Eintritt der voraussichtlichen dauernden Erwerbsunfähigkeit vor Beendigung der Berufsausbildung nicht nachgewiesen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Elisabeth Wanke über die Beschwerde des A B C, Adr, vom , am Finanzamt eingelangt am , gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10, 1030 Wien, Marxergasse 4, vom , wonach die "Anträge vom und vom betreffend/gegen Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für sich selbst" "ab Mai 2013 bis lfd. abgewiesen" werden, Sozialversicherungsnummer X, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt mit der Maßgabe unverändert, dass die Anträge vom und vom auf Familienbeihilfe abgewiesen werden.
II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Erkenntnis vom
Das Bundesfinanzgericht hat mit Erkenntnis , eine Beschwerde des Beschwerdeführers (Bf) A B C vom , soweit sie sich gegen den Zurückweisungsbescheid der belangten Behörde vom hinsichtlich Zurückweisung des Antrags vom betreffend Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für sich selbst für den Zeitraum Juli 2008 bis April 2013 richtet, gemäß § 279 Abs. 1 BAO als unbegründet abgewiesen. Der Abweisungsbescheid der belangten Behörde vom , mit welchem der Antrag des vom betreffend Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für sich selbst ab Mai 2013 bis lfd. sowie die diesbezügliche Beschwerdevorentscheidung vom wurde gemäß § 278 Abs. 1 BAO aufgehoben und die Sache an die Abgabenbehörde zurückverwiesen.
In diesem Verfahren wurde über den Antrag des Bf vom abgesprochen, wonach um Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für sich ab dem Zeitpunkt des Eintritts der erheblichen Behinderung, der vom medizinischen Sachverständigen festgestellt wurde, höchstens rückwirkend fünf Jahre ab Antragstellung, unter Hinweis auf „100% Sehbehinderung“ ersucht werde. Seit Mai 2005 werde Pflegegeld bezogen.
Mit „Zurückweisungs- und Abweisungsbescheid“ vom wurde von der belangten Behörde dieser Antrag vom „für den Zeitraum von Juli 2008 bis April 2013 zurückgewiesen und ab Mai 2013 bis lfd. abgewiesen“.
Aktenkundig ist ein weiterer Antrag des Bf vom betreffend Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für sich ab dem Zeitpunkt des Eintritts der erheblichen Behinderung, der vom medizinischen Sachverständigen festgestellt wurde, höchstens rückwirkend fünf Jahre ab Antragstellung, unter Hinweis auf „100% Sehbehinderung“. Seit werde Pflegegeld bezogen.
Zum Verwaltungsverfahren bis zum Ergehen dieses Erkenntnisses wird auf die Darstellung in diesem Erkenntnis verwiesen.
Das Bundesfinanzgericht hat in seinem Erkenntnis , betreffend Abweisung des Antrags ab Mai 2013 das Gutachten des Bundessozialamtes vom , auf das sich das Finanzamt in seiner abweisenden Berufungsvorentscheidung bezogen hat, als unschlüssig angesehen und dazu ausgeführt:
Das Gutachten stellt Blindheit auf beiden Augen fest.
Aufgrund der dem Bundessozialamt vorgelegten Befunde geht das Gutachten vom von einem Grad der Behinderung von 100% ab x.x.1980, also dem Tag der Geburt des Bf, aus.
Die gutachtende Fachärztin für Augenheilkunde und Optometrie hält den Bf offenbar vom Tag der Geburt an für voraussichtlich außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, während der Leitende Arzt – unter Wiederholung der maßgebenden Aussagen der Gutachterin – das Gutachten dahingehend abändert, dass der Bf „seit 3/2013“, also seit dem Befund von Dr. D am , dauernd außer Stande sein soll, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist der Nachweis betreffend die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 in einem qualifizierten Verfahren durch ein ärztliches Gutachten zu führen. Ein Gutachten zu einer solchen Sachfrage ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhalts durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen (vgl. für viele ).
Auch die Gutachten der Ärzte des Bundessozialamts haben den an ärztliche Sachverständigengutachten zu stellenden Anforderungen an ihre Nachvollziehbarkeit zu entsprechen haben. Sie dürfen sich daher insbesondere nicht widersprechen oder in bloßen Behauptungen erschöpfen. Die Behörden des Verwaltungsverfahrens sind daher verpflichtet, die Beweiskraft der Gutachten des Bundessozialamtes zu prüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen (vgl. etwa , m.w.N.).
Wird eine Person etwa nur bei Vorliegen von im Wesentlichen caritativen Motiven eines Arbeitgebers oder zu therapeutischen Zwecken beschäftigt werden, ohne dass der Arbeitgeber realistischerweise eine Arbeitsleistung erwarten könnte und würde der Beschäftigte dabei lediglich eine Art Taschengeld erhalten, so reicht dies noch nicht aus, um von der Selbsterhaltungsfähigkeit dieser Person auszugehen (vgl. etwa ). Andererseits ist auch bei einer Behinderung von 100 % nicht ausgeschlossen, dass der Betreffende imstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (vgl. ).
