Schätzung mangels Aufzeichnungen und Basispauschalierung
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2012/13/0020 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss v. abgelehnt.
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Rechtssätze | |
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Stammrechtssätze | |
RV/1977-W/04-RS1 | Das Fehlen von Aufzeichnungen führt dazu, dass die Grundlagen zur Abgabenerhebung von der Behörde zu schätzen sind (§ 184 BAO). Gegenstand der Schätzung sind die Besteuerungsgrundlagen oder Teile davon (Ritz, BAO4, § 184 Tz 1 mwN). Die Gewinnermittlung und damit auch die Frage, ob eine Pauschalierung beansprucht werden kann, ist ein der Schätzung nachgelagerter Vorgang, da die Art der Gewinnermittlung erst eine Folge des ermittelten Sachverhaltes darstellt.
- Erzielt der Steuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb,
- ist er nicht zur Buchführung nach § 5 oder § 4 Abs 1 EStG 1988 verpflichtet,
- führt er auch nicht freiwillig Bücher,
- überschreitet er durch die Schätzung nicht die Umsatzgrenze des § 17 Abs 2 Z 2 EStG 1988 und
- hat er im Verfahren die Inanspruchnahme der Basispauschalierung vorgebracht,
ist ihm diese - ebenso wie die Vorsteuerpauschalierung nach § 14 UStG 1994 - zu gewähren. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, Adresse, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes für den 8., 16. und 17. Bezirk vom betreffend Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Verspätungszuschläge für die Jahre 1997 bis 2001 sowie gegen die Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis September 2002 und Verspätungszuschläge entschieden:
Der Berufung wird teilweise stattgegeben.
Die angefochtenen Bescheide hinsichtlich Verspätungszuschlägen bleiben unverändert.
Die angefochtenen Bescheide hinsichtlich Einkommensteuer und Umsatzsteuer werden abgeändert.
Die getroffenen Feststellungen sind dem am Ende der folgenden Entscheidungsgründe angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Die Fälligkeit des mit dieser Entscheidung festgesetzten Mehrbetrages der Abgaben ist aus der Buchungsmitteilung zu ersehen.
Entscheidungsgründe
Eine ab März 2002 abgehaltene Betriebsprüfung beim Architekten W.S. brachte hervor, dass der Bw an diesen Tätigkeiten fakturiert hatte, die er selbst nicht gegenüber dem Finanzamt erklärte. Daraufhin wurde beim Bw im Zeitraum von bis eine Bp für die Jahre 1997 bis 2001 und eine USt-Nachschau für die ersten drei Quartale 2002 durchgeführt. Diese Bp führte zur Feststellung nicht erklärter Umsätze bzw. Gewinne aus der vom Bw selbst bzw. zum Schein von seiner Frau ausgeübten jedoch immer dem Bw zurechenbaren gewerblichen Tätigkeit. Dabei habe die Bp vom Bw keine Rechnungen erhalten sondern bei den vom Bw benannten Auftraggebern zusammengetragen (Tz 39 des Bp-Berichtes). Durch das mangelhafte Belegwesen und Lücken in den Belegnummern sei eine Zuschätzung erfolgt. Mangels Umsatzaufzeichnungen habe eine Pauschalierung der Vorsteuern und Betriebsausgaben, wie sie der Bw im erstinstanzlichen Verfahren beantragt habe, nicht stattfinden können.
In der Berufung bringt der Bw vor, er habe keine weiteren Umsätze gehabt, weshalb er den Sicherheitszuschlag bekämpfe. Zudem habe er von September 1996 bis April 1998 seinen Wohnsitz in München gehabt und damit keine Möglichkeit, mehr Umsätze zu tätigen. Gegenüber dem Auftraggeber T. sei er als Dienstnehmer tätig gewesen, zumal Bauleitungstätigkeiten nicht in einem Werkvertrag erfolgen könnten. Eine Aufwandsschätzung von 10.000 ATS jährlich sei zu niedrig, er beanspruche 15 % des Jahresumsatzes sowie das an W.S. bezahlte Benützungsentgelt.
