Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 10.03.2005, RV/1319-W/02

KStG 1966 Gewinnausschüttung bei verunglückter Organschaft

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Hofrat Mag. Alfred Peschl und die weiteren Mitglieder Dr. Wolfgang Six, Mag. Barbara Baumgartner und Günter Benischek über die Berufung der A-GmbH , vormals B-GmbH ., Adresse, vertreten durch F-Steuerberatungs-und-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, gegen die Bescheide des Finanzamtes für Körperschaften betreffend Körperschaftsteuer 1983 bis 1986 nach der am in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind dem Ende der folgenden Entscheidungsgründe und den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Im Zuge einer Betriebsprüfung bei der A-GmbH, vormals B-GmbH. (im folgenden Bw.), wurde ein seit Jahren bestehendes Organschaftverhältnis betreffend Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer zur Muttergesellschaft E-AG ab dem Jahr 1983 nicht mehr anerkannt, da eine wirtschaftliche Eingliederung der Bw. in die E-AG nicht nachgewiesen worden sei.

Das Finanzamt folgte dieser Rechtsansicht und erließ in weiterer Folge Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheide für die Jahre 1983 bis 1986.

Der dagegen erhobenen Berufung wurde von der Finanzlandesdireketion mit Berufungsentscheidung vom stattgegeben.

Aufgrund einer Präsidentenbeschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , 96/13/087 diese Berufungsentscheidung auf, wobei er eine wirtschaftliche Eingliederung gegenständlich als nicht gegeben erachtete.

Mit Berufungsvorentscheidungen wurde in weiterer Folge vom Finanzamt dieser Rechtsansicht Rechnung getragen.

Seitens der Bw. wurde daraufhin ein Vorlageantrag hinsichtlich Körperschaft- und Gewerbesteuer für die Jahre 1983 bis 1986 eingebracht sowie mit Schreiben vom gemäß § 323 Abs. 12 BAO hinsichtlich Körperschaftsteuer 1983 bis 1986 der Antrag auf Entscheidung durch den Berufungssenat gestellt.

Über Vorhalt des Unabhängigen Finanzsenates erklärte die Bw. mit Schreiben vom , die Entscheidung hinsichtlich des Nichtbestehens eines Organschaftverhältnisses anzuerkennen. Die Berufungsbegehren wurden aber dahingehend abgeändert, dass nunmehr die Zuerkennung des halben Körperschaftsteuersatzes gemäß § 22 Abs. 2 KStG 1966 für die aufgrund der Ergebnisabführungsverträge vorgenommene Gewinnabfuhr beantragt wird.

Weiters wurde der Vorlageantrag betreffend Gewerbesteuer für das Jahre 1983 zurückgezogen sowie der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 22 Abs. 2 KStG 1966 ermäßigt sich die Körperschaftsteuer auf die Hälfte des sich nach Abs. 1 ergebenden Betrages, soweit unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften offene Ausschüttungen auf Grund eines den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechenden

Gewinnverteilungsbeschlusses vornehmen. Dabei sind Ausschüttungen dem Wirtschaftsjahr zuzurechnen, für das sie gewährt worden sind. Nachträgliche Ausschüttungen für bereits abgelaufene Wirtschaftsjahre sind dem Wirtschaftsjahr zuzurechnen, das der Beschlussfassung unmittelbar vorausgeht.

Gegenständlich liegt eine sogenannte "verunglückte Organschaft" vor. Die Bw. hat aufgrund eines zivilrechtlich gültigen Ergebnisabführungsvertrages (EAV) ihren Gewinn an die Muttergesellschaft abgeführt. Mangels wirtschaftlicher Eingliederung in die Muttergesellschaft wurde dem gegenständlichen Organschaftsverhältnis aber die steuerliche Anerkennung versagt.

Im Hinblick auf das Berufungsbegehren der Bw. auf Anwendung des halben Körperschaftsteuersatzes ist nunmehr zu prüfen, ob die Tatbestandsmerkmale des § 22 Abs. 2 KStG 1966, nämlich offene Ausschüttungen auf Grund eines den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses, gegenständlich vorliegen.

Diese Frage wurde bis jetzt weder von der Rechtsprechung in Österreich entschieden noch wurde sie von der Literatur eindeutig beantwortet (etwa Hassler, Die Besteuerung der Kapitalgesellschaft, Festschrift für Egon Bauer, Seite 98).

Offene Gewinnausschüttungen sind solche, die gemäß § 126 AktG von der Hauptversammlung einer AG oder gemäß § 35 Abs. 1 Z 1 GmbHG von der Generalversammlung einer GmbH beschlossen worden sind. Ist gesellschaftsvertraglich keine besondere Verteilung des GmbH-Reingewinnes vorgesehen, so gilt die Verteilung des Reingewinns oder eines im Gesellschaftsvertrag festgelegten Teiles hievon mit der Genehmigung des Jahresabschlusses beschlossen.

Der Begriff des Ergebnisabführungsvertrages entstammt dem Steuerrecht. Im Gesellschaftsrecht wird der EAV mit dem Gewinnabführungsvertrrag um Sinne des § 238 AktG gleichgesetzt. Ein Gewinnabführungsvertrag kann auch für GmbHs abgeschlossen werden (Koppensteiner, RdW 1985, 170). Der Gewinnabführungsvertrag (und damit auch der EAV) ist nach herrschender Ansicht kein schuldrechtlicher Vertrag, sondern gehört zum Organisationsrecht der Kapitalgesellschaften (Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly, Die Körperschaftsteuer KStG 1988, Rz 103 zu § 9 KStG).

