Energieabgabenvergütungsgesetz - Verfassungs-und Unionsrechtswidrigkeit?
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2012/17/0469 eingebracht. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., Gde X, S-Straße xx, vertreten durch die XY Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsges.m.b.H., Gd Y, P-Gasse yy, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Energieabgabenvergütung für das Jahr 2011 entschieden:
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.
Der Vergütungsbetrag wird mit 1.892,70 € festgesetzt.
Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (in der Folge kurz: Bw.) betreibt ein Hotel. Mit Antrag vom begehrte sie die Vergütung von Energieabgaben für 2011 in Höhe von 22.712,43 €.
Das Finanzamt Feldkirch wies diesen Antrag mit Bescheid vom mit der Begründung ab, dass mit Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, in den §§ 2 und 3 Energieabgabenvergütungsgesetz (EnAbgVerG) eine Einschränkung vorgesehen sei, nach der für Antragszeiträume nach dem eine Energieabgabenvergütung nur noch für Betriebe zulässig sei, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter bestehe und für Beherbergungsbetriebe die Energieabgabenvergütung für Zeiträume nach dem somit ausgeschlossen sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom beantragte die steuerliche Vertretung der Bw., den angefochtenen Bescheid aufzuheben bzw. abzuändern sowie antragsgemäß Energieabgaben für das Jahr 2011 in Höhe von 22.712,43 € zu vergüten, und brachte dazu Nachstehendes vor: "Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Finanzamt Feldkirch den Antrag auf Energieabgabenvergütung gemäß § 2 EAVG mit der Begründung abgelehnt, dass mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBI. I Nr. 111/2010, in §§ 2 und 3 EAVG eine Einschränkung vorgesehen worden sei, nach der für Antragszeiträume nach dem eine Energieabgabenvergütung nur noch für Betriebe zulässig sei, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter bestehe. Für sogenannte "Dienstleistungsbetriebe" sei die Energieabgabenvergütung für Zeiträume nach somit ausgeschlossen. Diese Begründung ist rechtlich unzutreffend: a. Europarechtliche Bedenken: Das novellierte EAVG trat rückwirkend mit in Kraft, eine gemäß Art. 107 Abs. 3 AEUV erforderliche Bewilligung durch die Europäische Kommission ("Kommission") erfolgte jedoch nicht. Mit der vorliegenden Beschwerde möchte Bw. aufzeigen, dass das EAVG in der Fassung des BGBI. I 111/2010 nicht mit dem gemeinschaftlichen Beihilferecht vereinbar ist. Wie aus dem Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2011 C 288/21), in dem sich die angebliche "Freistellungserklärung" der EU-Kommission findet, ersichtlich ist, hat die Kommission die Einschränkung der Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe ab 2011 keineswegs genehmigt. Vielmehr hat sich die Republik Österreich gegenüber der Kommission auf den Standpunkt gestellt, dass die geplanten Änderungen der Energieabgabenrückvergütung (im Folgenden "EARV") die Anwendungsvoraussetzungen der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 800/2008 ("AGVO") erfüllen. Vereinfacht gesagt, hat die Republik Österreich behauptet, dass man für die Einschränkung der EARV auf Produktionsbetriebe gar keine Genehmigung von Seiten der Kommission benötige. Diese Haltung steht in offenkundigem Widerspruch zu § 4 Abs. 7 EAVG idF BGBl. I 111/2010, wo explizit auf die Notwendigkeit einer Genehmigung durch die Kommission verwiesen wird. Im Einzelnen: 1. Gemäß Art. 9 Abs. 1 VO 800/2008 haben die Mitgliedstaaten die Europäische Kommission binnen 20 Tagen nach Inkrafttreten über Maßnahmen zu informieren, für welche die Mitgliedstaaten die Vorteile der AGVO in Anspruch nehmen wollen. Eine solche Verständigung führt nicht zu einer inhaltlichen Überprüfung der fraglichen Maßnahme durch die Kommission. Vielmehr nimmt die Kommission die Information des Mitgliedstaates bloß entgegen und veröffentlicht sie. Um einen Akt der Genehmigung, durch den die Maßnahme als beihilferechtskonform erkannt wird, handelt es sich dabei nicht. 2. Die Novelle zum EAVG wurde von der Republik Österreich gemäß Art. 9 VO 800/2008 zu Fall-Nr. SA.32526 bei der Kommission angezeigt. Einen "vollwertigen" Genehmigungsantrag, der den Erfordernissen der VO 659/1999 und der dazu ergangenen Durchführungsregeln zu entsprechen hätte, hat die Republik Österreich nicht gestellt. 