Wenn das Gutachten eine Blindheit ab Geburt und einen Grad der Erwerbsminderung von 100% konstatiert, wäre es schlüssig anzunehmen, der Bf sei ebenfalls ab der Geburt dauernd außerstande gewesen, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Wieso der Bf erst ab dem Befund durch Dr. D im Jahr 2013 außerstande gewesen sein soll, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, kann durch das Gutachten vom nicht erkannt werden...
Feststellungen über die bisherige Berufstätigkeit des Bf – etwa im Wege der Einholung eines Sozialversicherungsauszugs und Prüfung der Art allenfalls dort ausgewiesener Beschäftigungen – hat das Finanzamt nicht getroffen.
Da laut dem Gutachten vom der Bf „derzeit im Callcenter“ arbeitet, wird im Hinblick auf die oben dargestellte Judikatur auch zu erheben sein, worum es sich bei dieser „Arbeit“ konkret handelt und ob – bejahendenfalls auch warum – der Bf unbeschadet dieser „Arbeit“ voraussichtlich nicht in der Lage ist, sich auf Dauer selbst den Unterhalt zu verschaffen. Versicherungsdatenauszüge wurden bislang ebenso wenig beigeschafft wie andere diesbezügliche Ermittlungen gepflogen.
Das Finanzamt wird zunächst die bisherige Berufslaufbahn des Bf zu erheben und zu prüfen haben, ob der Bf bislang selbsterhaltungsfähig war. Wovon der Bf bislang seinen Lebensunterhalt bestritten hat, ist im bisherigen Verfahren offen geblieben.
In weiterer Folge wird das Bundessozialamt unter Bekanntgabe der Feststellungen des Finanzamtes über die bisherige Berufslaufbahn zur Ergänzung des Gutachtens aufzufordern sein.
Im fortgesetzten Verfahren wird das Bundessozialamt sein Gutachten dahingehend zu ergänzen haben, warum seiner Ansicht nach der von Geburt an blinde Bf erst seit März 2013, also erst mit 33 Jahren, dauernd außerstande sein soll, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen...
Versicherungsdatenauszug
Am erhob das Finanzamt einen Versicherungsdatenauszug betreffend den Bf. Aus diesem gehen folgende Versicherungszeiten hervor:
Asylwerber bzw. Flüchtlinge
Arbeitslosengeldbezug
Arbeitslosengeldbezug
Krankengeldbezug, Sonderfall
Arbeitslosengeldbezug
Krankengeldbezug, Sonderfall
Arbeitslosengeldbezug
Arbeiter (bei einer Beschäftigungsinitiative)
Arbeiter (bei einer Beschäftigungsinitiative)
Krankengeldbezug
Arbeitslosengeldbezug
Notstandshilfe, Überbrückungshilfe
Krankengeldbezug, Sonderfall
Notstandshilfe, Überbrückungshilfe
Krankengeldbezug, Sonderfall
Notstandshilfe, Überbrückungshilfe
Arbeiter (bei einer Behinderteneinrichtung)
geringfügig beschäftigter Arbeiter (Gastronomie)
Vollvers. und geringf. Besch. - Arb.
Arbeitslosengeldbezug
Angestellter (bei einer Behinderteneinrichtung)
Krankengeldbezug
Arbeitslosengeldbezug
Notstandshilfe, Überbrückungshilfe
Arbeiter (bei einer Beschäftigungsinitiative)
Bezug von Kombilohn
laufend Arbeitslosengeldbezug
Einkommensteuer
Das Finanzamt erhob die Daten der Einkommensteuerveranlagungen ab 2008. So wurden 2008 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von € 1.434,42, 2009 in Höhe von € 10.429,07, 2010 in Höhe von € 4.684,82, 2011 in Höhe von € 10.051,99, 2012 in Höhe von € 10.631,35 und 2013 in Höhe von € 9.284,85 erzielt.
Ergänzungsersuchen vom
Mit Vorhalt vom ersuchte das Finanzamt den Bf um:
1) Vorlage der Geburtsurkunde (allf. Übersetzung).
2) Vorlage des Asylbescheides.
3) Beiblatt zum Selbstantrag bitte vollständig austollen und retournieren (d. Beiblatt wird getrennt übermittelt; Nachweis des eigenen Einkommens + Nachweis, d. Eltern keinen Unterhalt zahlen).
4) Bekanntgabe d. BIC + IBAN (Konto d. Antragstellers) für eine allfällige Uberweisung der Familienbeihilfe.
5) Bekanntgabe und genaue Aufllstung Ihrer bisherigen Berufslaufbahn
6) Aus welchen Mitteln wurde und wird der Lebensunterhalt bestritten ?
7) Bekanntgabe, worum es sich bei der Arbeit im Callcenter konkret handelte.
Dazu gab der Bf am bekannt:
Geburtsurkunde
Der Bf wurde im September 1980 im Iran geboren.
