Freigrenze beim Säumniszuschlag im Zusammenhang mit Umsatzsteuer (Voranmeldung und Jahresbescheid). Erlässe begründen keine Rechte und Pflichten für den Steuerpflichtigen.
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/0202-S/04-RS1 | Erlässe des Bundesministeriums für Finanzen sind mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt keine für den Unabhängigen Finanzsenat beachtlichen Rechtsquellen. Solche Erlässe begründen keine Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen ().
Das gilt auch für den Erlass über die Abstandnahme von der Festsetzung von Verspätungszuschlägen, Stundungs- und Aussetzungszinsen sowie von Säumniszuschlägen unter 50 Euro vom (AÖF 2002/26). |
RV/0202-S/04-RS2 | Die Freigrenze von 50 Euro (§ 217 Abs. 10 BAO) gilt auch für Säumniszuschläge aufgrund von Umsatzsteuerveranlagungen. Dieser Betrag ist nicht mit der Anzahl der durch diesen Bescheid erfassten Umsatzsteuervoranmeldungszeiträume zu multiplizieren. Er steht aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung pro Umsatzsteuerbescheid nur einmal zu. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der KR, vertreten durch PP (davor durch DrB), vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Land, vertreten durch ADir WA, vom betreffend Säumniszuschlag entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Berufung richtet sich gegen die Vorschreibung eines ersten Säumniszuschlages von € 90,58 mittels eines Bescheides vom . Die Vorschreibung des Säumniszuschlages basiert auf einer Nachzahlung aufgrund des (Jahres)Bescheides über die Umsatzsteuer für das abweichende Wirtschaftsjahr Juli 2001 bis Juni 2002. Dieser Basisbescheid ist mittlerweile rechtskräftig.
Der seinerzeitige steuerliche Vertreter der Berufungswerberin (Bw.) DrB wendete ein, dass die Vorschreibung zu Unrecht erfolgte erfolgt sei, da § 217 Abs. 10 BAO bestimme, dass Säumniszuschläge bis zu einem Betrag von € 50,- nicht festzusetzen seien. Diese Freigrenze sei - vereinfachend - mit der Anzahl der vom Veranlagungszeitraum umfassten Voranmeldungszeiträume (= 12 Monate) zu multiplizieren, woraus sich eine Säumniszuschlagsfreigrenze von € 600,- bzw. eine säumniszuschlagsfreie Bemessungsgrundlage von € 30.000,- errechne.
Das Finanzamt wies die Berufung mittels Berufungsvorentscheidung (BVE) ab und begründete dies mit Aussagen in Erlässen des Bundesministeriums für Finanzen.
Das rügte der steuerliche Vertreter und stellte fest, dass die Abgabenbehörden ihre Entscheidungen nach den gesetzlichen Vorschriften zu treffen haben. Er rügte weiters einen vermeintlichen Widerspruch in der BVE im Hinblick auf die Ermittlung des säumniszuschlagsfreien Betrages.
Über die Berufung wurde erwogen:
Es besteht Einigkeit zwischen den Parteien des Verfahrens, dass die Umsatzsteuer für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 am Fälligkeitstag nicht entrichtet war und dass somit generell die Pflicht zur Entrichtung eines (ersten) Säumniszuschlages eingetreten ist. Auch die Bemessungsgrundlage und die Berechnung des Säumniszuschlages ist unstrittig.
Uneinigkeit besteht ausschließlich darüber, ob eine rechtsverbindliche Regel existiert, die die Vorschreibung dieses Säumniszuschlages verbietet, weil eine Freigrenze nicht überschritten wurde. Die Bw. stützt sich mit ihrer Ansicht auf § 217 Abs. 10 BAO und die Abgabenbehörde erster Instanz zitiert einen Erlass des Bundesministeriums für Finanzen.
Eine gesetzliche Freigrenzenregelung für den Säumniszuschlag existierte ursprünglich in § 221 Abs. 2 BAO. Diese Bestimmung wurde jedoch durch Budgetbegleitgesetz 2001 (BBG 2001, BGBl. I Nr. 142/2000) mit Wirksamkeit ab ersatzlos aufgehoben.
In der Folge wurden die Abgabenbehörden erster Instanz gestützt auf § 206 BAO mittels Erlass vom (veröffentlicht in AÖF 2002/26) angewiesen, die Vorschreibung von Säumniszuschlägen im Einzelfall zu unterlassen, wenn bestimmte Voraussetzungen vorlagen.
