Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 09.03.2005, RV/0331-W/05

Ermessensübung bei Erlassung eines Haftungsbescheides.

Beachte

VwGH-Beschwerde zur Zl. 2005/13/0048 eingebracht. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17, vertreten durch Amtsrat M., vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO in Verbindung mit § 80 BAO entschieden:

Die Berufung wird teilweise insoweit Folge gegeben, als der Haftungsbetrag auf € 27.998,02 (statt bisher € 28.427,92) eingeschränkt wird.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom wurde die Berufungswerberin (Bw.) gemäß § 9 BAO in Verbindung mit § 80 BAO als Geschäftsführerin der Fa.F-GmbH für aushaftende Abgabenschuldigkeiten und zwar Umsatzsteuer März bis Mai 2000 in Höhe von € 28.427,92 zur Haftung herangezogen.

In der gegen den Haftungsbescheid eingebrachten Berufung vom (= Postaufgabedatum) beantragt die Bw. die Aufhebung des Haftungsbescheides und führt dazu begründend aus, dass die Abgabenbehörde aus nachstehenden Gründen von Haftungsinanspruchnahmen Abstand zu nehmen habe:

- Grundsatz der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Vollziehung (vgl. z.B. Art. 126b Abs. 5 B-VG).

- Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Haftungspflichtigen (; ; ).

- Bei Unbilligkeiten angesichts langer verstrichener Zeit (vgl. , 91/13/0038).

Die Bw. sei völlig vermögenslos und beziehe nur ein Arbeitslosengeld, es sei ihr daher nicht möglich persönlich Zahlungen zu leisten.

Anzuführen sei auch, dass der Zeitraum dieser Umsatzsteuer (03-05/2000) nunmehr über vier Jahre zurückliege und daher eine Unbilligkeit angesichts der lange verstrichenen Frist vorliege.

Eventualiter werde um Nachsicht des Umsatzsteuerbetrages (€ 28.427,92, U 03-05/2000) ersucht.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung der Bw. als unbegründet abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass sie in der Zeit vom bis die handelsrechtliche Geschäftsführerin der Fa.F-GmbH gewesen sei. Sie sei daher als Geschäftsführerin verpflichtet gewesen, die Abgaben, insbesonders die Selbstbemessungsabgaben voranzumelden und zu entrichten, ansonsten von der Behörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe.

Die Widerlegung der schuldhaften Pflichtverletzung könne nur dadurch erreicht werden, indem die Bw. einwandfrei und unter Ausschluss jedweden Zweifels nachweise, dass sie die die vorhandenen Mittel unter den Gläubigern gleichmäßig verteilt habe, bzw. dass keine Mittel zur Entrichtung vorhanden gewesen seien.

Zum Berufungseinwand, dass die Abgabenschuldigkeiten bei der Bw. uneinbringlich seien und dass Unbilligkeit vorläge, da die Vorschreibungen schon vier Jahre zurücklägen, sei festzuhalten, dass ein Haftungsbescheid erst dann erlassen werden dürfe, wenn die Uneinbringlichkeit beim Primärschuldner feststeht. Eine Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO sei darin keinesfalls zu erblicken. Weiters sei es nicht Gegenstand des Haftungsverfahrens darüber zu befinden, ob die Abgabenschuldigkeiten beim Haftenden uneinbringlich sein würden. Die Inanspruchnahme zur Haftung bewirke, dass nach Rechtskraft eines derartigen Bescheides die Behörde beim Haftenden Exekution führen dürfe. Erst ab diesem Zeitpunkt sei festzustellen, inwieweit und in welcher Form Abgabenschuldigkeiten einbringlich gemacht werden können.

Im rechtzeitig, am eingebrachten Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte die Bw. ergänzend vor, dass die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin bereits seit Eröffnung des Konkursverfahrens im Sommer 2000 vorliege und ab diesem Zeitpunkt die Uneinbringlichkeit wohl klar gegeben gewesen sei.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese betreffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Aus dem Firmenbuch ist ersichtlich, dass die Bw. im Zeitraum bis handelsrechtliche Geschäftsführerin der Fa.F-GmbH gewesen ist. Sie zählt damit zum Kreis der im § 80 BAO genannten Vertreter und kann daher zur Haftung gemäß § 9 BAO herangezogen werden.

Die unbestrittene Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben steht im gegenständlichen Fall aufgrund des Beschlusses des Handelsgerichtes Wien vom über die Aufhebung des Konkurses nach erfolgter Schlussverteilung in Höhe eines Betrages von € 27.998,02 fest. Die Verminderung der Haftungsschuld in Höhe von € 429,90 ergibt sich aus Quotenzahlungen im Konkurs der Primärschuldnerin aufgrund des Verteilungsbeschlusses vom (Quote 1,1507%) und der Nachtragsverteilungsbeschlüsse vom (Nachtragsquote 0,3247%) und vom (Nachtragsquote 0,036837%) in Höhe von insgesamt 1,51223%. Insoweit liegt eine Uneinbringlichkeit der Haftungsschuld bei der Fa.F-GmbH, deren amtswegige Löschung im Firmenbuch am erfolgte, nicht vor und war daher der Berufung teilweise statt zu geben.

