Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.03.2016, RV/7102612/2013

Familienheimfahrten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. XX in der Beschwerdesache VN1 NN, Straßenbez ONr, 1150 Wien, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 6/7/15 vom , betreffend betreffend Einkommensteuer 2011 (Arbeitnehmerveranlagung) zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird teilweise Folge gebeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Bescheidspruches.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

NN VN1 , geboren am GebDat1 , in der Folge mit Bf. bezeichnet, reichte beim Finanzamt eine „Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2011“ ein, in welcher er Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von 3.762,00 Euro geltend machte.

Das Finanzamt forderte den Bf. mit Vorhalt auf, betreffend die Familienheimfahrten folgende Fragen zu beantworten bzw. Belege nachzureichen:

  • Womit wurden die Familenheimfahrten durchgeführt? (eigenes Auto, Mitfahrer, öffentliches Verkehrsmittel, …)

  • Falls mit dem öffentlichen Verkehrsmittel, bitte Belege (Fahrscheine), falls mit dem eigenen Auto, Kopie des Zulassungsscheines, Führerscheines, Benzinrechnungen und Fahrtenbuch nachreichen.

  • Wie oft wurden Familienheimfahrten durchgeführt?

  • Ist die Ehefrau beschäftigt? (Bestätigung der Gemeinde) Höhe des jährlichen Einkommens.

  • Kopie der Heiratsurkunde.

  • Ist der Wohnsitz im Heimatland Ihr eigener Wohnsitz oder der Wohnsitz der Eltern? Falls eigener Wohnsitz bitte Nachweis darüber vorlegen (Mietvertrag, Kaufvertrag, …)

  • Mietvertrag und Zahlungsbelege der Wohnung in Wien.

Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer 2011 mit Bescheid in Höhe von 252,00 Euro fest. In der Begründung wurde ausgeführt, die Werbungskosten könnten nicht anerkannt werden, weil der Vorhalt nicht beantwortet wurde. Laut dem Einkommensteuerbescheid beigelegtem Lohnzettel, war der Bf. im Zeitraum von bis bei der FIRMA beschäftigt war und hat im Zeitraum vom bis sowie vom bis Arbeitslosengeld bezogen.

Gegen diese Bescheid hat der Bf. Berufung erhoben, welche nunmehr als Beschwerde gilt. In dieser führte er aus, er habe auf das Schreiben des Finanzamtes fristgerecht geantwortet und ersuche, den Bescheid im Sinne der Erklärungen zu erstellen.

Der Berufung war ein Schreiben vom mit folgendem Inhalt beigelegt:

Wunschgemäß schicke ich dem Finanzamt folgende Unterlagen:

  • Meldezettel

  • Heiratsurkunde

  • Bescheinigung über Meldung

  • Bescheinigung von Gemeindevorstand

  • Aufstellung der Fahrten

  • EU-Bescheinigung.

Beigelegt waren folgende Unterlagen:

  • ein Meldezettel des Bf., in dem die österreichische Adresse Straßenbez ONr,
    1150 Wien als Hauptwohnsitz ausgewiesen ist

  • ein Auszug vom polnischen Standesamt betreffend die Heirat des Bf. mit VN2 NN vom DatumHochz, ausgestellt am

  • eine Bescheinigung über die Meldung für den ständigen Aufenthalt der Frau des Bf. an der Adresse Ort-PL-ONr

  • eine Bescheinigung, wonach die in Ort-PL situierte Liegenschaft mit der Nummer Evidenz EV-Nr „mit dem Wohngebäude bebaut ist, das durch die laufende Nummer Ort-PL-ONr gekennzeichnet ist“
    Wer Eigentümer der Liegenschaft ist, geht aus dieser Bescheinigung nicht hervor, sie wurde jedoch an den Bf., Ort-PL-ONr „auf Ersuchen der Partei“ herausgegeben.

