Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 29.06.2004, RV/0059-L/04

Haftungsinanspruchnahme gemäß § 27 Abs. 9 UStG

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0059-L/04-RS1
Die Finanzbehörde muss beweisen können, dass der Unternehmer davon Kenntnis hatte, dass der Aussteller der Rechnung die vorgefasste Absicht hatte, die ausgewiesene Steuer nicht zu entrichten oder sich vorsätzlich außer Stande gesetzt hat, die ausgewiesene Steuer zu entrichten.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Otmar Hadaier, gegen den Bescheid des Finanzamtes Ried im Innkreis betreffend Haftung entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben. Der angefochtene Haftungsbescheid wird aufgehoben.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Mit Haftungsbescheid vom machte das Finanzamt Ried gem. § 27 Abs. 9 UStG die Haftung für aushaftende Abgabeschuldigkeiten (Umsatzsteuer) des GM iHv. 36.789,55 € gegenüber der Bw. geltend. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass gem. § 27 Abs. 9 UStG der Unternehmer für die Steuer für einen an ihn ausgeführten Umsatz haften würde, soweit diese in einer Rechnung iSd § 11 ausgewiesen wurde, der Aussteller der Rechnungen entsprechend seiner vorgefassten Absicht die ausgewiesene Steuer nicht entrichtet oder sich vorsätzlicher außer Stande gesetzt hat, die ausgewiesene Steuer zu entrichten und der Unternehmer bei eingehender Leistungsbeziehung davon Kenntnis hatte. Nachdem die Rechnung vom Gatten gestellt worden sei, sei davon auszugehen, dass die Bw. bei Eingehen der Leistungsbeziehung davon Kenntnis gehabt hätte, dass dieser die ausgewiesene Steuer nicht entrichten könne. Im Übrigen werde auf das Schreiben des Steuerberaters vom verwiesen, indem auf die angespannte Liquiditätslage Bezug genommen werde. Der Tatbestand des § 27 Abs. 9 UStG sei daher erfüllt und die Bw. würde daher zur Haftung herangezogen.

Mit Schriftsatz vom wurde durch den ausgewiesenen Vertreter Berufung gegen den Haftungsbescheid eingebracht. Der Haftungstatbestand des § 27 Abs. 9 UStG setze voraus, dass sowohl der Aussteller der Rechnung (Herr GM) die vorgefasste Absicht gehabt hätte, die ausgewiesene Umsatzsteuer nicht zu entrichten oder sicher vorsätzlich außer Stande gesetzt habe, die ausgewiesene Steuer zu entrichten, als auch der Leistungsempfänger (Bw.) bei eingehender Leistungsbeziehung davon Kenntnis gehabt hätte. Dies werde bestritten. Herr GM hätte niemals die vorgefasste Absicht gehabt oder sich vorsätzlich außer Stande gesetzt, die ausgewiesene Steuer zu entrichten. Man unterstelle ihm de facto betrügerische Absicht, ohne dass die belangte Behörde für diesen Vorsatz auch nur irgendeinen Beweis vorgelegt hätte. Die Bestimmung sei nur so zu interpretieren, dass die belangte Behörde die Schuld beweisen müsse und nicht Herr GM oder die Bw. ihre Unschuld. Richtig sei, dass der gesamte Bruttorechnungsbetrag von der Bw. an Herrn GM überwiesen worden sei und diese damit die Rechnung auch bezahlt hätte. Dies sei auch von der Finanzverwaltung im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung geprüft und bestätigt worden. Zum Zeitpunkt des Eingehens der Leistungsbeziehung hätte weder die Bw. noch Herr GM selbst gewusst, dass dieser die Umsatzsteuer zumindest nicht sofort in voller Höhe bezahlen werde. Die Haftung der Bw. für die Umsatzsteuerschuld werde daher zurückgewiesen. Sie würde auch dazu führen, dass die Bw. den Umsatzsteuerbetrag der Rechnungen ein zweites Mal bezahlen würde. Darüber hinaus komme die Bw. durch diese Vorgangsweise der Finanzverwaltung in erhebliche finanzielle Bedrängnis, sodass im äußersten Fall eine Amtshaftungsklage nicht ausgeschlossen sei. Dem jungen Unternehmen würden beträchtliche finanzielle Mittel durch diese Haftung zu Unrecht entzogen. Dass die finanziellen Probleme von Herr GM so gravierend seien, wäre für die Bw. erst nach der Bezahlung der Rechnung und damit erst nach dem Eingehen der Leistungsbeziehung ersichtlich gewesen. Auch werde in der Begründung unrichtigerweise vom Gatten gesprochen. Da es sich um eine KEG handle, könne es sich hier wohl nur um den Gatten der Komplementärin handeln. Mit der KEG sei Herr GM nicht verheiratet. Damit würden die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme nach § 27 Abs. 9 UStG 1994 auf gar keinen Fall vorliegen, da beide Tatbestände (vorgefasste Absicht des Ausstellers, oder vorsätzliches Außerstandesetzen und Kenntnis des Unternehmers bei eingehender Leistungsbeziehung) nicht erfüllt seien. Nur wenn beides zutreffen würde, könne es, sofern die belangte Behörde dies beweisen könne, auf Grund des Gesetzestextes des § 27 Abs. 9 UStG 1994 überhaupt zu einer Haftung nach dieser Gesetzesbestimmung kommen. Auch der Hinweis auf das Schreiben vom sei diesbezüglich nicht zielführend. Die Behörde sei bisher jeden Beweis dafür schuldig geblieben.