Bescheid des Bundesasylamtes
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde dem Bf auf Grund seines Antrages vom in Österreich Asyl gewährt und gemäß § 12 AsylG festgestellt, dass dem Bf kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Bf habe einen unter § 7 AsylG zu subsumierenden Sachverhalt vorgebracht, dem keine Ergebnisse des amtswegigen Ermittlungsverfahren entgegenstünden.
Lebenshaltungskosten
Der Bf legte folgende Aufstellung seiner Lebenshaltungskosten vor:
Der im Iran lebende Vater des Bf bestätigte, dass er seinen Sohn bis jetzt nicht finanziell unterstützt und nicht zu seinem Lebensunterhalt beigetragen habe.
Der Bf gab bekannt, dass er selbst die Wohnungskosten trage. Seine Mutter sei im Jahr 1993 verstorben.
Wiener Wohnen
Laut einer Mitteilung von Wiener Wohnen wurde der monatliche Hauptmietzins für die 36,66 qm große Wohnung des Bf ab auf € 177,80 angehoben. Der Gesamtzins einschließlich Betriebskosten betrage € 315,35.
Wohnbeihilfe
Mit Bescheid vom gewährte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 50, Wohnbauförderung und Schlichtungstelle für wohnrechtliche Angelegenheiten, Gruppe Wohnbeihilfe, von bis eine Wohnbeihilfe von monatlich € 110,71:
Das anrechenbare Haushaltseinkommen (inkl. allfälligem Urlaubs- und Weihnachtsgeld /12) wurde in folgender Höhe festgestellt: EUR 915,89
Unter Anerkennung einer Wohnungsaufwandsbelastung von EUR 170,10
abzüglich der zumutbaren Wohnungsaufwandsbelastung von EUR 59,39
abzüglich eines Zuschusses zum Wohnungsaufwand von EUR 0,00
war daher eine Wohnbeihilfe im Ausmaß von EUR 110,71
„Gemäß § 21 Abs. 2 WWFSG 1989 darf die Wohnbeihilfe jeweils höchstens zwei Jahre gewährt werden. Aufgrund des Vorliegens besonderer Umstände, die eine Änderung des anrechenbaren Haushaltseinkommens erwarten lassen, wie Arbeitslosigkeit, Krankenstand, Karenzurlaub, Erreichen des 40. Lebensjahres, Volljährigkeit von Mitbewohnerinnen u.s.w., war die Wohnbeihilfe nur für den im Spruch festgesetzten Zeitraum zu gewähren.“
Pflegegeld
Laut Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom wurde das Pflegegeld ab neu bemessen. Dem Bf gebühre ein Pflegegeld der Stufe 4 in Höhe von € 664,30 monatlich. Das Ausmaß des Pflegebedarfs infolge Blindheit habe sich geändert.
Zuvor betrug das Pflegegeld € 442,90.
Arbeitslosengeld
Laut Mitteilung des Arbeitsmarktservice vom gebührt dem Bf von bis ein Arbeitslosengeld von täglich € 24,93.
Bankverbindung
Der Bf gab die Daten seiner Bankverbindung bekannt.
Lebenslauf
Der Bf legte weiters einen Lebenslauf vor. Der Bf habe von 1986 bis 1991 die Volksschule besucht, von 1991 bis 1994 die Hauptschule, von 1994 bis 1999, mit positivem Abschluss, die AHS Oberstufe. Von 2001 bis 2003 studierte der Bf im Iran Rechtswissenschaften.
Die angeführten Beschäftigungen stimmen mit jenen laut Versicherungsdatenauszug überein.
Der Bf spreche Deutsch, Kurdisch, Persisch, Azarbayjanisch und Türkisch, Arabisch, Schwedisch, Englisch, er verfüge über sehr gute Anwenderkenntnisse in MS Office und habe verschiedene Weiterbildungen absolviert.
Die Tätigkeiten bei den bisherigen Arbeitgebern - Beschäftigungsinitiativen bzw. Fördereinrichtungen für Menschen mit Behinderungen - wurden genauer beschrieben.
Call Center
Die LBeschäftigung bestätigte am , dass der Bf von bis zum im Call Center beschäftigt gewesen sei.
L M bietet Menschen mit einer mindestens 50% Beeinträchtigung ein befristetes Dienstverhältnis. Das Ziel des Projekts ist die Reintegration der Dienstnehmer in den ersten Arbeitsmarkt. Dies geschieht unter anderem durch gezieltes Anlernen bestimmter Fähigkeiten in den verschiedenen Arbeitsbereichen. Die gesundheitliche Stabilisierung ist jedoch der wichtigste Aspekt unserer Zielvereinbarung.
Bei einer vereinbarten Arbeitszeit von 38 Stunden erhielt Herr B € 1253,60 brutto / Monat.
Ergänzungsersuchen vom
Mit Vorhalt vom ersuchte das Finanzamt den Bf um Vorlage von:
Heiratsurkunde allf. Übersetzung
Bekanntgabe der Sozialversicherungsnummer der Ehegattin
Bekanntgabe der Wohnanschrift der Ehegattin
Einkommensnachweis der Ehegattin.
