Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 26.09.2012, RV/2621-W/12

Ausschluss von Dienstleistungsbetrieben von der Energieabgabenvergütung ab 02/2011 mit BBG 2011

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Gemeinde1, 2xxx M., S-Gasse, vertreten durch Kompetenz und Service Steuerberatung KG, 7400 Oberwart, Brunnerstraße 1/10, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Energieabgabenvergütung 2011 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Energieabgabenvergütung wird in Höhe von € 95,33 festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (im Folgenden mit Bw. bezeichnet) ist eine Gemeinde, die für das Jahr 2011 für den Betrieb gewerblicher Art "Kindergarten" die Vergütung von Energieabgaben iHv € 1.156,01 beantragte.

Mit Abweisungsbescheid vom wurde der Antrag der Bw. auf Vergütung der Energieabgaben für den BgA "Kindergarten" mit der Begründung abgewiesen, dass für Antragszeiträume nach dem eine Energieabgabenvergütung nur noch für Betriebe zulässig sei, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter bestehe. Für sog. "Dienstleistungsbetriebe" sei die Energieabgabenvergütung für Zeiträume nach dem somit ausgeschlossen. Nach § 4 Abs. 7 ENAVG seien diese Änderungen vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission auf Vergütungsanträge anzuwenden. Die schriftliche Ausfertigung der Genehmigung der Gesetzesänderung durch die Europäische Kommission sei im Amtsblatt der EU vom , ABl. C 288/21, erfolgt.

Gegen den Abweisungsbescheid wurde mit Eingabe vom fristgerecht berufen. Diese Berufung richtet sich gegen die Nichtberücksichtigung der Energieabgabenvergütung iHv € 1.156,01.

Begründend wurde ausgeführt, die Energieabgabenvergütung 2011 sei nicht veranlagt worden, da mit Budgetbegleitgesetz (BBG) 2011 kein gesetzlicher Anspruch auf eine Energieabgabenvergütung für Dienstleistungsbetriebe bestehe. Die Bw. sei jedoch der Rechtsansicht, dass die gesetzliche Bestimmung des § 2 Abs. 1 ENAVG verfassungswidrig sei. Insbesondere widerspreche es dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Es werde daher um eine Stattgabe der Berufung ersucht.

Mit Eingabe vom übermittelte die Bw. eine aliquote Berechnung der Energieabgabenvergütung für den Zeitraum Jänner 2011, derzufolge die Energieabgabenvergütung für diesen Zeitraum in Höhe von € 95,33 wie folgt ermittelt worden sei:


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Kindergarten:
Betrag:
Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG:
1.338,56
abzügl. Vorleistungen:
- 2.832,86
Nettoproduktionswert:
- 1.494,30
geleistete Elektrizitätsabgabe:
18,29
geleistete Mineralölsteuer:
141,25
SUMME:
159,54
abzügl. Selbstbehalt II:
- 30,88
Differenz:
128,66
abzügl. Selbstbehalt:
- 33,33
Vergütungsbetrag:
95,33

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 ENAVG 1996 idF BGBl I 92/2004 sind die entrichteten Energieabgaben auf die in Abs. 3 genannten Energieträger für ein Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) auf Antrag insoweit zu vergüten, als sie (insgesamt) 0,5 % des Unterschiedsbetrages zwischen


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1.
2.
Umsätzen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1994, die an das Unternehmen erbracht werden,

übersteigen (Nettoproduktionswert).

Ein Anspruch auf Vergütung besteht gemäß § 2 Abs. 1 ENAVG 1996 idF BGBl I 111/2010 nur für Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht und soweit sie nicht die in § 1 Abs. 3 genannten Energieträger oder Wärme (Dampf oder Warmwasser), die aus den in § 1 Abs. 3 genannten Energieträgern erzeugt wurde, liefern.

Über Antrag des Vergütungsberechtigten wird nach Abs. 2 leg.cit. je Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr der Betrag vergütet, der den in § 1 genannten Anteil am Nettoproduktionswert übersteigt. Der Antrag hat die im Betrieb verbrauchte Menge an den in § 1 Abs. 3 genannten Energieträgern und die in § 1 genannten Beträge zu enthalten. Er ist spätestens bis zum Ablauf von fünf Jahren ab Vorliegen der Voraussetzungen für die Vergütung zu stellen. Der Antrag gilt als Steuererklärung. Der Antrag ist mit Bescheid zu erledigen und hat den Vergütungsbetrag in einer Summe auszuweisen.

