Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 15.07.2004, RV/0593-L/03

Keine Unbilligkeit der Einhebung, wenn es infolge Uneinbringlichkeit der Abgaben zu keiner Auswirkung der Abgabeneinhebung auf die Einkommens- und Vermögenslage kommen kann

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des W, vom  gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom zu StNr. 000/0000 betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Das Verfahren zur Einbringung der Abgabenrückstände des Berufungswerbers beim Finanzamt Linz verläuft seit vielen Jahren ohne Erfolg. Seit 1986 wurden immer wieder Lohnpfändungen vorgenommen, die allesamt aufgrund vorrangiger Pfandrechte zu keinem Einbringungserfolg führten. Die letzte Lohnpfändung wurde mit Bescheid vom durchgeführt. Der Abgabenrückstand betrug zu diesem Zeitpunkt € 34.420,24. Die Drittschuldnerin teilte dazu mit, dass die gepfändete Forderung aus dem Arbeitsverhältnis zwar bestehe, jedoch bereits zugunsten vorrangiger Unterhaltsansprüche der Tochter des Berufungswerbers gepfändet worden sei.

In einer Eingabe vom wies der Berufungswerber darauf hin, dass er monatlich brutto € 1.205,47 verdiene. Davon werde aufgrund der Lohnpfändung zugunsten der Unterhaltsansprüche seiner Tochter ein Betrag von € 349,78 zuzüglich Pfändungsspesen in Abzug gebracht. Der monatliche Unterhaltsanspruch wurde mit € 203,68, der Rückstand mit den Unterhaltszahlungen mit € 6.143,76 beziffert. Trotz größter Bemühungen zusätzlich zum derzeitigen Arbeitsplatz eine zweite Anstellung zu finden, sei ihm dies bisher nicht gelungen. Somit müsse er mit einem verbleibenden monatlichen Nettoeinkommen von rund € 500,- sein Auskommen finden. Da er seine finanziellen Angelegenheiten regeln möchte, ihm aber ein Privatkonkurs aufgrund der bestehenden Verbindlichkeiten und des geringen Einkommens nicht möglich sei, ersuche er das Finanzamt, die Forderung in Höhe von € 34.420,24 "auszubuchen". Die Forderung des Finanzamtes bestehe seit vielen Jahren, hätte aufgrund der Einkommenssituation "nie oder zuwenig bedient" werden können, und würde aufgrund der derzeitigen und auch künftigen Situation weiter nur als uneinbringliche Forderung zu Buche stehen. Die "großzügige Streichung" seiner Verbindlichkeiten würde ihm jedoch die Möglichkeit geben, seine Finanzen zu ordnen.

In einem Ergänzungsersuchen vom ersuchte das Finanzamt den Berufungswerber um Mitteilung, ob die Eingabe vom als Nachsichtsansuchen zu werten sei. In diesem Fall mögen alle übrigen Gläubiger bekannt gegeben werden. Weiters möge mitgeteilt werden, ob die übrigen Gläubiger ebenfalls einem Forderungsverzicht zustimmen würden. Entsprechende Unterlagen mögen vorgelegt werden. Der Berufungswerber wurde auch aufgefordert, seine derzeitige Vermögenssituation darzulegen. Sollte mit der Eingabe vom kein Nachsichtsansuchen beabsichtigt sein, möge der Berufungswerber einen entsprechenden Zahlungsplan vorlegen.

Am sprach der Berufungswerber persönlich beim Finanzamt vor. Das Ansuchen vom möge als Nachsichtsansuchen gewertet werden. Der Vorhalt vom werde innerhalb der nächsten Woche beantwortet. Die Schulden würden sich insgesamt auf rund € 40.000,- belaufen. Die Gebietskrankenkasse habe auf eine offene Forderung verzichtet. Eine Kopie dazu werde noch vorgelegt. Mit den anderen Gläubigern sei der Berufungswerber noch in Verhandlungen. Ein diesbezügliches Schreiben folge. Im Übrigen sei er seit letzter Woche arbeitslos, die Höhe des Arbeitslosengeldes könne noch nicht genau beziffert werden.

Mit Schreiben vom teilte die Drittschuldnerin mit, dass der Berufungswerber seit nicht mehr bei ihr beschäftigt sei.

Die vom Berufungswerber angekündigte Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom erfolgte nicht. Auch wurden keinerlei Nachweise für einen allfälligen Forderungsverzicht anderer Gläubiger vorgelegt. Das Finanzamt wies daher mit Bescheid vom das Nachsichtsansuchen ab, und verwies in der Begründung auf die den Berufungswerber im Nachsichtsverfahren treffende qualifizierte Behauptungs- und Beweislast, der er nicht nachgekommen sei. Es fehle dem Berufungswerber offensichtlich auch am Zahlungswillen, da schon seit Jahren keine Zahlungen geleistet worden seien.

