber nicht der Fall. Das Pendlerpauschale sei bereits vom Dienstgeber berücksichtigt worden, und sie sei tatsächlich zwei Monate im Krankenstand gewesen. Dass eine Kürzung des Pendlerpauschales wegen Krankenstandes nicht zulässig sei, sei ihr nicht bekannt gewesen. Dass dies die Bearbeitung ihrer Anregung sein sollte, sei für sie auf Grund der Begründung nicht einwandfrei erkennbar bzw. als offenkundig anzusehen gewesen, weil ausdrücklich auf das Jahr 2007 hingewiesen worden sei. Bei der Beurteilung einer Unrichtigkeit als offenkundig komme es letztlich auch auf den Inhalt der übrigen Bescheidteile, wie beispielsweise die Begründung, an. Sie möchte nochmals in Erinnerung rufen, dass inhaltliche Unrichtigkeiten (siehe Begründung gemäß § 293 BAO berichtigter Bescheid vom ) nicht gemäß § 293 BAO berichtigbar seien und dem Bearbeiter bzw. der Bearbeiterin, wie bereits oben angeführt, sehr wohl bewusst gewesen sei, welches Jahr bearbeitet worden sei, da einwandfrei der Sachverhalt des Jahres 2007 herangezogen worden sei. Eine Berichtigung des Einkommensteuerbescheides 2007 gemäß § 293 BAO sei somit unzulässig.
Zwecks Klärung des Verfahrensablaufs ersuchte die Referentin das Finanzamt als Amtspartei um Beantwortung nachstehender Fragen:
Bei dem im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Einkommensteuerbescheid 2007 vom blieb bei Eintragung des Pendlerpauschales bei der Kennzahl 718 unberücksichtigt, dass dieses bereits auf dem Lohnzettel eingetragen war.
Die beiliegenden, in der Erlassdatenbank aufgefundenen "Informationen zur (Arbeitnehmer)Veranlagung 2008" lassen darauf schließen, dass die Eingabemodalitäten für das Pendlerpauschale die einzelnen Veranlagungsjahre betreffend mehrfach geändert wurden.
1) Bitte um Vorlage des für das Kalenderjahr 2007 in Geltung stehenden Erlasses, der Dienstanweisung, Information oä., aus dem/der Bearbeitungshinweise bzw. Eingabeanleitungen im Zusammenhang mit dem Pendlerpauschale ersichtlich sind.
2) Waren (das Jahr 2007 betreffend) für den Sachbearbeiter in der Eingabemaske die Lohnzetteldaten ersichtlich oder musste der Lohnzettel durch Eingabe von "a" im blauen Feld vor dem Lohnzettel extra aufgerufen werden?
3) War in bestimmten Fällen von doppelter Berücksichtigung des Pendlerpauschales die Anzeige eines Fehlercodes vorgesehen (im vorliegenden Fall ist aus den "Bearbeitungsstationen" kein Fehlercode ersichtlich)?
4) Wurde (auf Grund der Verwaltungspraxis, einer Dienstanweisung oä.) bei Vornahme einer Eintragung bei der Kennzahl 718 zur Vermeidung von Doppelerfassungen in der Regel in den Lohnzettel Einsicht genommen?
5) Ist dem die Wiederaufnahme bearbeitenden Sachbearbeiter erinnerlich, ob im konkreten Fall die Lohnzetteldaten angesehen wurden und das Pendlerpauschale übersehen wurde, oder ob eine Einsichtnahme in den Lohnzettel unterblieben ist?
Das Finanzamt nahm dazu wie folgt Stellung:
Ad 1) Für das Jahr 2007 liege keine derartige Anweisung vor.
Ad 2) Die Lohnzetteldaten müssten extra mit "a" im blauen Feld vor dem Lohnzettel aufgerufen werden.
