Unterliegt vergleichsweise Abgeltung einer Forderung gegen den Nachlass der Erbschaftsteuer ?
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze | |
RV/0459-I/02-RS1 | Der Bw hatte keinen erbrechtlichen Anspruch, weshalb er weder für einen Verzicht auf den Pflichtteil noch für die Ausschlagung von Erbschaft oder Vermächtnis hätte abgefunden werden können. Ein Tatbestand nach § 2 Abs. 2 Z 4 ErbStG liegt demnach nicht vor. Der Bw hat vielmehr eine Forderung gegen den Nachlass wegen erbrachter Arbeitsleistungen geltend gemacht, wobei zur Vermeidung eines Rechtsstreites und zur Bereinigung der wechselseitigen Ansprüche ein Vergleich geschlossen und eine pauschale Abgeltung vereinbart wurde. Zutreffend ist daher die Vorschreibung der Vergleichsgebühr, der Berufung gegen die Erbschaftsteuer war stattzugeben. |
Entscheidungstext
BerufungsentscheidungDer unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Dr. Christian Pichler, gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck betreffend Erbschaftsteuer entschieden: Der Berufung wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Laut Verlassenschaftsabhandlung nach der am verstorbenen B. H. waren keine Pflichtteilsberechtigten vorhanden; nach dem gesetzlichen Erbrecht wären die Nachkommen der erblichen Seitenverwandten, nämlich mehrere Nichten und Neffen - darunter E. F. (= Bw) als Neffe zu 1/6el - als Erben berufen. Die Erblasserin hatte aber im Testament vom ihr ganzes Vermögen den Ehegatten G. und J. L. als Dank für deren Verpflegung hinterlassen. Von den gesetzlichen Erben wurde zunächst eine Anfechtung der letztwilligen Erklärung in Erwägung gezogen, vorrangig jedoch eine gütliche Einigung angestrebt. Im Abhandlungsprotokoll vom wurde festgehalten, der Bw verzichte auf jeglichen weiteren Anspruch gegen die Verlassenschaft bei vollinhaltlicher Erfüllung der außergerichtlich mit den Testamentserben geschlossenen Vereinbarung. Nach Aufstellung des Inventariums und Feststellung des Reinnachlasses (darunter mehrere land- und forstwirtschaftliche Liegenschaften) im Betrag von € 4.799,42, wurde im anschließenden "Erbübereinkommen" u. a. vereinbart, die Testamentserben G. und J. L. verpflichten sich zur Zahlung eines Entfertigungsbetrages von S 250.000 zuzüglich eines Beitrages zu den Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.000 bis spätestens an den Bw. Die Erbschaftsteuer tragen die jeweils Verfahrensbeteiligten selbst.
Das Finanzamt hat daraufhin dem Bw mit Bescheid vom , Str. Nr. XY, ausgehend vom Entfertigungsbetrag abzüglich des Freibetrages von S 6.000, sohin ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 244.000 gemäß § 8 Abs. 1 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz (ErbStG), BGBl. 1955/141 idgF, (Stkl. IV) eine 12%ige Erbschaftsteuer im Betrag von € 2.127,86 vorgeschrieben.
In der dagegen erhobenen Berufung wurde Bescheidaufhebung beantragt und eingewendet, bei dem laut Abhandlung so bezeichneten "Entfertigungsbetrag" handle es sich um eine Verpflichtung aus dem Titel des Schadenersatzes, da der Bw für die Verstorbene erhebliche Arbeitsleistungen im Wert von rund S 444.000 erbracht habe; dies in Erwartung der Alleinerbschaft, wie die Verstorbene mehrfach angekündigt habe. Zur Regelung der wechselseitigen Ansprüche hätten sich die Testamentserben zur Zahlung von S 250.000 verpflichtet, weshalb es sich hiebei um keine Erbschaft handle. Die zum Nachweis vorgelegte "Vereinbarung" zwischen dem Bw und den Testamentserben vom lautet auszugsweise wie folgt: "... Es bestanden bei E. F. Zweifel über die Testierfähigkeit der Verstorbenen bei Abfassung des Testamentes. Ferner hatte E. F. und seine Familie erhebliche Arbeitsleistungen für die Verstorbene in der Erwartung erbracht, dass E. F. Alleinerbe der B. H. werde. ... Zur Regulierung aller wechselseitigen Ansprüche aus dem Titel der Bereicherung und des Verwendungsanspruches des E. F. verpflichten sich die Eheleute G. und J. L. zur ungeteilten Hand, einen Betrag von ATS 250.000 zuzüglich eines Beitrages an den Kosten des RA P. von € 1.000 ... zu bezahlen. Damit sind alle Ansprüche des E. F. und seiner Familie gegenüber Familie L. endgültig erledigt und verglichen ...".
