TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.10.2023, RV/2100119/2023

Wiedereinsetzung nach Übersehen der Zustellung in die Databox

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache

***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch N & N Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Schubertstraße 68, 8010 Graz,

über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom , betreffend Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung gem. § 308 BAO wegen Versäumung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen die Bescheide betr. Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2011 - 2018 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Bisheriger Verfahrensgang

Der Bf. stellte am einen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem.
§ 308 BAO wegen Versäumung der Beschwerdefrist betr. Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2011 - 2018.

Begründet wurde der Antrag (auszugsweise) mit folgendem unabwendbaren Ereignis:

"Da die auf den Bescheiden 2011 bis 2018 (siehe Betreff) jeweils angekündigte Begründung bis zum bei der steuerlichen Vertretung des BF weder postalisch noch in der Databox einlangte, die zuständigen Mitarbeiter haben die Databox täglich in der laut Dienstanweisung vorgegebenen Zeit (07:30 Uhr bis 08:30 Uhr) eingesehen und die jeweils in der Databox befindlichen Steuerbescheide, etc. ausgedruckt, wurde wie bereits erwähnt, am jeweils das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die im Betreff angeführten Bescheide eingebracht, um rechtzeitig vor dem (Zahlungsfrist) für die Abgaben 2011 bis 2018 einen Aussetzungsantrag einbringen zu können.

Am , nach Erhalt der Begründungen und Abweisung der Beschwerden vom , hat die steuerliche Vertretung des BF die Databox für den Zeitraum bis einschließlich abermals abgerufen und auch in die elektronischen Steuerakte 2011 bis 2018 im Finanzonline System Einsicht genommen.

Die Einsichtnahme in die Databox und in die elektronischen Steuerakte am hat ergeben, dass im gesamten Zeitraum bis einschließlich die Begründungen vom zu den im Betreff angeführten Bescheiden vom nicht aufschienen und sind die angesprochenen Begründungen auch nicht in den elektronischen Steuerakten 2011 bis 2018 aufscheinend und ersichtlich, dies übrigens bis dato ().

Dem BF bzw. dessen steuerlicher Vertretung ist aus diesem Grunde jede Möglichkeit entzogen zu überprüfen, ob wie von der belangten Behörde behauptet, die Begründungen vom am tatsächlich in der Databox aufgeschienen sind oder nicht.

Wie sich im bisherigen Verfahren herausstellte, löscht das Bundesrechenzentrum (auf welcher Rechtsgrundlage der BAO basierend konnte weder das Finanzamt Österreich noch das BFG, Außenstelle Graz, bekanntgeben) nach 6 Wochen den Inhalt der Databox.

Die Dienstanweisung vom der steuerlichen Vertretung des BF, aus der eindeutig hervorgeht, dass die für Abrufe der Databox zuständigen Mitarbeiter die Databox täglich ausschließlich im Zeitraum 07:30 Uhr bis 08:30 Uhr abrufen dürfen (diese Dienstanweisung ist beiliegend) bestätigt nicht nur der Inhalt dieser Dienstanweisung sondern auch das tatsächliche Verhalten in der Kanzlei der steuerlichen Vertretung des BF, welches zur Gänze mit den Anordnungen der Dienstanweisung übereinstimmt, dass es ein professionelles Kontrollsystem bei der steuerlichen Vertretung des BF gibt."

Die steuerliche Vertretung treffe daher auch kein grobes Verschulden an der Versäumnis der Frist, weil sie der Rechtsauffassung war, dass am der Lauf der Rechtsmittelfrist noch gar nicht in Gang gesetzt war.

Ein Verschulden der Kanzleiangestellten sei nicht schädlich. Den Vertreter selbst treffe keine Schuld, weil er die Kanzlei so eingerichtet habe, dass ein elektronisches Posteingangsbuch geführt, die FinanzOnline-Databox täglich abgerufen und ein Fristenvormerk (händisches Fristenverzeichnis) geführt werde, wobei er dies auch überwache.

"Am (Freitag) und (Montag) waren keine Fristen einzutragen und scheinen diese Tage demzufolge nicht im Fristenverzeichnis auf.