Bei der Berechnung des Vergütungsbetrages gilt nach § 2 Abs. 2 Z 2 ENAVG 1996 entweder die Grenze von 0,5% des Nettoproduktionswertes oder die folgenden Selbstbehalte, wobei der niedrigere Betrag gutgeschrieben wird:


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-
für elektrische Energie 0,0005 €/kWh
-
für Erdgas der Unterposition 2711 21 00 der Kombinierten Nomenklatur 0,00598 €/Normkubikmeter
-
für Kohle der Positionen 2701, 2702, 2704, 2713 und 2714 der Kombinierten Nomenklatur 0,15 €/Gigajoule
-
für Heizöl Extraleicht (gekennzeichnetes Gasöl Unterpositionen 2710 19 41, 2710 19 45, 2710 19 49 der Kombinierten Nomenklatur) 21 €/1000 Liter
-
für Heizöl leicht, mittel, schwer (Unterpositionen 2710 19 61, 2710 19 63, 2710 19 65, 2710 19 69 der Kombinierten Nomenklatur) 15 €/1000 kg
-
für Flüssiggas (Unterpositionen 2711 12, 2711 13, 2711 14, 2711 19 der Kombinierten Nomenklatur) 7,5 €/1000 kg.

Der Vergütungsbetrag wird abzüglich eines allgemeinen Selbstbehaltes von 400 € gutgeschrieben.

Gemäß § 4 Abs. 7 ENAVG 1996 idF BGBl I 111/2010 sind die §§ 2 und 3, jeweils in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl I 111/2010, vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission auf Vergütungsbeträge anzuwenden, die sich auf einen Zeitraum nach dem beziehen.

Nach den Berufungsausführungen der Bw. werde die Bestimmung des § 2 Abs. 1 ENAVG idF BGBl 111/2010 als verfassungswidrig erachtet, da diese Bestimmung dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und dem Leistungsfähigkeitsprinzip widerspreche.

Der Antrag auf Vergütung der Energieabgaben ist gemäß § 2 Abs. 2 ENAVG für jeden einzelnen Betrieb zu stellen. Der Begriff "Betrieb" wird im Energieabgabenvergütungsgesetz nicht näher definiert. Das Energieabgabenvergütungsgesetz bedient sich aber im Wesentlichen der Terminologie des UStG 1994. Demnach ist für das Energieabgabenvergütungsgesetz nicht auf einen ertragsteuerlichen, sondern auf einen umsatzsteuerlichen Betriebsbegriff abzustellen (vgl. Zl. 2006/17/0118). Dies entspricht auch der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischen Strom (sog. "Energiesteuerrichtlinie").

Nach § 2 Abs. 1 des Energieabgabenvergütungsgesetzes besteht ein Anspruch auf Vergütung der Energieabgaben nur für Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht. Die Körperlichkeit der Wirtschaftsgüter ist nicht vom Aggregatzustand abhängig, sodass sowohl feste als auch flüssige oder gasförmige Wirtschaftsgüter unter die Bestimmung fallen können. Entscheidend ist dabei, dass durch chemische oder physikalische (auch mechanische) Einwirkung ein anderes Wirtschaftsgut entsteht.

Nach dem Gesetzestext des § 2 Abs. 1 ENAVG idF BGBl I 111/2010 können Dienstleistungsbetriebe für Jahre ab 2011 keine Vergütung der Energieabgaben mehr in Anspruch nehmen.

Zunächst die festzuhalten, dass es ausschließlich Sache des VfGH ist, Verletzungen des Verfassungsrechts festzustellen. Der Unabhängige Finanzsenat hat bestehende Gesetze auch dann anzuwenden, wenn sie möglicherweise (oder tatsächlich) verfassungswidrig sind.

In den Erläuternden Bemerkungen wurde die Streichung der Energieabgabenvergütung für Dienstleistungsbetriebe lediglich mit dem Satz begründet: "Der Kreis der Anspruchsberechtigten ist zu weit gefasst". Die neue Bestimmung ist vom UFS ungeachtet des Faktums anzuwenden, dass der Gesetzgeber die Abschaffung jahrelang gewährter Vergütungen nicht ausreichend begründete, damit die sachliche Differenzierung auch für die Betroffenen klar erkennbar ist. Der Umstand, dass die Einführung der Vergütung für Dienstleistungsbetriebe ab 2002 offenkundig auch dem Zweck diente, mittels Gleichstellung beider Betriebsarten den produzierenden Unternehmen die Rückzahlung der bereits gewährten Vergütungsbeträge für die Jahre 1996 bis 2001 zu ersparen (um nach einer angemessenen Frist wieder den alten Gesetzeszustand für Dienstleistungsbetriebe herzustellen), führt zu keiner erkennbaren Verfassungswidrigkeit (s. sinngemäß GZ. RV/0327-L/12).

Im Übrigen ist auf das VfGH-Erkenntnis vom , Zl. B 1348/02, zu verweisen: In diesem Erkenntnis hat der VfGH eine Gegenüberstellung der Wettbewerbssituation eines inländischen Produktionsbetriebs und eines inländischen Dienstleistungsbetriebs vorgenommen. Dabei ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass inländische Dienstleistungsbetriebe im Regelfall nur auf nationaler Ebene miteinander konkurrieren, wohingegen inländische Produktionsbetriebe ihre Produkte im Regelfall auf dem gesamten europäischen Markt anbieten und dementsprechend auch in Konkurrenz zu ausländischen Produktionsbetrieben stehen.

