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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSF vom 22.10.2004, RV/0312-F/03

Handelsvertreterpauschalierung für Wertpapierdienstleistungsunternehmer

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0312-F/03-RS1
Aufbauend auf dem Stammrechtssatz wird die Berufsbezeichnung "Wirtschaftsberater" nicht für pauschalierungsschädlich erachtet, wenn die Einkünfte nicht aus der bloßen Beratung, sondern ausschließlich auf Grund vermittelter Abschlüsse erzielt werden.
Folgerechtssätze
RV/0312-F/03-RS1
wie RV/0160-L/03-RS1
Vermittelt jemand Versicherungs- und Bankprodukte für eine bestimmte Firma und übt er diese Tätigkeit selbständig und gewerbsmäßig aus, so tätigt er Umsätze im Sinne des Handelsvertretergesetzes. Die Verordnung des BMF über die Aufstellung von Durchschnittsätzen ist also anwendbar.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des MB, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom betreffend Einkommensteuer 2002 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe betragen:


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Einkommen 2002
13.932,72 €
Einkommensteuer 2002
1.992,77 €

Entscheidungsgründe

Der Bw. ist geprüfter Wirtschaftsberater. Unter dieser Bezeichnung tritt er auch im Geschäftsverkehr auf. Bei Beginn seiner Tätigkeit suchte er um die Ausstellung des Gewerbescheines "Versicherungsagent" an. Im Streitjahr stand er zunächst in einer vertraglichen Beziehung (Agentenvertrag) zum AWD, einer Gesellschaft, die sich mit der Vermittlung von Bauspar- sowie Versicherungs- und ähnlichen Verträgen befasst und auch Kapitalanlagen vermittelt, wobei sie sich bei der Verfolgung des Gesellschaftszweckes einer Außendienstorganisation mit selbständigen (Unter-)Vertretern bedient. Danach schloss er einen Vertrag (Vermittlungsvertreter-Vertrag) mit einer anderen Gesellschaft ab, die sich im gegebenen Zusammenhang weder hinsichtlich des Gesellschaftszweckes noch hinsichtlich der Zusammenarbeit mit selbständigen Vertretern vom AWD unterscheidet. Im Rechtsmittelverfahren beantragte der Bw. die Berücksichtigung des Handelsvertreterpauschales in Höhe von 12,5% der Provisionen, wie dies in allen anderen Finanzämtern üblich sei.

Das Finanzamt folgte dem Berufungsbegehren teilweise, wies allerdings den Antrag auf Gewährung des Handelsvertreterpauschales mit der Begründung ab, der Bw. übe eine beratende Tätigkeit aus, die nicht mit der eines Handels-, Versicherungs- und Bausparkassenvertreters vergleichbar sei.

Durch die Einbringung eines Vorlageantrags gilt die Berufung wiederum als unerledigt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Strittig ist allein, ob der Bw. die Pauschalierung gemäß der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung von Betriebsausgaben und Vorsteuerbeträgen bei Handelsvertretern, BGBl II 95/2000, zu Recht in Anspruch genommen hat.

Gemäß § 1 der zitierten Verordnung können bei einer Tätigkeit als Handelsvertreter im Sinne des Handelsvertretergesetzes 1993, BGBl. Nr. 88/1993, im Rahmen der Gewinnermittlung bestimmte Betriebsausgaben jeweils mit Durchschnittssätzen angesetzt werden. Der Durchschnittsatz beträgt 12 (und nicht wie der Bw. im Antrag vom meint 12,5) % der Umsätze. Gemäß § 1 Handelsvertretergesetz ist Handelsvertreter, wer von einem anderen mit der Vermittlung oder dem Abschluss von Geschäften, ausgenommen über unbewegliche Sachen, in dessen Namen und für dessen Rechnung ständig betraut ist und diese Tätigkeit selbständig und gewerbsmäßig ausübt. Demgegenüber ist nach § 1 Abs. 1 Maklergesetz Makler, wer auf Grund einer privatrechtlichen Vereinbarung (Maklervertrag) für einen Auftraggeber Geschäfte mit einem Dritten vermittelt, ohne ständig damit betraut zu sein. Unter Vermögensberatung versteht die Gewerbeordnung (§ 94 Z. 75) die Beratung bei Aufbau und Erhalt von Vermögen und der Finanzierung unter Einschluss insbesondere der Vermittlung von Veranlagungen, Investitionen, Personalkrediten, Hypothekarkrediten und Finanzierungen. § 1 der Vermögensberatungs-Verordnung, BGBl. II Nr. 95/2003, zitiert und verweist auf die zuvor wiedergegebene Regelung der Gewerbeordnung.

