Berufungsentscheidung - Strafsachen (Referent), UFSL vom 04.02.2009, FSRV/0095-L/07

Verzollungsumgehung bei der Einbringung eines ausländischen Beförderungsmittels durch eine im Gemeinschaftsgebiet ansässige natürliche Person.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates Linz 6, Hofrat Dr. Peter Binder, in der Finanzstrafsache gegen MC, geb. 19XX, whft. in T, vertreten durch die Dres. Erwin Höller und Reinhold Lingner, Rechtsanwälte, 4020 Linz, Lederergasse 27, wegen des Finanzvergehens der Verzollungsumgehung gemäß § 36 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Berufung des Beschuldigten vom gegen das Erkenntnis des Zollamtes Linz Wels, vertreten durch Hofrat Mag. Erich Jungwirth, als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom , StrNr. 500-2002/00000-001,

zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis dahingehend abgeändert, dass das gegen den Berufungswerber (Bw.) mit der Einvernahme als Beschuldigter durch die Zollwachabteilung Freistadt/MÜG vom gemäß § 83 Abs. 3 FinStrG eingeleitete und vom Zollamt Linz Wels als Finanzstrafbehörde erster Instanz wegen des Finanzvergehens der Verzollungsumgehung nach §§ 36 Abs. 1 iVm. 35 Abs. 1 lit. a 3. Fall FinStrG, begangen durch die fahrlässige vorschriftswidrige Entziehung einer eingangsabgabenpflichtigen Ware, nämlich des PKWs der Marke Fiat, Type: Ducato, Fg. Nr. 12, Baujahr 2000, amtliches Kennzeichen: AB (TR), darauf entfallender Zoll: 14.000,00 S, d. e. 1.017,42 €, aus der zollamtlichen Überwachung, indem er, von der Türkei kommend, anlässlich der Einreise in das Zollgebiet der Gemeinschaft über Griechenland am seinen Gemeinschaftswohnsitz nicht bekannt gegeben und damit bewirkt habe, dass das Fahrzeug widerrechtlich in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung überführt worden sei, durchgeführte Finanzstrafverfahren gemäß §§ 136, 157 FinStrG im Zweifel zu seinen Gunsten eingestellt wird.

Entscheidungsgründe

Mit Erkenntnis vom , StrNr. 500-2002/00000-001, hat das Zollamt Linz Wels als Finanzstrafbehörde erster Instanz nach der am (richtig: ) in Abwesenheit des Beschuldigten, jedoch in Anwesenheit seines Verteidigers (richtig: in Abwesenheit des Beschuldigten und seiner Verteidiger) den Bw. für schuldig erkannt, am anlässlich der Einreise in das Zollgebiet der Europäischen Union (idF. Gemeinschaft) über den türkischen Grenzübergang Ipsala nach Griechenland fahrlässig den oa. PKW als ausländische unverzollte Ware, darauf entfallender Zoll iHv. 1.017,42 € (richtig: 1.017,42 € bzw. 14.000,00 S), der zollamtlichen Überwachung dadurch entzogen zu haben, dass er im Zuge seiner Einreise seinen Gemeinschaftswohnsitz (in A/Deutschland) nicht bekannt gegeben und somit bewirkt habe, das der gegenständliche PKW widerrechtlich in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung übergeführt worden sei und dadurch das Finanzvergehen der Verzollungsumgehung nach § 36 Abs. 1 FinStrG begangen zu haben.

Aus diesem Grund wurde über ihn gemäß § 36 Abs. 3 FinStrG eine Geldstrafe in der Höhe von 120,00 € verhängt und für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe gemäß § 20 FinStrG eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag ausgesprochen.

Die Kosten des Strafverfahrens wurden gemäß § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG pauschal mit 12,00 € bestimmt.