Ad 3) Es gebe den Fehlercode 18883. Dieser besage, dass das Pendlerpauschale möglicherweise mehrfach angegeben sei; eine Beharrung sei möglich. Bis zum Veranlagungsjahr 2007 sei, wenn das Pendlerpauschale sowohl auf dem Lohnzettel eingetragen gewesen als auch bei der Kennzahl 718 eine Eingabe durch das Finanzamt erfolgt sei, dieser Betrag zusätzlich berücksichtigt worden. Dieser Umstand hätte durch den Fehlercode 18883 angezeigt werden müssen. Dass dies im gegenständlichen Fall für 2007 nicht der Fall gewesen sei, müsse an der EDV-Technik liegen. Eine Willensbildung, der Bw. für 2007 das Pendlerpauschale doppelt zu gewähren, sei jedenfalls nicht vorgelegen.
Ad 4) Da bei doppelter Berücksichtigung des Pendlerpauschales ein Fehlercode zu erwarten gewesen sei, sei eine Einsichtnahme in die Lohnzetteldaten nicht nötig gewesen.
Ad 5) Auf eine Befragung des Sachbearbeiters sei verzichtet worden, weil bei der Vielzahl der Eingaben eine Erinnerung an einen Einzelfall nach beinahe drei Jahren nicht möglich sei.
Diese Stellungnahme wurde der Bw. zur Kenntnis und allfälligen Gegenäußerung übermittelt, blieb bis dato aber unbeantwortet.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 293 BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei (§ 78) oder von Amts wegen in einem Bescheid unterlaufene Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche oder ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten berichtigen.
§ 293 BAO soll die Möglichkeit schaffen, ein infolge bestimmter Fehlerquellen gegen den Willen der Abgabenbehörde entstandenes, erkennbares Auseinanderklaffen von Bescheidinhalt und formeller Erklärung des Bescheidwillens zu beseitigen (Stoll, BAO, 2824).
Neben "Schreib- und Rechenfehlern" und "anderen offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhenden Unrichtigkeiten", worunter im Wesentlichen durch Flüchtigkeit, Nachlässigkeit, Übermüdung, Oberflächlichkeit im Ausfertigen des zu Erklärenden verursachte Fehler sowie allgemein Fehler, die die Gedanken der Behörde, die sie offenbar aussprechen wollte, unrichtig wiedergeben, zu verstehen sind (Stoll, BAO 2816 f), sind weiters "ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten" nach § 293 BAO berichtigbar. Damit sind etwa Fehler gemeint, die sich daraus ergeben, dass das Finanzamt den Programmablauf, den es mit einer bestimmten Eintragung in einem Eingabebogen auslöst, nicht kennt, sowie generell ungewollte (nicht gedankliche) Fehler der Dateneingabe. Wesentlich ist, dass der Bescheid anders als von der Abgabenbehörde beabsichtigt lautet.
Fehler, die der Abgabenbehörde im Zuge ihrer Willensbildung unterlaufen, sind dagegen nicht berichtigbar. Die Willensbildung der bescheiderlassenden Behörde ist ein Denkprozess, dessen Ergebnis als Bescheidwille in Erscheinung tritt. Eine unrichtige rechtliche Beurteilung ist demnach ebenso wenig einer Berichtigung nach § 293 BAO zugänglich wie Fehler der Beweiswürdigung oder durch Übersehen bzw. Vergessen von Aktenteilen entstandene Fehler (Ritz, BAO³, § 293 Tz 8).
Die Berichtigungsbefugnis nach § 293 BAO reicht über die Grenzen des seinerzeitigen Bescheidwillens nicht hinaus, mag dieser rechtswidrig gewesen sein oder nicht (Stoll, BAO, 2825), und eröffnet der Behörde daher nicht die Möglichkeit, den (gewollten) Spruchinhalt einer nachträglichen Änderung zu unterziehen.
Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass der vom Finanzamt in dem nach § 303 Abs. 4 BAO wiederaufgenommenen Verfahren erlassene Einkommensteuerbescheid 2007 vom infolge doppelter Berücksichtigung des Pendlerpauschales als Werbungskosten rechtswidrig ist.
Strittig ist, ob die vom Finanzamt herangezogene Bestimmung des § 293 BAO eine taugliche verfahrensrechtliche Handhabe zur Berichtigung bot.
