TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Beschwerdeentscheidung - Strafsachen (Referent), UFSW vom 07.09.2004, FSRV/0026-W/04

Einleitung eines Finanzstrafverfahrens wegen Verdachts der Abgabenhinterziehung auch aus Drogenhandel, Strafverfahren nach § 33 SMG wurde eingestellt, Doppelbestrafung wurde eingewendet, Abgabenhinterziehung und Drogenhandel sind nicht "dieselbe" Tat

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
FSRV/0026-W/04-RS1
Sind die eine Abgabepflicht begründenden Umstände einer Tätigkeit als strafrechtlich verpönt zu qualifizieren, so wird die Anzeige-, Offenlegungs-, Wahrheitspflicht in Bezug auf ein bei dieser Tätigkeit erzieltes Einkommen nicht eingeschränkt. Die Offenlegungspflicht im Sinne des § 119 BAO beschränkt sich nämlich auf abgabenrelevante Umstände. Darüber hinausgehende Informationen (hier: Verdacht des Drogenhandels; die Anzeige wurde unter Bestimmung einer Probezeit vorläufig zurückgelegt und das Strafverfahren eingestellt) sind für die Steuerbemessung irrelevant und werden daher vom Abgabepflichtigen auch nicht verlangt [weshalb auch kein Zwang zur Selbstbeschuldigung besteht].
FSRV/0026-W/04-RS2
Der Verdacht des Drogenhandels kann niemals "dieselbe" Tat sein, die zu einer Verkürzung von Einkommen- oder Umsatzsteuer führt. Einerseits steht der Erwerb, Besitz oder die Einfuhr (als Beispiele) von Drogen bzw. psychotropen Stoffen unter Strafe, andererseits wird die Abgabenhinterziehung unter Verletzung von in Abgabengesetzen näher definierten Pflichten zu bestimmten Terminen geahndet (z.B. die nicht ordnungsgemäße Offenlegung in den Abgabenerklärungen). Die erläuternden Bemerkungen zum § 33 Suchtmittelgesetz führen explizit aus, dass die Tatbestände des Schmuggels oder der Verzollungsumgehung sowie die Abgabenhehlerei in Tateinheit mit strafbaren Handlungen nach dem Suchtgiftgesetz 1951 begangen werden können. Zur Vermeidung der vor allem gesundheitspolitisch, aber auch kriminalpolitisch unerwünschten Nebenwirkungen von Doppelbestrafungen fügte die Suchtgiftgesetz-Novelle 1985 den Strafaufhebungsgrund des § 24a des Suchtgiftgesetz 1951 (nunmehr § 33 SMG) ein. Eine Einleitung wegen Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG ist daher von der Doppelbestrafung nicht erfasst.

Entscheidungstext

Beschwerdeentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates 2, OR Mag. Gerhard Groschedl, in der Finanzstrafsache gegen Herrn R., vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz, Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte, 7100 Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 72, über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Bescheid über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gemäß § 83 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) des Finanzamtes Bruck an der Leitha vom , SN 017/2003/00022-001,

zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom hat das Finanzamt Bruck an der Leitha als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen den Beschwerdeführer (Bf.) zur SN 017/2003/00022-001 ein Finanzstrafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, dass dieser im Bereich des Finanzamtes Bruck an der Leitha vorsätzlich durch unvollständige und unzutreffende Angaben in seinen Abgabenerklärungen für 1999 und 2000 über Art und Höhe der von ihm tatsächlich erzielten Umsätze und Einkünfte aus dem Drogen- und Autohandel, sohin unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht Verkürzungen an Umsatz- und Einkommensteuer 1999 und 2000 in noch festzustellender Höhe bewirkt und hiemit ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen habe. Als Begründung wurde ausgeführt, dass sich die Anschuldigung einerseits auf die bisherigen Erhebungsergebnisse der Beamten der Kriminalabteilung Niederösterreich, des Gendarmeriepostens sowie dem KOAT gründen, denen zufolge der Bf. Hanf angebaut bzw. Kokain gelagert haben soll, andererseits auf die schlüssigen Feststellungen der Prüfungsabteilung Strafsachen Wien über solche dem Bf. zuordenbare Geldaufwendungen für Mieten, Kreditrückzahlungen und diverse privat veranlasste Ausgaben, die in den erklärten Einkünften keine Deckung finden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte, als "Berufung" bezeichnete Beschwerde des Beschuldigten vom , in welcher nach Ausführungen zum gleichzeitig gestellten Ersuchen um Akteneinsicht (dem nachgekommen wurde) zunächst vorgebracht wurde, dass der Bescheid bekämpft werde. Soweit das Strafverfahren in Bezug auf die Abgabenerklärungen für 1999 und 2000 betreffend Umsätze und Einkünfte aus dem Autohandel erfolgte, bleibe der Bescheid unbekämpft (wenn auch insoweit die gegen den Bf. erhobenen Vorwürfe unrichtig und unhaltbar seien).