In der Begründung verwies die Erstbehörde unter Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 5, 36 Abs. 2, 35 Abs. 2 und 8 Abs. 2 des FinStrG im Wesentlichen darauf, dass nach den Ergebnissen des Untersuchungsverfahrens der Beschuldigte zum genannten Zeitpunkt mit dem angeführten PKW in das Zollgebiet der Gemeinschaft eingereist sei, ohne den Umstand, dass er in D, und damit im Zollgebiet der Gemeinschaft, über einen festen bzw. gewöhnlichen Wohnsitz iSd. § 4 Abs. 2 Z 8 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) verfüge, bekannt gegeben und damit, indem dadurch das genannte Beförderungsmittel entgegen Art. 719 Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZK-DVO) ohne Durchführung eines ordnungsgemäßen Zollverfahrens von einer im Zollgebiet der Gemeinschaft ansässigen Person vorübergehend zum privaten Gebrauch verwendet worden sei, die angeführte Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen habe.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die fristgerechte Berufung des Beschuldigten vom , in der im Wesentlichen wie folgt vorgebracht wurde:

1) Einwand der Verjährung der Strafbarkeit:

Es seien im Ersterkenntnis zwar die Einreisedaten des Bw. zutreffend festgestellt, der Schuldvorwurf jedoch mangels eines Wohnsitzes in A zu Unrecht erhoben worden. Abgesehen davon wäre die Strafbarkeit eines eventuellen Finanzvergehens insofern bereits verjährt, als § 31 Abs. 2 FinStrG eine fünfjährige, mit dem Aufhören der mit Strafe bedrohten Tätigkeit oder mit dem Beginn der Verjährungsfrist für die Abgabenfestsetzung in Lauf gesetzte Frist vorsehe. So habe der am betretene Bw. nämlich spätestens Ende April 2001 mit dem gegenständlichen Fahrzeug das Zollgebiet der Gemeinschaft wiederum verlassen bzw. seien die die Eingangsabgabenschuld vorschreibenden Bescheide vom (aufgehoben mit Berufungsvorentscheidung) bzw. vom (aufgehoben mit Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates) außerhalb der genannten Verjährungsfrist ergangen. Die letztgenannte Berufungsentscheidung stehe übrigens einer neuerlichen Abgabenfestsetzung entgegen, wodurch wiederum der Beginn der Verjährungsfrist mehr als fünf Jahre zurückliege.

2) Unrichtige rechtliche Beurteilung:

Der Tatvorwurf laute dahingehend, dass das in der Türkei zugelassene Fahrzeug als ausländische unverzollte Ware in das Zollgebiet eingebracht worden sei, ohne den darauf entfallenden Zoll entrichtet zu haben. Dies sei schon insofern nicht zutreffend, als sämtliche, die Abgabenschuld festsetzenden Bescheide aufgehoben worden seien und somit die von der Strafbehörde angeführte Zollschuld gar nicht entstanden sei bzw. es sich bei dem gegenständlichen Fahrzeug gar nicht um eine eingangsabgabenpflichtige Ware gehandelt habe. Darüber hinaus treffe die erstbehördliche Annahme eines Wohnsitzes im Zollgebiet der Gemeinschaft nicht zu, da der Bw. zwar von 1967 bis 1999 (als selbständiger Unternehmer) in Deutschland (München) gelebt, jedoch am seinen Wohnsitz in die Türkei (Ankara) verlegt habe, um in Hinkunft dort zu wohnen und seine erkrankte Mutter zu pflegen. Er verfüge lediglich über eine aufrechte Aufenthaltsberechtigung für Deutschland, um ohne Anfall von Visagebühren seine in A lebende Tochter besuchen zu können. Entsprechend der geltenden Rechtslage (vgl. Berufungsentscheidung des UFS, GZ. ZRV/34) sei der normale bzw. gewöhnliche Wohnsitz einer natürlichen Person dort gelegen, wo diese wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder - im Falle einer Person ohne berufliche Bindung - wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen der Person und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, dh. während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr wohne. Diese Voraussetzungen träfen jedoch auf den Bw., der aufgrund des (damaligen) Alters von 61 Jahren keine beruflichen Bindungen mehr zu Deutschland habe, trotz des Umstandes, dass seine Tochter in A wohne, nicht zu (Beweis: zeugenschaftliche Einvernahme seiner Tochter).