Diesem Vorhalt kam der Bf am nach und legte folgende Unterlagen vor:
Heiratsurkunde
Laut Heiratsurkunde heiratete der Bf im Iran am 24.01.1390 (= ) E F. Die Ehegatten sind der Urkunde zufolge iranische Staatsbürger, als Beruf der Ehefrau wurde "Hausfrau", als Beruf des Ehemanns "Angestellter" angegeben. Die Ehefrau sei im Iran wohnhaft, der Ehemann "derzeit in Österreich". Der Ehemann sei auf Grund einer Vollmacht durch G B C, seinen Vater, vertreten worden.
E-Card
Aktenkundig ist die Kopie einer E-Card von E F.
Meldenachweis
Laut Meldebestätigung vom wohnt die Gattin des Bf seit diesem Tag an der Wohnadresse des Bf.
Bestätigung der Gattin
Die Gattin des Bf bestätigte mit Schreiben vom , dass sie mit dem Bf in einer gemeinsamen Wohnung lebe und infolge Pflege des Bf nicht in der Lage sei, erwerbstätig zu sein und auch sonst kein Einkommen habe. Der Bf fügte hinzu, dass die Familie von der Mindestsicherung und von Bezügen des AMS lebe.
Mindestsicherung
Mit Bescheid vom gewährte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht, dem Bf und seiner Ehegattin auf Grund deren Antrags vom eine Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs in der Höhe von monatlich zwischen € 448,15 und € 537,87. Die Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung würden durch Übernahme der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung erbracht, sofern die Antragsteller nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind oder eine Mitversicherung bei einer anderen Person möglich ist. Die Zuerkennung einer über den Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs hinausgehenden Mietbeihilfe wurde abgewiesen.
Das Ermittlungsverfahren habe ergeben:
A B. C .. 09 1980
Sie sind laufend beim AMS gemeldet und haben oben genanntes Einkommen. Frau F ist von der Arbeitssuche befreit. Ihre Miete ist im Grundbedarf zur Deckung des Wohnbedarfs bereits inkludiert. Daher war Ihr Antrag auf Mietbeihilfe abzuweisen.
Gutachten des Sozialministeriumservice vom 12./
Das Sozialministeriumservice erstattete am 12./ nach einer Untersuchung des Bf am folgendes weiteres ärztliches Sachverständigengutachten:
Anamnese:
VGA 100%. Nun wird um Bekanntgabe gebeten, ab wann die dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist.
Behandlung/Therapie (Medikamente, Therapien - Frequenz):
Liest mit vergrößernder Sehhilfe und hat Braille gelernt.
Untersuchungsbefund:
Visus rechts+ 3,75s + 2,0c; links+ 4,0s/0,05. Fingerzähler, Gläser bessern nicht. Vorderer Abschnitt: Horizontaler Nystagmus bds., Hornhaut und Linse axial klar. Iris durchscheinend. Stellung: Strabismus dovergens okt. rechts. Fundi: pigmentarme Fundus, Brille nicht ideal gefärbt.
Status psychicus / Entwicklungsstand:
unauffällig
Relevante vorgelegte Befunde:
2014-07-14 AUGENARZTBEFUND
Astigmatismus, Hyperopie, okulocutaner Albinismus
Diagnose(n) :
Okulokutaner Albinismus mit Nystagmus und Blindheit rechts
Richtsatzposition: 110201 Gdb: 100% ICD: H53.9
Rahmensatzbegründung:
ts sowie Minderung der Sehschärfe links auf 0,05. Tabelle:
Kolonne 9/Zeile 9
Gesamtgrad der Behinderung: 100 vH voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend.
Keine Änderung im Vergleich zum VGA
Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich - Dauerzustand.
Die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades d. Behinderung ist ab 1980-09-...[Geburt] aufgrund der vorgelegten relevanten Befunde möglich.
Der(Die) Untersuchte ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Dauernd außerstande seit 2012 (lt.Befund 2/05 war das Sehvermögen rechts 0,05 und links 0,1-somit liegt keine Arbeitsunfähigkeit vor 2012 vor
erstellt am 2014-09-12 von H I
Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie
zugestimmt am 2014-09-17
Leitender Arzt: J K
Meldeabfrage
Das Finanzamt erhob am im Zentralen Melderegister, dass der Bf Konventionsflüchtling ist und seit an seiner heutigen Wohnadresse gemeldet ist.
Abweisungsbescheid vom
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt "die Anträge vom und vom " "betreffend/gegen Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für sich selbst" "ab Mai 2013 bis lfd." ab und begründete dies so:
Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in der ab gültigen Fassung haben volljährige Vollwaisen und ihnen gleichgestellte Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Anspruch auf Familienbeihilfe.
Da die dauernde Erwerbsunfähigkeit ab dem Jahr 2012 bescheinigt werden konnte (auf die Ausführungen des beiliegenden fachärztlichen Sachverständigengutachtens vom darf verwiesen werden), ist kein Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung gegeben.
Die Anträge vom und vom waren abzuweisen.