  • eine Bescheinigung, wonach die Frau des Bf. im Jahr 2011 in Polen kein Einkommen erzielt hat

Weiters legte der Bf. eine Aufstellung der Fahrten im Jahr 2011 wie folgt vor:

Mangels Erwerbstätigkeit der Gattin in Polen erließ das Finanzamt eine abweisende Berufungsvorentscheidung.

Der Bf. stellte einen Vorlageantrag und ersuchte um Anerkennung der Familienheimfahrten, weil er seine Ehefrau am Familienort regelmäßig besuche. Die Ehefrau wohne in eigenem Haus, pflege das Kind seines Sohnes (die Schwiegertochter arbeite an einer Schule als Lehrerin), und sei nicht an einer Übersiedlung nach Österreich interessiert. Er könne jederzeit eine Bestätigung, dass seine Schwiegertochter arbeite und seine Ehefrau als Großmutter das Kind pflege vorweisen. Aus diesem Grund ersuche der Bf. nochmals um Zuerkennung der Familienheimfahrten.

Das Finanzamt legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor.

Dem Bf. wurde Folgendes vorgehalten:

„Das Finanzamt hat im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 Ihre Werbungskosten für Familienheimfahrten, welche Sie mit einem Betrag von 3.762,00 Euro geltend gemacht haben, nicht anerkannt, und in der Begründung ausgeführt, Sie hätten einen Vorhalt nicht beantwortet.

Gegen diesen Bescheid haben Sie Berufung erhoben, welche nunmehr als Beschwerde gilt, und eingewendet, Sie hätten auf das Schreiben des Finanzamtes fristgerecht geantwortet, und auf eine Beilage verwiesen.

Der Beilage war zu entnehmen, dass Sie dem Finanzamt am einen Brief eingeschrieben übermittelt haben mit folgendem Wortlaut:

„Wunschgemäß schicke ich dem Finanzamt folgende Unterlagen:
- Meldezettel
- Heiratsurkunde
- Bescheinigung über die Meldung
- Bescheinigung von Gemeindevorstand

- Aufstellung der Fahrten
- EU-Bescheinigung“

Vorgelegt wurde ein Meldezettel, gemäß welchem Sie seit an Ihrer gegenwärtigen Adresse mit Hauptwohnsitz gemeldet waren, eine Heiratsurkunde betreffend die Heirat zwischen Ihnen und Ihrer Frau, eine Bescheinigung über die Meldung für den ständigen Aufenthalt betreffend Ihre Frau mit der Adresse Ort-PL-ONr , eine Bescheinigung des Gemeindevorstandes der Gemeinde Gemeindebez , wonach die Liegenschaft mit der Adresse Ort-PL-ONr mit einem Wohngebäude bebaut ist, eine Aufzeichnung über Fahrten im Jahr 2011, welche offenbar auf dem Computer erstellt wurde, eine EU-Bescheinigung, wonach Ihre Frau im Jahr 2011 kein Einkommen hatte.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt Ihre Beschwerde als unbegründet ab und führte begründend aus, Familienheimfahrten seien nur Werbungskosten, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorlägen. Würden die Voraussetzungen einer auf Dauer angelegten doppelten Haushaltsführung nicht vorliegen, könnten Kosten für Familienheimfahrten nur vorübergehend als Werbungskosten geltend gemacht werden. Als vorübergehend werde bei einem verheirateten oder in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Steuerpflichtigen ein Zeitraum von zwei Jahren angesehen werden können. Da in Ihrem Fall die Voraussetzungen nicht zuträfen, hätten die geltend gemachten Aufwendungen nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden können.

Gegen die Berufungsvorentscheidung haben Sie „Berufung“ erhoben, welche als Vorlageantrag anzusehen ist und ersucht, die Familienheimfahrten anzuerkennen, weil Sie Ihre Ehefrau am Familienort regelmäßig besuchen würden. Ihre Ehefrau wohne „in eigenem Haus“ und pflege das Kind Ihres Sohnes (die Schwiegertochter arbeite an einer Schule als Lehrerin) und sei „nicht an einer Übersiedlung nach Österreich interessiert“. Sie könnten jederzeit eine Bestätigung, dass Ihre Schwiegertochter arbeite und Ihre Ehefrau als Großmutter das Kind pflege vorweisen. Aus diesem Grund ersuchten Sie nochmals um Zuerkennung der Familienheimfahrten.