Berichtigende Bescheide treten nicht an die Stelle des berichtigten Bescheides, sondern treten zu diesem hinzu und bilden mit dem berichtigten Bescheid eine Einheit. Sie können daher nur hinsichtlich der Berichtigung angefochten werden.
Ob dem Finanzamt mit Ansatz des Jahres 2007 anstatt 2004 in dem neuen Einkommensteuerbescheid 2007 vom ein, wie in der Berufungsvorentscheidung angeführt, nach § 293 BAO berichtigbarer Fehler unterlief, oder dem betreffenden Organ, wie in der Berufung eingewendet, bewusst war, welches Jahr bearbeitet werde, sodass dieser Fehler nicht nach § 293 BAO berichtigt werden könne, ist nicht Gegenstand dieses Rechtsmittelverfahrens, weil das Jahr im angefochtenen Bescheid nicht berichtigt wurde.
Der Begründung des angefochtenen berichtigenden Bescheides vom ist zu entnehmen, dass die Abgabenbehörde lediglich die Doppelberücksichtigung des Pendlerpauschales im Jahr 2007 unter Anwendung des § 293 BAO korrigierte.
Da die Bw. weder den die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid noch den neuen Sachbescheid - beide vom - mit Berufung bekämpfte und innerhalb der Jahresfrist auch keine Bescheidaufhebung nach § 299 BAO beantragte, ist der Einkommensteuerbescheid 2007 in Rechtskraft erwachsen.
Zu prüfen war daher nicht die Rechtmäßigkeit dieses Einkommensteuerbescheides, sondern alleine, ob die Erstbehörde die Berichtigung des Pendlerpauschales - nur insoweit wurde der neue Einkommensteuerbescheid 2007 abgeändert - zu Recht auf § 293 BAO stützte.
Unstrittig war der Wille des Finanzamtes auf Zuerkennung des Pendlerpauschales gerichtet.
Da vernünftigerweise nicht unterstellt werden kann, dass der Wille des Finanzamtes auf die doppelte Berücksichtigung des Pendlerpauschales (ob für 2004 oder 2007 kann auf Grund obiger Ausführungen dahingestellt bleiben) gerichtet war, weicht der tatsächliche Inhalt des Bescheides vom gewollten Inhalt ab.
Nicht in Streit steht weiters, dass der Arbeitgeber der Bw. das Pendlerpauschale für 2007 bereits im Zuge der laufenden Lohnverrechnung berücksichtigt hatte und dies in dem der Abgabenbehörde übermittelten Lohnzettel durch den Ausweis des Betrages 1.957,50 € in der Zeile "Pendlerpauschale" dokumentiert war.
Im "Internen Organisationshandbuch" (GZ. BMF-280000/0023-IV/2/2008 vom ) ist in Punkt 5.2. "Erfassung von Abgabenerklärungen und Anträgen AV/BV" unter "Standard" angeführt: "Die Erfassung der Erklärungsdaten erfolgt ohne besondere inhaltliche Prüfung erklärungskonform und ohne Einsicht in den elektronischen und/oder körperlichen Veranlagungsakt/Vermerk".
Ob das die Wiederaufnahme verfügende Organ in den Lohnzettel Einsicht nahm (dies wäre durch die Eingabe von "a" im blauen Feld vor dem Lohnzettel unschwer möglich gewesen), ist nicht mehr nachvollziehbar, erscheint aber angesichts des bereits durch den Arbeitgeber berücksichtigten Pendlerpauschales, was bei Überprüfung des Lohnzettels leicht feststellbar gewesen wäre, eher unwahrscheinlich.
Die Auswirkungen einer Eintragung bei der für das Pendlerpauschale vorgesehenen Kennzahl 718 wurden programmtechnisch mehrfach geändert. So ist einer Information des Bundesministeriums für Finanzen , SZK-220802/0001-PM/2009, zur (Arbeitnehmer)Veranlagung 2008 unter Punkt 1.2. "Pendlerpauschale" Folgendes zu entnehmen: "Um eine allfällige Reduzierung des Pendlerpauschales laut Lohnzettel zu ermöglichen (neuer Pflichtveranlagungstatbestand), wurde die EDV-Verarbeitung der Kennzahl 718 geändert. Scheint unter Kennzahl 718 ein Betrag (auch Null) auf, wird dieser ab dem Veranlagungsjahr 2008 nicht mehr zusätzlich, sondern anstelle des Pendlerpauschales laut Lohnzettel in Ansatz gebracht".
