zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 27.05.2004, RV/2186-L/02

Richtlinienwidrigkeit der Eigenverbrauchsbesteuerung aus Bewirtungskosten

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Leitner & Leitner GmbH & CoKEG, gegen den Bescheid des Finanzamtes Grieskirchen Wels betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2000 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe betragen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2000
ÖS
Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Lieferungen, sonstigen Leistungen und Eigenverbrauch (einschließlich steuerpflichtiger Anzahlungen)
192,852.841,56
Summe Umsatzsteuer
19,976.643,83
Summe Erwerbsteuer
9,664.521,31
Gesamtbetrag der Vorsteuern (ohne nachstehende Vorsteuern)
24,833.064,57
Einfuhrumsatzsteuer
3,141.697,00
Vorsteuern aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb
9,664.521,31


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Gutschrift (gerundet)
in ÖS: 7,998.118,00
in Euro: 581.245,90

Die Berechung der Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind den als Anlage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen, die einen Bestandteil dieses Bescheidspruchs bilden.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Die berufungswerbende Gesellschaft ist auf dem Gebiet der Nahrungsmittelerzeugung tätig.

In der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2000 wurde ein Gesamtbetrag an Vorsteuern (KZ. 060) in der Höhe von 24,745.557,31 S zum Abzug gebracht. In einer Beilage zu dieser Erklärung wird die Rechtsansicht vertreten, dass die nach dem EU-Beitritt eingeführte mittelbare 50 prozentige Einschränkung des Vorsteuerabzuges bei Bewirtungskosten (unter Verweis auf das  Ampafrance SA, C-177/99) europarechtlich bedenklich sei. Deshalb sei ein zusätzlicher Vorsteuerabzug in Höhe von 20.349,99 S vorgenommen worden.

Die Veranlagung der Umsatzsteuer für das Jahr 2000 erfolgte mit Bescheid vom erklärungsgemäß.

Dieser Bescheid wurde von der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich gemäß § 299 Abs. 2 BAO in Ausübung ihres Aufsichtsrechtes aufgehoben (Aufhebungsbescheid vom ). Als Begründung wird angeführt, dass die grundsätzlich vorsteuerabzugsberechtigte berufungswerbende Gesellschaft von einem anderen Unternehmer ein Fahrzeug der Type "VW Sharan" erworben und keine diesbezügliche Vorsteuer abgezogen hätte. Nach Ansicht des ) stehe jedoch für ein derartiges Kraftfahrzeug der Vorsteuerabzug zu. Der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2000 erweise sich daher als inhaltlich rechtswidrig.

Dieser Rechtsansicht wurde im Umsatzsteuerbescheid 2000 vom gefolgt. Darüber hinaus wurde aber der Abzug von Vorsteuern aus Bewirtungsaufwendungen mit der Begründung versagt, dass Bewirtungsspesen grundsätzlich zu den Repräsentationskosten gehören und die daraus resultierenden Vorsteuerbeträge daher nicht abzugsfähig seien. Erfolge die Bewirtung allerdings nachweislich aus Gründen der Werbung oder der Geschäftsanbahnung, könnten sie zur Hälfte berücksichtigt werden. Die geltend gemachten Aufwendungen für Bewirtungen, Repräsentationen und dergleichen seien gemäß § 20 EStG 1988 nicht abzugsfähig.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom Berufung erhoben und vorgebracht, dass die nach dem EU-Beitritt Österreichs (mittelbar) eingeführte Kürzung des Vorsteuerabzuges für ertragsteuerlich nur zu 50 Prozent abzugsfähige Bewirtungskosten von Geschäftspartnern gegen Art. 17 Abs. 6 der 6. EG. Richtlinie verstoße. Danach können die Mitgliedstaaten alle Vorsteuerausschlüsse beibehalten, die zum EU-Beitritt bereits Bestand hatten. Nachträgliche Vorsteuerausschlüsse könnten jedoch nur nach vorhergehender Konsultation des MWSt-Ausschusses eingeführt werden. Mangels einer gesonderten Ausnahmegenehmigung des EU-Rates sei diese Kürzung daher nicht EU-rechtskonform.