Dem entgegnet die Bp, die Sicherheitszuschläge seien ohnedies moderat, da man davon ausgegangen sei, die höchste vorhandene Rechnungsnummer sei die letzte des Jahres, der ermittelte Durchschnitt der vorhandenen Rechnungen sei auf die fehlenden Rechnungen umgelegt aber sodann nur mit 50 % hinzugerechnet worden. Gegenüber T. läge kein Dienstverhältnis vor, da die Verträge anders lauteten, der Bw selbst Rechnungen mit USt gelegt habe und während der Betriebsprüfung nie behauptet habe, statt freier Dienstverträge und Werkverträge ein Dienstverhältnis zu T. begründet zu haben. Außerdem habe der Bw im Bp-Verfahren erfolglos versucht, gegenüber seinem größten Auftraggeber, W.S. , ein Dienstverhältnis zu behaupten, wogegen letztlich die Aussage des Vertragspartners sowie die Verträge gesprochen hätten. Zum Wohnsitz des Bw in München sei angemerkt, dass diese Behauptung aktenwidrig sei (Verweis auf das Vernehmungsprotokoll mit dem Bw vom ) und der Bw auch jahrelang in der Slowakei gemeldet gewesen sei und über dortige Firmen Rechnungen für Leistungen im Inland gelegt habe. Hinsichtlich der Betriebsausgaben habe der Bw gegenüber dem Betriebsprüfer mehrmals angegeben, dass ihm keine erwachsen seien. Auch habe er bis zur Schlussbesprechung keinen Versuch unternommen, irgendwelche Ausgaben glaubhaft zu machen. Der Mietaufwand für die Mitbenutzung des Ateliers des W.S. könne nicht anerkannt werden, da die monatliche Miete von 11.000 ATS für das Atelier und von 4.000 für eine Wohnung als Anzahlung auf den späteren Ankauf der Wohnung gedient hätten. Als sich der Bw entschlossen hatte, die Wohnung doch nicht anzukaufen, sei ihm fortan für die Wohnung ein fremdüblicher Mietzins von 10.680 ATS monatlich vorgeschrieben worden und die darüber hinaus geleisteten Beträge zurückerstattet worden.
Die Stellungnahme der Bp wurde dem Bw am zur Gegenäußerung zugestellt mit dem Ersuchen, sein Begehren auf Feststellung eines Dienstverhältnisses dahingehend zu konkretisieren, ob dieses die Werkverträge, den freien Dienstvertrag oder beides betreffe. Die First zur Beantwortung ließ der Bw verstreichen, auch bis zur Entscheidung ist keine Stellungnahme des Bw eingelangt.
Über die Berufung wurde erwogen:
Aufgrund der Aktenlage und der Parteienvorbringen ergibt sich folgender Sachverhalt: Der Bw war in den berufungsgegenständlichen Jahren gegenüber mehreren Auftraggebern selbständig tätig. Der Bw hat kein Rechnungswesen geführt, Aufzeichnungen über Einnahmen und Ausgaben waren nicht vorhanden.
Über die Dienstnehmereigenschaft abzusprechen, erübrigt sich aus folgenden Gründen: Im Bp-Verfahren hat der Bw zunächst behauptet, gegenüber W.S. als Dienstnehmer tätig gewesen zu sein. Eine Dienstnehmereigenschaft gegenüber T. wurde im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet. In der Berufung hingegen wird nun vom Bw vorgebracht, er sei gegenüber T. als Dienstnehmer tätig gewesen, die Selbständigkeit gegenüber W.S. wird hingegen nicht bekämpft. Die Vorbringen des Bw erweisen sich in diesem Punkt somit schwankend und uneinheitlich. Es ist daher davon auszugehen, dass die Dienstnehmereigenschaft eine bloße Schutzbehauptung darstellt, zumal auf das Ergänzungsersuchen des Finanzamtes nicht reagiert wurde. Da sowohl die Aussagen und Schriftstücke der Vertragspartner als auch die vom Bw gelegten Rechnungen und die Eröffnung mehrerer Firmen durch den Bw auf seine Selbständigkeit hindeuten, hätte sich auch bei Eingehen auf das trotz Aufforderung nicht hinreichend konkretisierte Berufungsbegehren keine andere rechtliche Würdigung des Sachverhaltes ergeben.