Nach (gleichsam autentischer) Interpretation des BMF (EStRL Rz 4356; SWK 31/2003, S 753; ARD 5335/25/2002; RdW 2003, 593; ARD 5335/29/2002; RdW 2002, 328; SWK 200, S 84), welches die Verordnung erlassen hat, deren Anwendbarkeit strittig ist, steht das sogenannte Handelsvertreterpauschale zu, wenn Warenpräsentatoren, Versicherungsvertreter oder Bausparkassenvertreter unter Umständen tätig werden, die dem unter § 1 Abs. 1 Handelsvertretergesetz umschriebenen Tätigkeitsfeld entsprechen. Ferner stellen nach Meinung des BMF auch die in § 1 Abs. 1 Z 19 lit. c BWG umschriebenen Finanzdienstleistungsgeschäfte eine Tätigkeit dar, die dem Berufsbild eines Handelsvertreters entspricht.

Der erkennende Senat teilt die wiedergegebene Auffassung des BMF. Entscheidend für die Frage der Anwendbarkeit der Handelsvertreter-Pauschalierungsverordnung ist demnach, ob eine Tätigkeit in den Grundmerkmalen der Tätigkeit gemäß § 1 Abs. 1 Handelsvertretergesetz entspricht. Die entscheidenden fünf Grundmerkmale sind (vgl. Straube, HGB, Rz 54 zu § 1 HGB): Selbständigkeit, Geschäftsvermittlungs- und/oder Geschäftsabschlusstätigkeit, ständiges Betrauungsverhältnis, gewerbsmäßige Tätigkeit und Handeln im fremden Namen und auf fremde Rechnung.

Der Bw. brachte mehrfach vor, seine berufliche Tätigkeit erfülle alle Merkmale einer selbständig ausgeübten Tätigkeit als Handelsvertreter. Durch den Abschluss eines neuen Vertrages habe sich nichts im gegebenen Zusammenhang Wesentliches geändert.

Das AWD-Vertriebssystem sieht nun folgendermaßen aus (http://www.finanzen.net/aktien/aktien_profile_detail.asp?AktieNr=1913; http://www.awd.at/; http://www.awd.de/internet/deutschland/de/index/infos/konzernstruktur.html; ):

"Die AWD Holding AG, mit Sitz in Hannover, bietet Beratungs- und Vermittlungsdienstleistungen für Finanzprodukte an. Dabei werden in Deutschland, Schweiz und Österreich durch von der AWD ausgebildeten, selbstständigen Handelsvertretern (Wirtschaftsberatern) privaten Haushalten Dienstleistungen für ihre persönlichen finanziellen Situation angeboten.

Einnahmen erzielt die AWD-Gruppe durch Provisionszahlungen der Produktgeber, die für die erfolgreiche Vermittlung ihrer Finanzprodukte durch einen Handelsvertreter der AWD-Gruppe geleistet werden. Die Provision besteht je nach Produkt aus einer Abschlussprovision und ggf. einer zusätzlichen Bestandsprovision. Einen Teil dieser Provision geben die Unternehmen der AWD-Gruppe an die Handelsvertreter weiter.

Die AWD-Gruppe vertreibt durch ihre Handelsvertreter eine Vielzahl von Finanzprodukten verschiedener Produktgeber (insbesondere Versicherungen, Investmentfondgesellschaften und Banken). Eigene Finanzprodukte legen die Unternehmen der AWD-Gruppe nicht auf. Die vertriebenen Produkte decken insbesondere die Bedürfnisse privater Haushalte in den Bereichen Sach- und Vermögensversicherung, Gesundheitsvorsorge, Lebensstandardversicherung (Einkommenssicherung, Altersvorsorge), Verbesserung der Wohnsituation sowie Vermögensaufbau und Vermögensstreuung ab.

AWD wurde im Jahr 1988 in Hannover gegründet. Bis zum Börsengang im Jahr 2000 kamen die Tochtergesellschaften in der Schweiz und Österreich dazu. Durch verschiedene Akquisitionen im In- und Ausland, wie etwa der Thomson's Group im Jahr 2001 oder von tecis im Jahr 2002 wuchs das Unternehmen weiter."