Im Unterschied zum Posteingangsbuch (ebenfalls für den Zeitraum bis einschließlich beiliegend) werden in der Fristenliste nur die zu erledigenden Fristen eingetragen, im Posteingangsbuch alle Posteingänge desjeweiligen Tages, unabhängig davon, ob diese Fristen auslösen oder nicht. (Posteingangsbuch bis - 1 Seite beiliegend)

Im Fristenverzeichnis gibt aber am einen Hinweis, dass ob der noch nicht eingelangten Begründungen zu den im Betreff angeführten Bescheiden vom noch keine Rechtsmittelfrist eingetragen ist, da die Rechtsmittelfrist mangels Begründungseingang am noch nicht in Lauf gesetzt war."

Der Wiedereinsetzungsantrag gem. § 308 BAO sei rechtzeitig gestellt worden, weil dem stV die Versäumnis der Frist erst durch den eingelangt am bekannt geworden sei und der Antrag folglich innerhalb der 3-Monats-Frist gestellt worden sei.

Hinsichtlich der Bescheide Einkommen- und Umsatzsteuer 2011 - 2018 hält das Finanzamt im Vorlagebericht fest:

"Die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers (Bf.) hat am einen Antrag gestellt, die vorläufig veranlagten Bescheide mögen nunmehr endgültig erlassen werden. Nach Durchführung von Ermittlungen wurden die endgültig ausgefertigten Bescheide am erlassen und am selben Tag in die Databox der steuerlichen Vertretung zugestellt. Bei diesen Bescheiden wurde festgestellt, dass es sich bei der erklärten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung um steuerliche Liebhaberei gem. § 1 Abs. 2 LVO handelt. Die Bescheide enthalten die Ankündigung, dass eine gesonderte Begründung erfolgen wird.

Am wurde die gesonderte Bescheidbegründung ausgefertigt und enthält die Information, dass sich diese Begründung auf die Bescheide Einkommen- und Umsatzsteuer 2011 - 2020 jeweils vom bezieht. Diese Bescheidbegründung wurde am selben Tag, also am , in die Databox des steuerlichen Vertreters zugestellt. Der steuerliche Vertreter verfügt über eine aufrechte Zustellvollmacht.

Gegen die Bescheide der Jahre 2011 - 2018 (gegen die Bescheide 2019 und 2020 wurde keine Beschwerde erhoben) wurde via Fax am das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht. Es wurde vorgebracht, dass die separate Bescheidbegründung nicht zugestellt worden sei.

Die Verspätung der Beschwerde wurde dem Bf. mit Schreiben vom im Wege des Parteiengehörs vorgehalten und wurde ihr somit Gelegenheit gegeben, entsprechende Einwendungen vorzubringen, von welchem Recht sie auch Gebrauch gemacht hat. Konkret wurde im Vorhalt festgehalten, dass nach internen Datenbankabfragen festgestellt wurde, dass die gegenständliche Bescheidbegründung (wurde dem Vorhalt beigelegt) am in die Databox der steuerlichen Vertretung übergeben wurde. Dieser Vorhalt wurde, ebenso wie bereits davor die gesonderte Bescheidbegründung, in die elektronische Databox der steuerlichen Vertretung zugestellt.

Im Antwortschreiben vom wurde von der steuerlichen Vertretung dargelegt, dass die angekündigte separate Bescheidbegründung erst am , als Beilage des Vorhaltes, eingelangt sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt Österreich die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen - die Zustellung der separaten Begründung der BVE erfolgte am .

Dagegen wurde am ein Vorlageantrag eingebracht. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die gesonderte Bescheidbegründung erst am zugestellt worden sei und deshalb die Beschwerdefrist erst ab diesem Datum in Lauf gesetzt wäre.

Das Bundesfinanzgericht hat mit Beschluss vom , RV/2100205/2022, die Beschwerde gem. § 260 Abs. 1 lit. b BAO als verspätet zurückgewiesen. Das BFG sah es als erwiesen an, dass die separate Bescheidbegründung am zugestellt wurde. Gegen diesen Beschluss wurde eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht - anhängig zur Zahl Ra 2022/15/0061."

Mit hat der VwGH die Revision zur Zahl Ra 2022/15/0061 zurückgewiesen.

Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom wurde der Antrag zurückgewiesen. Begründet wurde dies (auszugsweise) wie folgt:

"Der Wiedereinsetzungsantrag wird im konkreten Fall damit begründet, dass die separate Bescheidbegründung vom nicht an diesem Tag in die Databox des steuerlichen Vertreters zugestellt worden sei, sondern erst am . Aus Sicht des Wiedereinsetzungswerbers wurde die Beschwerdefrist daher erst mit in Lauf gesetzt und nicht mit . Der Antragsteller ist der Ansicht, dass die Beschwerdefrist, durch Einbringung der Beschwerde am , nicht versäumt wurde. Da eine Wiedereinsetzung in eine nicht versäumte Frist (aus Sicht des Antragstellers) ausgeschlossen ist, ist der Antrag vom zurückzuweisen.

Im Wiedereinsetzungsantrag wurde darüber hinaus nicht dargetan, auf Grund welchen Ereignisses der Antragsteller bzw. dessen steuerlicher Vertreter selber nicht in der Lage gewesen wäre, innerhalb der Beschwerdefrist eine Beschwerde oder einen Antrag auf Fristverlängerung beim Finanzamt einzubringen.

Da der Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen ist, erübrigt sich eine Auseinandersetzung hinsichtlich der Frage, ob die restlichen Voraussetzungen für einen Antrag auf Wiedereinsetzung gem. § 308 BAO vorliegen, wie beispielsweise ob dem Parteienvertreter ein grobes Auswahlverschulden, grobe Mängel der Kanzleiorganisation oder eine mangelhafte Überwachung und Kontrolle anzulasten seien. Insofern ist auch der Antrag auf Zeugeneinvernahme obsolet und wird dieser hiermit abgewiesen.

Abschließend wird noch festgehalten, dass entgegen dem Antrag vom , die Bescheide Einkommen- und Umsatzsteuer 2011 - 2018 jeweils vom nicht am eingelangt sind wie im Betreff des Antrages auf Wiedereinsetzung behauptet wird, sondern sie wurden in die Databox des steuerlichen Vertreters am zugestellt. Laut Auswertung der IT-Abteilung des BMF wurden die Bescheide am nächsten Tag, also am , gelesen.

Weiters wird festgestellt, dass entgegen dem Antrag vom das Ergänzungsansuchen vom des Finanzamtes Österreich nicht via RSb Brief zugestellt wurde, sondern auf elektronischen Wege in die Databox des steuerlichen Vertreters. Die Zustellung erfolgte in der gleichen Art und Weise wie auch die in Rede stehende gesonderte Bescheidbegründung vom ."

In der dagegen eingereichten Beschwerde vom beantragte der Bf. gem. § 262 BAO keine Beschwerdevorentscheidung auszufertigen und eine mündliche Verhandlung abzuhalten.

Das Finanzamt verkenne die Rechtslage und der Zurückweisungsbescheid sei nicht ordnungsgemäß begründet.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am wurden die steuerlichen Vertreter (zur Verhandlung sind zwei Vertreter der Kanzlei erschienen) zum unabwendbaren Ereignis befragt. Sie wiederholten das bisherige Vorbringen, die Bescheidbegründung tatsächlich nicht erhalten zu haben. im Zuge der Erledigung der Beschwerde sei ihnen die Begründung zugesandt und gleichzeitig bekanntgegeben worden, dass diese am in die Databox eingelangt sein solle. Zu dem Zeitpunkt sei die Begründung nicht mehr in der Databox ersichtlich gewesen. Laut internen Recherchen habe kein Mitarbeiter die Bescheidbegründung abgerufen.

Nähme man an, so der steuerliche Vertreter, dass eine der verlässlichen Mitarbeiterinnen dies übersehen hätte, so wäre eine Wiedereinsetzung gerechtfertigt, weil die Kanzlei über entsprechende Dienstanweisungen und ein ordnungsgemäßes Kontrollsystem verfügen. Dies sei auch dokumentiert und die genauen Dienstanweisungen, Posteingangsbuch und die allgemeinen Fristen- u. Erledigungsliste vorgelegt worden, was aber vom Finanzamt nicht gewürdigt worden sei.