Die gegen den Bf. in einer anonymen Anzeige (aktenkundig) erhobenen Vorwürfe hätten sich über weite Strecken als haltlos erwiesen, sodass der Bezirksanwalt beim Bezirksgericht die Anzeige unter Bestimmung einer Probezeit vorläufig zurückgelegt habe und das Strafverfahren eingestellt worden sei.

Das Strafverfahren sei also auf eine der im § 33 Suchtmittelgesetz bezeichneten Erledigungsarten beendet worden. Diese Bestimmung besagt: Hat der Täter durch dieselbe Tat eine gerichtlich strafbare Handlung nach den §§ 27, 28,30 oder 31 Suchtmittelgesetz und ein Finanzvergehen begangen, so entfällt mit dem Schuldspruch oder mit der vorläufigen Zurücklegung der Anzeige oder mit der vorläufigen Verfahrenseinstellung nach den §§ 35 und 37 Suchtmittelgesetz die Strafbarkeit wegen des Finanzvergehens. Damit sei die Doppelbestrafung nach dem Suchtmittelgesetz und dem Finanzstrafgesetz beseitigt.

Im Hinblick auf die Beendigung des gerichtlichen Strafverfahrens wegen des Vorwurfes eines Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz stehe somit § 33 Suchtmittelgesetz der Einleitung eines Strafverfahrens wegen des Vorwurfes eines Finanzvergehens entgegen. Aus dem Grunde des § 33 Suchtmittelgesetz sei es ausgeschlossen, den Bf. wegen des Vorwurfes verheimlichter oder verschleierter Umsätze und Einkünfte aus dem Drogenhandel und der dadurch erfolgten Verwirklichung eines Finanzvergehens nach § 33 Abs. 1 FinStrG finanzstrafrechtlich zu verfolgen.

Die Einleitung des Strafverfahrens sei daher (im Bezug auf den Vorwurf des "Drogenhandels" in den Jahren 1999 und 2000) rechtswidrig und beruhe auf unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

Es werde daher beantragt, den Bescheid über die Einleitung des Strafverfahrens ersatzlos aufzuheben, soweit das Finanzstrafverfahren eingeleitet werde, weil der Verdacht bestehe, dass der Bf. im Bereich des Finanzamtes Bruck an der Leitha vorsätzlich durch unvollständige und unzutreffende Angaben in seinen Abgabenerklärungen für 1999 und 2000 über Art und Höhe der von ihm tatsächlich erzielten Umsätze und Einkünfte aus dem Drogenhandel, sohin unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht Verkürzungen an Umsatz- und Einkommensteuer 1999 und 2000 in noch festzustellender Höhe bewirkt und hiemit ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen habe.

Auf eine Ergänzung des Beschwerdevorbringens, die innerhalb einer angemessenen Frist nach Gewährung der Akteneinsicht angekündigt wurde, wurde verzichtet.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Gemäß § 82 Abs. 1 in Verbindung mit § 83 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz, sofern genügend Verdachtsgründe für die Einleitung wegen eines Finanzvergehens gegeben sind, das Finanzstrafverfahren einzuleiten.

Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

§ 33 Suchtmittelgesetz: Hat der Täter durch dieselbe Tat eine gerichtlich strafbare Handlung nach den §§ 27, 28,30 oder 31 Suchtmittelgesetz und ein Finanzvergehen begangen, so entfällt mit dem Schuldspruch oder mit der vorläufigen Zurücklegung der Anzeige oder mit der vorläufigen Verfahrenseinstellung nach den §§ 35 und 37 Suchtmittelgesetz die Strafbarkeit wegen des Finanzvergehens.

Soweit der angefochtene Bescheid bekämpft wird, verweist der Bf. wiederholt auf die oben dargestellte Bestimmung des § 33 Suchtmittelgesetz (SMG) und vermeint, aus dem Grunde des § 33 SMG sei es ausgeschlossen, den Bf. wegen des Vorwurfes verheimlichter oder verschleierter Umsätze und Einkünfte aus dem Drogenhandel und der dadurch erfolgten Verwirklichung eines Finanzvergehens nach § 33 Abs. 1 FinStrG finanzstrafrechtlich zu verfolgen; die diesbezügliche Einleitung des Strafverfahrens sei daher rechtswidrig und beruhe auf unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

Dabei übersieht der Bf., dass § 33 SMG nur dann eine Doppelbestrafung nach dem Suchtmittelgesetz und dem Finanzstrafgesetz ausschließt, wenn der Tatbestand durch dieselbe Tat verwirklicht wird. § 27 Abs. 1 SMG stellt den Erwerb, Besitz, Erzeugung, Einfuhr, Ausfuhr oder Überlassung oder Verschaffung von Suchtgift unter Strafe, § 28 Abs. 1 SMG stellt den Erwerb oder Besitz einer großen Menge Suchtgift mit dem Vorsatz, es in Verkehr zu setzen, unter Strafe. Gleichlautende Strafbestimmungen für psychotrope Stoffe enthalten die §§ 30 und 31 SMG. Der Strafaufhebungsgrund des § 33 SMG zielt auf idealkonkurrierende Finanzvergehen ab, wie sie vor allem der Schmuggel oder die Abgabenhehlerei nach §§ 35 Abs. 1 und 37 Abs. 1 FinStrG darstellen. Der Verdacht des Drogenhandels, der naturgemäß diverse Handlungen über einen Zeitraum von mehreren Monaten betrifft, kann niemals "dieselbe" Tat sein, die zu einer Verkürzung von Einkommen- oder Umsatzsteuer führt. Einerseits steht der Erwerb, Besitz oder die Einfuhr (als Beispiele) von Drogen bzw. psychotropen Stoffen unter Strafe, andererseits wird die Abgabenhinterziehung unter Verletzung von in Abgabengesetzen näher definierten Pflichten zu bestimmten Terminen geahndet (z.B. die nicht ordnungsgemäße Offenlegung in den Abgabenerklärungen). Dass hier keine einheitliche ("dieselbe") Tat vorliegt, ist bei näherer Betrachtung eindeutig. Die erläuternden Bemerkungen zum § 33 SMG führen explizit aus, dass die Tatbestände des Schmuggels oder der Verzollungsumgehung sowie die Abgabenhehlerei in Tateinheit mit strafbaren Handlungen nach dem Suchtgiftgesetz 1951 begangen werden können. Zur Vermeidung der vor allem gesundheitspolitisch, aber auch kriminalpolitisch unerwünschten Nebenwirkungen von Doppelbestrafungen fügte die Suchtgiftgesetz-Novelle 1985 den Strafaufhebungsgrund des § 24a des Suchtgiftgesetz 1951 (nunmehr § 33 SMG) ein. Das Vorbringen, eine Einleitung wegen Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG sei daher jedenfalls ausgeschlossen, kann dem Bf. somit nicht zum Erfolg verhelfen.