Im Haftungsverfahren ist es Aufgabe des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war. Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel auch zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden. Widrigenfalls haftet der Geschäftsführer für die in Haftung gezogenen Abgaben zur Gänze ().

Im gegenständlichen Berufungsverfahren wurde durch die Bw. weder das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung als Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben in Abrede gestellt, noch wurde das Vorhandensein von Geldmitteln zur zumindest anteilsmäßig gleichmäßigen Befriedigung der Abgabenbehörde bestritten. Aus dem Abgabenkonto der Fa.F-GmbH ist jedenfalls das Vorhandensein von Mitteln zu den Fälligkeitstagen der haftungsgegenständlichen Abgaben auf Grund von bis zum erfolgten Zahlungen ersichtlich.

Die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme der Bw. gemäß § 9 BAO sind aufgrund obiger Ausführungen zweifelsfrei (im Berufungsverfahren auch unwidersprochen) erfüllt, sodass seitens des unabhängigen Finanzsenates die im Berufungswege eingewendete Fehlerhaftigkeit der Ausübung des freien Ermessens bei der Haftungsinanspruchnahme durch die Abgabenbehörde erster Instanz zu überprüfen war.

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen.

Von einer ermessenswidrigen Inanspruchnahme zur Haftung wird nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor allem dann gesprochen werden können, wenn die Abgabenschuld vom Primärschuldner ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeiten rasch eingebracht werden kann. Im gegenständlichen Fall steht jedoch die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin zweifelsfrei aufgrund obiger Ausführungen fest.

Wenn im Rahmen der gegenständlichen Berufung die Unbilligkeit der Haftungsinanspruchnahme angesichts lange verstrichener Zeit eingewendet wird, so ist die Bw. damit nicht im Recht. Wie die Abgabenbehörde erster Instanz in der Berufungsvorentscheidung zutreffend ausgeführt hat, entspricht es dem Gesetz, wenn die Behörde die Haftung erst dann geltend macht, wenn sie Kenntnis vom Ausmaß der Uneinbringlichkeit hat. Dies war im gegenständlichen Fall nicht schon mit der Eröffnung des Konkursverfahrens am (und auch nicht wie von der Bw. behauptet im Sommer 2000), sondern richtigerweise erst durch den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom über die Aufhebung des Konkurses nach erfolgter Schlussverteilung gegeben.

Unter Hinweis auf ihre persönliche und wirtschaftliche Situation dahingehend, dass sie völlig vermögenslos sei und nur Arbeitslosengeld beziehe und es ihr daher persönlich nicht möglich sei, Zahlungen zu leisten, wendet die Bw. als weiteren Ermessensfehler ein, dass ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Ermessensübung durch die Abgabenbehörde erster Instanz nicht gesetzeskonform berücksichtigt worden seien.

Die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden kann von der Abgabenbehörde bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigt werden. Auch Vermögenslosigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit des Haftenden stehen in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (vgl. ).

Wenn die Bw. dazu vermeint, dass unter dem Gesichtspunkt der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit (Artikel 126b B-VG) ihre Haftungsinanspruchnahme unzweckmäßig im Sinne des § 20 BAO wäre, so kann diesen Ausführungen seitens des unabhängigen Finanzsenates nicht gefolgt werden. Es mag zwar sein, dass aufgrund der derzeitigen Arbeitslosigkeit und des Nichtvorhandenseins von Vermögen eine exekutive Inanspruchnahme der Bw. nicht zum Erfolg führen würde, so darf im gegenständlichen Fall nicht übersehen werden, dass die Bw. mit ihren 42 Lebensjahren mitten im erwerbsfähigen Alter steht, von ihr eine Erwerbsunfähigkeit und auch das Vorhandensein von Schulden im Berufungsverfahren nicht behauptet wurde, sodass eine zukünftige Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten keinesfalls ausgeschlossen erscheint.

Auch ist im Rahmen der Ermessensübung zu berücksichtigen, dass im Zeitraum der Geschäftsführertätigkeit der Bw. ein beträchtlicher Abgabenrückstand auf dem Abgabenkonto der Fa.F-GmbH entstanden und angewachsen ist und die Bw. als Geschäftsführerin die Möglichkeit gehabt hätte, zeitnah entsprechende Maßnahmen zur Vermeidung der Haftungsfolgen zu setzen.

Aus den genannten Gründen hat daher die Abgabenbehörde erster Instanz bei Ausübung des freien Ermessens zu Recht dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben gegenüber dem Interesse der Bw., aufgrund ihrer derzeitigen wirtschaftlichen Situation nicht zur Haftung herangezogen zu werden, den Vorzug gegeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Ermessen
Uneinbringlichkeit
Zweckmäßigkeit
Billigkeit
wirtschaftliche Situation.

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at