Mit Schriftsatz vom legte das Finanzamt Braunau Ried Schärding die Berufung dem unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.

Mit Schreiben des unabhängigen Finanzsenates vom wurde festgehalten, dass der Bw. mit den Belegen vom von Herrn GM Beträge iHv. 10.800,00 € bzw. 225.373,94 € jeweils inklusive Umsatzsteuer in Rechnung gestellt worden seien. Es wurde gefragt, wann und in welcher Form diese Beträge beglichen worden seien, ob Herr GM auf eine möglichst rasche Bezahlung gedrängt habe, ob der Bw. bekannt gewesen sei, dass sich Herr GM in einer finanziell prekären Situation befindet, ob Herr GM bei der Bw. Schulden habe und ob er sich mit der vereinbarten Rückzahlung in Verzug befinde.

Mit Schreiben vom wurde seitens der steuerlichen Vertretung der Bw. hierzu Folgendes bekannt gegeben: die Bezahlung der angeführten Rechnungen sei durch Banküberweisungen über ein Treuhandkonto beim Rechtsanwalt Dr. SG, über den die Kreditabwicklung der Bw. in Gründung erfolgt sei, erfolgt. Eine kleine Teilsumme sei mit offenen Forderungen, welche gegenüber Herr GM bestanden hätten, vereinbarungsgemäß gegenverrechnet worden. Herr GM habe nicht auf eine rasche Bezahlung gedrängt. Die Bezahlung sei gemäß den vorhin ausgehandelten Vereinbarungen erfolgt. Es sei bekannt gewesen, dass Herr GM sich zum Zeitpunkt des Kaufabschlusses in einer finanziell zwar angespannten, aber nicht prekären Situation befunden habe. Auf Grund der hohen Zahlungssumme wäre die Bw. der Auffassung, dass damit die finanzielle Situation des Herrn GM gelöst wäre. Im Zeitpunkt der Kaufvertragsverhandlungen hätten keine Schulden bei der Bw. bestanden.

Die Ergänzungsersuchen des unabhängigen Finanzsenates an Herrn GM vom und vom blieben bis dato unbeantwortet.

Mit Schreiben vom ersuchte der unabhängige Finanzsenat die Bw. neuerlich um Ergänzung. Es wurde gefragt, wer im Zeitraum August bis Dezember 2003 die Buchhaltung für die Bw. und für Herrn GM erledigt habe, wer die Belege für die Übergabe an die Steuerberatungskanzlei vorbereitet habe. Es wurde gefragt, ob es im Zeitraum zwischen August und Dezember 2003 Dienstnehmer bzw. Angestellte gegeben hätte, die sowohl für die Bw. als auch für Herrn GM tätig gewesen seien. Wenn ja, mögen deren Tätigkeitsfeld beschrieben werden. Schließlich sollte bekannt gegeben werden, ob die Geschäfte der Bw. und jene des Herrn GM von einem Büro aus geführt worden seien.

Mit Schreiben vom gab die steuerliche Vertretung der Bw. hiezu bekannt, dass sie selbst im Zeitraum August bis Dezember 2003 sowohl für die Bw. als auch für Herrn GM die Buchhaltung auf Grund der zur Verfügung gestellten Unterlagen erledigt habe. Die Belege für die Bw. seien von Frau IM, die Belege für Herrn GM von Herrn GM persönlich für die Übergabe an die Kanzlei vorbereitet worden. Im Zeitraum August bis Dezember 2003 habe es keine Dienstnehmer gegeben, die sowohl für die Bw. als auch für Herrn GM tätig gewesen seien. Die Geschäfte der Bw. und die Geschäfte des Herrn GM seien nicht von einem Büro aus geführt worden. Die jeweiligen Geschäftsadressen wurden angeführt.

Über die Berufung wurde erwogen:

§ 27 Abs. 9 UStG 1994 lautet:

"Der Unternehmer haftet für die Steuer für einen an ihn ausgeführten Umsatz, soweit diese in einer Rechnung iSd § 11 ausgewiesen wurde, der Aussteller der Rechnung entsprechend seiner vorgefassten Absicht die ausgewiesene Steuer nicht entrichtet oder sich vorsätzlich außer Stande gesetzt hat, die ausgewiesene Steuer zu entrichten und der Unternehmer bei Eingehen der Leistungsbeziehung davon Kenntnis hatte. Trifft dies auf mehrere Unternehmer zu, so haften diese als Gesamtschuldner".

