Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.10.2023, RV/7103050/2023

Nachsicht: Das dem Nachsichtsansuchen zugrundeliegende Leistungsgebot ist nicht an den Antragsteller ergangen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1*** und ***Bf2***, beide ***Bf-Adr***, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Georg Haunschmidt, Stadiongasse 6-8, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

  • Aus Anlass der Beschwerde wird der Spruch des angefochtenen Bescheides geändert, der nunmehr wie folgt lautet:

  • "Das Nachsichtsansuchen vom wird als unzulässig eingebracht zurückgewiesen."

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Eingabe vom brachten die nunmehrigen Beschwerdeführer ***Bf1*** und ***Bf2*** ein Nachsichtsansuchen betreffend Abgabenschulden in Höhe von insgesamt € 45.557,69 ein.

Diese Schuld betreffe ***V***, der am ***Datum1*** verstorben sei. Erben seien seine Töchter ***Bf2 und A*** gewesen, die eine bedingte Erbserklärung abgegeben hätten. ***Bf1*** wäre als Lebensgefährtin des Verstorben nicht erbberechtigt gewesen. Die Einantwortung sei am erfolgt, laut berichtigtem Inventarprotokoll hätten die Aktiven € 1,248.889,61 und die Passiven € 1.076.470,02 betragen, was einen Überschuss von € 172.419,59 bedeuten würde. Unberücksichtigt geblieben seien weitere Passiven in der Höhe von insgesamt € 317.900,11 (Anm. BFG: Diese Liste wird mangels Entscheidungsrelevanz nicht wiedergegeben).

Da die Verlassenschaft überschuldet sei, könne der Betrag an Abgabenschulden in Höhe von € 45.577,69 nicht vom Finanzamt gefordert werden.

Nach Abzug dieser Verbindlichkeiten wäre die Verlassenschaft mit € 145.480,52 überschuldet. Weiters seien Rückzahlungen an den ehemaligen Steuerberater des Verstorbenen in Höhe von € 56.999,76 zu Unrecht erfolgt, da die Vollmacht mit dem Ableben ***V*** erloschen sei.

Am ***Datum5*** ***A*** verstorben. Erben seien ihre Mutter ***Bf1*** und ihre Schwester ***Bf2*** gewesen.

Die Einhebung der Abgabenschuld sei aus persönlichen Gründen unbillig.

Die in dieser Sache geforderte Abgabenschuld habe beim verstorbenen Lebensgefährten bzw. Vater der Antragstellerinnen, welcher ein überdurchschnittliches Einkommen erzielt habe, bestanden. Die von der Behörde vorgeschriebene Abgabenschuld sei aufgrund der Tode der zwei nächsten Angehörigen auf die Antragstellerinnen gefallen.

Der von der Behörde geforderte Betrag in Höhe von EUR 45.557,69 übersteige die finanziellen Möglichkeiten der Antragstellerinnen enorm und würde sie somit in eine existenzgefährdende, wirtschaftliche Notlage bringen.

Die Einhebung der Abgabenschuld sei auch sachlich unbillig.

Der Tod und der daraus folgende Erbanfall des überdurchschnittlich verdienenden Lebensgefährten und Vaters sei ein solches Geschehen. Die Abgabenschuld werde nun dennoch von den Antragstellerinnen eingehoben, obwohl die Verlassenschaft, wie oben ausgeführt, weit überschuldet sei. Durch diesen außergewöhnlichen Geschehensablauf, auf welchen die Antragstellerinnen keinen Einfluss nehmen hätten können, sei für sie eine anormale Belastungswirkung erzeugt worden.

Hinsichtlich der Erstantragstellerin ***Bf1*** könne ein Ergebnis, nachdem eine, ihre Abgaben immer den Gesetzen entsprechend abführende, Abgabenpflichtige mit einer Abgabenschuld in einer solchen Höhe konfrontiert werde, ohne ein entsprechendes Vermögen zu besitzen, nicht vom Gesetzgeber beabsichtigt sein.

Hinsichtlich der Zweitantragsteilerin erscheine das Ergebnis, dass eine zum Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld Minderjährige nun für diese Schuld aufkommen solle, ohne entsprechende Vermögenswerte zu besitzen, genauso als vom Gesetzgeber sicherlich nicht beabsichtigt.

Die Einhebung der Abgabenschuld von den Antragstellerinnen sei persönlich und sachlich unbillig. Es werde beantragt, von der Einhebung gänzlich abzusehen.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde das Nachsichtsansuchen ab.

Im Wesentlichen wurde nach Zitierung des § 236 BAO und der Judikatur des VwGH zur Nachsicht ausgeführt, dass die Antragstellerinnen bei ihrem Vorbringen, der von der Behörde geforderte Betrag iHv € 45.557,69 übersteige die finanziellen Möglichkeiten der Antragstellerinnen enorm und würde sie somit in eine exitenzgefährdende wirtschaftliche Notlage bringen, es jeweils unterlassen hätten, konkretes Zahlenmaterial darüber vorzulegen, wie hoch ihre Gesamtschulden seien, wie hoch ihr monatliches Einkommen sei, welche Ausgaben sie mit diesem Einkommen zu befriedigen hätten bzw. über welche Vermögenswerte sie verfügen würden. Legten jedoch die Antragstellerinnen jene Umstände nicht dar, aus denen sich die Unbilligkeit der Einhebung ergebe, so sei es allein schon aus diesem Grund ausgeschlossen, eine Abgabennachsicht zu gewähren (z.B. ). Das Vorbringen als Anhaltspunkt für die wirtschaftliche Lage der Antragstellerinnen sei nicht geeignet, einen eine Nachsicht rechtfertigenden Grund darzustellen, zumal auch nicht vorgebracht worden sei, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich seien, so etwa wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögen möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme.

