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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 27.05.2004, RV/0242-I/03

Abbruch eines noch verwendbaren Gebäudes

Beachte

VwGH-Beschwerde zur Zl. 2004/14/0072 eingebracht. Einstellung des Verfahrens mit Beschluss vom .


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/0242-I/03-RS1
Wird ein technisch und wirtschaftlich noch verwendbares Gebäude abgerissen, um einen den Erfordernissen besser entsprechenden Neubau zu errichten, stellen der Restbuchwert sowie die Abbruchkosten des Altgebäudes Herstellungskosten des neuen Gebäudes dar (sog "Opfertheorie"). Den Nachweis für eine außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung des Altgebäudes hat der Abgabepflichtige zu erbringen.

Entscheidungstext

BerufungsentscheidungDer unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Marsoner + Partner GmbH, gegen den Bescheid des Finanzamtes X betreffend Körperschaftsteuer für das Jahr 2000 entschieden: Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Die Bw. betreibt unter anderem das Restaurant Y. und ermittelt den Gewinn gemäß § 5 Abs. 1 EStG 1988. Im Zuge einer im Jahr 2002 durchgeführten, den Zeitraum 1999 bis 2001 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung hat die Prüferin unter anderem folgende Feststellung getroffen (Tz 17 des Betriebsprüfungsberichtes Nr. xyz vom ):

"Die Y. (Restaurant) direkt bei der Talstation Z. wurde zum errichtet (AK 1.130.429 S) und per erfolgte eine weitere Investition (457.481 S). Im Laufe der Zeit sind die Räumlichkeiten dieser Skihütte zu klein geworden und sie wurde komplett abgetragen und eine neue, größere und bessere Skihütte wurde errichtet. Die alte Y. war aufgrund ihrer kurzen Nutzungsdauer durchaus funktionsfähig. Buchhalterisch wurde eine außerplanmäßige Abschreibung in Höhe von 726.668 S durchgeführt."

Die Prüferin vertrat in der Folge unter Berufung auf die "Opfertheorie" die Auffassung, dass eine außergewöhnliche Abschreibung nicht zulässig sei; der Restbuchwert des Altgebäudes sei vielmehr den Anschaffungskosten des Neubaues zuzurechnen. Das Finanzamt folgte dieser Ansicht und erließ im wiederaufgenommenen Verfahren einen neuen Körperschaftsteuerbescheid 2000.

Gegen diesen Bescheid erhob die Abgabepflichtige fristgerecht Berufung mit der Begründung, dass der im Bereich der Talstation befindliche Gastronomiebetrieb Y. aus nachfolgenden Gründen den Anforderungen nicht habe gerecht werden können und daher abgebrochen bzw. in der Folge durch einen funktionellen und zu Marktbedingungen hergestellten Neubau ersetzt worden sei: 1. Beschränktes Platzangebot im Servicebereich bestehend aus einem Raum mit 30-40 Sitzplätzen. 2. Stark reduziertes Speisenangebot, da Produktions-bzw. Ausgabebereich völlig ungenügend. 3. Ungenügender Sanitärbereich, nur von außen erreichbar. 4. Verkehrsflächen ungenügend. 5. Im Eingangsbereich fehlende Wärmeisolierung mangels Vorraum. Aus den dargelegten Gründen sei der Abbruch des wirtschaftlich untragbaren Gebäudes notwendig gewesen.

§ 5 Abs. 1 EStG 1988 verweise eindeutig auf die handelsrechtlichen GOB, die weit mehr als das Erfordernis der Teilwertabschreibung und der Rückstellungsbildung beinhalten würden. Durch diese Gesetzessystematik würden die GOB in § 4 Abs. 2 und § 5 Abs. 1 EStG 1988 den einzelnen weiteren Regelungen vorangestellt, was für deren grundsätzliche Bedeutung spreche. Der Prozess der Gesetzwerdung von EStG 1988 und RLG sowie GesRÄG 1996 spreche ebenfalls für einen umfassenden Anwendungsbereich und damit, soweit nicht zwingende steuerliche Vorschriften anzuwenden seien, für eine weitestgehende Gleichstellung der handels- und steuerrechtlichen Bewertungsbestimmungen. Doralt (EStG 1988, § 4 Tz 136 ff) sehe somit zu Recht das Maßgeblichkeitsprinzip des § 5 Abs. 1 EStG als umfassend. Gem. § 203 Abs. 3 HGB seien Herstellungskosten jene Aufwendungen, die für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Bei der Berechnung der Herstellungskosten dürfen neben den Einzelkosten auch angemessene Teile der Materialgemeinkosten und der Fertigungskosten eingerechnet werden. Damit sei die inhaltliche Verbindung zu § 6 z. 2 a EStG 1988 gegeben. Weiters sei nach den GOB das Prinzip der Einzelbewertung festgelegt und der § 201 Abs. 2 Z. 3 HGB bestimme, dass Vermögensgegenstände und Schulden einzeln zu bewerten seien. Des Weiteren müsse bei der umfangmäßigen Beschreibung der Herstellungskosten die gesetzliche Regelung beachtet werden, dass ausdrücklich ein konkreter Zusammenhang mit der Herstellung eines Vermögensgegenstandes gefordert werde. Daraus sei in Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Einzelbewertung der Gedanke des Gesetzgebers ersichtlich, dass nur jene Kosten angesetzt werden dürften, die im Zusammenhang mit der Herstellung des einzelnen Vermögensgegenstandes stehen und nicht mit der betrieblichen Leistungserstellung als Ganzes (Altenburger O.: Umfang der Herstellungskosten in der Handelsbilanz in Stolz 1992, D 759:

Die Herstellung bestehe nun aus der Schaffung eines neuen Vermögensgegenstandes, wobei alles was nicht diesen Herstellungsbegriff ausfülle, nicht aktivierungspflichtig und sofort als Aufwand abzugsfähig sei (vgl. Bertl R./Fraberger F.: Herstellungskosten, In RWZ 1996, Seite 170). Die Herstellung - ein zeitraumbezogener Prozess - beginne immer dann, wenn erstmals dem herzustellenden Gegenstand unmittelbar zurechenbare Einzelkosten anfielen. Für Gebäude, die bereits seit längerer Zeit im Betriebsvermögen eines Unternehmens stünden und abgerissen würden, liege handelsrechtlich eine weitgehend gefestigte Rechtsauffassung vor (vgl. Mayer, in Vadrazka K.; Handbuch Bilanz und Abschlussprüfung (HBA), 2. A.; Wien 1987, Anm. 20 zu § 131 AktG; Quantschnigg P./Schuch W. (Est-Handbuch, Wien 1993) § 6 Tz 76 mit Verweis auf § 203 Abs. 3 HGB, Karrenbauer, in Küting K.,/Weber C., Rechnungslegung, § 253 Anm. 23).Durch den Abbruch des Gebäudes werde bewirkt, dass die betriebliche Nutzung beendet werde. Der verbleibende restliche Wert werde vernichtet und sei daher gem. § 204 Abs. 1 HGB außerplanmäßig abzuschreiben. Die damit in Zusammenhang stehenden Abbruchkosten stellten den letzten Aufwand, den das untergehende Gebäude verursache, dar. Eine Weiteraktivierung des Restbuchwertes auf ein neu erstelltes Gebäude sei mangels weiterer Existenz des abgerissenen Gebäudes unzulässig, da durch den Abbruch die Wertlosigkeit bzw. der wirtschaftliche Verbrauch treffend zum Ausdruck gebracht werde. Somit sollten abschließend hinsichtlich der Begriffsinhalte der Anschaffungs- und Herstellungskosten keine prinzipiellen Abweichungen zwischen Handels- und Steuerrecht mehr vorliegen. Eine in diese Richtung gehende Zustimmung habe der VwGH mit Erk. Vom , Zl. 91/13/0111 mit der Aussage signalisiert, da für die Bewertung des Betriebsvermögens die GOB gelten würden, seien diese heranzuziehen, um den Inhalt des Begriffes Anschaffungs-bzw. Herstellungskosten zu bestimmen. Für die zu beurteilenden Aufwendungen (Restbuchwert und Abbruch) bestehe weder nach den handelsrechtlichen noch nach den steuerlichen gesetzlichen Bestimmungen die Verpflichtung einer Aktivierung.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, dass die Absetzung des Restbuchwertes eines abgerissenen Altgebäudes für außergewöhnliche technische und wirtschaftliche Abnutzung bei gleichzeitiger Errichtung eines neuen Ersatzgebäudes nur in Betracht komme, wenn das Gebäude unbenutzbar, d.h. abbruchreif geworden sei. Auch im Berufungsbegehren werde dargelegt, dass das Gebäude noch nutzbar gewesen sei, wenn auch insgesamt zu klein für die heutigen Erfordernisse des Gastronomiebetriebes. Dies spreche für die Opferung noch funktionsfähiger Bausubstanz. Indem sich die Berufungswerberin aus rein wirtschaftlichen Gründen für den Abbruch des Altgebäudes entschieden habe, habe sie das bestehende Gebäude geopfert. Ob bei der gegebenen Sachlage der Abbruch des Altgebäudes mit anschließendem Neubau wirtschaftlich sinnvoller gewesen sei, könne für die Frage der Opfertheorie dahingestellt bleiben.

