Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.10.2023, RV/5101024/2019

Verletzung der Behauptungs- und Beweispflicht betreffend Gläubigergleichbehandlungsgebot

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Susanne Feichtenschlager in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch gpls Rechtsanwälte, Wiener Straße 3, 3100 St. Pölten, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten (nunmehr Finanzamt Österreich) vom , Steuernummer ***StNr***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird - wie in der Beschwerdevorentscheidung vom - gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der Haftungsbetrag wurde um 256,02 € (Dienstgeberbetrag 2010) vermindert und beträgt nunmehr 116.739,90 €. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die detaillierte Gliederung des Haftungsbetrages ist der Beilage zur Beschwerdevorentscheidung zu entnehmen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Vorweg wird darauf hingewiesen, dass die gegenständliche Beschwerdesache mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom zum Stichtag der Gerichtsabteilung 6026 wegen Versetzung der Richterin in den Ruhestand abgenommen und umverteilt wurde. Nunmehr ist die Gerichtsabteilung 6007 zuständig.

I. Verfahrensgang

Mit Schreiben vom wurde der Beschwerdeführer vom Finanzamt informiert, dass am Abgabenkonto der Firma ***AB*** GmbH (=Primärschuldnerin) ein uneinbringlicher Rückstand in Höhe von 116.995,87 € aufscheinen würde. Der Beschwerdeführer sei seit als Vertreter der Primärschuldnerin und damit für die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen verantwortlich. Bis zum Beweis des Gegenteils müsse das Finanzamt davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer der ihm aufgetragenen Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Primärschuldnerin nicht vorschriftsmäßig nachgekommen sei.
Die aufgeschlüsselten Beträge seien bei der Primärschuldnerin als uneinbringlich anzusehen, was sich daraus ergeben würde, dass über das Vermögen der Primärschuldnerin der Konkurs eröffnet worden sei und mit einer Konkursquote von maximal 20 bzw. 25 Prozent gerechnet werden könne.
Sofern die Primärschuldnerin bereits zu den jeweiligen Fälligkeitstagen nicht mehr über ausreichende Mittel zur vollen Bezahlung der Verbindlichkeiten verfügt habe, möge eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen vorgelegt werden. In dieser Auflistung müssten alle Gläubiger sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen enthalten sein. Außerdem seien alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel anzugeben bzw. gegenüber zu stellen.
Es obliege dem Beschwerdeführer den Nachweis zu erbringen, wie viel Zahlungsmittel zur Verfügung gestanden seien und in welchem Ausmaß die anderen Gläubiger der Primärschuldnerin noch Befriedigung erlangt hätten. Im Fall der Nichterbringung dieses Nachweises müsse das Finanzamt davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer die ihm obliegende Verpflichtung, die fällig gewordenen Abgaben aus den verwalteten Mittel zu entrichten, schuldhaft verletzt habe und diese Pflichtverletzung auch ursächlich für den Abgabenausfall sei. Unter diesen Umständen würde der Beschwerdeführer für die uneinbringlichen Abgabenschuldigkeiten im vollen Ausmaß haften.
Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass die Geltendmachung der Haftung im Ermessen des Finanzamtes liege.

Am langte beim Finanzamt die Aufstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers ein. Er würde von der Pension (1.616,00 €) und einer geringfügigen Beschäftigung bei der ***E AB*** GmbH (370,00 €) leben, die Schulden bei der Bank würden rund 1,300.000,00 € betragen (monatliche Raten 8.000,00 €), die monatlichen Lebenshaltungskosten würden bei 800,00 € liegen. Er würde eine Liegenschaft besitzen, die durch Pfandrechte der Bank belastet sei.