Die abweisende Berufungsvorentscheidung vom wurde damit begründet, Forderungen gegen den Nachlass könnten nur geltend gemacht werden, wenn das Schuldverhältnis mit dem Erblasser zum Todestag bestanden habe und diesbezüglich eine schriftliche Vereinbarung vorgelegen wäre. Gegenständlich liege jedoch ein Sachverhalt nach § 2 Abs. 2 Z 4 ErbStG, eine Abfindung von dritter Seite, vor.
Im Vorlageantrag vom wurde die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde II. Instanz begehrt und ergänzend vorgebracht, das Schuldverhältnis zwischen Bw und Erblasserin habe sehr wohl bereits zu deren Todestag bestanden, er habe umfangreiche Arbeitsleistungen erbracht. Es bedürfe hiezu entgegen der Rechtsansicht des Finanzamtes auch keiner schriftlichen Vereinbarung. Die Abgeltung der erbrachten Leistungen mit einem Pauschalbetrag sei im Rahmen eines Vergleiches erfolgt. Die Urkunde vom sei der Behörde vorgelegt und hiezu eine Rechtsgeschäftsgebühr von € 383,36 rechtskräftig vorgeschrieben und bezahlt worden.
Laut Erhebung war dem Bw mit Bescheid vom , Str. Nr. XY, ausgehend von der übernommenen Leistung von € 19.168,21 (= Entfertigungsbetrag + RA-Kosten € 1.000) gem. § 33 TP 20 Abs. 1 lit b Gebührengesetz (GebG), BGBl. 1957/267 idgF, eine 2%ige Vergleichsgebühr im Betrag von € 383,36 vorgeschrieben und diese entrichtet worden.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 gilt als erbschaftsteuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen der Erwerb durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches. Nach Abs. 2 Z 4 dieser Bestimmung gilt als vom Erblasser zugewendet auch: was als Abfindung für einen Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch oder für die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses von dritter Seite gewährt wird.
Nach § 2 Abs. 2 Z 4 ErbStG tritt die Abfindung an die Stelle der erbrechtlichen Ansprüche und wird deshalb steuerlich wie ein Erwerb behandelt, der aus dem Nachlass des Erblassers stammt. Es werden hier verschiedene Ersatztatbestände normiert, bei denen eine Zuwendung des Erblassers (vom Erblasser) fingiert wird, ohne dass das zugewendete Vermögen zum Nachlass gehört hat. Was dem Erben, Vermächtnisnehmer oder Pflichtteilsberechtigten von dritter Seite (auch vom Erben) als Abfindung für die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses oder für einen Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch gewährt wird, ist zwar kein Erwerb von Todes wegen, gilt aber dem Erbschaftsteuerrecht als solcher. Die genannte Bestimmung kommt auch bei einem Vergleich in einem Erbschaftsstreit in Betracht, dh bei einem Vergleich betreffend Streitigkeiten über erbrechtliche Positionen, insbesondere iZm Erbrechts- und Erbschaftsklagen (). Beispielsweise erfüllt die in einem Abkommen zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten enthaltene, als Vergleich anzusprechende Vereinbarung über eine "pauschale" Abfindung des Pflichtteilsanspruches den Tatbestand nach § 2 Abs. 2 Z 4 ErbStG (, 0362). Wird zwischen den beteiligten Personen ein (außergerichtlicher) Vergleich über die zwischen ihnen strittigen Rechte an der Verlassenschaft abgeschlossen, so ist unter sinngemäßer Anwendung des § 2 Abs. 2 Z 4 ein Erwerb des Empfängers der Zuwendung anzunehmen (vgl ).