Wie Sie dem beiliegenden Vorhalt entnehmen können, wurden die vom Finanzamt gestellten Fragen nur teilweise beantwortet. Die erste und die zweite Frage blieben unbeantwortet. Die dritte Frage wurde beantwortet, doch ist unklar, worauf sich Ihre Auskunft stützt, zumal davon auszugehen ist, dass Sie die Fahrten nicht laufend aufgezeichnet haben. Die sechste Frage wurde zwar beantwortet, jedoch kein Nachweis dafür vorgelegt, wem das angeführte Haus gehört. Es wurde auch kein Mietvertrag und wurden keine Zahlungsbelege der Wohnung in Wien vorgelegt (Frage 7).

Aus dem Zentralmelderegister ist ersichtlich, dass Sie seit gemeinsam mit NN VN3 und NN VN4 an der Adresse Straßenbez ONr , 1150 Wien gemeldet sind. Laut Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung sind Sie jedoch erst seit als Arbeiter der FIRMA versichert.

Sie werden ersucht, folgende Fragen zu beantworten:

1. Warum sind Sie bereits seit in Wien gemeldet? Wer hat die Wohnung angemietet? Wohnen Sie dort gemeinsam mit Ihren Brüdern oder anderen Verwandten?

2. Seit wann sind Sie in Österreich tatsächlich beschäftigt? Haben Sie am erstmals eine Beschäftigung aufgenommen, oder waren Sie auch schon vorher in Österreich tätig, wenn auch ohne entsprechende Versicherung? Wenn ja, für wen haben Sie vorher in welcher Form gearbeitet? War Ihr damaliger Dienstgeber lediglich nicht bereit, Sie zur Versicherung anzumelden?

3. Wie oft sind Sie nach Polen gefahren, und warum konnten Sie das mehr als ein Jahr danach noch bekanntgeben? Wie sind Sie jeweils dorthin gekommen? Haben Sie eine Fahrgemeinschaft mit Ihren Mitbewohnern oder anderen Personen gebildet? Sind Sie mit einem Pkw gefahren bzw. mitgefahren oder mit dem Bus oder der Bahn?

4. Wie sind Sie auf den von Ihnen bekannt gegebenen Betrag für Werbungskosten gekommen? Handelt es sich um Beträge, die Sie bezahlt haben, oder haben Sie sich bei dem Betrag daran orientiert, was Ihnen andere Personen bekannt gegeben haben?

5. Wie alt ist Ihr Enkelkind? Ist es pflegebedürftig oder handelt es sich bei der "Pflege" durch die Großmutter um die normale Betreuung eines (Klein)Kindes?

Die Verpflichtung, für ein Kind zu sorgen, trifft in erster Linie die Eltern. Wenn Ihre Frau diese Verpflichtung freiwillig übernimmt, ist von einer privaten Veranlassung auszugehen, die für Sie keine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung begründet, welche die Geltendmachung von Familienheimfahrten als Werbungskosten rechtfertigen kann.

Selbst wenn man Ihre Auffassung teilen würde, dass eine durch Ihren Beruf veranlasste doppelte Haushaltsführung vorliegt, müssten die oben angeführten Fragen beantwortet und Unterlagen zum Nachweis vorgelegt werden, ebenso dafür, dass es sich um Ihr Enkelkind handelt (Geburtsurkunde des Sohnes und des Enkelkindes). Der Meldebescheinigung Ihrer Frau ist zu entnehmen, dass das Feld für Personen, die an derselben Adresse gemeldet sind, nicht ausgefüllt wurde. Dieser Bescheinigung ist nicht zu entnehmen, dass Sie selbst noch in Polen gemeldet sind und gemeinsam mit Ihrer Frau das Haus bewohnen (Familienwohnsitz). Der Bescheinigung betreffend Ort-PL-ONr ist nicht zu entnehmen, wem die Liegenschaft und das darauf befindliche Gebäude gehören.“

Dem Bf. wurde Gelegenheit eingeräumt, die aufgeworfenen Fragen zu beantworten und ergänzende Unterlagen vorzulegen.