Mit Schriftsatz vom gab die beschwerdeführende Partei bekannt, dass anlässlich der letzten Insolvenz eine Quote von 25 % mit den Gläubigern vereinbart worden sei, zahlbar in Raten zu 13 %, 6 % und 6 %. 14 % seien bezahlt worden, 6 % seien offen geblieben. Das würde bedeuten, dass nicht die Quotenzahlung in Abzug zu bringen sei, sondern nur die nicht bezahlten 6 %. Das relative Wiederaufleben würde daher einen Betrag von 30 % ergeben, der tatsächlich zum Tragen komme.
Hinsichtlich der restlichen 70 % seien diese mit der Zahlung der 14 %igen Quote erledigt worden. Pro 1 % seien eben 5 % der gesamten angemeldeten Forderung reguliert worden.
Bei der zweiten Insolvenz sei sodann eine Quote von 25 % mit den Gläubigern vereinbart worden. Die Verbindlichkeiten seien dadurch entstanden, dass bei der Firma ***C*** AG, für welche die Primärschuldnerin als Subunternehmerin gearbeitet habe, ein Ausfall von rund 250.000,00 € gegeben wäre und um noch zu retten, was zu retten gewesen sei, habe die Primärschuldnerin für die Firma, die das Bauobjekt fertig gestellt habe, als Subunternehmer gearbeitet. Diese Baustelle sei von der Firma ***D*** übernommen worden, die bei der Abrechnung behauptet habe, dass Leistungen nicht erbracht, nicht zeitgerecht bzw. verrechnet worden seien, die in der Pauschale enthalten gewesen seien. So habe es weitere Ausfälle gegeben.
Anlässlich der Eröffnung des letzten Insolvenzverfahrens habe es Verbindlichkeiten gegenüber den Lieferanten, dem Finanzamt und der Sozialversicherung gegeben und es seien Löhne offen gewesen. Eine Ungleichbehandlung sei keinesfalls vorgelegen. Von der Quote von 25 % seien noch restliche 12 % offen, sodass aufgrund der schon geleisteten 12 % sich die Forderung des Finanzamtes im Sinne des relativen Wiederauflebens auf 50 % reduziert habe.
Die Lohnsteuerforderung für die Privatnutzung eines der GmbH gehörenden KFZ resultiere aus der Lohnsteuerprüfung. Es seien keinesfalls Verbindlichkeiten, die bekannt gewesen seien und man könne nicht den Vorwurf machen, dass dieser Betrag hinterzogen worden wäre.
Ein Verschulden treffe den Beschwerdeführer nicht. Frau ***F*** sei für die Buchungen und Rechnungslegung zuständig gewesen, aber aufgrund der internen Funktionsteilung nicht für die Abfuhr. Allfällige Beträge, die der Sanierungsverwalter angefochten habe, könnten diesbezüglich auch nicht als Bemessungsgrundlage oder als Grundlage für einen Haftungsbescheid herangezogen werden. Denn die bezahlten Beträge seien tatsächlich geleistet worden. Dass der Sanierungsverwalter dann eine Anfechtung vornehmen würde, darauf hätte der Beschwerdeführer keinen Einfluss. Dass die Finanzverwaltung nicht schlechter gestellt worden sei als die anderen Gläubiger, würde sich aus dem Anmeldungsverzeichnis ergeben.
Es würden die Anmeldungsverzeichnisse aus den beiden letzten Insolvenzen beigelegt und daraus sei auch ersichtlich, dass eine Vielzahl von selbst kleinen Lieferantenforderungen vorliegen würden. Dies würde zeigen, dass eine Gleichbehandlung aller Gläubiger vorliegen würde. Auch die Forderungsanmeldungen der Energielieferanten würden zeigen, dass diese nicht vorweg befriedigt worden seien, sondern hier genauso Rückstände aufgelaufen seien. Ebenso bei den Löhnen.
Frau ***F*** sei als Geschäftsführerin jedenfalls mit ausgeschieden und für Verbindlichkeiten nach diesem Zeitpunkt überhaupt nicht mehr haftungsrelevant.
Der Beschwerdeführer selbst beziehe eine Pension, Frau ***F*** habe ein Einkommen als Dienstnehmerin.
Die Verbindlichkeiten seien derart hoch, dass in absehbarer Zeit nicht einmal eine annähernde Regulierung stattfinden könnte.
Gemäß § 206 Abs. 1 lit b BAO seien Bescheide, bei denen von vorn herein mit einer Realisierung nicht zu rechnen sei, nicht zu erlassen.
Mit der Finanzverwaltung sei eine Teilzahlungsvereinbarung getroffen worden. Es seien 5.000,00 € bezahlt worden.
Am seien an das Finanzamt 10.000,00 € überwiesen worden, am 6.269,85 € und 855,77 €.
Diese Überweisungen seien zusammen mit Überweisungen an andere Gläubiger erfolgt, wobei der größere Betrag an die Finanzbehörde überwiesen worden sei, ebenso am , wo an die Gebietskrankenkasse 5.096,59 € überwiesen worden seien und an das Finanzamt eben die 10.000,00 €.
Am sei an das Finanzamt eine Quotenzahlung iHv 3.386,84 € überwiesen worden, am eine Überweisung iHv 6.289,85 € und am 5.166,60 €.
Das Finanzamt habe im Insolvenzverfahren 258.813,18 € angemeldet. Die erste Quote sei 13 % gewesen. Es seien daher nach dem relativen Wiederaufleben 52 % der Forderungen bezahlt worden.
Daraus würde sich ergeben, dass nur mehr ein Restbetrag von 134.482,85 € offen aushaften würde. Die Forderungsanmeldungen iHv 258.813,18 € seien um 12.138, 39 € (Rückstandsausweis und Forderungen betreffend Dienstnehmeransprüche, die vom Fonds bedient worden seien) zu kürzen. Es würden dann 246.674,79 € verbleiben, wovon 128.270,89 € durch die erste Quote beglichen worden seien.
Außerdem sei aus der Vorinsolvenz der Sanierungsgewinn enthalten, für den wohl keine persönliche Haftung gegeben sein könne.

Mit Schreiben vom gab die beschwerdeführende Partei ergänzend bekannt, dass das Finanzamt nicht ungleich behandelt worden sei. Mit seien 5.321,50 € überwiesen worden, dazu parallel an die NÖGKK 4.734,74 € und an diverse andere Gläubiger Beträge in geringem Ausmaß. Des weiteren seien für die Umsatzsteuer 12/2016 am 2.000,35 € überwiesen worden und am Lohnsteuer, DB und DZ 01/2017 3.040,53 €.

