Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 03.11.2011, RV/2947-W/09

Familienheimfahrten und Zweitwohnsitz

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des NN, Adresse, vertreten durch Mag. Peter Zivic, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Weihburggasse 20, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 6/7/15 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2006 und Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2007 entschieden:

Den Berufungen wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Nn, in der Folge mit Bw. bezeichnet, machte in seinen Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung in den Jahren 2006 und 2007 Kosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten geltend.

Das Finanzamt anerkannte die beantragten Werbungskosten nicht, erließ entsprechende Einkommensteuerbescheide und führte begründend aus, die Werbungskosten seien nicht beruflich veranlasst, weil die Ehegattin am Ort des Familienwohnsitzes keine Erwerbstätigkeit ausübe.

Gegen diese Bescheide hat der Bw. berufen und ausgeführt, er verfüge am Familienwohnsitz in Bosnien-Herzegowina über einen nicht unbedeutenden landwirtschaftlich genutzten Grundbesitz (über 70.000 m2) samt Viehbestand (Schweine und Geflügel), welcher für die Dauer der beschäftigungsbedingten Abwesenheit des Bw. in Österreich von seiner Ehefrau bewirtschaftet werden müsse und werde. Der Bw. habe im Jahr 2006 eine kleine Mietwohnung zusammen mit einem Landsmann bewohnt, wobei sich dieser die Kosten mit dem Bw. geteilt habe. Der auf den Bw. entfallende Anteil der Mietaufwendungen habe 1.002,90 € (2006) bzw. 1.023,30 € (2007) betragen und würden diese Kosten zusätzlich geltend gemacht.

Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung und führte begründend nach Anführung von Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes aus, die Einkünfte der Ehefrau des Bw. laut vorgelegten Unterlagen erreichten nicht einmal ein Zehntel des Einkommens des Bw. Die Berufstätigkeit der Ehefrau des Bw. stelle daher keinen Grund für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung dar.

Der Bw. stellte Vorlageanträge und führte begründend aus, die Einkünfte des am Familienwohnsitz in Bosnien-Herzegowina verbliebenen Ehepartners seien laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in ein Verhältnis zum Lohnniveau und zu den durchschnittlichen Lebenshaltungskosten in Bosnien-Herzegowina zu setzen. Auch ein der Eigenversorgung dienender landwirtschaftlicher Grundbesitz des Steuerpflichtigen bzw. dessen Ehefrau am Familienwohnsitz im ehemaligen Jugoslawien begründe die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich. Der Bw. besitze am Familienwohnsitz in Bosnien-Herzegowina einen 70.377 m2 großen Grundbesitz, welchen die Ehefrau des Bw. für die Dauer der beschäftigungsbedingten Abwesenheit des Bw. in Österreich bewirtschaften müsse.

Im Zuge eines Vorhalteverfahrens erklärte der Bw. u.a., der Fahrpreis habe in den Berufungsjahren 56,00 € betragen und würde der Bw. die Anerkennung von zweiwöchentlichen Heimfahrten akzeptieren.

Das Finanzamt erklärte sich mit dieser Vorgangsweise einverstanden.

Über die Berufung wurde erwogen:

Aufgrund des durchgeführten erstinstanzlichen und zweitinstanzlichen Ermittlungsverfahrens wird folgender Sachverhalt festgestellt:

Der Bw. war in den Berufungsjahren 2006 und 2007 in Österreich unselbständig erwerbstätig. Seine Ehefrau, seine volljährige Tochter und sein bis minderjähriger Sohn, welcher im August des Schuljahres 2005/2006 maturierte, waren vom ihm wirtschaftlich abhängig und lebten auf dem landwirtschaftlichen Besitz des Bw. in Bosnien-Herzegowina, der von seiner Ehefrau bewirtschaftet wurde. Es handelte sich um ein Grundstück mit einer Fläche von 70.377 m2, auf welchem laut tierärztlicher Bestätigung auch Vieh, Schweine und Geflügel gehalten wurden. Bei den auf dem "Grundbuchsauszug" angegebenen, vom Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung als zu gering angesehenen Erträgen der Landwirtschaft handelte es sich um ein pauschales Katastereinkommen. Der auf dem Hof des Bw. gehaltene Viehbestand unterlag Veränderungen durch Schlachtung, Abverkauf oder Zukauf von Lebendvieh oder die Geburt von Kälbern, Ferkeln und Küken. Es wurden auch Milchkühe gehalten. Die Milch wurde teilweise zum Eigenbedarf verwendet und teilweise verkauft. Auch Schweine und Hühner wurden entweder zum Eigenbedarf gehalten oder am Markt verkauft, ebenso das geerntete Obst. Das aus dem Wald gewonnene Holz wurde großteils als Heizmaterial und zur Warmwasserversorgung verwendet. In geringem Ausmaß wurde auch Mais und Weizen angebaut.