Die Rechtsmittelbehörde möge daher

1) der Berufung Folge geben, das angefochtene Straferkenntnis aufheben und das Finanzstrafverfahren einstellen sowie

2) eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumen bzw. durchführen.

Mit Schreiben vom wurde der Antrag des Bw. auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung (vgl. § 160 Abs. 1 lit. b FinStrG) durch die ausgewiesenen Vertreter zurückgezogen.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 1 iVm. § 35 Abs. 1 lit. a FinStrG macht sich ua. derjenige, der eingangsabgabenpflichtige Waren fahrlässig vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbringt oder der zollamtlichen Überwachung entzieht, der Verzollungsumgehung schuldig.

Dabei entspricht die Konstellation der vorschriftswidrigen Verbringung (1. Fall leg.cit.) der Zollschuldentstehung nach Art. 202 Abs. 1 lit. a Zollkodex (ZK) bzw. jene der (vorschriftswidrigen) Entziehung (einer eingangsabgabepflichtigen Ware) aus der zollamtlichen Überwachung (3. Fall leg.cit.) weitestgehend dem Art. 203 ZK (vgl. zB , EvBl. 1998/131).

Eine eingangsabgabepflichtige, dh. eine nicht ex lege von (sämtlichen) derartigen Abgaben (vgl. Art. 4 Nr. 10 ZK) zB nach der Zollbefreiungsverordnung oder dem ZK befreite Ware wird dann vorschriftswidrig in das Zollgebiet (der Gemeinschaft) verbracht, wenn bei ihrer Einbringung zollrechtliche Verbringungspflichten (Art. 38 Abs. 1 ZK) oder Gestellungspflichten (Art. 40 ZK) nicht eingehalten wurden.

Hingegen wird eine derartige Ware (vorschriftswidrig) der zollamtlichen Überwachung entzogen, wenn ein Tun oder Unterlassen zur Folge hat, dass bereits konkret begonnene zollamtliche Überwachungsmaßnahmen nicht mehr durchgeführt oder fortgesetzt werden können (vgl. zB Fellner, Kommentar zum FinStrG, § 35 Tz. 30).

Der Bestimmung des Art. 37 Abs. 1 ZK zufolge unterliegen alle in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Waren von ihrer Verbringung an der zollamtlichen Überwachung (Art. 4 Nr. 13 ZK).

Gemäß Art. 38 Abs. 1 ZK sind die vorstehend angeführten Waren vom Verbringer unverzüglich und gegebenenfalls unter Benutzung von den Zollbehörden bestimmten Verkehrswegen nach Maßgabe der behördlich festgelegten Einzelheiten zur behördlich bezeichneten Zollstelle oder einem anderen behördlich bezeichneten oder zugelassenen Ort oder in eine Freizone zu verbringen.

Gemäß Art. 40 ZK sind Waren, die nach Maßgabe von Art. 38 Abs. 1 Buchstabe a leg.cit. bei der Zollstelle oder einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten bzw. zugelassenen Ort eintreffen, von der Person zu gestellen, welche die Waren in das Zollgebiet verbracht hat oder die gegebenenfalls deren Beförderung nach dem Verbringen übernimmt.

Nach Art. 59 f ZK sind alle in ein Zollverfahren zu überführenden Waren mündlich oder durch eine Handlung, mit der der Wareninhaber den Willen bekundet, die Waren in ein Zollverfahren überführen zu lassen, wenn dies zugelassen ist, zu dem betreffenden Verfahren anzumelden.

Gemäß Art. 233 Abs. 1 lit. b ZK-DVO können Zollanmeldungen zur vorübergehenden Verwendung für die in Art. 718 bis 725 genannten Beförderungsmittel durch eine Willensäußerung iSd. Art. 233 nach Maßgabe von Art. 698, 735 abgegeben werden, sofern sie nicht ausdrücklich angemeldet werden.