Mit Bescheid vom machte das Finanzamt die Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der ***E AB*** GmbH iHv 116.995,92 € geltend. Die Abgaben wurden wie folgt aufgeschlüsselt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Betrag in Euro
Umsatzsteuer
06/2013
1.624,31
Umsatzsteuer
07/2013
492,59
Umsatzsteuer
08/2013
2.519,66
Umsatzsteuer
09/2013
5.015,98
Lohnsteuer
2011
876,00
Lohnsteuer
2012
946,27
Lohnsteuer
04/2013
2.854,77
Lohnsteuer
05/2013
279,84
Umsatzsteuer
07/2013
671,29
Umsatzsteuer
08/2014
1.950,92
Umsatzsteuer
09/2014
4.444,54
Umsatzsteuer
10/2014
1.629,77
Umsatzsteuer
11/2014
1.426,27
Umsatzsteuer
12/2014
2.132,21
Umsatzsteuer
2015
10.181,67
Umsatzsteuer
03/2015
2.531,52
Umsatzsteuer
04/2015
1.999,04
Umsatzsteuer
05/2015
1.436,69
Umsatzsteuer
06/2015
2.159,26
Umsatzsteuer
07/2015
2.856,44
Umsatzsteuer
08/2015
8.224,85
Umsatzsteuer
09/2015
4.305,05
Umsatzsteuer
10/2015
1.004,65
Umsatzsteuer
11/2015
1.953,77
Umsatzsteuer
12/2015
5.406,05
Lohnsteuer
05/2013
1.351,88
Lohnsteuer
06/2013
2.870,08
Lohnsteuer
07/2013
2.080,48
Lohnsteuer
08/2013
1.684,93
Lohnsteuer
09/2013
1.139,90
Lohnsteuer
10/2013
1.312,81
Lohnsteuer
2014
1.349,45
Lohnsteuer
09/2014
1.920,47
Lohnsteuer
10/2014
1.356,92
Lohnsteuer
11/2014
1.987,27
Lohnsteuer
12/2014
1.182,56
Lohnsteuer
2015
1.454,49
Lohnsteuer
01/2015
1.202,31
Lohnsteuer
05/2015
1.393,95
Lohnsteuer
06/2015
1.927,12
Lohnsteuer
07/2015
1.242,14
Lohnsteuer
08/2015
1.164,83
Lohnsteuer
09/2015
1.253,07
Lohnsteuer
10/2015
1.166,12
Lohnsteuer
11/2015
1.757,30
Lohnsteuer
12/2015
2.628,29
Lohnsteuer
01/2016
821,49
Lohnsteuer
02/2016
793,91
Körperschaftsteuer
2011
1.312,50
Dienstgeberbeitrag
2010
256,02
Dienstgeberbeitrag
04/2013
1.241,46
Dienstgeberbeitrag
05/2013
1.299,15
Dienstgeberbeitrag
06/2013
2.003,46
Dienstgeberbeitrag
07/2013
1.006,80
Dienstgeberbeitrag
08/2013
846,80
Dienstgeberbeitrag
09/2013
433,97
Dienstgeberbeitrag
11/2013
1.400,59
Dienstgeberbeitrag
12/2013
1.046,36
Dienstgeberbeitrag
09/2014
919,40
Dienstgeberbeitrag
11/2014
1.264,23
Summe
116.995,92

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es der Beschwerdeführer unterlassen habe dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die er verwaltet habe, entrichtet würden, und der Rückstand infolge schuldhafter Verletzung seiner Pflicht nicht eingebracht werden könne.
Die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung sei aufgrund des bereits abgeschlossenen Insolvenzverfahrens bei der Primärschuldnerin gegeben. Die Quoten iHv 20 bzw. 25 % seien bei den bekanntgegebenen Abgabenschuldigkeiten bereits in Abzug gebracht worden.
Der Beschwerdeführer sei mit Vorhalt vom aufgefordert worden, durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen darzulegen, wenn die Primärschuldnerin bereits zu den Fälligkeiten der Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt hätte. In dieser Aufstellung müssten alle damaligen Gläubiger (auch die zur Gänze befriedigten) sowie die auf die einzelnen Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen enthalten sein. Außerdem seien alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel (Bargeld und offene Forderungen) anzugeben bzw. gegenüberzustellen.
In der Stellungnahme (eingelangt am ) seien lediglich das Anmeldungsverzeichnis aus dem letzten Insolvenzverfahren beigelegt sowie diverse Zahlungen an das Finanzamt und an die NÖGKK aufgelistet worden.
Dazu werde festgehalten, dass den im Rahmen der besonderen Behauptungs- und Konkretisierungspflicht zur Feststellung des für die aliquote Erfüllung der Abgabenschuld zur Vermögung stehenden Teiles vom Gesamtbetrag der liquiden Mittel geforderte Liquiditätsstatus nicht vorgelegt worden sei.
In Hinblick auf die unterlassene Behauptung und Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mittel zur Erfüllung der vollen Abgabenverbindlichkeiten komme eine Beschränkung der Haftung nicht in Betracht.
In Zusammenhang mit der teilweisen Entrichtung der Insolvenzquote und dem relativen Wiederaufleben werde mitgeteilt, dass die Quote in Höhe von 25 % bereits im Haftungsbescheid berücksichtigt und die Beträge entsprechend vermindert worden seien. Aus dem Einwand des relativen Wiederauflebens bezüglich der Inanspruchnahme des Beschwerdeführers lasse sich nichts gewinnen, weil durch die Erfüllung eines Sanierungsplanes lediglich eine Restschuldbefreiung zur Zahlung durch die Gesellschaft als ehemalige Sanierungsschuldnerin eintreten würde. Dies lasse aber die Möglichkeit der Abgabenbehörde zur Ergreifung von Haftungsmaßnahmen gegenüber dem Geschäftsführer der Primärschuldnerin unberührt.
Nach Abschluss eines Sanierungsplanes sei - mangels gegeneiliger Anhaltspunkte - anzunehmen, dass der in der Sanierungsquote nicht mehr Deckung findende Teil der Abgabenforderungen uneinbringlich sei.
In Zusammenhang mit der Heranziehung zur Haftung für ausstehende Lohnsteuerbeträge wurde ausführlich auf § 78 Abs. 3 EStG verwiesen.
Hinsichtlich der anlässlich der Lohnsteuerprüfung festgesetzten Lohnsteuerbeträge wurde darauf hingewiesen, dass bei Selbstbemessungsabgaben maßgebend sei, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Maßgebend sei die Fälligkeit, nicht die bescheidmäßige Festsetzung.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung nicht im Haftungsverfahren zu erörtern.
Dem Vorbringen, dass Frau ***F*** für die Buchungen und Rechnungslegung zuständig gewesen sei, aber aufgrund der im Innenverhältnis durchgeführten Funktionsteilung nicht für die Abfuhr zuständig gewesen sei, ließe sich entnehmen, dass somit der Beschwerdeführer als zweiter im Firmenbuch eingetragener Geschäftsführer dafür hätte Sorge tragen müssen.
Zur Behauptung, dass allfällige Beträge, die der Sanierungsverwalter angefochten habe, nicht als Bemessungsgrundlage oder als Grundlage für einen Haftungsbescheid herangezogen werden könnten, werde mitgeteilt, dass im gegenständlichen Verfahren keine diesbezüglichen Beträge aushaften würden.
In Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers und dem vom Finanzamt geübten Ermessen wurde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Fälligkeit der aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der handelsrechtliche Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen sei. Damit komme er als Haftender iSd § 9 Abs. 1 iVm §§ 80 ff BAO in Betracht. Die Abgabenschulden könnten bei der Primärschuldnerin nicht mehr eingebracht werden. Darüber hinaus seien keine in der wirtschaftlichen Lage gelegenen Billigkeitsgründe vorgetragen worden, weswegen das Finanzamt in der Inanspruchnahme als Haftender eine Unbilligkeit im Sinne einer Unzumutbarkeit erblicken hätte können.
Betreffend Sanierungsgewinn werde festgehalten, dass die haftungsrelevanten Abgaben fast ausschließlich aus Selbstbemessungsabgaben bestehen würden. Lediglich die Mindestkörperschaftsteuer 2011 iHv 1.312,50 € (fällig am ) sei in die Haftung miteinbezogen worden.