Beschwerde
Gegen den Abweisungsbescheid vom legte der Bf mit Schreiben vom , zur Post gegeben und beim Finanzamt eingelangt am , als Berufung bezeichnete Beschwerde ein und gab dazu an:
Ich, A B, geb ...09.1980 erhebe binnen der Frist von einem Monat gegen Abweisungsbescheid von das Rechtsmittel der Berufung und begründe diese wie folgt:
Die Abweisungsbescheid beruht in in ihrer Argumentation nur auf dem Befund vom 2012, der einen dauernde Erwerbsunfähigkeit ab 2012 festgestellt hat.
Zusätzlich wird wieder jedoch außer Acht gelassen, dass meine körperliche Beeinträchtigung schon vor meinem 21. Lebensjahr eingetreten war (siehe Befund vom ) eine rückwirkende Anerkennung der Behinderung ab dem wird dabei zwar für möglich befunden, jedoch in der Entscheidung selbst nicht berücksichtigt .
Ich stelle daher wie folgt den Antrag, dass mir mit Bescheid die Familienbeihilfe und die Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erhebliche Behinderung rückwirkend (ab mai 2013) und laufend gewehrt wird.
Angeschlossen war die bereits im Vorverfahren vorgelegte Bestätigung eines Facharztes für Augenheilkunde vom 11.9.1370 () an das Wohlfahrtsamt der Stadt im Iran, in welcher der Bf aufgewachsen war, wonach der Bf an Albinismus erkrankt sei. Er leide an beiden Augen an Nystagmus.
Aus diesem Grund hat der Genannte ein sehr schwaches Sehvermögen.
Beide Augen können sehr schwach 1/10 sehen; +3/75 am rechten Augen und +3/50 am linken Augen.
Wegen Nystagmus braucht er Lehrbücher mit großen Buchstaben für Menschen mit schwachem Sehvermögen.
Beschwerdevorentscheidung
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde "gegen den Abweisungsbescheid vom (Familienbeihilfe und Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für sich selbst)" als unbegründet ab:
Der gegenständliche Befund vom wurde bereits mit dem Berufungsschreiben vom dem Finanzamt vorgelegt.
Der Befund vom wurde von der ho. Stelle am an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen- Sozialministeriumservice gesandt.
Im fachärztlichen Sachverständigengutachten vom (Beilage zur Berufungsvorentscheidung vom ) ist der Befund angeführt.
Da das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen - Sozialministeriumservice unter Mitberücksichtigung des Befundes vom zu einer Feststellung der dauernden Erwerbsunfähigkeit ab dem Jahr 2012 kommt, war die Beschwerde - unter Hinweis auf die Ausführungen des Abweisungsbescheides vom - als unbegründet abzuweisen.
Vorlageantrag
Mit Schreiben vom , am selben Tag zur Post gegeben und eingelangt beim Finanzamt, stellte der Bf als "Berufung gegen Beschwerdevorentscheidung von " bezeichneten Vorlageantrag:
Ich, A B, geb ...09.1980 erhebe binnen der Frist von einem Monat gegen Beschwerdevorentscheidung von 28, Oktober 2014 das Rechtsmittel der Berufung und begründe diese wie folgt:
Die Beschwerdevorentscheidung in ihrer Argumentation nur auf dem Befund vom 2012, der einen dauernde Erwerbsunfähigkeit ab 2012 festgestellt hat.
Zusätzlich wird wieder jedoch außer Acht gelassen, dass meine körperliche Beeinträchtigung schon vor meinem 21. Lebensjahr eingetreten war, eine rückwirkende Anerkennung der Behinderung lt Untersuchungen von Bundessozialamt am und ab dem wird dabei zwar für möglich befunden, jedoch in der Entscheidung selbst nicht berücksichtigt.
Ich stelle daher wie folgt den Antrag, dass mir mit Bescheid die Familienbeihilfe und der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erhebliche Behinderung rückwirkend (ab mai 2013) und laufend gewährt wird.
Vorlage
Mit Bericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und gab dazu an:
Sachverhalt:
Der Antragsteller beantragt die Familienbeihilfe und die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für sich selbst.
Strittig ist der Zeitpunkt der Zuerkennung der dauernden Erwerbsunfähigkeit.
Bemerkt werden darf noch, d. der Akt bereits einmal dem Bundesfinanzgericht vorgelegt wurde (auf die Ausführungen der Entscheidung vom darf verwiesen werden).
Beweismittel:
Gescannte Dokumente
Stellungnahme:
Es wird ersucht, die Beschwerde im Sinne der Ausführungen des Abweisungsbescheides vom und der Beschwerdevorentscheidung vom abzuweisen.
Befundvorlage
Beim Bundesfinanzgericht langte am ein Augenbefund vom und ein solcher vom mit dem Vermerk "Augenbefund (vom )", beide von Dr. P Q, Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie, betreffend den Bf ein.
Befund vom
Laut Befund vom besteht beim Bf "eine höhergradige Weitsichtigkeit beider Augen sowie ein Nystagmus, ein Strabismus divergens alternans und ein Fundus albinoticus und eine depigmentierte Iris beidseits bei Albinismus mit Photophobie. Der Visus betrug rechts= links: +6,0 sph = 0,05. Eine Brille mit phototropen Kunststoffgläsern wurde zum damaligen Zeitpunkt verordnet."