Die Berufung wurde am der Abgabenbehörde zweiter Instanz - ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung - zur Entscheidung vorgelegt.

Im Ergänzungsauftrag vom wird darauf hingewiesen, dass eine Abzugsfähigkeit der Vorsteuern von Aufwendungen anlässlich der Bewirtung von Geschäftsfreunden nur in jenen Fällen zulässig sei, bei denen die Bewirtung der Werbung dient und die betriebliche oder berufliche Veranlassung weitaus überwiegt. Zur Überprüfung dieser Erfordernisse werde die Gesellschaft daher ersucht, Kopien der Sachkonten "Bewirtung/Repräsentation" sowie von den fünf größten Buchungen die Belege zu übermitteln.

Dem Antwortschreiben vom sind Abschriften des Sachkontos "Bewirtung - Geschäftsessen" sowie Kopien von fünf Rechnungen beigelegt. Diese Belege betreffen Nächtigungskosten und Bewirtungsaufwendungen von namentlich genannten ausländischen und inländischen Kunden.

Über die Berufung wurde erwogen:

Die Berufung richtet sich gegen die Kürzung der Vorsteuer von Bewirtungsspesen in der Höhe von 1.478,89,- € (20.349,99 S). Die im Zuge des Ermittlungsverfahrens durchgeführte stichenprobenweise Überprüfung der Belege sowie des maßgeblichen Sachkontos ergaben keinen Hinweis darüber, dass der Werbecharakter bzw. die weitaus überwiegende betriebliche oder berufliche Veranlassung in Frage zu stellen wäre.

Strittig ist nun die Rechtsfrage, ob die durch die Änderung des § 20 Abs. 1 Z. 3 EStG 1988 (BGBl. 1995/297, ab ) eingeführte Nichtabzugsfähigkeit der Hälfte der Bewirtungsaufwendungen oder -ausgaben zu einer Versteuerung eines Aufwandseigenverbrauchs in dieser Höhe führt und damit im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht steht.

Die für die Entscheidung maßgeblichen nationalen Bestimmungen sind folgende:

  • § 12 Abs. 2 Z. 2 lit. a UStG 1994 normiert, dass Lieferungen, sonstige Leistungen oder Einfuhren, deren Entgelte überwiegend keine abzugsfähigen Ausgaben (Aufwendungen) im Sinne des § 20 Abs. 1 Z. 1 bis 5 EStG 1988 oder der §§ 8 Abs. 2 und 12 Abs. 1 Z. 1 bis 5 KStG 1988 sind, als nicht für das Unternehmen ausgeführt gelten.

  • Entsprechend des Norminhaltes des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. c UStG 1994 unterliegt der Umsatzsteuer der Eigenverbrauch im Inland, welcher dann vorliegt, soweit ein Unternehmer Ausgaben (Aufwendungen) tätigt, die Leistungen betreffen, die Zwecken des Unternehmens dienen, und nach § 20 Abs. 1 Z. 1 bis 5 EStG 1988 oder nach § 12 Abs. 1 Z. 1 bis 5 KStG 1988 nicht abzugsfähig sind.

  • Nach § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988 dürfen bei den Einkünften die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge nicht abgezogen werden.

  • § 20 Abs. 1 Z. 3 EStG 1988 unterbindet die Abzugsfähigkeit von Repräsentationsaufwendungen oder Repräsentationsausgaben. "Darunter fallen auch Aufwendungen oder Ausgaben anlässlich der Bewirtung von Geschäftsfreunden. Weist der Steuerpflichtige nach, dass die Bewirtung der Werbung dient und die betriebliche oder berufliche Veranlassung weitaus überwiegt, können derartige Aufwendungen oder Ausgaben zur Hälfte abgezogen werden." Diese Einschränkung der ertragsteuerlichen Abzugsfähigkeit von Bewirtungskosten trat mit (Strukturanpassungsgesetz, BGBl. 1995/297) in Kraft. Dem Gesetzgeber erschien eine pauschale Berücksichtigung der gegebenen Repräsentationskomponente in Höhe der Hälfte der entsprechenden Aufwendungen sachgerecht, selbst wenn die Bewirtung von Geschäftsfreunden der Werbung dient und die betriebliche oder berufliche Veranlassung bei weitem überwiegt (siehe 134 BlgNR 19. GP, Erläuterungen). Die Berücksichtigung der auf den bewirtenden Unternehmer entfallenden Kosten stand somit nicht im Vordergrund der gesetzgeberischen Absicht.