Die berufliche Tätigkeit eines AWD-Vertreters, die inhaltlich europaweit einheitlich gestaltet ist, wird nicht nur nach dem AWD-Selbstverständnis, sondern auch nach deutschem Recht als Handelsvertretertätigkeit eingestuft (Sozialgericht Dortmund, , S 22 RA 7/02; http://www.otto-schmidt.de/ovs_arbeitsrecht/home_37199.html; http://www.wdr.de/tv/markt/20030127/b_4.phtml; http://www.pro-anleger.de/warnliste/DLF_94_17_AWD/dlf_94_17_awd.html; http://market-data.dzbank.de/dzbank/portraits/detail.html?company_id=1634&companyname=AWD+HOLDING+AG+Inhaber-Aktien+o.N.; LG Hannover, , 13 O 2250/01), wobei das deutsche HGB dem österreichischen in den hier wesentlichen Punkten gleicht. Auch nach österreichischer höchstgerichtlicher Judikatur ( 8 Ob A 5/04z) kann auf das zwischen AWD und seinen "Agenten" bestehende Rechtsverhältnis das Handelsvertretergesetz angewendet werden. Unternehmensgegenstand des AWD ist nach dem zitierten OGH-Beschluss "die Vermittlung von Versicherungsverträgen, Finanzierungen und Wertpapieren, die Vermögensverwaltung sowie die Beratung über die Veranlagung von Kundenvermögen", wobei sich der AWD laut OGH "im Rahmen dieser Tätigkeiten ..... einer Außendienstorganisation mit Untervertretern, sogenannten Agenten" bedient. Auch aus älteren Judikaten des OGH ist klar ableitbar, dass die Tätigkeit eines Vermögens-, Anlage-, und Finanzberaters als freier Handelsvertreter ausgeübt werden kann (, 7 Ob 685/90; , 7 Ob 529/81). Aus dem zuletzt zitierten Judikat geht weiters hervor, dass der selbständige Handelsvertreter meist für mehrere Auftraggeber tätig ist. Schließlich wird auf die Berufungsentscheidung des , verwiesen, in der einem AWD-Vertreter das Handelsvertreter-Pauschale gewährt worden ist.

Damit aber wird deutlich, dass es keine stichhaltigen Gründe gibt, dem Bw. den Abzug des selbständigen Handelsvertretern durch Verordnung zugestandenen Betriebsausgabenpauschales zu versagen. Den vom Finanzamt ins Treffen geführten, zum Teil auf Erlassregelungen beruhenden Argumenten wird entgegengehalten:

Die Bindung an einen einzigen Auftraggeber ist kein Wesensmerkmal der Handelsvertreter-Tätigkeit. Wichtig ist allerdings, dass die Betrauung eine ständige ist, denn sonst ist - wie das Finanzamt grundsätzlich zutreffend ausgeführt hat - der Vermittler als Makler einzustufen, für den die Kundenbindung im Vordergrund steht. Dass gegenständlich die Bindung zu zwei Auftraggebern im Vordergrund steht, ist auf Grund der aktenkundigen Verträge (Agentenvertrag, Vertrag über Vermittlungstätigkeiten) und der ausschließlich von den beiden entsprechenden Vertragspartnern bezogenen Provisionen erwiesen.

Nicht entscheidend für die gegenständlich zu lösende Frage ist, wie sich das Auftragsunternehmen und/oder der auftragnehmerische Vertreter im Geschäftsverkehr bezeichnet. Vielfach wird nämlich rein aus Vermarktungsgründen eine Berufs- und/oder Unternehmensbezeichnung gewählt wird, die die positiv besetzte "Beratung" in den Vordergrund stellt. Da es gegenständlich um eine Frage mit steuerlicher Relevanz geht, ist entscheidend, wodurch die Steuerpflicht ausgelöst wird. Dies ist aber nicht die Beratung. Wie der Bw. - belegt durch umfangreiche Unterlagen (Verträge, Produktverwertungstabelle, Provisionsabrechnungen und Produktmatrix), unbeeinsprucht vom Finanzamt und im Einklang mit den Lebenserfahrungen - vorgebracht hat, führt erst die erfolgreiche Abschlussvermittlung zu einem Provisionsanspruch. Die bloße Beratung, die vergebliche Vermittlungsbemühung hingegen zieht keine Einahmen nach sich und ist wegen Unentgeltlichkeit nicht umsatzsteuerpflichtig. Aus den genannten Gründen kann nicht von einer für die Pauschalierung schädlichen Beratungstätigkeit gesprochen werden, bloß weil der Bw. die Berufsbezeichnung Wirtschaftsberater für sich verwendet.

Der Berufung war daher stattzugeben.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 4 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Durchschnittssätze für die Gewinnermittlung - Handelsvertreter, BGBl. II Nr. 95/2000
Schlagworte
Handelsvertreterpauschalierung
Wertpapierdienstleistungsunternehmer
Wirtschaftsberater
AWD-Vertreter
Verweise
8 Ob A 5/04z
Anmerkung
Die Entscheidung setzt sich mit BMF-Aussagen auseinander (zB EStR 2000, Rz 4356) und sieht sich im Einklang mit ihnen.

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at