Daraus folgt, dass in den Veranlagungsjahren vor 2008 neben dem Pendlerpauschale laut Lohnzettel eine Eintragung bei der Kennzahl 718 durch die EDVA grundsätzlich akzeptiert wurde, der Sachbearbeiter aber, wie in der Stellungnahme des Finanzamtes angeführt, durch den Fehlercode 18883 auf diesen Umstand aufmerksam gemacht wurde.
Aus welchen Gründen im vorliegenden Fall die Anzeige eines Fehlercodes nachweislich unterblieben ist, war nicht nachvollziehbar.
Ab dem Jahr 2008 ging aber auf Grund der ab diesem Zeitraum geänderten EDV-Programmierung der Eintrag bei der Kennzahl 718 dem Eintrag auf dem Lohnzettel vor, sodass eine doppelte Berücksichtigung nicht mehr möglich war.
Der Stellungnahme des Finanzamtes zufolge wurde dagegen bis einschließlich 2007 durch die EDV-Programmierung zwar eine Eintragung bei der Kennzahl 718 neben einem auf dem Lohnzettel aufscheinenden Pendlerpauschale akzeptiert, auf diesen - ungewöhnlichen - Umstand aber durch einen Fehlercode hingewiesen.
Wie oa., erfolgt die Erfassung der Erklärungsdaten im Rahmen eines Bildschirmdialogverfahrens weitgehend erklärungskonform. Um trotz dieser weitgehend ungeprüften Übernahme der Daten aus den Abgabenerklärungen Fehler hintan zu halten, wurde ein System von Fehlercodes und Bearbeitungshinweisen installiert, die den Sachbearbeiter auf Diskrepanzen zwischen dem Erklärten und den in der elektronischen Datenbank gespeicherten Informationen oder andere Umstände hinweisen sollen, die ein erhöhtes Risiko von Unrichtigkeiten in sich bergen.
War daher bei der vorliegenden Konstellation - Eintrag sowohl bei der Kennzahl 718 als auch Eintrag eines Pendlerpauschales auf dem Lohnzettel - ein Fehlercode zu erwarten, beruhte der doppelte Ansatz des Pendlerpauschales nicht auf einem Willensentschluss der Behörde, sondern lag eine ausschließlich auf dem Einsatz der EDVA beruhende Unrichtigkeit vor.
Werden die Daten des in der elektronischen Datenbank enthaltenen Lohnzettels automatisch in den Bescheid übernommen und ist ein Ansehen des Lohnzettels im Rahmen der Bescheiderstellung in der Regel nicht erforderlich, kann auch ein einer Berichtigung nach § 293 BAO entgegenstehendes Übersehen oder Vergessen nicht unterstellt werden.
Unterlaufen bei der durch die EDVA unterstützten Bescheiderstellung Fehler, die bewirken, dass der Bescheid anders lautet als es die Abgabenbehörde beabsichtigt hat, so stellt der Verwaltungsgerichtshof in derartigen Fällen darauf ab, ob der Bedienstete des Finanzamtes, wenn er die weitere Bearbeitung selbst durchzuführen gehabt hätte, den Fehler erkannt hätte (vgl. ; , 2005/13/0144).
Im vorliegenden Fall wäre diesfalls durch die Erfassung der Lohnzetteldaten das bereits durch den Arbeitgeber der Lohnverrechnung zu Grunde gelegte Pendlerpauschale zweifellos aufgefallen und dessen doppelter Ansatz als Werbungskosten unterblieben. Der Fehler wäre ohne EDV-Unterstützung nicht zustande gekommen, sodass der Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage für den Fehler kausal war.
Dass der Fehler auch bei Einsatz der Datenverarbeitungsanlage durch Einsichtnahme in den Lohnzettel vermeidbar gewesen wäre und bei entsprechender Aufmerksamkeit vermieden hätte werden können, steht der Fehlerberichtigung nicht entgegen, weil § 293 BAO nicht auf ein Verschulden abstellt.