Eine Schätzung hat zu erfolgen, soweit die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermittelt werden können (§ 184 Abs 1 BAO). Dies ist insbesondere der Fall, wenn Bücher und Aufzeichnungen nicht vorgelegt werden (§ 184 Abs 3 BAO). Der Abgabepflichtige hat keine Aufzeichnungen über seine Einnahmen und Ausgaben vorgelegt. Es erfolgte somit zurecht eine Schätzung. Dabei bediente sich die Bp der Methode der Zuschätzung. Hierbei wird anhand der vorliegenden Aufzeichnungen für jene Bemessungsgrundlagen, die aufgrund der Mangelhaftigkeit der Aufzeichnungen unsicher sind, ein Sicherheitszuschlag berechnet (siehe Ritz, BAO4, § 184 Tz 18 mwN). Gegen die Methode, einen Durchschnittswert aller vorliegenden Ausgangsrechnungen zu ermitteln und diesen sodann auf die fehlenden Rechnungen anzuwenden, ist nichts einzuwenden. Dass Rechnungen fehlen, wurde anhand der Lücken in der laufenden Nummerierung der Rechnungen nachgewiesen. Die von der Bp angewendete Schätzung ist nicht überschießend, da sie davon ausgegangen ist, dass die höchste Nummer die letzte Rechnung des Jahres darstellt und von der rechnerischen Zuschätzung nur die Hälfte als Sicherheitszuschlag angesetzt hat. Die Methode war somit dem Grunde wie der Höhe nach plausibel und geeignet, die korrekten Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln.
Das Betriebsausgabenpauschale nach § 17 Abs 1 und 2 EStG wurde von der Bp unter Verweis auf Rz 4135 der EStR 2000 verwehrt, wonach im Rahmen der Basispauschalierung Betriebseinnahmen und gesondert abzugsfähige Betriebsausgaben unter Angabe des Zahlungszeitpunktes aufzuzeichnen und die dazugehörigen Belege aufzubewahren sind. Richtlinien stellen nur einen Auslegungsbehelf und eine Rechtsmeinung des BMF dar, können aber mangels gehöriger Kundmachung keine Bindungswirkung entfalten. Erlässe stellen keine für den UFS maßgebende Rechtsquelle dar (vgl. etwa ; ). Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 17 EStG in der für den Entscheidungszeitraum geltenden Fassung sind im wesentlichen, dass betriebliche Einkünfte vorliegen, weder freiwillig noch verpflichtend Bücher geführt werden, die Umsätze des vorangegangenen Wirtschaftsjahres 3 Mio ATS nicht übersteigen und aus der Aufstellung der Betriebsausgaben hervorgeht, dass von der Pauschalierung Gebrauch gemacht wird. Die Ordnungsgemäßheit der Buchhaltung ist nicht Voraussetzung für die Pauschalierung. Das Fehlen von Aufzeichnungen führt dazu, dass die Grundlagen zur Abgabenerhebung von der Behörde zu schätzen sind (§ 184 BAO). Gegenstand der Schätzung sind die Besteuerungsgrundlagen oder Teile davon (Ritz, BAO4, § 184 Tz 1 mwN). Die Gewinnermittlung ist ein der Schätzung nachgelagerter Vorgang, da diese erst eine Folge des ermittelten Sachverhaltes darstellt. Das Fehlen von Aufzeichnungen führt nicht zwangsweise zu einer Pauschalierung, sondern zur Schätzung, weil die Pauschalierung erst im Rahmen der Steuererklärung in Anspruch genommen werden kann (Doralt, EStG12, § 17 Tz 68). Umgekehrt kann somit im Schätzungsfall die Pauschalierung nicht verweigert werden, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Im vorliegenden Fall hat der Bw Einkünfte aus Gewerbebetrieb, ist nicht zur Buchführung nach § 5 oder § 4 Abs 1 EStG verpflichtet, führt nicht freiwillig Bücher, überschreitet nicht die Umsatzgrenze des § 17 Abs 2 Z 2 EStG und hat im erstinstanzlichen Verfahren die Inanspruchnahme der Pauschalierung vorgebracht. Die Pauschalierung muss nicht gesondert beantragt werden, sie kann bis zur Rechtskraft des Bescheides in Anspruch genommen werden (-K/02), und der Steuerpflichtige kann im Laufe des Verfahrens jederzeit eine neue Wahl treffen (; -I/08). Für Zwecke der Vorsteuerpauschalierung nach § 14 UStG gilt das eben Ausgeführte sinngemäß.
