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Beschwerdeentscheidung - Strafsachen (Referent), UFSI vom 30.07.2004, FSRV/0042-I/02

Straffreiheit einer Selbstanzeige, wenn die Zahlung am Abgabenkonto ohne Verrechnungsweisung erfolgt und auf die ältesten aushaftenden Rückstände verrechnet wird

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
FSRV/0042-I/02-RS1
Wird bei der Entrichtung eines Betrages am Abgabenkonto keine Verrechnungsweisung zu Gunsten der zuvor mit Selbstanzeige bekanntgegebenen Abgabenverkürzungen erteilt und die Zahlung daher nach den Verrechnungsvorschriften des § 214 Abs. 1 BAO auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten verrechnet, kommt der Selbstanzeige strafbefreiende Wirkung nicht zu.

Entscheidungstext

Beschwerdeentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat in der Finanzstrafsache gegen die Bf. wegen Verdachtes der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde der Beschuldigten vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom betreffend Einleitung des Finanzstrafverfahrens (§ 82 Abs. 3 FinStrG) gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG

zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben.

Der bekämpfte Einleitungsbescheid wird insoweit aufgehoben, als darin das Finanzstrafverfahren für die Voranmeldungszeiträume 03/2001 (3.791,41 €) und 01/2002 (380,01 €) eingeleitet wurde.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit dem Bescheid vom leitete das Finanzamt Innsbruck als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen die Bf. ein Finanzstrafverfahren nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG ein, weil der Verdacht bestehe, sie habe vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung an Umsatzsteuer für die Zeiträume 11-12/2000 in der Höhe von 7.603,32 € (104.624,00 S), 02-03/2001 in der Höhe von 5.638,24 € (77.584,00 S) und 05/2001-01/2002 in der Höhe von 14.447,88 € (198.807,00 S), zusammen somit 27.689,44 € (381.015,00 S) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern gewiss gehalten.

Begründend wurde ausgeführt, der Verdacht der Abgabenhinterziehung ergebe sich aus den UVA-Prüfungen vom und vom sowie dem abgeschlossenen Abgabeverfahren. Es sei festgestellt worden, dass die Bf. in den angeführten Voranmeldungszeiträumen Umsatzsteuervoranmeldungen nicht bzw. zu spät eingereicht und keine entsprechenden Zahlungen geleistet habe. Den vor Prüfungsbeginn erstatteten Selbstanzeigen könne mangels Entrichtung der Abgaben strafbefreiende Wirkung nicht zuerkannt werden.

Gegen diesen Bescheid brachte die Bf. in zwei Eingaben vom "Einspruch" bzw. "Berufung" ein. Die Umsatzsteuervoranmeldung für 03/2001 sei am dem Prüfer übergeben, jene für 01/2002 am per Post dem Finanzamt übermittelt worden. Beide seien daher fristgerecht eingebracht worden. Hinsichtlich der am dem Prüfer übergebenen Umsatzsteuervoranmeldungen seien am 1. und 5. März die entsprechenden Zahlungen erfolgt. Ebenfals sei für die am übermittelten Voranmeldungen 05-10/2001 gleichzeitig eine Zahlung erfolgt.

Die verspätete Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen liege in ihrem Verschulden, sie habe diese Pflicht teilweise aus Zeitmangel, teilweise weil es ihr nicht möglich gewesen sei, die Zahlung rechtzeitig zu leisten, vernachlässigt. Sie habe damit aber keine absichtliche Verkürzung der Umsatzsteuer bewirken wollen und auch nicht bewirkt, weil die Voranmeldungen dem Finanzamt lückenlos vorlägen und vierteljährlich mittels Nachschau geprüft würden. Sie ersuche insbesondere für die Zeit ab Juni 2002 um Nachsicht, weil ihr Mann einen schweren Unfall hatte und seither arbeitsunfähig sei. Aus diesem Grund sei sie mit den Büroarbeiten hoffnungslos im Rückstand, weil sie auch die Aufgaben von ihrem Mann übernehmen müsse, um die Firma aufrechtzuerhalten.

Im Strafakt erliegt das in Rechtskraft erwachsene Erkenntnis des beim Finanzamt Innsbruck als Finanzstrafbehörde erster Instanz eingerichteten Spruchsenates vom , in dem die Bf. des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG hinsichtlich der Voranmeldungszeiträume 11/1999-03/2000 und 05-09/2000 für schuldig erkannt wurde.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

1. Umsatzsteuervoranmeldungen 03/2001 und 01/2002

Das Vorbringen der Bf., die angeführten Umsatzsteuervoranmeldungen seien rechtzeitig eingebracht worden, findet in der Aktenlage Bestätigung.

Gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hält.

Gemäß § 21 Abs. 1 1. Satz UStG 1994 hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung beim zuständigen Finanzamt einzureichen.

Die Bf. hat die Umsatzsteuervoranmeldung 03/2001 der Prüferin vor Beginn der UVA-Prüfung über den Zeitraum 11/2000-04/2001 am um 9.15 übergeben (siehe Beiblatt zur Niederschrift über das Ergebnis der UVA-Prüfung vom ). Die für die Einbringung der Voranmeldung 03/2001 nach § 21 Abs. 1 1. Satz UStG 1994 zustehende Frist war im Zeitpunkt ihrer Übergabe an die Prüferin als Organ des Finanzamtes Innbruck zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen und daher rechtzeitig.

Die Umsatzsteuervoranmeldung 01/2002, von der Bf. mit datiert und laut Eingangsstempel am beim Finanzamt Innsbruck eingegangen, ist im Zweifel zu Gunsten der Bf. als fristgerecht eingebracht anzusehen (siehe auch Abfrage der Umsatzsteuerdaten vom , wonach die Voranmeldung 01/2002 am eingebracht wurde).

Da die Bf. in den angeführten Voranmeldungszeiträumen die Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen nicht verletzt hat, war der Beschwerde dahingehend stattzugeben.

2. Umsatzsteuervoranmeldungen 10-12/2001

Gemäß § 29 Abs. 1 FinStrG wird, wer sich eines Finanzvergehens schuldig gemacht hat, insoweit straffrei, als er seine Verfehlung der zuständigen Behörde darlegt (Selbstanzeige).

War mit der Verfehlung eine Abgabenverkürzung oder ein sonstiger Einnahmenausfall verbunden, so tritt die Straffreiheit nur insoweit ein, als der Behörde ohne Verzug die für die Feststellung der Verkürzung oder des Ausfalls bedeutsamen Umstände offengelegt und die sich daraus ergebenden Beträge, die der Anzeiger schuldet, den Abgabenvorschriften entsprechend entrichtet werden (§ 29 Abs. 2 FinStrG).

Richtig ist, dass von der Bf. vor Beginn der UVA-Prüfung über den Zeitraum 10-12/2001 am die Umsatzsteuervoranmeldungen für diese Voranmeldungszeiträume eingereicht wurden (siehe Niederschrift über das Ergebnis der UVA-Prüfung vom ). Die Bf. leistete auch am eine Zahlung auf ihr Abgabenkonto in der Höhe von 1.155,60 €.

Da die Bf. allerdings bei der Einzahlung des Betrages von 1.566,60 € keine Verrechnungsweisung zu Gunsten der verkürzten Abgaben erteilt hat, wurde die Zahlung nach den Verrechnungsvorschriften des § 214 Abs. 1 BAO auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten verrechnet. Eine Entrichtung der in der Selbstanzeige bekanntgegebenen Umsatzsteuer 10-12/2001 ist deshalb nicht erfolgt, weshalb der Selbstanzeige strafbefreiende Wirkung nicht zukommen kann (siehe ).

3. Umsatzsteuervoranmeldungen 05-10/2001

Die Ausführungen der Bf. beziehen sich offensichtlich auf die Umsatzsteuervoranmeldungen 05-09/2001 (Umsatzsteuervoranmeldung 10/2001 siehe oben Punkt 2).

Die Bf. bringt dazu vor, sie habe die angeführten Umsatzsteuervoranmeldungen am übermittelt und gleichzeitig die entsprechende Zahlung geleistet.

Die Voranmeldungen 05-08/2001, datiert mit , und 09/2001, datiert mit , sind am beim Finanzamt eingelangt. Am entrichtete die Bf. am Abgabenkonto einen Betrag in der Höhe von 68.616,00 S. Die Zahlung wurde, da ohne Verrechnungsweisung erteilt, auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten verrechnet. Der Selbstanzeige kommt daher aus den bereits unter Punkt 2 dargelegten Gründen strafbefreiende Wirkung nicht zu.

4. Subjektive Tatseite

Gemäß § 82 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz die ihr gemäß §§ 80 oder 81 zukommenden Verständigungen und Mitteilungen darauf zu prüfen, ob genügende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Das Gleiche gilt, wenn sie in anderer Weise, insbesondere aus eigener Wahrnehmung vom Verdacht eines Finanzvergehens Kenntnis erlangt.