Das Finanzamt wiederholte die Argumentation in den Bescheiden. Zur Sorgfalt des Bf. merkte das Finanzamt an, dass laut Antrag die Begründung via RSb eingelangt sei, tatsächlich sei sie aber in die Databox zugestellt worden. Auch hins. der Bescheide 2011-2018 wurde als Eingang der angeführt, obwohl die Zustellung in die Databox am erfolgt sei.

Der steuerliche Vertreter verwehrte sich dagegen. Er sei nicht verpflichtet, das Einlangensdatum in der Beschwerde oder einem Antrag anzuführen.

Da er keine Kenntnis von der Bescheidbegründung hatte, könne es denklogisch nur ein EDV-Fehler oder ein Fehler der zuständigen Mitarbeiter gewesen sein.

Der steuerliche Vertreter beantragte weiters, die Mitarbeiterin ***1*** als Zeugin zu befragen, so wie er es in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung angegeben habe.

Im entspr. Antrag heißt es dazu wörtlich:

"Frau ***1*** soll konkret zu den organisatorischen Abläufen und Kontrollmechanismen, die bei der ***StB***. im Zusammenhang mit den täglich (Montag bis Freitag einer Kalenderwoche) in der Zeit von 07:30 bis 08:30 Uhr bei der N & N in deren Kanzleiräumlichkeiten ***Straße*** von der Kanzleileiterin Frau ***1*** und deren Stellvertreterin durchgeführten Datenabfragen aus der Databox, zur Anwendung gelangen, befragt werden.

Frau ***1*** soll nicht nur zu den dienstrechtlichen Vorgaben im Zusammenhang mit den täglichen Databoxabfragen in der Zeit von 07:30 bis 08:30 Uhr befragt werden, sondern auch im Zusammenhang mit der Thematik wie bei der steuerlichen Vertretung des BF der Posteingang und das Fristenverzeichnis täglich erfasst und geführt werden.

Insbesondere dient die Befragung der Zeugin Frau ***1*** dazu, zu dokumentieren und zu bestätigen, dass die steuerliche Vertretung des BF durch Dienstanweisungen und Kontrollmechanismen in ihrer Kanzlei gewährleistet, dass die berufsrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben und Bestimmungen in jeder Hinsicht, insbesondere aber auch im Zusammenhang mit der Erfassung des Posteinganges und der Evidenzhaltung von Fristen, streng eingehalten werden."

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Laut (Zurückweisung der dagegen eingebrachten Revision durch ) steht fest:

"Mit an den Bf zu Handen seines steuerlichen Vertreters gerichteten Bescheiden, die mit datiert sind und am in der FinanzOnline-Databox des steuerlichen Vertreters des Bf einlangten, setzte das Finanzamt die Einkommensteuer und die Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2018 fest. In diesen Bescheiden, die vom Finanzamt über die elektronische Plattform "Abgabeninformationssystem (AIS)/Direktbearbeitung" versendet wurden, heißt es zur Begründung jeweils wörtlich wie folgt: "Die (zusätzliche) Begründung zu diesem Bescheid geht Ihnen gesondert zu."

Die gesonderte Bescheidbegründung, die mit datiert ist und vom Finanzamt über die elektronische Plattform "Grunddatenverwaltung (GDV)" versendet wurde (Zeitpunkt der elektronischen Signatur: , 07:13:53 Uhr), langte am um 07:14:30 Uhr in der FinanzOnline-Databox des steuerlichen Vertreters des Bf ein.

Am brachte der steuerliche Vertreter des Bf per Fax Beschwerde ein."

Der Beweiswürdigung ist dazu weiters zu entnehmen, dass die in Rede stehende Bescheidbegründung am um 09:36:15 Uhr vom stV in der FinanzOnline-Databox abgerufen wurde.

Ein technisches bzw. elektronisches Gebrechen ist im o.a. Beschwerdeverfahren vom steuerlichen Vertreter nicht behauptet worden.

Wegen Versäumnis der Beschwerdefrist brachte der Bf. am einen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 308 BAO ein.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Rechtslage

§ 308 BAO:

"(1) Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde (Abgabenbehörde oder Verwaltungsgericht), bei der die Frist wahrzunehmen war bzw. bei der die Verhandlung stattfinden sollte, eingebracht werden. Bei Versäumnis einer Beschwerdefrist (§ 245) oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 264) gilt § 249 Abs. 1 dritter Satz sinngemäß. Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen."