In der mit Eingabe vom erhobenen Berufung gegen diesen Bescheid führte der Berufungswerber aus, dass er noch nicht alle Gläubigerdaten ermitteln habe können. Seit beziehe er Arbeitslosengeld. Nach Abzug von € 349,78 (€ 203,68 festgestellter Unterhalt und € 146,10 Rate auf bestehenden Rückstand von € 5.869,36) zuzüglich Spesen stehe ihm ein monatliches Nettoeinkommen von rund € 500,- zur Verfügung. Was seinen mangelnden Zahlungswillen betreffe, wäre er gerne bereit etwas zu zahlen, seine Gehälter würden aber seit Herbst 1986 gepfändet. Mit einem Kollektivlohn von rund € 7,- brutto könne man sicherlich von keinem Menschen mit solchen Verhältnissen mehr erwarten.

In einer Ergänzung vom legte der Berufungswerber zwei Gläubigeraufstellungen vor. In der ersten wurden lediglich die Gläubiger aufgelistet, die ein gerichtliches Exekutionsverfahren betreiben, ohne die Höhe der Forderungen anzugeben. In der zweiten Aufstellung wurden Bankverbindlichkeiten von rund € 25.000,- bei der Sparkasse Spittelwiese in Linz, ein Rückstand von rund € 300,- beim Finanzamt Steyr, und "zur Gänze schon nachgesehene" Verbindlichkeiten bei der O.Ö. Gebietskrankenkasse von rund € 2.000,- aufgelistet. Ein Nachweis für diesen Forderungsverzicht der Gebietskrankenkasse war nicht angeschlossen. Weiters wurde eine Bezugsbestätigung des Arbeitsmarktservice Steyr vorgelegt, wonach dem Berufungswerber ein Tagessatz von € 18,11 (Arbeitslosengeld) zustehe. Schließlich wurden noch Lohnzettel für die Jahre 2000 bis 2002 vorgelegt. Er sei leider immer noch ohne Arbeit, und habe bei der derzeitig steigenden Arbeitslosigkeit auch keine Hoffnung, welche zu finden. Die Abgabenschulden mögen zur Gänze nachgesehen werden, weil nach Anfrage bei einer Schuldnerberatung ihm gesagt worden sei, dass auch ein Privatkonkurs in seiner finanziellen Lage unmöglich wäre.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, liegt eine persönliche Unbilligkeit dann vor, wenn gerade die Einhebung der Abgaben die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet oder die Abstattung mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten (so insbesondere einer Vermögensverschleuderung) verbunden wäre. Die deutlichste Form der persönlichen Unbilligkeit liegt in der Existenzgefährdung. Diese müsste gerade durch die Einhebung der Abgabe verursacht oder entscheidend ("auch") mitverursacht sein. Eine Unbilligkeit ist aber dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation eines Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht an der Existenzgefährdung nichts ändert. Wenn das monatliche Gesamteinkommen des Nachsichtswerbers unter Berücksichtigung der Unterhaltspflichten den geltenden unpfändbaren Freibetrag nicht übersteigt und sohin die Einbringlichkeit des Rückstandes nicht gegeben ist, liegt eine Unbilligkeit der Einhebung im Sinne des § 236 BAO nicht vor, weil es infolge der Uneinbringlichkeit der Abgabenschulden zu keiner Auswirkung der Abgabeneinhebung auf die Einkommens- und Vermögenslage des Nachsichtswerbers kommen kann ().

Die nachsichtsgegenständlichen Abgaben sind seit Jahren uneinbringlich. Der Berufungswerber hat im Nachsichtsansuchen selbst zugestanden, dass aufgrund seiner Einkommenssituation die Abgabenschulden auch künftig beim Finanzamt weiter nur als "uneinbringliche Forderungen zu Buche stehen" würden. Aufgrund der Unterhaltspflichten bzw. der bestehenden Rückstände mit den Unterhaltszahlungen ist auch derzeit eine Einbringlichkeit des Rückstandes nicht gegeben. Seit ist der Berufungswerber arbeitslos, und bezieht laut Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung seit Arbeitslosengeld bzw. seit Notstandshilfe. Da es infolge der Uneinbringlichkeit der Abgabenschulden zu keiner Auswirkung der Abgabeneinhebung auf die Einkommens- und Vermögenslage des Nachsichtswerbers kommen kann, liegt keine Unbilligkeit der Einhebung im Sinne des § 236 BAO vor.

Die Einhebung der vollen Abgabenschuldigkeiten könnte nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch dann unbillig sein, wenn im Rahmen eines allgemeinen, quotenmäßigen Forderungsverzichtes ein Verzicht auf die Abgabenforderungen zur Sanierung der wirtschaftlichen Lage des Nachsichtswerbers mit beitragen kann (). Im Nachsichtsverfahren trifft den Abgabepflichtigen eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Das Schwergewicht der Behauptungs- und Beweislast liegt beim Nachsichtswerber (vgl. Ritz, BAO², § 236 Tz 4 mit Judikaturnachweisen). Der Berufungswerber wurde vom Finanzamt wiederholt aufgefordert, allfällige Forderungsnachlässe der übrigen Gläubiger zu belegen. Dieser Aufforderung kam der Berufungswerber jedoch nicht nach.

Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die im § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Da im gegenständlichen Fall keine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung vorlag, blieb für eine Ermessensentscheidung kein Raum.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Uneinbringlichkeit
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at