Nach Art. 232 Abs. 1 lit. a 2. Anstrich ZK-DVO kann die als Zollmeldung geltende Willensäußerung ua. durch das Passieren einer Zollstelle (ohne getrennte Kontrollausgänge), ohne (spontan) eine Zollanmeldung abzugeben, abgegeben werden.

Gemäß Art. 719 Abs. 1 und 3 (nunmehr Art. 558 Abs. 1 lit. a) ZK-DVO wird die vorübergehende Verwendung für Straßenfahrzeuge zum privaten Gebrauch unter der Voraussetzung bewilligt, dass die Fahrzeuge von außerhalb (des Zollgebietes) der Gemeinschaft ansässigen Personen eingeführt und von diesen Personen privat verwendet werden (siehe dazu auch Art. 730 ZK-DVO).

Der Ansässigkeitsbegriff (vgl. Art. 561 Abs. 1 ZK-DVO) ist dabei gleichzusetzen mit der Definition des § 4 Abs. 2 Z 8 ZollR-DG, wonach "normaler Wohnsitz" oder "gewöhnlicher Wohnsitz" jenen Wohnsitz [§ 26 der Bundesabgabenordnung (BAO)] einer natürlichen Person bezeichnet, an dem diese wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder - im Falle einer Person ohne berufliche Bindungen - wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen der Person und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, das heißt während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt.

Gemäß § 26 Abs. 1 BAO hat jemand einen Wohnsitz iSd. Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Eine Wohnung sind dabei Räumlichkeiten, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind, also ohne wesentliche Änderung jederzeit zum Wohnen benutzt werden können und ihrem Inhaber nach Größe und Ausstattung ein dessen Verhältnissen entsprechendes Heim bieten (vgl. Ritz, BAO3, § 26 Tz. 1ff).

Ergibt sich gemäß Art. 234 Abs. 2 ZK-DVO bei einer Kontrolle, dass die Willensäußerung iSd. Art. 233 erfolgt ist, ohne dass die verbrachten Waren die Voraussetzungen der Art. 230 ff erfüllen, so gelten die Waren als vorschriftswidrig verbracht. Durch diese Fiktion werden an sich dem Art. 203 f ZK zuzuordnende Sachverhalte der Zollschuldentstehung dem Tatbestand des Art. 202 ZK zugeordnet (vgl. zB , bzw. vom , 2007/16/0007).

Fahrlässig iSd. § 36 Abs. 1 FinStrG handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, dass er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will (§ 8 Abs. 2 FinStrG).

Gemäß § 9 leg.cit. wird dem Täter weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet, wenn ihm bei einer Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlief, der ihn das Vergehen oder das darin liegende Unrecht nicht erkennen ließ; ist der Irrtum unentschuldbar, so ist dem Täter Fahrlässigkeit zuzurechnen. Dem Täter wird Fahrlässigkeit auch dann nicht zugerechnet, wenn ihm bei der Tat eine entschuldbare Fehlleistung unterlief.

Ein Irrtum ist nur dann entschuldbar, wenn der Täter bei der Beurteilung des Sachverhalts und der Rechtslage jenes Maß an gebotener pflichtgemäßer Sorgfalt aufwendet, das von ihm objektiv nach den Umständen des Falles gefordert werden muss, und das ihm subjektiv nach seinen persönlichen Verhältnissen auch zugemutet werden kann (zB , bzw. vom , 82/17/0040).

Die hier einzig und allein gemäß § 4 Abs. 2 FinStrG und unabhängig von einer Zuständigkeit der österreichischen Abgabenbehörde zur Geltendmachung der Eingangsabgabenschuld, zB nach Art. 215 Abs. 4 ZK) zuständige Finanzstrafbehörde (vgl. dazu auch die zutreffenden Begründungsausführungen im angefochtenen Ersterkenntnis) hat grundsätzlich ohne Bindung an die Ergebnisse bzw. die behördlichen Feststellungen des Abgabenverfahrens aus Eigenem die für das Finanzstrafverfahren maßgeblichen Sachverhaltselemente zu ermitteln bzw. aus eigener Überzeugung die Erwiesenheit einer Tatsache zu beurteilen, wobei allerdings bestehende Zweifel nicht zum Nachteil des Beschuldigten ausgelegt werden dürfen (vgl. § 98 Abs. 3 FinStrG).