Mit Schriftsatz vom wurde gegen den Haftungsbescheid vom das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht. Die beschwerdeführende Partei brachte - soweit beschwerderelevant - vor, dass die Finanzbehörde in der ersten Insolvenz einen Betrag von 174.896,72 € angemeldet habe, wovon 70.399,15 € bestritten worden seien. Dieser Betrag würde aus einer unrichtigen Umsatzsteuerberechnung resultieren, weil auch für ausständige oder rückständige Löhne und Gehälter sowie Bauleistungen eine Umsatzsteuerrückrechnung vorgenommen worden sei, obwohl einerseits die Dienstnehmer keinerlei Umsatzsteuer leisten würden bzw. die Lohnzahlungen nicht umsatzsteuerpflichtig seien, andererseits die Bauleistungen nach § 19 UStG von der Umsatzsteuer befreit seien.
Die Primärschuldnerin habe diese Bauleistungen im Wesentlichen für die Firma ***C*** Bau AG erbracht und zwar als Subunternehmer, sodass § § 19 UStG zum Tragen gekommen sei. Dies dürfte dann behoben worden sein, weil die 1. Quote von 8 % von einem Betrag von 104.497,57 € berechnet worden sei.
In Zusammenhang mit der 1. Insolvenz habe der Masseverwalter Zahlungen, die die Primärschuldnerin an die Finanzbehörde geleistet habe, angefochten. Auf die Anfechtung habe der Beschwerdeführer keinen Einfluss. Vielmehr habe er Zahlungen geleistet und zwar in unmittelbarer Nähe zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung, sodass die Finanzbehörde nicht die Meinung vertreten könne, dass die Finanz nicht im dementsprechenden Umfang berücksichtigt worden sei. Schon die Tatsache der Anfechtung zeige, dass die Finanzbehörde bevorzugt und begünstigt gewesen sei und tatsächlich Zahlungen vor vielen anderen Gläubigern erhalten habe. Die Finanzbehörde sei offenbar auch dieser Auffassung gewesen, weil ohne Rechtsstreit der angefochtene Betrag der Konkursmasse zurückgezahlt worden sei.
Hinsichtlich Lohnsteuer, DB und DZ wegen ausbezahlter Löhne und Nichtabfuhr der Lohnsteuer und DB werde darauf verwiesen, dass GPLA-Prüfungen erfolgt seien, die eine dementsprechende Nachverrechnung ergeben hätten. Es werde aber darauf verwiesen, dass das Einkommen- und Lohnsteuerthema selbst für Fachleute nicht mehr durchblickbar sei und dem Geschäftsführer nicht angelastet werden könne, dass sich hier und dort Änderungen durch eine GPLA-Prüfung ergeben würden, die selbst wiederum von Ermessensentscheidungen der Finanz abhängig seien, wobei der Beschwerdeführer weder Hellseher noch Prophet sei und die Ermessensentscheidungen eines Prüfers nicht voraussehen könne. Es sei unbillig, diese Beträge in den Haftungsbescheid einzubeziehen.
Die Primärschuldnerin hätte eine Lohnverrechnung und einen Steuerberater für diese Lohnverrechnung, sodass sie auf die Richtigkeit der Erklärungen bzw. der Berechnungen vertrauen konnte.
Schon aus dem Anmeldungsverzeichnis sei ersichtlich, dass eine Vielzahl von Gläubigern zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung 1 vorhanden gewesen sei und aufgrund dieser Vielzahl von Gläubigern sich der klare Schluss ergeben würde, dass in der unmittelbaren Frist von 60 Tagen jedenfalls keine Benachteiligung der Finanzbehörde stattgefunden habe. Es seinen wenige Exekutionen anhängig gewesen, die Forderungen wären sozusagen alle frisch, was bedeuten würde, dass die Gläubiger generell gleichmäßig nicht bedient worden seien.
Erneut wies die beschwerdeführende Partei darauf hin, dass die Primärschuldnerin wegen des Konkurses der ***C*** Bau AG in Turbulenzen geraten sei. Es seien mehrere hunderttausend Euro Verlust entstanden. Die Firma ***D*** habe die ***C*** Bau AG aus der Insolvenz erworben, die Primärschuldnerin mit der Fertigstellung beauftragt und bei der Endabrechnung Abzüge getätigt und Pönale geltend gemacht. Die Primärschuldnerin hätte nicht mehr die finanziellen Mittel gehabt, um die Firma ***D*** zu klagen. Damit würden die großen Firmen rechnen.
Hinsichtlich aller Beträge, die im Zuge der GPLA-Prüfung entstanden seien, handle es sich keinesfalls um Beträge, die nicht zeitgerecht abgeführt worden seien, weil der Geschäftsführer zu dem Zeitpunkt, auf den sich die Nachforderungen beziehen würden, gar nicht gewusst habe, dass eine Zahllast bestehen würde. Aufgrund des selbst für Fachleute zum Teil undurchschaubaren Systems können einem Elektromeister nicht zugemutet werden, derartiges zu erkennen. Dies noch dazu, wo er sich eines Steuerberaters bedient und diese Aufgaben an einen Spezialisten ausgelagert habe. Die Behörde werde wohl nicht davon ausgehen, dass den Beschwerdeführer ein Auswahlverschulden treffe, denn dann hätte die Behörde schon längst dafür sorgen müssen, dass demjenigen Steuerberater oder derjenigen Kanzlei die Berechtigung entzogen werde.