Das Umsatzsteuergesetz erfuhr durch das Strukturanpassungsgesetz grundsätzlich keine Änderung. Umsatzsteuerliche Auswirkungen ergeben sich hingegen durch die ertragsteuerliche Einschränkung der Bewirtungskosten. Fallen daher Aufwendungen anlässlich der Bewirtung von Geschäftsfreunden iSd. § 20 EStG 1988 an, die ertragsteuerlich nur zur Hälfte abzugsfähig sind, wäre an sich der Vorsteuerabzug zur Gänze zulässig, da keine überwiegend nicht abzugsfähigen Aufwendungen vorliegen. Allerdings würde hinsichtlich des nichtabzugsfähigen Aufwandsanteiles der Eigenverbrauchstatbestand des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. c UStG 1994 verwirklicht werden.

Die Finanzverwaltung (siehe Rz. 2926 der Umsatzsteuerrichtlinien) lässt jedoch aus Vereinfachungsgründen anstelle des vollen Vorsteuerabzuges mit nachfolgender Eigenverbrauchsbesteuerung eine sofortige Aufteilung der Vorsteuern zu.

Hinsichtlich des Gemeinschaftsrechts sind folgende Bestimmungen der sechsten. Mehrwertsteuerrichtlinie von Relevanz:

  • Art. 5 Abs. 6 normiert, dass die Entnahme eines Gegenstandes aus dem Unternehmen für private oder unternehmensfremde Zwecke einer Lieferung gleichgestellt ist, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Umsatzsteuer berechtigt hat.

  • Art. 6 Abs. 2 lit. a stellt der Dienstleistung die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes für unternehmensfremde Zwecke gleich, sofern dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat. Nach lit. b dieser Bestimmung ist der Dienstleistung die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen für unternehmensfremde Zwecke gleichgestellt. Die Mitgliedsstaaten können Abweichungen von diesen Bestimmungen vorsehen, soferne solche Abweichungen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen.

  • Nach Art. 17 Abs. 2 ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer die für Vorleistungen geschuldete Mehrwertsteuer abzuziehen, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden.

  • Gemäß Art. 17 Abs. 6 legt der Rat fest, bei welchen Ausgaben die Vorsteuern nicht abzugsfähig sind. Auf jeden Fall werden diejenigen Ausgaben vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie etwa Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügen und Repräsentationsaufwendungen. Bis zum Inkrafttreten dieser Bestimmung können die Mitgliedsstaaten alle Ausschlüsse beibehalten, die bei Inkrafttreten dieser Richtlinie auf bestehenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften beruhen.

Da zur gegenständlichen Fragestellung keine Konsultationen nach Art. 17 Abs. 7 iVm. Art. 29 oder Befassungen der Kommission iSd. Art. 27 bekannt sind, unterbleibt die Darstellung dieser Bestimmungen.

Folgende Aussagen des EuGH sind für die Beurteilung der gegenständlichen Rechtsfrage von Bedeutung (sinngemäße Wiedergabe): Verbundene Rechtssachen "Ampafrance" Rs C-177/99 und "Sanofi" Rs C-181/99 vom :

  • Rz 34: Aus Art. 2 der ersten und Art. 2 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie ergibt sich der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer in der Unternehmerkette. Das in Art. 17 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie geregelte Recht auf Vorsteuerabzug ist integrierender Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer und kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Denn eine Einschränkung des Vorsteuerabzuges würde sich auf die steuerliche Belastung auswirken und muss in allen Mitgliedsstaaten gleich wirken. Ausnahmen sind daher nur in den in der Richtlinie ausdrücklich genannten Fällen zulässig. Dazu zählen aufgrund des Art. 17 Abs. 6 iVm. Art. 27 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie auch alle Vorsteuerausschlüsse, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie in einem Mitgliedsstaat galten.