Ergibt die Prüfung gemäß Abs. 1, dass die Durchführung des Strafverfahrens nicht in die Zuständigkeit des Gerichtes fällt, so hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz das Strafverfahren einzuleiten (Abs. 3 leg.cit.).

Die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens erfolgt im Verdachtsbereich. Ein Verdacht kann immer nur auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen. "Verdacht" ist daher mehr als eine bloße Vermutung. Es ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann ( Zl. 89/16/0091).

Der Verdacht muss sich sowohl auf den objektiven als auch auf den subjektiven Tatbestand erstrecken.

Die Bf. bringt zum subjektiven Tatbestand vor, sie habe aus Zeitmangel und teilweise auf Grund ihrer schlechten finanziellen Verhältnisse die Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen vernachlässigt, habe damit aber keine absichtliche Verkürzung der Umsatzsteuer bewirken wollen.

Die Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 FinStrG kann nur wissentlich begangen werden. Der Täter muss den verpönten Erfolg daher nicht nur ernstlich für möglich halten, sondern er muss wissen, dass dieser mit seiner Tathandlung bewirkt wird. Dass er diesen anstrebt, ist nicht erforderlich; es genügt, wenn der Täter weiß, dass mit seiner (auch unbedenklichen) Vorgangsweise der Erfolg untrennbar verbunden ist. Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn der Abgabepflichtige die Tat deshalb begeht, weil ihm die liquiden Mittel zur Entrichtung der Selbstbemessungsabgaben fehlen ().

In diesem Stadium des Verfahrens ist zu untersuchen, ob genügende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens vorliegen. Der Verdacht, die Bf. habe gewusst, dass mit der Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen eine Abgabenverkürzung bewirkt wird, ergibt sich nicht nur aus ihrem Vorbringen in der Beschwerde selbst (Zeit- bzw. Geldmangel), sondern auch aus der Tatsache, dass gegen die Bf. über die dem nunmehrigen Tatzeitraum unmittelbar vorangehenden Voranmeldungszeiträume ebenfalls ein Finanzstrafverfahren nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG durchgeführt wurde, das mit dem Erkenntnis vom abgeschlossen wurde. Im Übrigen wurden bei der Bf. laufend UVA-Prüfungen durchgeführt, zu deren Beginn die Bf. regelmäßig Selbstanzeigen erstattet hat. Der Verdacht hinsichtlich der subjektiven Tatseite ist daher ausreichend begründet.

Zum Tatbestand der Abgabenhinterziehung genügt auch die vorübergehende Erlangung eines Steuervorteils. Verkürzt wird eine Steuereinnahme nicht bloß dann, wenn sie überhaupt nicht eingeht, sondern auch dann, wenn sie, ganz oder teilweise, dem Steuergläubiger nicht in dem Zeitpunkt zukommt, in dem er nach dem betreffenden Steuergesetz darauf Anspruch gehabt hat (). Gerade beim Tatbestand des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG stellt die bloß vorübergehende Erlangung eines Steuervorteils den Regelfall dar. Dass die Voranmeldungen lückenlos vorliegen und überprüft wurden, ändert daher nichts an der bereits eingetretenen Verkürzung.

Die endgültige Beantwortung der Frage, ob die Bf. das ihr zur Last gelegte Finanzvergehen begangen hat, bleibt dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens nach den §§ 114 ff FinStrG vorbehalten.

5. Umsatzsteuervoranmeldungen ab 06/2002

Die Zeit ab Juni 2002 betrifft die verfahrensgegenständlichen Zeiträume 11/2000-02/2001 und 05-12/2001 im Hinblick auf den Zeitpunkt der Deliktsverwirklichung in keiner Weise. Auf die beantragte "Nachsicht" für Fehler dieser Zeiträume braucht daher nicht weiter eingegangen zu werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 164 FinStrG ein weiteres ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen aber das Recht zu, gegen diesen Bescheid binnen sechs Wochen nach dessen Zustellung Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof und/oder beim Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof muss -abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 169 FinStrG wird zugleich dem Amtsbeauftragten das Recht der Erhebung einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingeräumt.

Graz,

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Einleitung des Strafverfahrens
Umsatzsteuervoranmeldung
Verrechnungsweisung
Selbstanzeige
Straffreiheit
Verweise



Zitiert/besprochen in
Pohanka/Schrottmeyer in SWK 26/2014, 1147

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at