Nach Ansicht des VfGH in dem vorstehenden Erkenntnis liegt allerdings ein Härtefall vor, wenn ein energieintensiver österreichischer Dienstleistungsbetrieb seine Dienstleistungen auf einem konkurrierenden europäischen Markt anbietet. Insbesondere wurde in diesem Zusammenhang für einen Bergbahn- bzw. Seilbahnbetrieb ausgesprochen, dass für ein solches Unternehmen die Wettbewerbssituation mit ausländischen vergleichbaren Betrieben eher ein Ausnahmefall ist. Ein Kunde, der eine Dienstleistung eines Seilbahnunternehmens im Inland in Anspruch nehmen will, wird in aller Regel nicht mit dem Anbot eines ausländischen Seilbahnunternehmens vergleichen, da die nachgefragte Dienstleistung nicht ohne Weiteres austauschbar ist. Der vom Seilbahnunternehmen angebotene Zielort wird eben nur vom inländischen Seilbahnunternehmen und nicht auch von einem ausländischen Seilbahnunternehmen angeboten. Eine nicht gewährte Energieabgabenvergütung für das inländische Seilbahnunternehmen führt zwar zu höheren Kosten und damit zu einem höheren Preis. Dieser höhere Preis stellt in aller Regel keinen Wettbewerbsvorteil für den ausländischen Seilbahnunternehmer dar. Lediglich in Fällen, in denen etwa an einer Bundesgrenze gelegener Zielort zugleich durch ein inländisches und ein ausländisches Seilbahnunternehmen erschlossen wird, kann sich die Wettbewerbssituation ergeben, die für sich aber als Härtefall erscheint und daher zu keiner Verletzung des Gleichheitssatzes führt (vgl. VfGH-Erk VfSlg 16771/2002).

Ähnliche Überlegungen sind bei der Bw. anzustellen, die einen öffentlichen Kindergarten betreibt, der mit anderen Anbietern kaum in Wettbewerb steht.

Im Übrigen verfolgt die Regelung der Energieabgabenvergütung das rechtspolitische Ziel, mit der Entlastung der energieintensivsten Unternehmen die Wettbewerbsfähigkeit der (körperliche Wirtschaftsgüter produzierenden) Betriebe zu erhalten. Die in § 2 Abs. 1 ENAVG 1996 vorgenommene Beschränkung der Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe liegt daher im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des einfachen Bundesgesetzgebers, der auch Härtefälle in Kauf nehmen könne. Ist ein Betrieb an einen Standort im Inland gebunden, nehme er nicht im gleichen Maße am Wettbewerb des europäischen Marktes teil, wie Betriebe, die schwerpunktmäßig körperliche Wirtschaftsgüter herstellen (vgl. Zl. B 1348/02).

Der VfGH hat damit bereits 2002 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei stehen muss, hinsichtlich der Energieabgabenvergütung zwischen Produktionsbetrieben und Dienstleistungsbetrieben zu unterscheiden, weil erstere in größerem Wettbewerb mit ausländischen Betrieben stehen. Der VfGH hat im Erkenntnis VfSlg 16771/2002 die Einschränkung der Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe grundsätzlich als verfassungskonform qualifiziert.

Die Überprüfung, inwieweit die Abschaffung der Energieabgabenvergütung ohne längere Übergangsfristen - insbesondere bei energieintensiv ausgerichteten Branchen (wie dem Eisenbahnunternehmen) - verfassungsrechtlich bedenklich ist und einer verträglicheren stufenweise geregelten Abschaffung hätte Platz machen müssen, bleibt der Entscheidung des VfGH vorbehalten.

Der UFS hat - beginnend mit der Entscheidung vom , RV/0188-I/12 - in einer weitaus überwiegenden Anzahl von Fällen die Ansicht vertreten, dass die Energieabgabenvergütung den Dienstleistungsbetrieben mangels Erfüllung des Gesetzesvorbehalts (zeitgerechte Genehmigung durch die Europäische Kommission) auch noch für den Monat Jänner 2011 zu gewähren ist. Gegen die zitierte Entscheidung sowie gegen eine große Anzahl von weiteren Entscheidungen des UFS wurde von den Finanzämtern Beschwerde an den VwGH erhoben. Der VwGH hat nunmehr seine - bereits am ergangene - Entscheidung zur ersten Amtsbeschwerde (betr. GZ. RV/0188-I/12) zugestellt. Die Beschwerde des Finanzamts wurde als unbegründet abgewiesen ( Zl. 2012/17/0175).

In diesem Umfang wird der Berufung teilweise Folge gegeben und eine aliquote Energieabgabenvergütung iHv € 95,33 gewährt.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 2 Abs. 1 Energieabgabenvergütungsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996
§ 2 Abs. 2 Energieabgabenvergütungsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996
§ 4 Abs. 7 Energieabgabenvergütungsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996
§ 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
RL 2003/96/EG, ABl. Nr. L 283 vom S. 51
§ 2 Abs. 1 Energieabgabenvergütungsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at