  • Rz 57 und 58: Die von Frankreich eingeführten Normen erlauben den Vorsteuerabzug selbst für Aufwendungen zu verwehren, deren streng geschäftlichen Charakter der Unternehmer nachweisen kann. Dadurch werden bestimmte Formen von Vorleistungen der Mehrwertsteuer unterworfen, was gegen den Grundsatz des Rechts auf Vorsteuerabzug verstößt, der die Neutralität der Mehrwertsteuer gewährleistet.

  • Rz 62: Vorsteuerausschlüsse (gilt nach dem Wortlaut der Entscheidung auch für "pauschale Beschränkungen des Vorsteuerabzuges") verstoßen gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn der Steuerpflichtige keine Möglichkeit hat, nachzuweisen, dass keine Steuerhinterziehung oder -umgehung vorliegt und dadurch die Grundsätze und Ziele der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie übermäßig beeinträchtigt werden.

Rechtssache "Metropol" Rs C-409/99 vom :

  • Rz 42: Das in Art. 17 f der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie geregelte Recht auf Vorsteuerabzug ist integrierender Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer und kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Eine Einschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug wirkt sich auf die Höhe der steuerlichen Belastung aus und muss in allen Mitgliedsstaaten in gleicher Weise gelten. Ausnahmen sind daher nur in den von der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig.

  • Rz 46: Eine nationale Regelung ist unzulässig, wenn sie nach dem Inkrafttreten der Mehrwertsteuerrichtlinie die bestehenden Ausschlusstatbestände erweitert.

  • Rz 48: Durch die in Art. 17 Abs. 6 normierte "stand-still"-Klausel sollten die Mitgliedsstaaten ermächtigt werden, bis zum Erlass einer gemeinschaftlichen Regelung, alle nationalen Regelungen zum Vorsteuerausschluss beizubehalten, "die ihre Behörden zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie tatsächlich anwandten".

  • Rz 49: Angesichts dieses besonderen Zweckes umfasst der Begriff "innerstaatliche Rechtsvorschrift" iSd Art. 17 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie nicht nur Rechtssetzungsakte im eigentlichen Sinn, sondern auch die Verwaltungsakte und Verwaltungspraktiken der Behörden der betroffenen Mitgliedsstaaten.

Rechtssache "Cookies World" Rs C-155/01 vom :

Neben den Aussagen zur Unzulässigkeit einer Doppelbesteuerung eines wirtschaftlichen Vorganges enthält die Entscheidung noch weitere prinzipielle Aussagen, die für die gegenständlichen Fragestellungen von Bedeutung sind.

  • Rz 58 und 59: Art. 6 Abs. 2 Unterabsatz 2 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie ermöglicht den Mitgliedsstaaten als eng auszulegende Ausnahmebestimmung lediglich, von der Behandlung bestimmter Leistungen und Verwendungen als steuerbare Leistungen abzusehen. Art. 6 der 6. Richtlinie ermöglicht den Mitgliedsstaaten aber nicht, in Art. 6 Abs. 2 lit. a und lit. b nicht genannte Steuertatbestände einzuführen.

  • Rz 61 f: Die Einführung eines neuen Steuertatbestandes mit dem Ziel einen Vorsteuerausschluss, wie er bis zum Beitritt Österreichs galt, zumindest mittelbar aufrecht zu erhalten, kann nicht auf Art. 17 Abs. 6 und 7 gestützt werden.

  • Rz 64 f: Selbst wenn Art. 17 Abs. 6 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie unter den Umständen des Ausgangsverfahrens grundsätzlich anwendbar wäre, hätte Österreich richtlinienwidrig die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z 2 lit. d UStG 1994 erst nach dem Beitritt Österreichs am eingeführt und somit erst nach dem Inkrafttreten der 6. Richtlinie in Österreich die bestehenden Ausschlusstatbestände erweitert und sich damit vom Ziel der Richtlinie entfernt.