Es werde daher der Antrag auf Stattgabe der Beschwerde und Aufhebung des Haftungsbescheides gestellt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt der Beschwerde teilweise statt und verminderte den Haftungsbetrag um 256,02 € (Dienstgeberbeitrag 2010), im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Nach detaillierter Darlegung der gesetzlichen Grundlagen wurde ausgeführt, dass die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin aufgrund des abgeschlossenen Insolvenzverfahrens einwandfrei gegeben sei.
Bei Selbstbemessungsabgaben sei maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Bei Abgaben, bei denen sich die Fälligkeit aus § 210 Abs. 1 BAO ergeben würde, sei grundsätzlich der Zeitpunkt der sich aus dem erstmaligen Abgabenbescheid ergebenden Fälligkeit maßgebend.
Der Dienstgeberbeitrag 2010 iHv 256,02 € werde aus dem Haftungsbescheid ausgeschieden.
Bezüglich der mit Haftungsbescheid geltend gemachten Lohnsteuer würde sich die schuldhafte Verletzung des Vertretungspflichtigen durch deren Nichtabfuhr nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG ergeben, wonach jede Zahlung der vollen vereinbarten Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende und einzubehaltende Lohnsteuer ausreiche, eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters darstelle. Nach der Rechtsprechung komme bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen, damit sei die Möglichkeit der haftungsausschließenden Verschuldensentkräftigungen durch den Nachweis nicht ausreichender Mittel nicht gegeben.
Was die behaupteten Anfechtungen durch den Masseverwalter anlangt, werde festgestellt, dass im gegenständlichen Verfahren keine diesbezüglichen Beträge aushaften würden. Es seien am lediglich 255,60 € an den Masseverwalter refundiert worden, dieser Betrag finde jedoch keinen Niederschlag im Haftungsbescheid.
In Zusammenhang mit dem Vorbringen hinsichtlich GPLA-Prüfung werde festgehalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Haftungsverfahren die Richtigkeit der Abgabenvorschreibung nicht zu erörtern sei. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gegen den Haftungsbescheid sei die Frage, ob der Geschäftsführer zu Recht als Haftender für Abgaben der Primärschuldnerin herangezogen worden sei oder nicht, nicht jedoch, ob die der Gesellschaft vorgeschriebenen Abgaben zu Recht bestünden oder nicht. Aus diversen Lohnsteuerprüfungen würden folgende Beträge aushaften:
Lohnsteuer 2011 876,00 €
Lohnsteuer 2012 946,27 €
Lohnsteuer 2014 1.349,45 €
Lohnsteuer 2015 1.454,49 €
Der Haftungsbetrag würde überwiegend aus Selbstbemessungsabgaben bestehen, die von der Primärschuldnerin selbst gemeldet worden seien und nicht auf dem Ergebnis diverser Prüfungen beruhen würden.
Die Betrauung eines Steuerberaters mit der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Pflichten würde den Vertreter von seinen Pflichten nicht entbinden. Sie könne ihn allerdings entschuldigen, wenn er im Haftungsverfahren Sachverhalte vortragen würde, aus denen sich ableiten ließe, dass der Vertreter dem Steuerberater alle abgabenrechtlich relevanten Sachverhalte vorgetragen und sich von diesem über die vermeintliche Rechtsrichtigkeit der eingeschlagenen Vorgangsweise informieren habe lassen, ohne dass zu einem allfälligen Fehler des Steuerberaters hinzutretende oder von einem solchen Fehler unabhängige eigene Fehlhandlungen des Vertreters nach § 80 Abs. 1 BAO vorgelegen wären.
In Bezug auf das vorgelegte Anmeldungsverzeichnis wurde darauf hingewiesen, dass die Tatsache der teilweisen Abgabenentrichtung zwar auf das Vorhandensein liquider Mittel, nicht jedoch auf eine aliquote Befriedigung des Abgabengläubigers schließen lasse. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliege dem Vertreter. Auf diesem, nicht aber auf der Behörde, würde auch die Verpflichtung zur Berechnung einer entsprechenden Quote lasten. Würde der Vertreter nachweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so würde er auch nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung haften. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, könne dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden. Die bloße Behauptung der Gleichbehandlung der Gläubiger reiche nicht aus.
Ein entsprechender Beweis, dass die Abgabenschulden im Verhältnis zu den übrigen Verbindlichkeiten nicht schlechter bedient worden seien, sei nicht erbracht worden.
Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beschwerdeführer könne davon ausgegangen werden, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin sei.