Im Berufungsfall ist demgegenüber an Sachverhalt davon auszugehen, dass der Bw überhaupt keinen erbrechtlichen Anspruch bzw Anspruch auf eine Bereicherung aus dem Nachlass hatte. Es war ihm weder ein Erbe angefallen, noch war er als Vermächtnisnehmer eingesetzt oder hatte er jedweden Pflichtteilsanspruch, da auch lt. Abhandlung überhaupt keine Pflichtteilsberechtigten vorhanden waren. Demgemäß konnte er schon grundsätzlich weder für einen Verzicht auf seinen Pflichtteil noch für die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses von dritter Seite iSd § 2 Abs. 2 Z 4 ErbStG abgefunden werden, weshalb diese Bestimmung hier nicht zur Anwendung gelangen kann. Wie insbesondere aus dem Inhalt der Vereinbarung vom in Zusammenhalt mit dem Berufungsvorbringen erhellt, hat der Bw vielmehr eine - ob zu Recht oder zu Unrecht zum Todestag bestehende - Forderung gegen den Nachlass wegen erbrachter Arbeiten für die Erblasserin geltend gemacht, welche strittige Forderung mit der "Vereinbarung" vergleichsweise behoben und durch Einigung auf eine pauschale Abgeltung bereinigt wurde. Eine (vergleichsweise abgegoltene) Forderung gegen den Nachlass kann aber in keiner Weise einen erbrechtlichen Anspruch, sohin auf eine Bereicherung aus dem Nachlass, darstellen. Ebensowenig kann der Vergleich betreffend eine Forderung gegen den Nachlass einem in Zusammenhalt mit Erbschaftsstreitigkeiten getroffenen Vergleich, auf den laut Obgesagtem § 2 Abs. 2 Z 4 ErbStG sinngemäß anzuwenden wäre, gleichgehalten werden, da gegenständlicher Vergleich nicht zwecks Klärung erbrechtlicher Positionen oder pauschaler Abgeltung etwa eines entstandenen Pflichtteilsanspruches oder wegen strittiger Rechte "an der Verlassenschaft" vereinbart wurde. Der Bw hat tatsächlich nicht auf einen erbrechtlichen Anspruch verzichtet, sondern zur Vermeidung eines Rechtsstreites auf die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Nachlass aufgrund erbrachter Leistungen und wurde dazu zwecks Bereinigung wechselseitiger Ansprüche ein außergerichtlicher Vergleich abgeschlossen. Diesbezüglich war zutreffend eine Rechtsgeschäftsgebühr (Vergleichsgebühr) gem. § 33 TP 20 Abs. 1 lit b GebG vorgeschrieben worden. Würde man dagegen der Ansicht des Finanzamtes folgen, so wäre die Vorschreibung der Gebühr zusätzlich zur Erbschaftsteuer gemäß § 15 Abs. 3 GebG von vorne herein rechtswidrig, da demnach die Doppelbesteuerung identer Rechtsvorgänge vermieden werden soll (vgl ).
Nach obiger Sach- und Rechtslage kommt daher der Berufung in Bezug auf die Vorschreibung der Erbschaftsteuer gem. § 2 Abs. 2 Z 4 ErbStG Berechtigung zu. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Innsbruck,
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 2 Abs. 2 Z 4 ErbStG 1955, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141/1955 § 33 TP 20 Abs. 1 lit. b GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 |
Schlagworte | Abfindung Entfertigung Forderung gegen Nachlass erbrechtlicher Anspruch Vergleich |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at