Auf der Grundlage dieser Bestimmungen und hiezu ergangenen Ausführungen des EuGH ist zunächst einmal festzuhalten, dass der Aufwandstatbestand des § 1 Abs. 1 Z 2 lit. c jedenfalls dann richtlinienwidrig ist, wenn darin ein eigener Besteuerungstatbestand erblickt wird, da die 6. Mehrwertsteuerrichtlinie keinen derartigen Tatbestand vorsieht. So entschied auch der BFH am , V R 74/96 (Ur 1998, 464 f), dass die 6. Mehrwertsteuerrichtlinie keine dem Aufwandseigenverbrauch vergleichbare Bestimmung enthält und den Mitgliedsstaaten es grundsätzlich verwehrt sei, über die im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Steuertatbestände hinaus weitere Vorgänge der Umsatzsteuer zu unterwerfen.

Nach der EuGH-Entscheidung "Cookies World" könnte aber unter bestimmten Umständen des Ausgangsverfahrens im Aufwandstatbestand doch eine auf Art. 17 Abs. 6 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie beruhende und den Vorsteuerausschluss ergänzende Bestimmung gesehen werden. Beide Bestimmungen dienen der Gleichstellung des Unternehmers mit dem Endverbraucher. Sowohl der Ausschluss vom Vorsteuerabzug als auch der Eigenverbrauch im Zusammenhang mit den Bewirtungen führen zu einer steuerlichen Belastung des Unternehmers und somit zu einer Durchbrechung des Neutralitätsgrundsatzes, finden aber wohl darin seine Berechtigung, dass der Unternehmer nicht besser gestellt werden darf als der Letztverbraucher. Insofern bezwecken beide Bestimmungen das gleiche Ziel und führen im Ergebnis dazu, dass die Steuerverwaltung jenen Betrag erhebt, der auf den Letztverbrauch entfällt.

Die Ansicht, dass der Aufwandseigenverbrauch als Vorsteuerkorrekturtatbestand zu sehen ist, findet sich auch in der Literatur (Lohse/Peltner, 6. Mehrwertsteuerrichtlinie und Rechtsprechung des EuGH, bei Art. 17, S 6; Ruppe, UStG 1994, Tz 307 zu § 1; Kolacny-Mayer, Umsatzsteuergesetz 1994, Anmerkung 37 zu § 1).

Folgt man der Sichtweise, dass der Aufwandstatbestand des § 1 Abs. 1 Z 2 lit. c UStG 1994 als Tatbestand der Vorsteuerkorrektur auf Art. 17 Abs. 6 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie beruht, ist allerdings nach der genannten Bestimmung und insbesondere nach dem EuGH-Erkenntnis Metropol zu prüfen, ob die österreichischen Finanzbehörden zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie () die Eigenverbrauchsbesteuerung im Zusammenhang mit den Bewirtungskosten tatsächlich anwandten. Nach dieser Entscheidung umfasst der Begriff innerstaatliche Rechtsvorschriften iSd Art. 17 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie eben nicht nur Rechtssetzungsakte im eigentlichen Sinn, sondern auch die Verwaltungsakte und Verwaltungspraktiken der Behörden der betroffenen Mitgliedsstaaten.

Nach der Verwaltungspraxis in Österreich wurden aber bei grundsätzlicher Anerkennung der Bewirtungskosten als unternehmerischer Werbeaufwand weder die Vorsteuer gekürzt noch ein Eigenverbrauch besteuert. Diesbezüglich gab es auch zumindest für den Bereich der Ertragsteuern eindeutige Aussagen des Bundesministeriums für Finanzen (, SWK 1996, A 303; , Ecolex 1996, 125). Nach diesen Ausführungen zählen Aufwendungen anlässlich der Geschäftsfreundebewirtung inklusive jener Kosten, die auf den bewirtenden Unternehmer bzw. auf dessen Angestellte entfallen zu den Aufwendungen anlässlich der Geschäftsfreundebewirtung. Es hat demnach auch keine Aufteilung der Kosten zu erfolgen.

Da das Umsatzsteuergesetz in den einschlägigen Bestimmungen auf das Abzugsverbot des Einkommensteuergesetzes verweist, müssen diese Ausführungen wohl auch für den Bereich des Umsatzsteuergesetzes Bedeutung haben.