Befund vom
Laut Befund vom besteht beim Bf "bei der heutigen Untersuchung ein unveränderter Organbefund beider Augen gegenüber Oktober 2004. Der Visus hat sich rechts mit +6,0 sph auf 0,01 bis 0,02 verschlechtert, links ist er annähernd gleichgeblieben mit +6,0 sph = 0,05. Eine Naheleistung wird nur mit einem Bildschirmlesegerät erzielt."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der im September 1980 geborene Bf ist iranischer Staatsbürger, besuchte im Iran von 1986 bis 1991 die Volksschule, von 1991 bis 1994 die Hauptschule und von 1994 bis 1999, mit positivem Abschluss, die AHS Oberstufe. Von 2001 bis 2003 studierte der Bf im Iran Rechtswissenschaften.
Am stellte der Bf in Österreich Asylantrag. Mit Bescheid vom wurde dem Bf in Österreich Asyl gewährt und feststellt, dass dem Bf kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
Der Bf heiratete in Abwesenheit am im Iran. Seine Gattin lebt jetzt in Österreich, geht keiner Erwerbstätigkeit nach und kann dem Bf keinen Unterhalt leisten. Die Mutter des Bf verstarb im Jahr 1993, der im Iran lebende Vater trägt nicht zum Unterhalt des Bf bei.
Der Bf und seine Gattin bestreiten ihren Lebensunterhalt von einer fallweisen Erwerbstätigkeit des Bf, die zumeist in Einrichtungen zur Integration von Beschäftigungslosen ausgeübt wird, sonst von der Mindestsicherung.
Der Bf leidet an einem okulokutanem Albinismus mit Nystagmus und mittlerweile Blindheit rechts.
Im Dezember 1991 diagnostizierte ein iranischer Augenarzt ein schwaches Sehvermögen auf beiden Augen von 1/10, und zwar +3/75 am rechten Auge und +3/50 am linken Auge (visus rechts 1/10, visus links 1/10).
Laut Befund von Dr. Q vom bestand beim Bf "eine höhergradige Weitsichtigkeit beider Augen sowie ein Nystagmus, ein Strabismus divergens alternans und ein Fundus albinoticus und eine depigmentierte Iris beidseits bei Albinismus mit Photophobie." Der Visus betrug damals rechts= links: +6,0 sph = 0,05, eine Brille mit phototropen Kunststoffgläsern wurde verordnet.
Ein ärztliches Sachverständigengutachten vom stellte eine Sehverminderung rechts auf 1/20 (0,05) und links auf 1/10 (0,1) fest. Der Grad der Behinderung betrage infolge des äußerst ungünstigen Zusammenwirkens der Behinderungen 90%.
Ein späterer Befund vom (Dr. N) weist ebenfalls einen visus rechts c.c. 0,05 und links c.c. 0,1 aus. Dies entspräche nach der Einschätzungsverordnung einem GdB von 80%.
Am (Dr. O) soll der visus rechts 0,16 und links 0,12 betragen haben.
Laut Gutachten des Bundessozialamts vom (Untersuchung vom ) betrug damals die Sehverminderung rechts auf Fingerzähler (FZ) und links auf 1/60. Nach der neuen Einschätzungsverordnung betrage der Grad der Behinderung 100% (Kolonne 9, Zeile 9).
Hingegen betrug am (Dr. D) der visus rechts nur mehr HBW (Wahrnehmung von Handbewegungen), links 1/60. Auch die Untersuchung beim Sozialministeriumservice am (Gutachten vom ) ergab rechts nur mehr Handbewegungen und links 0,08.
Auch bei der neuerlichen Untersuchung durch Dr. Q vom ergab sich gegenüber dem Jahr 2004 eine Verschlechterung des Visus rechts mit +6,0 sph auf 0,01 bis 0,02, links ist er mit +6,0 sph = 0,05 annähernd gleichgeblieben. "Eine Naheleistung wird nur mit einem Bildschirmlesegerät erzielt."
Eine nochmalige Befassung des Sozialministeriumservice mit dem Befund von Dr. Q vom war nicht geboten, da sich die dortigen Feststellungen im Wesentlichen mit jenem im Gutachten vom 12./ und in den Vorgutachten decken.
Nicht feststellbar ist, dass der Bf vor Beendigung seiner Berufsausbildung im Jahr 2003 voraussichtlich dauernd außerstande gewesen ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt, insbesondere den eigenen Angaben des Bf sowie die Gutachten des Sozialministeriumservice.
Rechtsgrundlagen
Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 in der bis gültigen Fassung besteht für volljährige Vollwaisen, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Anspruch auf Familienbeihilfe.
Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 in der ab gültigen Fassung besteht für volljährige Vollwaisen, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, Anspruch auf Familienbeihilfe.
Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (§ 6 Abs. 1 bis 3 FLAG 1967).
Keinen Anspruch auf Familien besteht gemäß § 5 Abs. 2 FLAG 1967 für Kinder, denen Unterhalt von ihrem Ehegatten oder früheren Ehegatten zu leisten ist.
Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe kann nur für höchstens fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt werden (§ 10 Abs. 3 FLAG 1967).
§ 8 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) lautet auszugsweise:
(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.
(7) Die Abs. 4 bis 6 gelten sinngemäß für Vollwaisen, die gemäß § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe haben.
Aus der Anlage zur Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010:
11.02 Sehstörungen
Für die Beurteilung des Sehvermögens ist die korrigierte Sehschärfe (Prüfung mit optischem Sehausgleich) maßgeblich. Daneben sind zusätzlich auch Ausfälle des Gesichts- und des Blickfeldes zu berücksichtigen.
Bei der Beurteilung des Sehvermögens ist darauf zu achten, dass der morphologische Befund die Sehstörung erklärt.
Malignome sind nach Abschnitt 13 einzuschätzen.
Bei Erkrankung des Auges (Glaukom, Netzhauterkrankungen) hängt der GdB vor allem vom Ausmaß der Sehbehinderung (Sehschärfe, Gesichtsfeld) ab. Darüber hinausgehende GdB-Werte kommen nur in Betracht, wenn zusätzlich über die Einschränkung des Sehvermögens hinausgehende Behinderungen vorliegen.
Nach Hornhauttransplantationen richtet sich der GdB allein nach dem Sehvermögen.
Linsenverlust eines Auges und Korrektur durch intraokulare Kunstlinse oder Kontaktlinse ist nach der Tabelle Sehschärfe ohne zusätzliche Anhebung des GdB einzuschätzen.
Ausfall des Farbsinns bedingt keine Einschätzung.
Einschränkung der Dunkeladaption (Nachtblindheit) oder des Dämmerungssehens bedingt keine Einschätzung.
Bei Kombinationen von Störungen des zentralen Sehens (Verminderung der Sehschärfe) und maßgeblichen Gesichtsfeldausfällen, kann wegen der ausgeprägten wechselseitigen Leidensbeeinflussung eine Addition des GdB der einzelnen Einschätzungen vorgenommen werden, wenn es in Hinblick auf das Gesamtbild der Behinderung gerechtfertigt erscheint.
Bei Sehstörungen mit ausgeprägtem Nystagmus (Horizontal-, Pendelnystagmus) ist bei der Prüfung der Sehschärfe nur der Visus der innerhalb einer Sekunde erreicht wird, für die Beurteilung heranzuziehen.
Bei ZNS-bedingten Sehstörungen, welche nicht den vorgegebenen Positionen zu-zuordnen sind, sind in Hinblick auf das Gesamtbild der Sehbehinderung neuroophtalmologische Untersuchungsbefunde miteinzubeziehen und entsprechend der Behinderung mittels Analogposition einzuschätzen.
Nachweisführung
Wie bereits im Vorerkenntnis ausgeführt, bestimmt § 8 Abs. 6 FLAG 1967 zur Lösung der Frage, ob eine Person Kind behindert oder voraussichtlich dauernd unfähig ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, die Nachweisführung ausschließlich durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (früher: Bundessozialamt, jetzt: Sozialministeriumservice).
Diese Bescheinigung hat gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zu erfolgen.
Bei der Antwort auf die Frage, ob die Bf dauernd außerstande war, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist die Behörde bzw. das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und nicht einander widersprechend sind (vgl. ; , und die bei Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung). Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen (vgl. ; ).
Gutachten des Sozialministeriumservice
Zur Schlüssigkeit von Gutachten des Sozialministeriumservice gibt es über das Vorerkenntnis hinaus umfangreiche Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichts (etwa ; ; ; ).
Keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides
In seiner Beschwerde vom und in seinem Vorlageantrag vom bringt der Bf vor, dass seine körperliche Beeinträchtigung erwiesenermaßen schon vor seinem 21. Lebensjahr (ausschlaggebend wäre im gegenständlichen Fall das Ende der Berufsausbildung im 23. Lebensjahr) bestanden hat.
Die Berufsausbildung wurde mit der Beendigung des Studiums der Rechtswissenschaften im Jahr 2003 abgebrochen. Entscheidend ist also, ob der Bf bereits im Jahr 2003 voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig war.
Unerheblich ist, ob die im Lebenslauf angeführten "Weiterbildungen" Berufsausbildungen im Sinne des FLAG 1967 waren, da die erste Weiterbildungsmaßnahme im Jahr 2008 gesetzt wurde. Da hatte der Bf bereits das 27. Lebensjahr überschritten.
Grad der Behinderung (GdB)
Der Bf ist damit im Recht, dass auch nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts die Gutachten vom und vom 12./ insoweit unschlüssig sind, als beide Gutachten (von derselben Gutachterin) eine rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades der Behinderung mit 100% ab Geburt des Bf für "möglich" erachten, während gleichzeitig die Verschlechterung der Sehschärfe im Lauf der Jahre aktenkundig ist:
Das Gutachten vom 30.11./ verweist darauf, dass der auch in den Folgegutachten berücksichtigte augenärztliche Befund vom nach der Einschätzungsverordnung einen GdB von 80% nach sich zöge. Dies ist, siehe die Tabelle zur Richtsatzposition , bei einem Sehvermögen von 0,05 und 0,1 auch zutreffend.