Mit Schriftsatz vom wurde von der beschwerdeführenden Partei der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht eingebracht. Ein weiteres Vorbringen wurde nicht erstattet.

Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor. Zusammenfassend wurde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer weder die behauptete Gläubigergleichbehandlung nachgewiesen habe, noch eine Berechnung vorgelegt habe, aus der hervorgeht, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung aller Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Mit Gesellschaftsvertrag vom wurde die ***E AB*** GmbH gegründet.

Der am tt.mm.1951 geborene Beschwerdeführer war seit Geschäftsführer der Primärschuldnerin. Im Jahr 2022 bezog der Beschwerdeführer Pensionseinkünfte von netto 27.738,96 €.

Mit Beschluss des Landesgerichtes ***LG*** vom wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin das Sanierungsverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom wurde der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt und das Sanierungsverfahren aufgehoben. In diesem Sanierungsverfahren ist ein Sanierungsplan rechtskräftig geworden, wonach die Gläubiger mit einer Quote von 20 % befriedigt werden sollten.

Mit Beschluss des Landesgerichtes ***LG*** vom wurde erneut über das Vermögen der Primärschuldnerin das Sanierungsverfahren eröffnet. Mit Beschluss vom wurde der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt und das Sanierungsverfahren aufgehoben. In diesem Sanierungsverfahren ist ein Sanierungsplan rechtskräftig geworden, wonach die Gläubiger mit einer Quote von 25 % befriedigt werden sollten. Damit wären grundsätzlich 75 % der Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin uneinbringlich gewesen. Tatsächlich wurden von der vereinbarten Quote nur 14 % entrichtet.

Mit Beschluss des Landesgerichtes ***LG*** vom **.07.2021 wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin wieder das Sanierungsverfahren eröffnet. Mit Beschluss des Landesgerichtes ***LG*** vom **.10.2021 wurde die Bezeichnung von Sanierungsverfahren auf Konkursverfahren geändert. Die Gesellschaft ist infolge Konkurseröffnung aufgelöst.
Laut Auskunft des Masseverwalters Dr. ***MV*** (Schreiben vom ) ist mit einer Aufhebung des Konkursverfahrens bis Mitte des Jahres 2024 zu rechnen. Er gehe davon aus, dass eine Quote von zumindest 15 %, eventuell sogar 20 %, ausgeschüttet werden könne.

Mit Bescheid vom wurde die Haftung für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin in Höhe von 116.995,92 € geltend gemacht. Dabei wurde die Sanierungsquote von 20 bzw. 25 % aus den beiden Sanierungsverfahren 2014 und 2016 jeweils berücksichtigt und die Abgabenverbindlichkeiten nur zu 80 bzw. 75 % in den Haftungsbescheid aufgenommen. Die diesbezüglichen Abgabenforderungen (vgl. Aufstellung im Haftungsbescheid bzw. Beilage zur Beschwerdevorentscheidung) waren zwischen und fällig und haften am Abgabenkonto der Primärschulderin zur Gänze unberichtigt aus.

Im Beschwerdeverfahren wurde nicht nachgewiesen, dass das Gleichbehandlungsgebot eingehalten wurde, das heißt, dass sämtliche Gläubiger im gleichen Ausmaß befriedigt worden sind. Es wurde auch nicht dargelegt, in welchem prozentuellen Ausmaß die Verbindlichkeiten des Finanzamtes befriedigt worden wären, wenn alle Verbindlichkeiten gleichmäßig bedient worden wären.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Akten, den Parteienvorbringen, Einsicht in das Firmenbuch und aus dem Abgabeninformationssystem.

Das Gleichbehandlungsgebot bedeutet, dass sämtliche Gläubiger mit derselben Quote befriedigt werden. Das heißt, um dem Gleichbehandlungsgebot nachzukommen, müssen sämtlichen Verbindlichkeiten zum jeweiligen Fälligkeitstag den zu diesem Zeitpunkt verfügbaren finanziellen Mittel gegenübergestellt werden. Mit der daraus resultierenden Quote sind sodann alle Gläubiger gleichmäßig zu befriedigen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter bei der Entrichtung von Verbindlichkeiten Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz). Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich nicht nur bei der Tilgung bereits bestehender Verbindlichkeiten, sondern auch bei sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften ergeben. ()

Im Erkenntnis vom , Ra 2016/16/0097, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass der Vertreter nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann haftet, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschuld im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen.

Der Beschwerdeführer wurde erstmals mit Schreiben des Finanzamtes vom auf seine Behauptungs- und Beweispflicht hingewiesen und aufgefordert die entsprechenden Unterlagen vorzulegen. Im Haftungsbescheid, in der Beschwerdevorentscheidung und zuletzt im Vorlagebericht wurde jeweils ausführlich darauf hingewiesen, dass es am Beschwerdeführer liegt, die Gläubigergleichbehandlung nachzuweisen bzw. eine Aufstellung vorzulegen, aus der hervorgeht, mit welcher Quote das Finanzamt zu befriedigen gewesen wäre, wenn alle Gläubiger gleich behandelt worden wären.

Der Beschwerdeführer hat zwar eine Auftragsliste vom , aus der Finanzamtszahlungen iHv 2.000,35 € (Umsatzsteuer 12/2016) und iHv 3.040,53 € (Lohnabgaben 2016, 01/2017) hervorgehen, und das Anmeldungsverzeichnis aus dem ersten Sanierungsverfahren, aber keine Aufstellung vorgelegt, aus der hervorgeht, über welche finanziellen Mittel die Primärschuldnerin im Zeitpunkt der Fälligkeiten der haftungsgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten verfügt und wie sie diese Mittel verwendet hat. Es wurde nicht dargelegt, mit welchem Anteil sämtliche Gläubiger befriedigt worden wären, wenn die vorhandenen Mittel auf alle Gläubiger gleichmäßig verteilt worden wären.

Der Beschwerdeführer ist somit seiner Behauptungs- und Beweispflicht in Zusammenhang mit dem Gläubigergleichbehandlungsgebot nicht nachgekommen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Die in den Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 BAO voraus, dass eine uneinbringliche Abgabenforderung gegen den Vertretenen besteht, die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis des §§ 80 ff BAO gehört, eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertreters vorliegt und die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war.

3.1.1. Zur Vertreterhaftung

Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer ab der Gründung der Primärschuldnerin bis zu deren Auflösung der Geschäftsführer der Primärschuldnerin war.

Die Haftung nach § 9 BAO stellt nicht die Haftung für einen Schaden dar, welcher dem Abgabengläubiger bei Gesamtbetrachtung der Abgabenschulden mehrerer Abgabenschuldner entstanden ist, sondern der Tatbestand des § 9 BAO stellt darauf ab, dass Abgabenschulden eines Abgabepflichtigen nicht eingebracht werden können.

Als Geschäftsführer der Primärschuldnerin war der Beschwerdeführer im haftungsrelevanten Zeitraum ( bis ) ihr abgabenrechtlicher Vertreter.

3.1.2. aushaftende Abgabenschuldigkeiten gegenüber der Primärschuldnerin

Die haftungsgegenständlichen Abgaben haften am Abgabenkonto der Primärschuldnerin unbestritten unberichtigt aus.