Unter Berücksichtigung der sich aus der StrNr. 500-2002/00000-001 (Strafakt) bzw. den GZn. 56 und 78 (Abgabenfestsetzung) ergebenden Aktenlage ist für die Entscheidung über die gegenständliche Berufung von nachstehendem Sachverhalt auszugehen:

Der in den Jahren von 1967 bis Ende 1999 als selbständiger Transportunternehmer in München tätige und dort auch wohnhafte, aus der Türkei stammende, mit Frau GC verheiratete Bw., geb. am 19XX, reiste nach einem mehrmonatigen Türkeiaufenthalt (Wohnsitz ab August 2000 in T, ua. zur Pflege seiner ebenfalls dort wohnhaften, kranken Mutter) am , gemeinsam mit seiner Ehegattin und seiner in A /Deutschland wohnhaften Tochter TC, mit dem angeführten, nach dem August 2000 in der Türkei angekauften und dort auch kraftfahrrechtlich zugelassenen PKW am Straßenweg, aus der Türkei kommend, über ein griechisches Zollamt in das Zollgebiet der Gemeinschaft ein. Mit sich führte der Bw., der zum genannten Zeitpunkt über eine, am von den deutschen Behörden unter der Auflage, dass der Bewilligungsinhaber innerhalb von neun Monaten nach seiner Ausreise nachweislich wieder nach Deutschland einreise, ausgestellte Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland verfügte, eine bis befristete sog. grüne Versicherungskarte für das genannte Fahrzeug sowie einen türkischen Reisepass. Den Zweck der Reise bildete neben dem Besuch seiner Tochter ua. auch die Erwirkung einer Verlängerung der genannten Aufenthaltsbewilligung.

Bei der Einreise wurde von der griechischen Zollkontrollstelle im Pass des Bw. (auf Seite 42) der Eintritt des mit dem behördlichen Kennzeichen bezeichneten Fahrzeuges mit dem Zusatz: "Gültig für 6 Monate", d. e. beim vorgegebenen Kalenderlauf für 2001 185 Tagen, vermerkt (Nr. 4/2 des Strafaktes).

Der Bw. fuhr daraufhin (mit seiner Begleitung) weiter nach A in Deutschland zur Wohnung seiner Tochter und nahm dort gemeinsam mit seiner Gattin einen Aufenthalt. Am wurde der sich mit dem genannten Fahrzeug auf der (Rück-)Fahrt von einem gemeinsam mit Ehegattin und Tochter durchgeführten Ausflug nach Wien nach A befindliche Bw. an der österreichischen Autobahn von Zollbeamten der MÜG/Freistadt kontrolliert und dabei eine Tatbeschreibung, GZ. 910 (Verdacht gemäß §§ 36 Abs. 2 iVm. 35 Abs. 2 FinStrG; Nr. 1/1-1/3 des Strafaktes) aufgenommen.

Nach dem anhand der Ergebnisse des Untersuchungsverfahrens nicht widerlegbaren und angesichts der Aktenlage (vgl. dazu insbesondere die angeführte Befristung des Versicherungsschutzes für das Fahrzeug und die im Reisepass vermerkte Vormerkfrist für dessen Rückbringung) auch glaubwürdig erscheinenden Vorbringen des Bw. fuhr er noch vor Ablauf der Geltungsdauer der Versicherungskarte, dh. jedenfalls noch vor Ende Mai 2001, gemeinsam mit seiner Ehegattin mit dem Fahrzeug in die Türkei/Ankara-Bahcelievler (Anschrift siehe oben) zurück. Über die genaueren Umstände des Aufenthaltes in A (vgl. § 26 Abs. 1 BAO) liegen ebenso wie für allfällige weitere Aufenthalte des Bw. in Deutschland im Jahr 2001 keinerlei Informationen bzw. Anhaltspunkte vor.