2.2. Wiedereinsetzung

Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung gem. § 308 BAO sind (vgl. Ritz/Koran, BAO7
§ 308 Rz 2):

  1. die Versäumnis einer Frist

  2. ein hiedurch entstandener Rechtsnachteil

  3. ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis

  4. kein grobes Verschulden

  5. ein rechtzeitiger Antrag.

Im Beschwerdefall wurde die Frist zur Einbringung der Beschwerde um zwei Tage versäumt (Die einmonatige Beschwerdefrist begann mit Einlangen der Begründung am in der FinanzOnline-Databox des steuerlichen Vertreters des Bf. Die Frist endete - da der und der auf einen Samstag und einen Sonntag fielen bzw gesetzliche Feiertage waren (Christtag, Stefanitag) - mit Ablauf des ; vgl § 108 Abs 2 und 3 BAO). Daraus ist dem Bf. der Rechtsnachteil entstanden, dass das Finanzamt seine Entscheidung nicht im Rahmen der Beschwerde nochmals überprüft hat.

Bleibt zu prüfen, welches unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis zur Versäumung der Frist geführt hat bzw. ob den Bf. daran ein grobes Verschulden trifft und ob der Antrag rechtzeitig gestellt wurde.

2.3. Unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis

Die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist stecken den Rahmen für die Untersuchung der Frage ab, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist (; ; vgl. auch , m.w.N., und Ritz, BAO6, § 308 Tz 20).

Im Antrag wird das Ereignis unklar umschrieben (siehe die wörtliche Wiedergabe im Verfahrensgang).

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärte der steuerliche Vertreter, das unabwendbare Ereignis sei gewesen, dass die steuerliche Vertretung die Bescheidbegründung tatsächlich nicht erhalten habe und auf das Einlangen derselben gewartet habe. Wie im Antrag beschrieben, gäbe es genaue Dienstanweisungen. Auch im Posteingangsbuch und in der allgemeinen Fristen- u. Erledigungsliste scheine die Bescheidbegründung nicht auf.

Ob dies durch einen Fehler der EDV oder einen Fehler eine Mitarbeiterin geschehen sei, könne nicht ermittelt werden. Eine andere Möglichkeit gäbe es jedenfalls nicht. Nimmt man an, dass es ein Verschulden einer Mitarbeiterin gäbe, so sei dies aufgrund der genauen Dienstanweisungen unerheblich.

In Hinblick darauf, dass das BFG festgestellt hat, dass die Bescheidbegründung tatsächlich zugestellt wurde, kann man das unabwendbare Ereignis nur als "die Unkenntnis vom Einlangen der Bescheidbegründung" verstehen.

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist Ereignis im Sinne des § 308 Abs. 1 BAO jedes Geschehen, daher auch ein "Vergessen" oder ein "schlichtes Übersehen" (). Da dem steuerlichen Vertreter der Umstand der Zustellung und des Lesens seiner Darstellung im Antrag auf Wiedereinsetzung zufolge unbekannt war, kann das Ereignis denklogisch nur ein Übersehen des Einlangens sein.

Der steuerliche Vertreter hat zwar (in Zusammenhang mit dem Verschulden) die Dienstanweisungen in seiner Kanzlei ausführlich dargestellt, nicht jedoch dargetan, welcher unglückliche Umstand zu diesem Versehen (Übersehen) geführt haben könnte (tatsächlich ging er davon aus, dass ihm die Begründung erst iZH mit seiner verspäteten Beschwerde zugegangen ist, was er auch in seiner Revision beim VwGH vorgebracht hat).

§ 308 BAO fordert jedoch nicht nur ein bloßes Ereignis, sondern ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis. Ein bloßes "Vergessen" oder ein "schlichtes Übersehen" ohne das Hinzutreten besonderer, hiefür ausschlaggebender Umstände stellt kein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 308 Abs. 1 BAO dar und vermag somit die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu begründen (vgl. abermals ).