3. Wie bereits ausgeführt, verlangt das EAVG idF BGBl. I 111/2010 explizit eine Genehmigung durch die EU-Kommission. Eine solche Genehmigung liegt nicht vor. Sie kann auch nicht durch eine Berufung auf die AGVO ersetzt werden. Das gilt umso mehr, als die Novelle des EAVG tatsächlich die Anwendungsvoraussetzungen der AGVO nicht erfüllt. 4. Die Unanwendbarkeit der AGVO ergibt sich zum einen daraus, dass die Freistellung nach Art. 25 AGVO nur für Umweltsteuern gilt, die durch die Energiesteuerrichtlinie 2003/96/EG geregelt sind. Das ist bei den österreichischen Energieabgaben und den damit korrespondierenden Vergütungsregelungen aber nicht der Fall. Diese Bestimmungen gelten auch für Produktionszweige, die gemäß Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie 2003/96/EG von der Anwendung der Energiebesteuerungsrichtlinie ausgenommen sind. Darunter fallen etwa Unternehmen der metallverarbeiteten Industrie oder des Maschinenbaus. Die österreichische Energiesteuergesetzgebung geht also über die RL 2003/96/EG hinaus. Das hat zur Folge, dass die AGVO auf das EAVG nicht anwendbar ist. Vielmehr müsste die Republik Österreich für Ausnahmen von der Energiebesteuerung eine individuelle Genehmigung nach Art. 107 Abs. 3 AEUV beantragen. Das ist, wie erläutert, nicht geschehen. 5. Dazu kommt, dass die Novelle der EAVG auch deswegen nicht die Voraussetzungen der AGVO erfüllt, weil das Gesetz zeitlich nicht befristet ist (vgl. Art. 25 Abs. 3 AGVO). Die in der Mitteilung zu SA.35.526 erwähnte Beschränkung auf den Zeitraum bis findet im Text des EAVG keine Stütze. b. Verfassungsrechtliche Bedenken: Neben den oben dargestellten europarechtlichen Bedenken, verletzt die Bestimmung des § 2 Abs. 1 EAVG in der ab gültigen Fassung auch die verfassungsgesetzlichen Rechte unserer Mandantschaft. Der Ausschluss der Dienstleistungsbetriebe von der Energieabgabenvergütung erscheint unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes verfassungsrechtlich bedenklich. Der Gleichheitssatz verbietet dem Gesetzgeber, Gleiches ohne hinreichenden Grund ungleich zu behandeln, dh. sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierungen zu treffen und verlangt, dass unterschiedliche Regelungen durch Unterschiede im Tatsächlichen begründet sind. Bei der Einschränkung der Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe sind Gründe, die diese Differenzierung zwischen Dienstleistungsunternehmen und Produktionsunternehmen gerechtfertigt erscheinen lassen, weder in den Materialien zu dieser Gesetzesänderung erläutert noch sonst erkennbar bzw. aus allgemeinen Denkgesetzen ableitbar. Eine Übereinstimmung mit dem Gedanken der Steuergerechtigkeit liegt nicht vor. c. Vergütung der Energieabgaben für den Zeitraum Jänner 2011: Sollte man entgegen der hier vertretenen Ansicht zur Auffassung gelangen, dass die Änderungen der EARV die Anwendungsvoraussetzungen der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 800/2008 ("AGVO") erfüllen und somit die Beihilfe rechtmäßig nach Artikel 109 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sofort gewährt werden konnte, ohne dass eine vorherige Anmeldung der Beihilfe bei der Kommission nach Art. 108 Abs. 3 AEUV erforderlich war und überdies keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Einschränkung der Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe bestehen, ist Folgendes zu beachten: Dem an die Europäische Kommission gerichteten Informationsblatt ist zu entnehmen, dass die österreichische Beihilfe über eine Laufzeit von bis (ABI. 2011, C-288/21) gewährt wird. Folglich kann sich eine allfällige Genehmigung durch die Europäische Kommission iSd § 4 Abs. 7 EAVG nur auf diese Zeit beziehen. Mangels Genehmigung ist § 2 EAVG in der derzeitigen Fassung daher jedenfalls für Jänner 2011 noch nicht anzuwenden, so dass Dienstleistungsbetriebe für Jänner 2011 eine Rückvergütung der Energieabgaben beantragen können (Verweis auf -I/12). Wir stellen daher in eventu den Antrag, auf Vergütung von Energieabgaben für Jänner 2011 iHv 1.892,71 € gemäß beiliegendem Formular ENAV 1 (1/12 vom Jahresbetrag)."
