Aufhebung der angefochtenen Bescheide und Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz
Entscheidungstext
Bescheid
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der RTG, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für die Jahre 2005 und 2006 entschieden:
Die angefochtenen Bescheide und die Berufungsvorentscheidung vom werden gemäß § 289 Abs 1 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl Nr 1961/194 idgF, unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufgehoben.
Begründung
Gemäß § 289 Abs 1 BAO kann die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Berufung durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Berufungsvorentscheidungen unter Zurückweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz erledigen, wenn Ermittlungen im Sinne des § 115 Abs 1 BAO unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des Bescheides befunden hat.
Bei der Berufungswerberin (Bw) wurde eine Lohnsteuerprüfung (GPLA-Prüfung durch die Wiener Gebietskrankenkasse) den Zeitraum 2002 bis 2006 betreffend durchgeführt. Laut Bericht vom stellte der Prüfer den Monat Dezember 2006 betreffend eine Abfuhrdifferenz an Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen in Höhe von 225,15 € in Zusammenhang mit Geschäftsführer-Bezügen fest. Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für das Jahr 2006 in Höhe von 5.729,81 € fest. Bezüglich der Bemessungsgrundlage (127.329,11 €) enthält der Bescheid einen Hinweis, wonach diese dem Prüfungsbericht gleichen Datums zu entnehmen sei. Bezüglich das Jahr 2005 wurden hinsichtlich des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen im Prüfungsbericht keine Feststellungen getroffen. Das Finanzamt erließ in Folge einen Bescheid mit Datum , der betreffend den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für das Jahr 2005 keinen Betrag ausweist.
Die Bw berief mit Schreiben vom gegen die Bescheide betreffend Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für die Jahre 2005 und 2006. Das Finanzamt wies mit Berufungsvorentscheidung vom die Berufung als unbegründet ab. Die Bw stellte daraufhin den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Auf das Ersuchen des Unabhängigen Finanzsenates vom ua den Lohnsteuerprüfungsbericht und den anläßlich der Lohnsteuerprüfung angelegten Arbeitsbogen zu übermittelt, teilte das Finanzamt mit, dass bezüglich Prüfungsbericht und Arbeitsbogen nur festgestellt werden könne, dass eine GPLA-Prüfung durch einen WGKK-Prüfer stattgefunden habe.
Da aus den vorgelegten Akten nicht hervorgeht,
wie der Prüfer die Abfuhrdifferenz an Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für 12/2006 in Höhe von 225,15 € ermittelt hat, zumal laut "Lieferanten-Konto" (Beilage zur Vorhaltsbeantwortung vom ) im Dezember 2006 überhaupt kein Zahlungsfluss von seiten der Bw an deren Geschäftsführer (MNT) stattgefunden hat,
welches Zahlenmaterial der Prüfer der Berechnung der Bemessungsgrundlage des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für das Jahr 2006 in Höhe von 127.329,11 € zu Grunde gelegt hat und
welches Zahlenmaterial der Prüfer der Berechnung der Bemessungsgrundlage des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für das Jahr 2005 zu Grunde gelegt hat, wobei weder im angefochtenen Bescheid noch im Lohnsteuerprüfungsbericht die Höhe der Bemessungsgrundlage für den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für das Jahr 2005 jemals ausgewiesen wurde
ist es erforderlich, die Berechnung der Abfuhrdifferenz an Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für 12/2006 in Höhe von 225,15 € und die Bemessungsgrundlage des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für das Jahr 2006 und jene für das Jahr 2005 für Dritte nachvollziehbar darzustellen und an Hand von Belegen ausführlich zu dokumentieren, welches Zahlenmaterial der jeweiligen Berechnung zu Grunde gelegt wurde.
In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen voraussetzt, dass sich die bekannt gegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist. Sollte daher eine Überprüfung der Berechnung der Bemessungsgrundlage des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für das Jahr 2005 keine Abweichung von der Selbstberechnung ergeben, dürfte gemäß § 201 BAO keine Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen.
Unter Zusammenfassung dieser Rechts- und Aktenlage muss in Bezug auf die angefochtenen Bescheide festgestellt werden, dass den vorgelegten Akten kein hinreichend erforschter Sachverhalt entnommen werden kann, der einer abschließenden rechtlichen Beurteilung in Form einer Berufungsentscheidung zugänglich wäre. Da über vermutlich vorgenommene Ermittlungen keinerlei Dokumentation vorgelegt werden kann und daher nicht ersichtlich ist, welche Ermittlungen tatsächlich durchgeführt wurden, ist es notwendig, Ermittlungen darüber anzustellen, ob die in den genannten Jahren vorgenommene Selbstberechnung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen im Einklang mit den Rechtsvorschriften erfolgte. Da das Finanzamt jene Ermittlungen unterlassen hat, bei deren Durchführung - wie oben dargelegt - anders lautende Bescheide hätten erlassen werden können oder eine Bescheiderlassung hätte unterbleiben können, ist der Tatbestand des § 289 Abs 1 BAO verwirklicht.