Die vom Finanzamt festgestellten Umsätze bzw. Einnahmen sind somit korrekt ermittelt worden. Die Behörde hat jedoch zu Unrecht dem Bw die Ausgaben- bzw. Vorsteuerpauschalierung versagt. Es sind somit als Betriebsausgaben 12 % der Einnahmen pauschal anzusetzen (§ 17 Abs 1 EStG) sowie 1,8 % der Umsätze als Vorsteuern anzuerkennen. In diesen Pauschbeträgen ist der vom Bw zusätzlich begehrte Mietaufwand bereits enthalten. Soweit der Bw in der Berufung die Schätzung höherer Betriebsausgaben von 15 % der Umsätze begehrt, ist ihm entgegenzuhalten, dass er das Vorliegen solcher Betriebsausgaben in keiner Lage des Verfahrens näher konkretisiert und glaubhalft gemacht hat. Im Ausmaß der Inanspruchnahme der Pauschalierungen waren die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide daher abzuändern.
Ein Verspätungszuschlag bis zu zehn Prozent des Abgabenbetrages kann festgesetzt werden, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist. Es genügt somit leichte Fahrlässigkeit des Abgabepflichtigen (Ritz, BAO4, § 135 Tz 10 mit ausführlichen Judikaturverweisen). Bei Ausübung des Ermessens, das der Abgabenbehörde dem Grunde wie der Höhe nach eingeräumt wird, sind das Ausmaß der Fristüberschreitung, die Höhe des eingeräumten finanziellen Vorteils (mit Ausnahme des durch die Festsetzung von Anspruchszinsen abgeschöpften Zinsvorteils, ; , RV/0302-L/08), das bisherige steuerliche Verhalten, der Grad des Verschuldens und die persönlichen Verhältnisse des Abgabepflichtigen zu berücksichtigen (Ritz, BAO4, § 135 Tz 13 mwN). Angesichts der Tatsache, dass der Abgabepflichtige auch in früheren Jahren seinen abgabenrechtlichen Pflichten unzureichend nachgekommen ist und im anhängigen Verfahren mit ausländischen Scheinfirmen agiert hat, sind die von der Abgabenbehörde erster Instanz festgesetzten Verspätungszuschläge auch im Rahmen der nunmehr festgesetzten Abgaben angemessen, zumal der Bw nichts vorbringt, was zu seinen Gunsten bei der Festsetzung des Verspätungszuschlages zu berücksichtigen wäre. Die Bescheide über die Verspätungszuschläge bleiben somit unverändert.
Beilagen: 21 Berechnungsblätter
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 184 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 184 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 17 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 14 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 135 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 47 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | Schätzung Pauschalierung |
Verweise | EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 4135 -K/02 -I/08 Ritz, BAO4, § 184 Tz 1, 18 mwN Doralt, EStG12, § 17 Tz 68 Ritz, BAO4, § 135 Tz 10 ff |
Zitiert/besprochen in | UFSjournal 1/2012, 19 UFS Newsletter 2012/01 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at