Der Befund vom mit einem visus von jeweils 1/10 ergäbe nach der Einschätzungsverordnung einen GdB von 70%.
Voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit
Im gegenständlichen Fall ist aber zuerst die Frage von Bedeutung, ab wann die voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist:
Die Vorgutachten vom 30.11./ und vom standen auch deshalb im Widerspruch zueinander, als das erste Gutachten eine voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit ab November 2012 (Untersuchung) angibt, während nach dem zweiten Gutachten laut der von der Gutachterin abweichenden Ansicht des leitenden Arztes erst auf Grund eines Befundes vom ab Februar 2013 eine voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit zu konstatieren sei.
Im dritten Gutachten (12./) wird wiederum hinsichtlich der Feststellbarkeit der voraussichtlichen dauernden Erwerbsunfähigkeit auf das Jahr 2012 (Untersuchung vom ) abgestellt.
Das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende (dritte) Gutachten vom 12./ ist jedoch schlüssig, wenn es sich, wie das Erstgutachten vom 30.11./, zur Verneinung einer voraussichtlichen dauernden Erwerbsunfähigkeit auf den Befund vom stützt. Nach diesem Befund war das Sehvermögen des Bf zwar schwer beeinträchtigt, jedoch nicht so sehr gemindert wie im Jahr 2012.
Auch aus den beiden am vorgelegten Befunden von Dr. Q vom und vom lässt sich eine Verschlechterung der Sehleistung des Bf zwischen den beiden Befundaufnahmen entnehmen.
Der Grund für die nunmehrige Erwerbsunfähigkeit, nämlich die starke Sehbeeinträchtigung, lag sicherlich schon vor dem Ende der Berufsausbildung vor. Entscheidend ist jedoch, ob diese Sehbeeinträchtigung bereits vor dem Ende der Berufsausbildung eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit herbeigeführt hat (vgl. etwa , zu Querschnittlähmung vor dem 21. Lebensjahr und erst später eingetretener Erwerbsunfähigkeit). Dies wird im Gutachten vom 12./ schlüssig verneint.
Die Sehfähigkeit des Bf hat sich im Lauf der Jahre den einzelnen Befunden zufolge zunehmend verschlechtert. Trotz seiner Behinderung konnte der Bf im Iran erfolgreich seine Schulausbildung beenden und ein Studium beginnen. Der Bf war auch in Österreich immer wieder in der Lage einer seinem eingeschränkten Sehvermögen Rechnung tragenden Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Das Gutachten vom 12./ ist in Verbindung mit den Vorgutachten und Befunden sowie der sonstigen Aktenlage insoweit schlüssig, als es die hier entscheidende Frage, ob der Eintritt der voraussichtlichen dauernden Erwerbsunfähigkeit vor Beendigung der Berufsausbildung des Bf erfolgte, verneint.
Der Nachweis, wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande zu sein, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zu führen.
Da dieser Nachweis nicht erbracht werden konnte, hat das Finanzamt zu Recht Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe nicht gewährt.
Keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides
Der angefochtene Bescheid ist daher nicht rechtswidrig (Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG), die Beschwerde ist gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.
Bei einem Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe (Grundbetrag) unter Berücksichtigung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung handelt es sich um ein einziges Anbringen (§ 85 BAO), auch wenn für die Gewährung des Erhöhungsbetrages ein eigenes weiteres Formular (Beih 3) zusätzlich zum Formular Beih 1 und für die Feststellung der erheblichen Behinderung ein eigenes weiteres Verfahren im Rahmen des Familienbeihilfenverfahrens vorgesehen ist. Im Fall einer bescheidmäßigen Erledigung (§ 13 FLAG 1967) ist über das gesamte Anbringen zu entscheiden (vgl. oder ).
Der angefochtene Bescheid ist daher in diesem Erkenntnis dahingehend zu präzisieren, dass die Anträge vom und vom auf Familienbeihilfe abgewiesen werden. Der Erhöhungsbetrag stellt lediglich eine Erhöhung des Grundbetrages dar, der Bf hat mangels Erfüllung der Voraussetzungen für den Erhöhungsbetrag keinen Anspruch auf Familienbeihilfe (Grundbetrag und Erhöhungsbetrag).
Da der angefochtene Bescheid in seiner zur Auslegung des Spruches mit heranzuziehenden Begründung mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringt, dass der Bf Familienbeihilfe überhaupt nicht zusteht, überschreitet das Bundesfinanzgericht seine ihm in § 279 BAO eingeräumte Entscheidungszuständigkeit nicht, wenn es in seinem Erkenntnis den Spruch des Bescheides lediglich verdeutlicht (vgl. ).
Nichtzulassung der Revision
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da es sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Das Bundesfinanzgericht folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 5 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 10 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 13 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2015:RV.7105403.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at