Für Säumniszuschläge, die Abgaben betrafen, für die der Abgabenanspruch spätestens am entstand, galt die Anweisung, das Säumniszuschlagsrecht in der Fassung vor der oben erwähnten Aufhebung des § 221 Abs. 2 BAO (ATS 10.000 Grenze) trotz der weggefallenen gesetzlichen Grundlage weiterhin anzuwenden. Für Säumniszuschläge, die Abgaben betrafen, für die der Abgabenanspruch nach dem entstand, wurden die Abgabenbehörden angewiesen, von der Festsetzung Abstand zu nehmen, wenn der Säumniszuschlag im Einzelfall den Betrag von € 50 nicht erreichen würde. Diese Grenze bezog sich bei mit Abgabenbescheid oder mit Haftungsbescheid geltend gemachten Nachforderungen von Selbstbemessungsabgaben auf die Summe der gleichartigen (jeweils mit einem Bescheid geltend gemachten) Abgaben. Dies wurde in einem Beispiel (Beispiel 2) dergestalt untermauert, dass im Falle der Umsatzsteuerfestsetzung für die Monate Februar bis Mai 2002 in einem zusammenfassenden Bescheid die Summe der Nachforderungen und Gutschriften dieser Monate für die Grenze von € 50 relevant ist.
Der zitierte Erlass wurde niemals im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Er stellt deshalb keine beachtliche Rechtsquelle für den nun zur Entscheidung berufenen unabhängigen Finanzsenat dar. Er begründet weder Rechte noch Pflichten von Steuerpflichtigen weshalb auf die nähere Diskussion der darin enthaltenen Anweisungen verzichtet werden kann (siehe etwa und ).
Der vom steuerliche Vertreter zitierte § 217 Abs. 10 BAO wurde erst später durch das Budgetbegleitgesetz 2003 (BGBl. I Nr. 71/2003) in Kraft gesetzt. Die ab gültige verfahrensrechtliche Nichtfestsetzungsregel lautet:
Säumniszuschläge, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Dies gilt für Abgaben, deren Selbstberechnung nach Abgabenvorschriften angeordnet oder gestattet ist, mit der Maßgabe, dass die Summe der Säumniszuschläge für Nachforderungen gleichartiger, jeweils mit einem Abgabenbescheid oder Haftungsbescheid geltend gemachter Abgaben maßgebend ist.
Es wurde damit wiederum eine Freigrenze normiert. Neu gegenüber der Rechtslage des (alten) § 221 Abs. 2 BAO ist dabei zum einen die Grenze von € 50 und zum anderen die Einschränkung, dass dieser Grenzbetrag auch im Falle der Vorschreibung bestimmter Abgaben in einem einzigen Bescheid nicht zu vervielfachen ist (2. Satz).
Diese Einschränkungen sind bei der Berufung auf diese Bestimmung zu beachten. Die Umsatzsteuer ist eine selbst zu berechnende Abgabe (§ 21 Abs. 1 UStG 1994). Der Beurteilungsmaßstab für das Überschreiten der Freigrenze ist in diesem Fall die Summe der Säumniszuschläge für alle Nachforderungen, die in einem Abgabenbescheid vorgeschrieben wurden.
Der Umsatzsteuerjahresbescheid für das oben erwähnte Wirtschaftsjahr umfasst - wie vom steuerlichen Vertreter richtig eingewendet - die Vorschreibung für zwölf Voranmeldungszeiträume. Diese Nachforderungen und Gutschriften wurden aufgrund der Umsatzsteuerjahreserklärung in einem einheitlichen Bescheid in einer Summe vorgeschrieben. Aus diesem Grunde kann dem steuerlichen Vertreter nicht beigepflichtet werden, wenn er der Meinung ist, dass es dadurch zu einer Vervielfachung der Freigrenze kommen kann. Der Gesetzgeber brachte nämlich mit dem zweiten Satz des § 217 Abs. 10 BAO unmissverständlich zum Ausdruck, dass eine solche Multiplikation nicht vorgesehen ist.
Da der auf Basis der Nachforderung an Umsatzsteuer für die Voranmeldungszeiträume Juli 2001 bis Juni 2002 errechnete Säumniszuschlag in Summe die Freigrenze von € 50 übersteigt, kann die Vorschreibung deshalb auch unter Berufung auf die Bestimmung des § 217 Abs. 10 BAO nicht vermieden werden.
Da somit im konkreten Fall für die Unterlassung der Vorschreibung des Säumniszuschlages kein Raum bleibt, war die Berufung als unbegründet abzuweisen.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 217 Abs. 10 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Umsatzsteuer Nachzahlung Verspätung Zahlung Vervielfachung Freigrenze Freibetrag Voranmeldung Gutschrift |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | AStN 2005/18 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at