In der Folge legte das Finanzamt die Berufung - ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung - der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung erwogen:
Nach § 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Vergütung von Energieabgaben (Energieabgabenvergütungsgesetz) in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, besteht ein Anspruch auf Vergütung nur für Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht und soweit sie nicht die in § 1 Abs. 3 genannten Energieträger oder Wärme (Dampf oder Warmwasser), die aus den in § 1 Abs. 3 genannten Energieträgern erzeugt wurde, liefern.
Nach § 4 Abs. 7 Energieabgabenvergütungsgesetz ist die oben wiedergegebene Ausschlussbestimmung vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission auf Vergütungsanträge anzuwenden, die sich auf einen Zeitraum nach dem beziehen.
Streit besteht gegenständlich darüber, ob und in welchem Ausmaß die Bw. für das Jahr 2011 einen Anspruch auf Vergütung von Energieabgaben hat. Der Schwerpunkt des Betriebes der Bw. besteht unstrittig in der Erbringung von Dienstleistungen und nicht in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter.
Wie der Unabhängige Finanzsenat bereits wiederholt festgestellt hat, mangelt es für den Monat Jänner 2011 offenkundig an der Erfüllung des Vorbehalts iSd § 4 Abs. 7 Energieabgabenvergütungsgesetz ("Genehmigung durch die Europäische Kommission"), sodass die beantragte Vergütung der Energieabgaben für diesen Zeitraum anteilig zu gewähren und daher der Berufung insoweit - entsprechend dem Eventualantrag der Bw. - Folge zu geben war (vgl. zB -I/12; -I/12; ; -F/12; -I/12; -F/12; -I/12; -F/12; siehe dazu unter https:// findok.bmf.gv.at). Für den Zeitraum ab Februar 2011 lag eine entsprechende Genehmigung der Europäischen Kommission vor (nach dem Informationsblatt, das der Europäischen Kommission übermittelt wurde, hat die Beihilfe eine Laufzeit vom " - "; folglich konnte sich die Genehmigung iSd § 4 Abs. 7 Energieabgabenvergütungsgesetz durch die Europäische Kommission, die im Amtsblatt der Europäischen Union 2011, C-288, 21, veröffentlicht wurde, auch nur auf diesen Zeitraum beziehen) und bestand damit ab diesem Zeitpunkt () nach dem klaren und eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 2 Abs. 1 Energieabgabenvergütungsgesetz für den gegenständlichen Dienstleistungsbetrieb der Bw. kein Anspruch auf Vergütung der Energieabgaben und war daher über den auf Jänner 2011 entfallenden Vergütungsanspruch hinaus der Berufung ein Erfolg zu versagen.
Eine Unionsrechtswidrigkeit vermag der Unabhängige Finanzsenat in der Einschränkung der Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe nicht zu erkennen (mit ausführlicher Begründung zB ; siehe dazu auch Bieber, Ist die Einschränkung der Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe durch das BBG 2011 unionsrechts- und verfassungskonform?, ÖStZ 2012/89, Seiten 60 ff).
Die Klärung der Frage, ob mit der in Rede stehenden Regelung gegen Verfassungsrecht verstoßen wird, fällt ausschließlich in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes. Der Unabhängige Finanzsenat ist an bestehende und ordnungsgemäß kundgemachte Gesetze gebunden. Eine Normprüfungskompetenz kommt dem Unabhängigen Finanzsenat nicht zu.
Gesamthaft war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 1 Abs. 3 Energieabgabenvergütungsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996 § 2 Abs. 1 Energieabgabenvergütungsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996 § 4 Abs. 7 Energieabgabenvergütungsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at