Es wird daher Aufgabe des Finanzamtes sein, vor der Erlassung von neuen Bescheiden die fehlenden Ermittlungsschritte nachzuholen. Die Ermittlungen müssten sich dabei darauf richten, die Arbeitslöhne iSd § 43 Abs 3 FLAG jedes einzelnen Monats des Streitzeitraumes (Jänner 2005 bis Dezember 2006) vollständig zu ermitteln, damit diese als Bemessungsgrundlage für die Berechnung des monatlich abzuführenden Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen herangezogen und in weiterer Folge mit den von der Bw selbst berechneten Beträgen verglichen werden können.
Bei der Entscheidung, ob die angefochtenen Bescheide unter Zurückweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufgehoben werden sollen, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 20 BAO zu treffen ist. Entsprechend dieser Bestimmung sind Ermessensentscheidungen innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.
In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen wird es für angezeigt erachtet, die angefochtenen Bescheide unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufzuheben. Dies erscheint deshalb erforderlich, weil es nach der derzeitigen Aktenlage, mit dem derzeitigen Ermittlungsstand nicht möglich ist, eine Entscheidung über die gegenständliche Berufung zu treffen.
Für die Zurückverweisung spricht zunächst, dass der Gesetzgeber die Pflicht zur Sachverhaltsermittlung vorrangig dem Finanzamt auferlegt hat, da § 276 Abs 6 BAO ausdrücklich die Berufungsvorlage erst nach Durchführung der erforderlichen Ermittlungen anordnet. Es kann nicht Aufgabe der Abgabenbehörde zweiter Instanz sein, umfangreiche Ermittlungenstätigkeiten erstmals durchzuführen und den vom Finanzamt angenommenen Sachverhalt zu ergründen.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass dem Unabhängigen Finanzsenat als Rechtsmittelbehörde die Rolle eines unabhängigen Dritten zukommt. Will der Unabhängige Finanzsenat dieser Rolle gerecht werden, muss er sich im Wesentlichen auf die Funktion eines Kontroll- und Rechtsschutzorgans beschränken. Es ist nicht Aufgabe des Unabhängigen Finanzsenates, die erste Instanz von ihrer Aufgabe und Pflicht, den Sachverhalt zu ermitteln (§ 115 BAO), zu entlasten (vgl Beiser, SWK 3/2003, 102 ff).
Von dem der Abgabenbehörde zweiter Instanz eingeräumten Ermessen auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide wird insbesondere deshalb Gebrauch gemacht, weil im gegenständlichen Fall die fehlenden Ermittlungen einen Umfang annehmen, die allein in einem Vorhalteverfahren oder in einem Ermittlungsauftrag an die erstinstanzliche Behörde nicht mit einem vertretbaren Aufwand durchgeführt werden können.
Wie oben dargestellt, ist nach dem derzeitigen Verfahrensstand bzw an Hand der dem Unabhängigen Finanzsenat zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht erkennbar, welcher Sachverhalt der Ermittlung der Abfuhrdifferenz an Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für 12/2006 in Höhe von 225,15 € und welches Zahlenmaterial der Berechnung der Bemessungsgrundlagen des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für die Jahre 2005 und 2006 im Rahmen der Lohnsteuerprüfung zu Grunde gelegt wurde. Die erforderlichen Ermittlungen können durch die Außendienstorgane des Finanzamtes verwaltungsökonomisch und auch zeitlich kompakt durchgeführt werden, während den Unabhänigen Finanzsenat ein wesentlich größerer zeitlicher Aufwand treffen würde. Für die Zweckmäßigkeit der Aufhebung spricht auch, dass durch die Aufhebung voraussichtlich schneller ein Bescheid erlassen werden kann, der die dargestellten wesentlichen Ermittlungen berücksichtigt, als wenn die Berufungsbehörde selbst ermittelte und die Ermittlungsergebnisse dem Finanzamt als Amtspartei zur Stellungnahme vorhielte und eine allfällige Stellungnahme der Bw zur Kenntnis zu bringen wäre. Sollte das Ermittlungsverfahren über Beauftragung des Finanzamtes durchgeführt werden, wären von seiten des Finanzamtes nach Abschluss der Ermittlungen die Ergebnisse erst an die Berufungsbehörde zu berichten anstatt sofort im eigenen Wirkungsbereich einen Bescheid erlassen zu können. Diese Vorgangsweise würde das Abgabenverfahren erheblich aufblähen und zeitlich verzögern. Es scheint daher zweckmäßig, diese Ermittlungen von der Abgabenbehörde erster Instanz nachholen zu lassen.
Doch auch Billigkeitsüberlegungen sprechen für die Durchführung dieses Verfahrens durch die erste Instanz, da nach § 115 Abs 2 BAO den Parteien Gelegenheit zu geben ist, ihre Rechte und rechtlichen Interessen geltend zu machen. Diesem Gebot ist zunächst im Rahmen der Bescheiderlassung in erster Instanz zu entsprechen. Es liegt daher auch im Interesse der Bw, wenn eine Abklärung des Sachverhaltes bereits vor Bescheiderlassung und nicht erst im Rahmen des Berufungsverfahrens erfolgt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | |
betroffene Normen | § 289 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 276 Abs. 6 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 43 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Schlagworte | Aufhebung Zurückverweisung Ermittlungen Selbstberechnung |
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