Der vom Hauptzollamt Linz am , GZ. 1112, erlassene Abgabenbescheid (Geltendmachung der Zollschuld gemäß Art. 202 Abs. 1 lit. a ZK iHv. 1.017,42 € = Zoll, gegenüber dem Bw.) wurde, über entsprechende Berufung des Beschuldigten, letztlich mit Berufungsvorentscheidung vom , GZ. 1314, gemäß Art. 243 ZK iVm. § 85 b Abs. 3 ZollR-DG (wegen Unzuständigkeit, vgl. dazu die Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , GZ. 1516) ersatzlos aufgehoben.

In seiner, die Unzuständigkeit des Hauptzollamtes Linz bzw. der Österreichischen Zollbehörden überhaupt zur Geltendmachung der Zollschuld gegenüber dem Bw. feststellenden, Berufungsentscheidung (vgl. Art. 215 Abs. 4 ZK) führte der Unabhängige Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz ua. aus, dass aufgrund der festgestellten, der Kontrolle vom vorangegangenen Reisebewegungen mit dem angeführten Fahrzeug (seit der Ersteinfuhr mehrmalige Fahrtunterbrechungen bzw. Abschluss ursprünglichen Reisebewegung mit der erstmaligen Ankunft in A und infolgedessen kein zeitliches und räumliches Naheverhältnis zwischen Ersteinfuhr am und dem tatsächlichen Aufgriff am ) die Fiktion des Art. 234 Abs. 2 ZK-DVO nicht anwendbar und die Zollschuld daher jedenfalls nicht nach Art. 202 Abs. 1 ZK entstanden sei.

Diese (abgabenrechtliche) Beurteilung, wonach, mangels Anwendbarkeit des Art. 234 Abs. 2 ZK-DVO durch eine allfällige widerrechtliche Inanspruchnahme der Regelung des Art. 719 ZK-DVO, so zB durch die Nichtangabe bzw. Verschweigung eines Gemeinschaftswohnsitzes iSd. § 4 Abs. 2 Z 8 ZollR-DG, die Eingangsabgabenschuld jedenfalls nicht gemäß Art. 202 ZK entstanden sei, kann auch für das gegenständliche Finanzstrafverfahren übernommen werden und führt dies in weiterer Konsequenz dazu, dass mit dem (erstmaligen) Wegbringen des Fahrzeuges vom Amtsplatz des (griechischen) Eintrittszollamtes die Zollschuld gemäß Art. 203 Abs. 1 ZK für den Bw. entstanden bzw. das Fahrzeug allenfalls, dh. bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen, als (vorschriftswidrig) der zollamtlichen Überwachung iSd. § 35 Abs. 1 lit. a 3. Fall FinStrG entzogen gelte und folglich somit die objektive Tatkonstellation des § 35 Abs. 1 lit. a 3. Fall FinStrG vorläge (vgl. zur "Rangordnung" der unterschiedlichen Tatbestandsvarianten des § 35 Abs. 1 lit. a FinStrG Fellner, aaO, Tz. 29a).