Legt ein Bf, dem das Verschulden seines Steuerberaters gleichzusetzen ist, nicht dar, worin das unvorhergesehene bzw unabwendbare Ereignis gelegen sein soll, welches ihn an der Wahrnehmung einer Frist gehindert habe, sondern äußert er diesbezüglich nur eine Vermutung (laut Angaben der stV in der mündlichen Verhandlung muss es ein Fehler der EDV oder der eines Mitarbeiters gewesen sein), so ist der als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemachte Sachverhalt nicht bescheinigt, weswegen schon aus diesem Grund einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattzugeben ist ().

2.4. Rechtzeitiger Antrag

Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde (Abgabenbehörde oder Verwaltungsgericht), bei der die Frist wahrzunehmen war bzw. bei der die Verhandlung stattfinden sollte, eingebracht werden.

Nach der Rechtsprechung des OGH zu § 146 ZPO, an welche Bestimmung jene des § 308 BAO nach der Absicht des Gesetzgebers im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsordnung angepasst werden sollte (108 BlgNR 17. GP 45), beginnt der Lauf der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages nicht erst mit der Aufklärung des Irrtums, sondern bereits mit seiner möglichen Aufklärung. Diese Frist wird aber nur dann in Lauf gesetzt, wenn die mögliche Aufklärung nicht nur wegen eines minderen Grades des Versehens unterblieben ist; es darf nämlich bei der Beurteilung dieser Frage kein strengerer Maßstab angelegt werden als bei der Versäumung der Frist selbst (vgl. RIS-Justiz RS0036608). Ist die Prozesshandlung durch einen Irrtum versäumt worden, beginnt die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand also mit dessen möglicher Aufklärung, sofern diese durch auffallende Sorglosigkeit unterblieben ist ( unter Hinweis auf RIS-Justiz RS0036742; z.B. ). Auf diese Rechtsprechung verweist auch der VfGH (vgl. z.B. u.a., mwN).

Mit Vorhalt des Finanzamtes zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde (Schreiben des FA vom , eingelangt am ) wurde dem Bf. auch die Bescheidbegründung nochmals zugesandt (so auch im Antrag des stV). Ab diesem Zeitpunkt war es möglich, den Irrtum aufzuklären, auch wenn die Richtigkeit der Zustellung noch nicht letztinstanzlich festgestellt wurde.

Im Sinne der o.a. Rechtsprechung beginnt die Frist daher am . Der Antrag vom wurde somit nicht innerhalb der Frist von 3 Monaten gestellt, weshalb der Antrag verspätet war.

2.5. Zusammenfassung

Verspätete oder unzulässige Wiedereinsetzungsanträge sind zurückzuweisen, während Wiedereinsetzungsanträge abzuweisen sind, wenn die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nicht gegeben sind (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 Rz 638).

Da die Frage der Rechtzeitigkeit ebenso wie die der Rechtmäßigkeit von der Prüfung des "unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses" abhängen, sind sie schwer voneinander zu trennen.

Im Beschwerdefall war der Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen, weil er verspätet eingebracht wurde (vgl hier 2.4.) und abzuweisen, weil die Voraussetzung eines unvorhersehbaren oder unabwendbaren Ereignisses nicht gegeben ist.

Insgesamt ist der Antrag in der logischen zeitliche Abfolge der Prüfung bereits verspätet eingebracht (siehe hier 2.4.), weshalb er insgesamt zurückzuweisen war. Eine weitere inhaltliche Überprüfung, die ggf. zu einer Abweisung führen könnte, erübrigt sich daher.

Der Spruch des Finanzamtes erweist sich damit als richtig, weshalb die hier anhängige Beschwerde - wie im Spruch ersichtlich - als unbegründet abzuweisen war.

2.6. Beantragte Zeugin

Von der Aufnahme beantragter Beweise ist gem. § 183 Abs 3 BAO abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt werden oder unerheblich sind.

Das Bundesfinanzgericht hat keinen Zweifel daran, dass die Dienstanweisungen in der Kanzlei auch eingehalten werden. Von der Befragung der Zeugin konnte daher abgesehen werden, weil die zu bezeugenden Tatsachen als richtig anerkannt werden.

2.7. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall wurde keine Rechtsfrage aufgeworfen, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des VwGH gelöst wäre.

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 308 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100119.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at