3.1.3. Zur Uneinbringlichkeit

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Sie darf nur dann geltend gemacht werden, wenn der Ausfall nicht nur beim Erstschuldner, sondern auch bei mit ihm verbundenen Gesamtschuldnern sowie bei außerhalb des § 9 BAO Haftenden eindeutig feststeht (vgl. Ritz, BAO6, § 9 Tz 4 und 7, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Eine Entrichtung durch Dritte - allenfalls auch durch Überrechnung von Guthaben (§ 215 Abs. 4 BAO) - würde dazu führen, dass insoweit die Abgabenschuldigkeit erfüllt wäre; eine derartige Zahlung wäre auch noch im Beschwerdeverfahren über einen Haftungsbescheid zu berücksichtigen ().

Im ersten Sanierungsverfahren ( bis ) ist ein Sanierungsplan rechtskräftig geworden, wonach die Gläubiger mit einer Quote von 20 % befriedigt werden sollten. Damit sind 80 % der Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin jedenfalls uneinbringlich geworden. Diese 80 % der unberichtigten Abgabenverbindlichkeiten wurden in den Haftungsbescheid aufgenommen.

Im zweiten Sanierungsverfahren ( bis ) ist ein Sanierungsplan rechtskräftig geworden, wonach die Gläubiger mit einer Quote von 25 % befriedigt werden sollten. Damit sind jedenfalls 75 % der Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin uneinbringlich geworden. Tatsächlich wurden von der vereinbarten Quote von 25 % nur 16 % entrichtet. Jener Anteil der ursprünglich vereinbarten Quote, der nicht entrichtet wurde (= 6 %), fließt in das mittlerweile mit Beschluss vom **.07.2021 eröffnete Konkursverfahren ein. Mit welcher Einbringlichkeit diesbezüglich gerechnet werden kann, steht derzeit noch nicht fest (dieses Konkursverfahren wurde noch nicht abgeschlossen). Laut Auskunft des Masseverwalters Dr. ***MV*** werden es 15 bis 20 % sein.
Unbestritten fest steht jedoch, dass jedenfalls 75 % von den uneinbringlichen Abgabenverbindlichkeiten mit Sicherheit bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sind. Dieser Betrag wurde im Haftungsbescheid aufgenommen.

Da die 80 bzw. 75 % der Abgabenverbindlichkeiten, die im gegenständlichen Haftungsbescheid enthalten sind, aufgrund der beiden Sanierungspläne bei der Primärschuldnerin jedenfalls uneinbringlich sind, ist ein Abwarten auf den Anschluss des derzeitigen Konkursverfahrens entbehrlich.

3.1.4. Zur Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten

Für die Haftung relevant ist die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten (zB Entrichtungspflicht in § 80 Abs 1 letzter Satz, aus der das Gleichbehandlungsgebot abgeleitet wird, Einbehaltungs- und Abfuhrpflicht gem § 78 Abs. 3 EStG 1988 für Lohnsteuer oder gem § 95 Abs. 2 Satz 2 EStG 1988 für Kapitalertragsteuer).

Den Vertreter trifft die Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung bzw. Abfuhr von Abgabenverbindlichkeiten. Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertreter die Gleichbehandlungpflicht erfüllt hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre ().

Aufgabe des Geschäftsführers ist es, im Verwaltungsverfahren allfällige Gründe aufzuzeigen, die ihn daran gehindert haben, die Abgabenschulden am oder nach dem Fälligkeitstag zu begleichen. Er hat darzustellen, dass ab dem Zeitpunkt, an welchem die von der Haftungsinanspruchnahme erfassten Abgaben fällig geworden sind, keine Geldmittel der Gesellschaft mehr vorhanden waren. Es hat nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel.

Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt allerdings dem Vertreter. Weist er nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe allerdings zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Wie bereits dargelegt wurde hat der Beschwerdeführer keinen Nachweis erbracht, in welcher Höhe die Abgabenverbindlichkeiten bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen zu bedienen gewesen wären. Das Finanzamt hat daher entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes agiert, indem es die Haftung für die aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten in voller Höhe ausgesprochen hat.

Von der Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes ausgenommen ist die Lohnsteuer. Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO geht hinsichtlich der Lohnsteuer über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Gläubiger hinaus. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich, dass jede vom Vertreter vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt (). Nach ständiger Rechtsprechung ist die auf die ausbezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer jedenfalls einzubehalten und spätestens am Fälligkeitstag in voller Höhe zu entrichten. Jede vom Geschäftsführer vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne stellt eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten dar, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die Abfuhr der darauf entfallenden Lohnsteuer ausreichen und auch abgeführt werden. Die Bestimmung stellt nicht auf jene Gründe ab, die dazu geführt haben, dass nicht die volle Lohnsteuer abgeführt wurde.

Im Erkenntnis vom , Ra 2016/16/0097, hat der Verwaltungsgerichtshof auf Folgendes hingewiesen: "In den Erkenntnissen vom , 2008/15/0283, und vom , 2000/15/0168, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Verpflichtung nach § 80 BAO hinsichtlich der Lohnsteuer über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden (aller Gläubiger) hinausgeht; aus den Bestimmungen des § 78 Abs. 3 EStG ergibt sich die Verpflichtung, dass die Lohnsteuer - ungeachtet des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller andrängenden Gläubiger - jeweils zur Gänze zu entrichten ist."

Schon im Erkenntnis vom , 2001/15/0187, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass das allfällige Fehlen liquider Mittel das Unterlassen der Abfuhr von Lohnsteuer nicht hätte entschuldigen können.

Dem ist zu entnehmen, dass die einbehaltene Lohnsteuer zur Gänze zur späteren Abfuhr zu verwenden ist und bei sich bis zum Abfuhrzeitpunkt geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen nicht dem Gleichbehandlungsgebot unterliegt.