Es handelt sich gegenständlich, auch wenn die sonstigen Voraussetzungen für ein Organschaftsverhältnis nicht erfüllt wurden, zweifellos um eine Gewinnausschüttung an die Muttergesellschaft. Diese Ausschüttung ist weiters als offene Ausschüttung anzusehen, weil dem EAV ein handelsrechtlich zulässiger Beschluss zugrunde lag, und dieser auch der Finanzbehörde bekannt war.

An die Stelle des in § 22 Abs. 2 KStG 1966 angesprochenen jährlichen Gewinnausschüttungsbeschlusses tritt die Ausschüttungsverpflichtung aus dem EAV, die im Falle von Gewinnen der vermeintlichen Organgesellschaft im Ergebnis eine Art "Dauer-Auschüttungsbeschluss" für den gesamten erzielten Jahresgewinn darstellt.

Diese Interpretation erscheint auch aus verfassungsrechtlicher Sicht geboten. Ansonsten käme es zu einer sachlich nicht begründbaren Differenzierung in der steuerlichen Belastung zwischen der Besteuerung einer auf Basis eines EAV (voll)ausschüttenden Kapitalgesellschaft im Falle einer verunglückten Organschaft (voller Steuersatz) und der Besteuerung einer auf Basis eines (jährlichen) Gewinnausschüttungsbeschlusses (voll)ausschüttenden Kapitalgesellschaft (halber Steuersatz).

Damit es aber zu keinen weiteren unsachlichen Differenzierungen kommt, ist gegenständlich vom in den Jahresabschlüssen ausgewiesenen Gewinn jeweils eine Gewerbesteuer- und fiktiv eine Körperschaftsteuerrückstellung zu ermitteln und kann nur der um diese beiden Positionen verminderte Gewinn unter die Begünstigung des halben Steuersatzes gemäß § 22 Abs. 2 KStG 1966 fallen.

In diesem Zusammenhang wird auch auf das Erkenntnis des , verwiesen, wonach offene Ausschüttungen im Hinblick auf Mehrgewinne aus einer Betriebsprüfung keine nachträglichen Ausschüttungen sind. Gemäß dieser Auffassung würde daher bei entsprechenden Bilanzberichtigungen und neuerlichen Gewinnverteilungsbeschlüssen hinsichtlich der berufungsgegenständlichen Jahre (allerdings verbunden mit einem erheblichen Aufwand wegen der schon lange zurückliegenden Zeiträume) dasselbe Ergebnis resultieren.

Die Berechnungsgrundlagen ergeben sich wie folgt (alle Beträge in öS):


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Jahr 1983
Gewinn lt. Jahresabschluss
2.382.263
Gewerbesteuerückstellung
-378.500
Körperschaftsteuerrückstellung
-846.104
adaptierter Gewinn lt. Jahresabschluss
1.157.659
begünstigter Teil der Ausschüttung
1.157.659
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
2.117.165
Jahr 1984
Gewinn lt. Jahresabschluss
1.450.712
Gewerbesteuerückstellung
-268.000
Körperschaftsteuerrückstellung
-609.509
adaptierter Gewinn lt. Jahresabschluss
573.202
begünstigter Teil der Ausschüttung
573.202
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
1.394.771
Jahr 1985
Gewinn lt. Jahresabschluss
1.061.434
Gewerbesteuerückstellung
-184.000
Körperschaftsteuerrückstellung
-334.855
adaptierter Gewinn lt. Jahresabschluss
542.578
begünstigter Teil der Ausschüttung
542.578
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
941.025

Für das Jahr 1986 wurde im bekämpften Bescheid von einem Gewinn laut Jahresabschluss in Höhe von S 857.810,- anstelle von S 279.227,22 ausgegangen. Weiters wurde keine

Gewerbesteuerrückstellung angesetzt. Die Körperschaftsteuer für das Jahr 1986 wurde somit wie folgt ermittelt:


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KZ
lt. Steuererklärung
622
Gewinn lt. Jahresabschluss 1986
279.227
Gewerbesteuerrückstellung
-132.433
Körperschaftsteuerrückstellung
-156.440
adaptierter Verlust lt. Jahresabschluss
-9.646
623
Verlust aus Organschaft
578.583
627
14.791
629
142.019
Körperschaftsteuerrückstellung
156.440
298.459
633
-2.892
Verlust aus Organschaft
-488.210
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
391.085
Einkommen neu
391.085
Eink.gem. § 8 KStG 1966
391.085
Zu versteuer. Einkommen
391.100
Körperschaftsteuer neu
156.440


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Berechnung der Gewerbesteuerrückstellung 1986
Gewinn aus Gewerbebetrieb
391.085
Hinzrechnung § 7 Z 2 GewStG
372.252
Gewerbeertrag neu
763.337
abgerundet
763.300
Steuermessbetrag GwErtr
38.165
einheitlicher GwMB
38.165
Hebesatz Salzburg
347%
Gewerbesteuer
132.433

Da sich gegenständlich nach Adaptierung des Gewinnes der Bw. durch Bildung von Gewerbesteuer- und Körperschaftsteuerrückstellung ein Bilanzverlust ergibt, kann für das Jahr 1986 mangels eines ausschüttungsfähigen Gewinnes der halbe Steuersatz gemäß § 22 Abs. 2 KStG 1966 nicht zur Anwendung kommen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage : 4 Berechnungsblätter

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 22 Abs. 2 KStG 1966, Körperschaftsteuergesetz 1966, BGBl. Nr. 156/1966
Schlagworte
Gewinnverteilungsbeschluss
halber Körperschaftsteuersatz

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at