Der Bf. hat den Vorhalt wie folgt beantwortet:

„1. Ich bin seit in Wien gemeldet, weil ich hier Aufträge, auf Grund polnischer Gewerbeberechtigungen ausgeführt habe - als Unternehmer.

2. Ich arbeite in Österreich als angemeldete Bauarbeiter seit . Ich habe vorher KEINE Arbeitsgeber gehabt und war auch nicht angemeldet weil ich selbständige Unternehmer war (mit polnischer Gewerbeberechtigungen - 2005 - 2009).

3. - 4. Ich bin nach Polen jeden Monat gefahren und auch zum Familien Feiertagen. Ich kann mich nach einer Jahr sehr wohl auf das erinnern, weil es regelmäßig wahr (Ostern, Weihnachten, Geburtstage, Hochzeiten bzw. andere Familien Feste - insgesamt 7 mal + 12 mal Monatsfahrten).
Gefahren bin immer mit e. PKW, als Mitfahrer bzw. private polnische Personenbeförderung Dienste (Abfahrt Südbahnhof - Arsenalstrasse) - bis Heute. Damals 35,00 Euro hin und zurück, also 70,00 Euro jeder Fahrt. Diese Beförderungsdienste sind sehr gefragt und sehr bequem, weil man in Polen direkt vor Haus / Wohnungstür gebracht wird (Nachtstunden) und muss auf keine Anschluss Verbindungen warten. Ich kann das jedem empfehlen. Wurde auch Gepäckzuschlag verlangt.

5. Ich habe inzwischen 3 Enkelinnen! Meiner Gattin hilft nur unsere Tochter bei Erziehung und Betreuung von Kindern. Es ist richtig das in erste Linie kümmert sich Mutter darum. Meine Frau hilft, wenn Kindermutter arbeitet bzw. Amtswege zu erledigt hat (in Polen Bürokratie ist noch größer als in Österreich, außerdem Amtsöffnungszeiten sind leider nicht gerade Kundenfreundlich).
Das wichtigste Grund, warum meiner Gattin in Polen lebt und nicht nach Österreich kommen kann ist Landwirtschaft. Wir haben eine kleine Landwirtschaft in Polen und wenn ich in Österreich arbeite, muss meine Frau allein bzw. mit Hilfe von Tochter sich um diese kleine Landwirtschaft und Haus kümmern.
Sie ist auch Kranken und Sozialversichert in Polen.
Es ist weder technisch noch finanziell möglich, Grund und Haus nach Österreich zu transportieren.
Landwirtschaft hat kein Einkommen - nur Ernte - landwirtschaftliche Produkte, Kleinvieh, Eier usw. Das macht e. Bäuerin, was Lebensmittel betrifft unabhängig. Und vor allem Gesund! Man weiß, was man isst.“

Vorgelegt wurde außerdem eine Bestätigung der Kasse der Bauernsozialversicherung, wonach die Frau des Bf. von bis heute antragsgemäß im Bereich der Pensions- und Rentenversicherung sowie der Unfall-, Kranken- und Mutterschaftsversicherung als Landwirtehefrau unterlag bzw. unterliegt.

Laut Zentralem Melderegister ist der Bf. gemeinsam mit NN VN3 , geboren am GebDat2 , NN VN4 , geboren am GebDat3 sowie NN2 VNen , geboren am GebDat4 , jeweils seit an derselben Adresse gemeldet.

Laut Satellitenaufnahmen der Heimatadresse des Bf., welche das Finanzamt übermittelt hat, im Zusammenhang mit der Sozialversicherung hielt das Finanzamt das Vorliegen einer Kleinlandwirtschaft für plausibel.