Aus den erläuternden Bestimmungen zu dieser gesetzlichen Regelung ergibt sich Folgendes: die Regelung dient der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges speziell in Form von Karussellgeschäften. Dabei werden Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis ausgestellt, um den Rechnungsempfänger den Vorsteuerabzug zu ermöglichen, ohne die ausgewiesene und geschuldete Umsatzsteuer zu entrichten. Die neue Vorschrift soll in diesen Fällen verhindern, dass der Fiskus gezwungen ist, Steuerbeträge auszuzahlen, die er nicht erhalten hat. Die Regelung eröffnet dem Finanzamt die Möglichkeit, jeden Unternehmer zur Haftung heranzuziehen, der in Betrugsfällen in Form von Karussellgeschäften verwickelt ist, von denen er Kenntnis hatte.

Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass Herr GM die vorgefasste Absicht gehabt haben müsste, die ausgewiesene Steuer nicht zu entrichten oder dass er sich vorsätzlich außer Stand gesetzt haben müsste, die ausgewiesene Steuer zu entrichten und das die Bw. bei eingehender Leistungsbeziehung davon Kenntnis gehabt haben muss. Wenngleich die Geschäftsführerin der Bw., Frau IM, die Gattin des Herrn GM ist, so kann dennoch nicht unbedingt angenommen werden, dass sie all seine Pläne und Absichten kennen musste. Dass die finanzielle Lage bei beiden Unternehmen im haftungsgegenständlichen Zeitraum angespannt war, wird nicht bestritten. Aus dem vom Finanzamt im angefochtenen Bescheid zitierten Schreiben vom geht zwar nicht die angespannte finanzielle Situation des Herrn GM hervor, sondern jene der Bw. selbst, zumal nachdrücklich auf Entsprechung des Rückzahlungsantrages vom (€ 13.162,60) gedrängt wird, doch stellt die Bw. mit Schreiben vom eindeutig fest, dass ihr die angespannte finanzielle Situation des GM zum Zeitpunkt des Kaufabschlusses durchaus bewusst gewesen sei. Glaubhaft erscheint jedoch die Aussage der Bw., dass sie der Auffassung gewesen sei, dass die finanzielle Situation des Herrn GM auf Grund der hohen Zahlungssumme gelöst wäre. Es hat sich immerhin um einen Betrag von 236.000,00 € gehandelt. Bei Berücksichtigung der Umsatzsteuerzahllasten des GM im Jahr 2003 (zwischen € 22,83 und € 1.225,66, nur im Monat August die haftungsgegenständlichen € 36.789,55) könnten Einnahmen in Höhe von € 236.000,-- tatsächlich geeignet sein, einen gewissen Sanierungseffekt eintreten zu lassen.

§ 27 Abs. 9 UStG verlangt, dass der Unternehmer bei Eingehen der Leistungsbeziehung davon Kenntnis hatte, dass der Aussteller der Rechnung entsprechend seiner vorgefassten Absicht die ausgewiesene Steuer nicht entrichtet oder sich vorsätzlich außer Stande gesetzt hat, die ausgewiesene Steuer zu entrichten. Um zur Haftung gem. § 27 Abs. 9 UStG herangezogen werden zu können, hätte die Bw. mit Bestimmtheit damit rechnen müssen, dass Herr GM die ausgewiesene Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abführen würde. Es würde nicht ausreichen, würde es die Bw. nur für möglich halten, dass die ausgewiesene Umsatzsteuer von Herrn GM nicht abgeführt werde. Wenngleich nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass die Geschäftsführerin der Bw. annehmen oder ahnen konnte, dass ihr Gatte Herr GM, die ausgewiesene Umsatzsteuer nicht abführen würde, so reicht dies für eine Haftungsinanspruchnahme iSd § 27 Abs. 9 UStG nicht aus. Der Beweis der Wissentlichkeit konnte nach der Aktenlage nicht erbracht werden. Inwieweit Herr GM die vorgefasste Absicht hatte, die ausgewiesene Steuer nicht zu entrichten oder sich vorsätzlich außer Stande gesetzt hat, die ausgewiesene Steuer zu entrichten, bedarf keiner näheren Erörterung, da das zweite zwingend vorgeschriebene Tatbestandselement ("........ der Unternehmer bei eingehender Leistungsbeziehung davon Kenntnis hatte") nicht erfüllt ist, sodass die Haftungsinspruchnahme gemäß § 27 Abs. 9 UStG nicht möglich ist.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz,

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Haftungsinanspruchnahme
vorgefasste Absicht
Kenntnis des Unternehmers
Zitiert/besprochen in
taxlex 2005, 493

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at