Die Einführung der umsatzsteuerlichen Belastung durch die Änderung des § 20 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 durch das Bundesgesetzblatt Nr. 297/1995 kann somit weder auf Art. 6 noch auf Art. 17 Abs. 6 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie gestützt werden.

Ergänzend hiezu wird festgehalten, dass nach Rz 62 der EuGH-Entscheidung Ampafrance und Sanofi grundsätzlich eine pauschale Beschränkung des Vorsteuerabzugs gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen kann, wenn dem Steuerpflichtigen keine Möglichkeit eingeräumt wird, nachzuweisen, dass eine Steuerhinterziehung oder -umgehung vorliegt.

Nach Ansicht des unabhängigen Finanzsenates besteht auch keine Möglichkeit - unabhängig von der Änderung des § 20 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 per - eine Besteuerung des tatsächlich auf den Unternehmer entfallenden Kostenteils vorzunehmen.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des Einkommensteuergesetzes fallen alle Aufwendungen, die anlässlich der Bewirtung von Geschäftsfreunden anfallen, grundsätzlich unter die Repräsentationsaufwendungen ("darunter fallen auch ..."). Dies können nur solche Aufwendungen sein, die grundsätzlich für das Unternehmen ausgeführt werden, aber aufgrund ihrer repräsentativen Mitveranlassung durch die gesetzliche Fiktion des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a nicht als für das Unternehmen ausgeführt gelten, soferne der Unternehmer nicht den Werbecharakter und die unternehmerische Veranlassung nachweist. Würden derartige Kosten nicht für das Unternehmen anfallen, wäre der Vorsteuerabzug aus diesen Kosten schon nach § 12 Abs. 1 Z 1 UStG ausgeschlossen.

Weist der Unternehmer den Werbecharakter und die unternehmerische Veranlassung nach, gehören alle Aufwendungen anlässlich der Bewirtung von Geschäftsfreunden zu den für das Unternehmen erfolgten Repräsentationsaufwendungen und eben nicht zu den für den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgewendeten Betrag. Alle Kosten, die anlässlich der Bewirtung eines Geschäftsfreundes anfallen, sind eben nach der Spezialbestimmung des § 20 Abs. 1 Z 3 zu beurteilen und nicht nach § 20 Abs. 1 Z 1 EStG.

Überdies gilt auch in diesem Zusammenhang, dass nach der Verwaltungspraxis zum Beitrittszeitpunkt bei Nachweis der Voraussetzungen für die Anerkennung des Bewirtungsaufwandes ein 100 %iger Vorsteuerabzug gewährt wurde.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die durch das Strukturanpassungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 297/1995 sich ergebende Besteuerung eines Eigenverbrauchs iHv. 50 % jener Kosten der Bewirtung, die der Werbung dienen und bei denen die betriebliche oder berufliche Veranlassung bei weitem überwiegt, richtlinienwidrig ist, da sie weder auf einen in der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Besteuerungstatbestand noch auf (im Sinn der Rechtsprechung des EuGH) innerstaatlichen Rechtsvorschriften beruht, die zum Zeitpunkt des Beitritts Österreichs zur EU bestanden haben und auch angewendet wurden.

Aus diesen Gründen ist die Abzugsfähigkeit der mit Bewirtungskosten zusammenhängenden Vorsteuern anzuerkennen.

Insgesamt war spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage : 2 Berechnungsblätter

Linz,

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 1 Abs. 1 Z 2 lit. c UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 20 Abs. 1 Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 5 Abs. 6 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie, RL 77/388/EWG, ABl. Nr. L 145 vom S. 1
Art. 6 Abs. 2 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie, RL 77/388/EWG, ABl. Nr. L 145 vom S. 1
Art. 17 Abs. 2 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie, RL 77/388/EWG, ABl. Nr. L 145 vom S. 1
Art. 17 Abs. 6 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie, RL 77/388/EWG, ABl. Nr. L 145 vom S. 1
Schlagworte
Eigenverbrauch
Vorsteuerausschluss
Bewirtung von Geschäftsfreunden

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at