Sind die eine Abgabepflicht begründenden Umstände einer Tätigkeit als strafrechtlich verpönt zu qualifizieren, so wird die Anzeige-, Offenlegungs-, Wahrheitspflicht in Bezug auf ein bei dieser Tätigkeit erzieltes Einkommen nicht eingeschränkt. Die Offenlegungspflicht im Sinne des § 119 BAO beschränkt sich nämlich auf abgabenrelevante Umstände. Darüber hinausgehende Informationen (hier: Verdacht des Drogenhandels; die Anzeige wurde unter Bestimmung einer Probezeit vorläufig zurückgelegt und das Strafverfahren eingestellt) sind für die Steuerbemessung irrelevant und werden daher vom Abgabepflichtigen auch nicht verlangt. Das bedeutet, dass der Abgabepflichtige in einem solchen Fall nicht erfolgreich einwenden kann, er habe seiner Offenlegungspflicht im Hinblick auf das Verbot eines Zwanges zur Selbstbeschuldigung nicht nachkommen können.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, wenn gegen den Verdächtigen genügende Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass er als Täter eines Finanzvergehens in Betracht kommt. Ein derartiger Verdacht, der die Finanzstrafbehörde zur Einleitung eines Finanzstrafverfahrens verpflichtet, kann immer nur auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ein Verdacht ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann (vgl. beispielsweise ). Dabei ist nur zu prüfen, ob tatsächlich genügend Verdachtsgründe gegeben sind, nicht darum, schon jetzt die Ergebnisse des förmlichen Untersuchungsverfahrens gleichsam vorwegzunehmen, sondern lediglich darum, ob die bisher der Finanzstrafbehörde bekannt gewordenen Umstände für einen Verdacht ausreichen oder nicht.

Gegenstand des vorliegenden Finanzstrafverfahrens ist der Verdacht einer Abgabenhinterziehung. Woher die nicht erklärten Umsätze und Einkünfte stammen (allenfalls auch aus einem strafrechtlich verpöntem Verhalten, selbst wenn diese Straftat ohne Konsequenzen, ja selbst wenn sie unentdeckt geblieben ist), ist für die Bedeutung der Tat als Finanzvergehen völlig unerheblich. Wenn daher das Strafverfahren wegen Verstoßes nach dem Suchtmittelgesetz - wie oben ausgeführt - eingestellt worden ist, wird dadurch das Interesse der Finanzstrafbehörde an der Tatsache, woher die nicht erklärten Umsätze bzw. Einkünfte des Bf. stammen, nicht eingeschränkt. Dass der Bf. mit Drogen gehandelt haben soll, ist nicht Gegenstand des Finanzstrafverfahrens und wird ihm im diesem Rahmen auch nicht vorgeworfen. Eine Einschränkung - wie in der Beschwerde ausgeführt - kann jedoch nicht erfolgen, da Ermittlungen und Ausführungen, woher die nicht erklärten Umsätze bzw. Einkünfte, die den Verdacht der Abgabenhinterziehung begründen, stammen, ebenso dem Ergebnis des weiteren finanzstrafbehördlichen Untersuchungsverfahrens vorbehalten bleiben wie die Konkretisierung des strafbestimmenden Wertbetrages.

Aus den obigen Ausführungen sowie dem Strafakt lässt sich der Verdacht der Abgabenhinterziehung sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht ableiten. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Einleitung eines Finanzstrafverfahrens
Verdacht der Abgabenhinterziehung
keine Doppelbestrafung nach FinStrG und SMG
Selbstbeschuldigung
Anmerkung
Von Interesse in diesem Zusammenhang auch FSRV/0007-F/02-RS1, wonach einem seine Beute nach Österreich schmuggelnden Einbrecher ein zumutbares Alternativverhalten offengestanden wäre (nämlich sein Diebesgut im Ausland zu belassen) und daher anlässlich der geforderten Gestellung der Waren an der Grenze (und einer damit offenkundig fast zwangsläufig verbundenen Tatentdeckung) ebenfalls nicht von einem Zwang zur Selbstbeschuldigung auszugehen ist.

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at