Der Dolmetsch des Bf. erklärte, der Bf. habe seinerzeit keine Belege gesammelt. Aktuell lasse er sich jeweils Belege ausstellen und sammle diese.

Das Finanzamt anerkannte in der Folge 10 Familienheimfahrten zu 70,00 Euro als Werbungskosten. Bei den restlichen Familienheimfahrten ging das Finanzamt davon aus, dass dem Bf. keine Kosten entstanden sind.

Dem Bf. wurde Gelegenheit zur Stellungnahme und Vorlage ergänzender Unterlagen eingeräumt. Er erklärte sich mit der Schätzung in der angegebenen Höhe (700,00 Euro für 10 Familienheimfahrten) einverstanden.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Im gegenständlichen Verfahren war zunächst strittig, ob bei der Festsetzung der Einkommensteuer des Bf. für das Jahr 2011 Familienheimfahrten als Werbungskosten abzugsfähig sind, oder nicht. Während der Bf. einen Betrag von 3.762,00 Euro als Werbungskosten geltend gemacht hat, hat das Finanzamt unter Hinweis darauf, dass die Ehefrau des Bf. in Polen kein Einkommen erzielt, eingewendet, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich dem Bf. zuzumuten sei.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 idgF dürfen bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden:

e) Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs )Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c angeführten Betrag übersteigen.

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im Folgenden ausdrücklich zugelassen ist. Hinsichtlich der durchlaufenden Posten ist § 4 Abs. 3 anzuwenden. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

Werbungskosten sind auch:

6.         Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:

c)         Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden anstelle der Pauschbeträge nach
lit. b folgende Pauschbeträge berücksichtigt:

Bei einer einfachen Fahrtstrecke von

2 km bis 20 km           372 Euro jährlich

20 km bis 40 km         1 476 Euro jährlich

40 km bis 60 km         2 568 Euro jährlich

über 60 km      3 672 Euro jährlich:

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Berufliche Veranlassung der mit der doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten liegen nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektivem Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob einem Arbeitnehmer zuzumuten ist, seinen Wohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen, nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Fremdenrechtliche Regelungen oder die Bewirtschaftung einer Landwirtschaft sind Umstände, die auch langfristig der Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung entgegenstehen können (vgl. ).

Der Bf. hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass seine am GebDatFr geborene Frau in seiner Abwesenheit eine Kleinlandwirtschaft betreibt, in welcher Lebensmittel für die Familie produziert werden. Es ist daher davon auszugehen, dass seine Frau den Haushalt des Bf. in wirtschaftlicher Hinsicht von sonst notwendigen Ausgaben entlastet hat, was einem erzielten Haushaltseinkommen gleichzusetzen ist. Es ist auch zu berücksichtigen, dass die Frau des Bf. als Bäuerin im Fall einer Verlegung des Wohnsitzes der Familie nach Wien aufgrund ihres Alters, ihrer Herkunft und ihrer bisherigen beruflichen Verwendung wahrscheinlich keine Beschäftigung finden und dadurch höhere Kosten verursachen würde, als dies im Fall einer Bewirtschaftung der Landwirtschaft der Fall wäre. Es ist daher davon auszugehen, dass dem Bf. die Verlegung des Familienwohnsitzes im Fall gleichbleibender Verhältnisse auf Dauer unzumutbar ist.

Gemäß § 138 Abs. 1 BAO haben die Abgabepflichtigen und die diesen im § 140 gleichgestellten Personen auf Verlangen der Abgabenbehörde in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht (§ 119) zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Kann ihnen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden, so genügt die Glaubhaftmachung.

Der Bf. hat sich bei der Höhe der geltend gemachten Werbungskosten offensichtlich am höchsten möglichen Betrag von 3.672,00 Euro orientiert. Dass ihm tatsächlich Kosten in dieser Höhe erwachsen sind, hat er jedoch weder nachgewiesen, noch glaubhaft gemacht.