Laut Schlussbericht des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche betreffend "Perspektiven des EU-Beitritts der Balkanländer Albanien, Bulgarien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Mazedonien, Rumänien, Serbien und Montenegro sowie der Türkei: Mögliche Konsequenzen für Österreichs Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie" (Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) betrug das Bruttoinlandsprodukt zu Kaufkraftparitäten in Bosnien & Herzegowina pro Kopf 27 (EU 25 = 100). Gemessen am Preisniveau relativ zu EU-25 betrug die Kaufkraftparität 45, d.h., die Lebenshaltungskosten gemessen am Einkommen waren in Bosnien im Verhältnis zu den übrigen EU-Staaten sehr hoch. Für Österreich betrug der Wert 103.

Während dieser Zeit bewohnte der Bw. gemeinsam mit einem Landsmann eine Wohnung, für welche sich beide die Kosten teilten. Laut Reisepass fuhr der Bw. im Berufungszeitraum mehrfach zu seiner Familie nachhause. Der Bw. hat erklärt, für seine Familienheimfahrten den Autobus benutzt zu haben und hat eine Bestätigung eines Reisebüros vorgelegt. Für die Busfahrten sind laut Bw. jeweils Kosten von 56,00 € angefallen. Es wird davon ausgegangen, dass der Bw. zwei Mal im Monat nach Bosnien-Herzegowina gefahren ist.

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG idgF sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung von Einnahmen.

Gemäß § 20 Abs. 1 lit. e EStG idgF dürfen bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-) Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c angeführten Betrag übersteigen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem Erkenntnis, in welchem ähnliche Verhältnisse vorgelegen waren (die Ehefrau des Beschwerdeführers hatte am Familienwohnsitz in Bosnien-Herzegowina für ihn seine Landwirtschaft bewirtschaftet, die der gesamten Familie als Versorgungsbasis diente, er hat vorgebracht, es sei wirtschaftlich nicht zumutbar gewesen, den Wohnsitz zu verlegen, da es wesentlich einfacher gewesen sei, die Familie in Bosnien zu erhalten, auf Grund der wesentlich höheren Lebenshaltungskosten in Österreich wäre eine Versorgung der Familie in Österreich nicht möglich gewesen) zu Recht erkannt, dass fremdenrechtliche Bestimmungen oder die Bewirtschaftung einer Landwirtschaft Umstände sind, die auch langfristig der Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung entgegen stehen können ().

Der Bw. hat in Bosnien-Herzegowina einen rund 7 ha großen landwirtschaftlichen Besitz. Dieser ermöglichte es der Ehefrau des Bw., einen Beitrag zum Familieneinkommen zu erwirtschaften. So ist aus einer Abrechnung über gelieferte Milch für den Monat Juli 2011 ersichtlich, dass in diesem Monat allein für die Milchlieferung in etwa die Hälfte des Katastereinkommens (Ertragswert laut Grundstücksverzeichnis) erzielt worden ist. Weitere Erzeugnisse konnten laut Bw. auf dem Markt verkauft werden und diente der Besitz überdies der Eigenversorgung der Familie mit Lebensmitteln, wobei der Bw. auch für zwei von ihm wirtschaftlich abhängige Kinder zu sorgen hatten. Unter diesen Umständen konnte dem Bw. eine Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich ungeachtet der geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen nicht zugemutet werden.

Wegen der Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung waren daher folgende Ausgaben des Bw. als Werbungskosten anzuerkennen:


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Familienheimfahrten
Zweitwohnsitz
56,00 € mal 26
Summe
2006
€ 1.002,90
€ 1.456,00
€ 2.458,90
2007
€ 1.023,30
€ 1.456,00
€ 2.479,30

Der Berufung konnte daher teilweise Folge gegeben werden.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 2 Berechnungsblätter

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Familienheimfahrten
Zweitwohnsitz
Landwirtschaft
Bosnien-Herzegowina
Eigenversorgung
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at