Mit Schreiben vom beantragte die Berufungswerberin ohne weiteres Vorbringen die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 8 Abs. 4 EStG 1988 sind Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung zulässig. Für den Fall des Abbruches eines an sich noch verwendbaren (funktionsfähigen) Altgebäudes zu Gunsten der Errichtung eines zweckmäßigeren Neubaues hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Zulässigkeit einer solchen Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung unter Berufung auf die sog. " Opfertheorie " grundsätzlich verneint (vgl. die Erkenntnisse vom , Zl. 1071/63; vom , Zl. 337/67; vom , Zlen. 55, 186/79; vom , 89/14/0027; vom , 93/14/0175). Diese geht vom allgemeinen Grundsatz aus, dass zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes alle Kosten gehören, die zu seiner Anschaffung oder Herstellung notwendig waren. Wird ein noch verwendbares Gebäude ganz oder teilweise abgerissen, so stellen nach oben angeführter Judikatur die Abbruchkosten und der Restbuchwert des Altgebäudes Herstellungskosten des Neubaues dar. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Beseitigung einer an sich noch funktionsfähigen Bausubstanz (nur) erfolgt, um die Herstellung bzw. Funktionsänderung (Funktionserweiterung) eines Wirtschaftsgutes (Gebäudes) zu ermöglichen. Zu den Herstellungskosten der Neu- bzw. Ersatzinvestition sollen nicht nur jene im engeren Sinn, sondern auch die mit der Beseitigung des bisherigen Wirtschaftsgutes verbundenen Aufwendungen (Buchwert zuzüglich Beseitigungskosten) zählen ( 55, 186/79).

Das Finanzamt ist im vorliegenden Fall zutreffend davon ausgegangen, dass das Altgebäude nicht wegen Baufälligkeit, sondern nur deshalb abgerissen wurde, weil sich die Bw. aus dem an dessen Stelle errichteten Neubau größeren wirtschaftlichen Nutzen versprach. Dass die erst im Jahr 1993 errichtete Y. technisch oder wirtschaftlich völlig verbraucht gewesen sei, hat nicht einmal die Bw. selbst behauptet. Vielmehr hat sie in der Berufung lediglich dargelegt, aus welchen Gründen der alte Gastronomiebetrieb den heutigen Anforderungen nicht habe gerecht werden können und in der Folge durch einen funktionellen Neubau ersetzt worden sei. Keine Ausführungen hat die Bw. hingegen dazu gemacht, dass und warum die notwendigen Änderungen (Verbesserungen in Bezug auf Platzangebot, Produktions- und Ausgabebereich, Sanitäranlagen, Verkehrsflächen und Wärmeisolierung) nicht etwa auch durch einen Umbau bzw. eine Sanierung ohne den Abbruch des Altgebäudes hätten durchgeführt werden können. Der vom Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung getroffenen Feststellung, dass die Bw. selbst von einem "noch nutzbaren (Alt)Gebäude" ausgehe, hat die Bw. im Vorlageantrag letztlich nichts entgegengesetzt. Den Nachweis für eine außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung hat jedoch der Abgabepflichtige zu erbringen (vgl. Zl. 89/14/0027). Somit ist der Schluss gerechtfertigt, dass die Bw. die alte Bausubstanz geopfert hat und zudem die Abbruchskosten auf sich genommen hat, um den (zweckmäßigeren) Neubau zu errichten. Auf der Grundlage der so genannten "Opfertheorie" war damit aber die Aktivierung des Restbuchwertes des Altgebäudes zu den Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes geboten.

Soweit die Bw. ihre rechtliche Beurteilung auf die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung stützt, ist ihr die oben zitierte Rechtsprechung des VwGH entgegenzuhalten. Im Übrigen bedarf es, was den Inhalt des Begriffes der steuerlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten betrifft, keines Rückgriffes auf das Handelsrecht. Auch wenn die Begriffe Anschaffungs- und Herstellungskosten im EStG 1988 nicht definiert sind, hat die Rechtsprechung des VwGH diesen Begriffen - autonom aus dem Steuerrecht - einen konkreten Inhalt beigemessen. Es ist kein Grund ersichtlich, dass von diesem Verständnis der Anschaffungs- und Herstellungskosten wegen des Inkrafttretens des RLG abgewichen werden müsste. So ist - wie bereits dargelegt - die Opfertheorie nach wie vor Bestandteil der Rechtsprechung (vgl. Zorn, Tendenzen des VwGH zum Maßgeblichkeitsprinzip, in Bertl/Egger/Gassner/Lang/Nowotny (Hrsg), Die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Gewinnermittlung für das Steuerrecht, und die oben angeführten Erkenntnisse). Bleibt aber für eine (ergänzende) Maßgeblichkeit kein Raum, so erübrigt sich auch ein Eingehen auf die Frage, ob im vorliegenden Fall eine außerplanmäßige Abschreibung des Restbuchwertes nach handelsrechtlichen Grundsätzen zulässig wäre.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck,

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Gebäudeabbruch
Abbruchkosten
Restbuchwert des Altgebäudes
Opfertheorie
Anschaffungskosten
Herstellungskosten
Verweise





Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at