Tatsächlich hat der Bf. zunächst ein offenkundig nachträglich erstelltes Fahrtenbuch vorgelegt, in welchem für die Monate April bis November jeweils alle zwei Wochen eine Familienheimfahrt eingetragen wurde. In der Regel soll die Heimfahrt am Freitag und die Rückfahrt am Sonntag, in zwei Fällen, nämlich am und am , jeweils am Dienstag erfolgt sein.

In Beantwortung eines Vorhaltes erklärte der Bf. hingegen, die Familienheimfahrten seien zu Ostern, Weihnachten, Geburtstagen, Hochzeiten bzw. anderen Familienfesten, 7 mal + 12 mal Monatsfahrten erfolgt. Zu welchen Zeitpunkten persönliche Feste stattgefunden haben, wurde nicht näher erklärt.

Die Zeit der in der Aufstellung angeführten Arbeitslosigkeit (Jänner bis März) stimmt mit der Arbeitslosigkeit laut Lohnzettel (Jänner bis Februar und 2. Dezember bis
31. Dezember) nicht überein (abgesehen davon, dass der Arbeitgeber Bezüge auch für Jänner und Februar gemeldet hat).

Die Frage, wie die Fahrten durchgeführt wurden, hat der Bf. lediglich dahin gehend beantwortet, er sei immer mit „e.“ PKW, als Mitfahrer bzw. privaten polnischen Personenbeförderungsdiensten gefahren (Abfahrt Südbahnhof - Arsenalstrasse) und habe dafür damals 35,00 Euro hin und zurück, also 70,00 Euro für jede Fahrt bezahlt, es sei auch ein Gepäckzuschlag verlangt worden.

Der Bf. hat daher weder konkrete nachprüfbare Angaben darüber gemacht, wer die Fahrten jeweils durchgeführt hat noch hat er Nachweise für die ihm erwachsenen Kosten vorgelegt.

Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

Gemäß § 184 Abs. 2 BAO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.

Es ist im Hinblick auf die Entfernung des Familienwohnsitzes zum Arbeitsort und darauf, dass der Bf. in Wien lediglich eine Gemeinschaftsunterkunft zusammen mit drei weiteren Männern bewohnt glaubhaft, dass er regelmäßig nach Polen gefahren ist und dass ihm dafür Kosten entstanden sind. Es widerspricht auch nicht der Lebenserfahrung, dass Belege im privaten Bereich nicht aufbewahrt werden, wenn kein entsprechendes Bewusstsein für die Notwendigkeit vorhanden ist, diese zu Beweiszwecken aufzubewahren.

Es kann jedoch im Hinblick auf die oben dargelegten Widersprüche betreffend die Zahl der Familienheimfahrten und mangels Vorlage entsprechender Belege der ursprünglich genannte Betrag nicht als Werbungskosten anerkannt werden. Mangels Nachweis der tatsächlich vom Bf. getragenen Kosten, werden diese daher in Höhe von 700,00 Euro geschätzt.

Dies entspricht 10 Heimfahrten zu dem vom Bf. genannten Betrag von 35,00 Euro für die einfache Fahrt ohne Gepäckzuschlag. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Bf. während seiner Beschäftigung jeweils monatlich nachhause gefahren ist. Eine Fahrt zum Antritt der Beschäftigung nach Beendigung der Arbeitslosigkeit sowie eine Fahrt für die Heimfahrt nach Polen vor der neuerlichen Arbeitslosigkeit im Dezember wurden ebenfalls anerkannt. Durch die Berücksichtigung des anerkannten Betrages ist dem Umstand Rechnung getragen worden, dass der Bf. nach eigenen Angaben öfter nach Polen gefahren ist und dass er nach Ansicht des Finanzamtes manchmal auch eine Mitfahrmöglichkeit ohne Kosten nutzen konnte.

Der Beschwerde konnte daher mit dem angegebenen Betrag teilweise Folge gegeben werden.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG i. V. m. § 25a Abs. 1 VwGG ist gegen diese Entscheidung eine Revision unzulässig. Es handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt und überdies der zunächst strittige Sachverhalt in der Folge außer Streit gestellt wurde.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 138 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2016:RV.7102612.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at