Dass jedoch im Fall des Bw. die für tatbildmäßiges Handeln unabdingbare Voraussetzung eines "normalen" bzw. "gewöhnlichen" Wohnsitzes iSd. § 4 Abs. 2 Z 8 ZollR-DG im Gemeinschaftsgebiet, nämlich in A/Deutschland, auch gegeben war, erweist sich jedoch anhand des festgestellten Sachverhaltes als zumindest nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Gewissheit bzw. Wahrscheinlichkeit feststellbar. So ließen zwar noch die Erstaussagen des Bw. (vgl. die Tatbeschreibung vom ) durchaus den Schluss zu, dass auch noch im Kalenderjahr 2001, wie in den Jahren zuvor, dessen (einziger und damit auch gewöhnlicher) Wohnsitz in Deutschland gelegen war, doch wurden diese ursprünglichen Aussagen des Bw. durch das folgende Vorbringen und durch die im weiteren Verfahrensverlauf zu Tage getretenen näheren persönlichen Umstände des Beschuldigten bzw. seines tatsächlichen Aufenthaltes in Deutschland nach der Einreise im März 2001 zunehmend relativiert bzw. substanziell abgeändert (vgl. insbesondere Nr. 8, 16 f, 74-81 des Strafaktes). Selbst wenn man den (vorübergehenden) Aufenthalt in der Wohnung der Tochter als (gleichsam abgeleiteten) Wohnsitz iSd. § 26 Abs. 1 BAO verstünde, so läge nämlich daneben wohl auch noch ein weiterer Wohnsitz, ebenso mit persönlichen Bindungen (Eltern), an der genannten Anschrift in der Türkei/Ankara vor (vgl. VwGH vom 3. Juli 20073, 99/15/0104). Damit gewinnt aber die in § 4 Abs. 2 Z 8 ZollR-DG für den gewöhnlichen Wohnsitz geforderte Mindestaufenthaltsdauer von 185 Tagen je Kalenderjahr eine entscheidende Bedeutung. Da die bisherige Sachlage aber keinen hinreichenden Hinweis darauf enthält, dass sich der Bw. im Kalenderjahr 2001 tatsächlich mehr als 185 Tage in der genannten Wohnung seiner Tochter im Gemeinschaftsgebiet bzw. in Deutschland aufgehalten hat, kann der Nachweis für eine Tatbildverwirklichung einer Verzollungsumgehung in der Form einer vorschriftswidrigen Entziehung einer eingangsabgabenpflichtigen Ware aus der zollamtlichen Überwachung hier schon deswegen als nicht ausreichend erwiesen angesehen werden.

Aber auch dann, wenn, allenfalls nach der Durchführung weiterer ergänzender Erhebungen, zB Einvernahme der Tochter, dieser für die Annahme einer Tathandlung iSd. §§ 35 Abs. 1 lit. a 3. Fall und 36 Abs. 1 FinStrG unabdingbare Umstand wider allen Erwartungen als zutreffend hervorkäme, so könnte dennoch schon angesichts des im Reisepass des Bw. von den griechischen Zollbehörden ohne ausdrücklichen Hinweis auf die Besonderheiten des Anlassfalles (längerer Aufenthalt bzw. aufrechte Aufenthaltsbewilligung in Deutschland) seitens des Bw. wohl nicht angebrachten, Vermerkes das auf die Geltendmachung eines entschuldbaren Irrtums iSd. § 9 FinStrG hinauslaufende Vorbringen, es sei schon bei der Ersteinreise in das Gemeinschaftsgebiet am die die Einfuhrabfertigung durchführende Zollbehörde auf die genauen Begleitumstände seines geplanten Aufenthaltes aufmerksam gemacht worden, letztlich wohl nicht widerlegt werden.

Damit war aber, ohne auf das weitere, im Übrigen nicht zutreffende Berufungsvorbringen im Hinblick auf eine allfällige Verjährung der Strafbarkeit (vgl. insbesondere § 31 Abs. 4 lit. b FinStrG) einzugehen, im Hinblick auf den Zweifelsgrundsatz des § 98 Abs. 3 FinStrG spruchgemäß zu entscheiden, die angefochtene Entscheidung der Erstbehörde abzuändern und das Strafverfahren gegen den Bw. nach den angeführten Vorschriften einzustellen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 36 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 35 Abs. 1 lit. a FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 8 Abs. 2 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 9 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 4 Abs. 2 Z 8 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
Schlagworte
Verzollungsumgehung
vorschriftswidrige Verbringung
Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung
gewöhnlicher Wohnsitz
Fahrlässigkeit
entschuldbarer Irrtum

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at