Die Frage, ob der Bescheidwille darauf gerichtet war, einen Bescheid in seiner später berichtigten Form zu erlassen, war ebenso zu bejahen.
Wenngleich bei der Berichtigung von ausschließlich auf dem Einsatz von automatisierten Datenverarbeitungsanlagen beruhenden Unrichtigkeiten nicht vorgesehen ist, dass diese nur im Falle der unmittelbaren Erkennbarkeit aus dem fehlerhaften Bescheid zulässig wäre (vgl. ), war das der Behörde unterlaufene Versehen entgegen dem Vorbringen der Bw. dennoch als offenkundig zu beurteilen, zumal ihre Anregung auf Wiederaufnahme und die tatsächlich verfügte Wiederaufnahme in engem zeitlichen Zusammenhang standen, die Behörde im Wiederaufnahmebescheid ausdrücklich auf die Anregung der Bw. verwies und sich in der Begründung des neuen Sachbescheides der durch die Bw. genannte Betrag von 1.692,00 € wiederfindet. Darüber hinaus war für die Bw. an Hand des dem Bescheid angefügten Lohnzettels unschwer feststellbar, dass das Pendlerpauschale im wiederaufgenommenen Einkommensteuerbescheid 2007 unter dem Punkt "sonstige Werbungskosten ohne Anrechnung auf den Pauschbetrag" in der in der Bescheidbegründung angeführten Höhe von 1.615,00 € zusätzlich zu dem bereits im Lohnzettel ausgewiesenen Pendlerpauschale berücksichtigt wurde und daraus eine Gutschrift im Vergleich zum Erstbescheid von 619,08 € resultierte.
Eine Maßnahme nach § 293 BAO ist in das Ermessen der Behörde gestellt, wobei sich die Ermessensübung vor allem am Zweck der Norm zu orientieren hat. Im Falle des § 293 BAO besteht der Normzweck in der Beseitigung von bestimmten, in der Sphäre der Abgabenbehörde gelegenen Fehlern und dem Erzielen eines insgesamt richtigen Besteuerungsergebnisses. Nur geringfügig sich - zu Gunsten oder zu Lasten der Partei - auswirkende Fehler oder Fehler, die sich anderweitig ausgleichen, sind in Ausübung des Ermessens nicht zu beseitigen.
Fehler sind mit allen vom Gesetz vorgesehenen Mitteln zu beseitigen () und damit ein der Gleichmäßigkeit der Besteuerung entsprechendes Ergebnis herbeizuführen. Dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit ist gegenüber jenem der Rechtsbeständigkeit der Vorrang einzuräumen.
Die in § 20 BAO erwähnten Ermessenskriterien der Billigkeit und Zweckmäßigkeit sind grundsätzlich und subsidiär zu beachten.
Die "Billigkeit" gebietet etwa die Berücksichtigung von Treu und Glauben, des steuerlichen Verhaltens und der wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei. Zur "Zweckmäßigkeit" gehört auch die Berücksichtigung der Verwaltungsökonomie (Ritz, BAO³, § 20 Tz 5 ff).
Ermessensentscheidungen sind zu begründen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes können Begründungsmängel im erstinstanzlichen Verfahren im Rechtsmittelverfahren saniert werden.
Nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass der Fehler sich nur geringfügig ausgewirkt hätte. Zu bedenken ist zudem, dass der Fehler durch die Bw. aufgedeckt wurde und sich aus einem Aktenvermerk über ein mit ihr geführtes Telefonat ergibt, dass sie "richtige Bescheide" einforderte, woraufhin die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2004 verfügt und im neuen Sachbescheid das Pendlerpauschale zuerkannt wurde, wodurch sich für die Bw. eine (zusätzliche) Gutschrift von 651,42 € ergab.
Im vorliegenden Fall waren Billigkeitsgründe weder aktenkundig noch wurden solche vorgebracht, sodass der Rechtsrichtigkeit Vorrang einzuräumen war.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 293 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at