Somit trifft den Vertreter nach § 80 BAO die Verpflichtung, die Lohnsteuer einerseits einzubehalten und andererseits - ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten und des Gleichbehandlungsgebotes - zur Gänze dem Finanzamt zum Fälligkeitstag abzuführen.

Daraus ergibt sich eindeutig, dass die Lohnsteuer immer abzuführen ist. Beim Vorhandensein ausreichender Mittel ist die Lohnsteuer vom vollen ausbezahlten Lohn abzuführen, wenn nicht ausreichende Mittel vorhanden sind, ist der zur Auszahlung gelangende Lohn entsprechend zu kürzen. Das bedeutet, dass der Beschwerdeführer bereits im Zeitpunkt der Auszahlung der Löhne dafür hätte sorgen müssen, dass bei Fälligkeit der Lohnsteuer, also am 15. des jeweiligen Folgemonats, ausreichend liquide Mittel vorhanden sein würden, um die Lohnsteuer für die ausbezahlten Löhne an das Finanzamt überweisen zu können. Dass der Beschwerdeführer diesbezüglich nicht die entsprechenden Vorkehrungen getroffen hat, stellt eine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten dar.

Von einer Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten ist daher insgesamt hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Abgaben auszugehen.

3.1.5. Verschulden

Nach ständiger Rechtsprechung hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war (; ; ; vgl. Ritz, BAO6, § 9 Tz 22).

Als schuldhaft im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO gilt jede Form des Verschuldens. Leichte Fahrlässigkeit genügt.

Dass der Beschwerdeführer seine abgabenrechtlichen Pflichten, nämlich die pünktliche und vollständige Entrichtung bzw. Abfuhr der Abgabenverbindlichkeiten der Primärschuldnerin aus deren vorhandenen Mitteln, schuldhaft verletzt hat, wurde bereits dargelegt.

Wenn der Beschwerdeführer darauf hinweist, dass Lohnabgaben erst im Zuge einer Lohnsteuerprüfung festgesetzt worden sind, ist darauf hinzuweisen, dass der Zeitpunkt ausschlaggebend ist, wann die Abgabe bei richtiger Berechnung fällig gewesen wäre. Im Rahmen der Lohnsteuerprüfung wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer ein Fahrzeug der Primärschuldnerin für private Zwecke verwendet hat. Dieser geldwerte Vorteil aus einem Dienstverhältnis ist der Lohnsteuer zu unterziehen, es sind Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag zu entrichten. Wenn die beschwerdeführende Partei in diesem Zusammenhang vorbringt, dass das Einkommen- und Lohnsteuerthema selbst für Fachleute nicht mehr durchblickbar sei, mag dies sein persönlicher Eindruck sein, der jedoch mit der Realität nichts zu tun hat. Es wurde nicht behauptet, dass dem Steuerberater bekannt gegeben worden ist, dass der Beschwerdeführer ein Fahrzeug der Primärschuldnerin privat nutzt und dieser habe die Lohnsteuer nicht richtig berechnet (vgl. Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung).

3.1.6. Kausalzusammenhang

Die Pflichtverletzung muss ursächlich für die Uneinbringlichkeit sein (). Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war ().

3.1.7. Ermessen

Die Heranziehung zur Haftung gemäß § 224 BAO ist in das Ermessen (§ 20) der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist (; vgl. Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren³, § 224 Anm. 11).

Unter Billigkeit versteht die ständige Rechtsprechung die "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei", unter Zweckmäßigkeit das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben (Ritz, BAO6, § 20 Tz 7).

Vom Beschwerdeführer wurde vorgebracht, dass er eine Pension beziehe und die Verbindlichkeiten so hoch seien, dass in absehbarer Zeit nicht einmal eine annähernde Regulierung stattfinden könnte. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf die Haftung nicht nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte und des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden, sondern auch darüber hinaus. Eine Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen steht in keinem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (). Eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit schließt nicht aus, dass künftig erzielte Einkünfte oder künftig neu hervorgekommenes Vermögen zur Einbringlichkeit der Haftungsschuld führen. Der Beschwerdeführer bezieht Pensionseinkünfte der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen, die über dem Existenzminimum liegen und ist 72 Jahre alt, sodass mit der Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben noch zu rechnen ist.

In seinem Erkenntnis vom , Ra 2023/13/0050, hat der Verwaltungsgerichtshof Folgendes ausgesprochen: "Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder dem Hervorkommen der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf. Ein solcher Umstand kann jedoch auch lediglich einer von mehreren Gesichtspunkten sein, die im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen sind. Inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung findet, hängt vom Einzelfall ab (vgl. etwa ). Eine Ermessensüberschreitung oder ein Ermessensmissbrauch liegt dann vor, wenn ein solcher Umstand bei der Ermessensentscheidung überhaupt nicht berücksichtigt wird (vgl. , mwN)."
Gegenständlich stand jeweils mit der rechtskräftigen Bestätigung des Sanierungsplanes ( bzw. ) fest, dass die aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin nur mehr im Ausmaß von 20 % bzw. 25 % einbringlich sein würden. Die Haftung für 80 % bzw. 75 % der Abgabenverbindlichkeiten machte das Finanzamt mit Haftungsbescheid vom geltend. Zwischen Hervorkommen der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits lagen somit etwa drei Jahre bzw. weniger als ein Jahr. Nach ho. Ansicht kann in diesem Fall keine Rede von einem "langen Zeitabstand" sein, sodass unter diesem Aspekt eine Minderung der Haftungsschuld einer Ermessensüberschreitung gleichkäme.

Da der Abgabenausfall auf ein Verschulden des Beschwerdeführers zurückzuführen ist, ist den Zweckmäßigkeitsgründen der Vorrang einzuräumen. In Hinblick auf die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin ist die Geltendmachung der Haftung die einzige Möglichkeit, für die Einbringlichkeit der gegenständlichen Abgaben zu sorgen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall sind die zu klärenden Rechtsfragen durch die zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einheitlich entschieden, sodass eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise








ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5101024.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at