Auch liege keine sachliche Unbilligkeit vor.

Gemäß § 19 BAO gingen bei der Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Gesamtrechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gälten dabei die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.

Der Gesetzgeber beabsichtige mit dieser Bestimmung, den ursprünglichen Abgabenanspruch gegenüber dem Gesamtrechtsnachfolger durchzusetzen.

Dass die Antragstellerinnen mit einer solchen Abgabennachforderung nicht rechnen hätten können, vermöge am Willen des Gesetzgebers den Abgabenanspruch gegenüber dem Gesamtrechtsnachfolger durchzusetzen, nichts zu ändern.

Der Abgabenanspruch bestehe jedoch zu Recht und sei gegen die Gesamtrechtsnachfolger zu richten. Die steuerliche Beurteilung sei Folge der Anwendung genereller Normen, die für alle gleichermaßen gelten würden. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner Judikatur wiederholt ausgeführt, dass eine Unbilligkeit nicht vorliege, wenn sie ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen sei (; 0151).

Würde man der Argumentation der Antragstellerinnen folgen, dann wäre eine Haftung (Inanspruchnahme) bei Abgabe einer bedingten Erbantrittserklärung ausgeschlossen.

Richtig sei, dass im Falle, dass ein Erbe durch Abgaben, die letztlich auf die Aktivitäten des Erblassers zurückzuführen seien, derart belastet werde, dass diese das im Erbweg erworbene Vermögen übersteigen, dies unter Umständen die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung begründen könne (vgl ). Allerdings werde damit zum Ausdruck gebracht, dass nur im Falle des Übersteigens des Reinnachlasses eine Unbilligkeit vorliege, was im gegenständlichen Fall bisher nicht bewiesen werden hätte können (siehe Zurückweisungsbescheid betreffend des Antrags auf Abschreibung der Abgabenschuldigkeiten vom ().

Die Beurteilung, ob eine Unbilligkeit vorliege, sei keine Ermessensfrage (), sondern die Auslegung eines unbestimmten Gesetzesbegriffes (, , 94/13/0047, 0049, 0050). Seien alle Nachsichtsvoraussetzungen gegeben, so liege die Bewilligung der Nachsicht im Ermessen der Abgabenbehörde (), wobei sich dieses an den Ermessenskriterien des § 20 BAO (Zweckmäßigkeit und Billigkeit) zu orientieren habe.

Da die gemäß § 236 Abs 1 BAO vorgesehene Voraussetzung, nämlich das Vorliegen einer Unbilligkeit der Einhebung nicht erkannt werden könne, sei der Antrag auf Nachsicht aus Rechtsgründen abzuweisen gewesen.

Mit Schriftsatz vom wurde durch den rechtsfreundlichen Vertreter der Beschwerdeführerinnen eine Beschwerde eingebracht und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Mit Eingabe vom wurde ein Vorlageantrag eingebracht.

Die Begründungen zur Beschwerde, BVE und dem Vorlageantrag werden mangels Entscheidungsrelevanz nicht wiedergegeben.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt:

Herr ***V***, geb. ***Datum2***, ist am ***Datum1*** verstorben. Sein Nachlass wurde den damals minderjährigen Töchtern ***Bf2***, geb. ***Datum3*** und ***A***, geb. ***Datum4***, aufgrund ihrer bedingt abgegeben Erbantrittserklärungen mit Beschluss vom eingeantwortet. Damit wurden die beiden minderjährigen Töchter zu Gesamtnachfolgern des Verstorbenen.

Nach dem Tod der minderjährigen Tochter ***A*** am ***Datum5*** wurde die Verlassenschaft nach Maßgabe des Erbteilungsübereinkommens vom unter Abgabe von bedingten Erbantrittserklärungen am an ihre Mutter ***Bf1*** und ihre minderjährige Schwester ***Bf2*** je zur Hälfte des Nachlasses eingeantwortet.

Der nunmehrige nachsichtsgegenständliche Abgabenrückstand ***V*** in Höhe von € 45.577,69 setzt sich wie folgt zusammen:


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U
2010
24.596,50
U
2011
9.772,33
U
1-8/2012
3.407,37
E
2010
3.830,00
E
2011
803,66
Zi
2010
124,70
Zi
2011
119,80
EZ
2014
885,44
EZ
2016
259,75
St
2014
711,89

SZA
2011
553,65
SZA
2012
263,60
SZA
2014
114,93
SZA
2016
76,60
SZC
2013
57,47

Am ergingen zur Umsatzsteuer 2010, 2011 und 1-8/2012 Beschwerdevorentscheidungen.

Die Adressierung der im Jahr 2013 erlassenen Bescheide lautet:

"Erbe nach ***V*** z.H. ***Stb***,..", und

bei den ab 2014 erlassenen Bescheiden:

"***Bf1***. als Erbe n. ***V***
z.H. ***Stb2***, (Adresse)"

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt

a) bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder Auferlegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung;

b) bei mündlichen Erledigungen durch deren Verkündung.

Im Abgabenverfahren ist bei jeder Verfahrenshandlung zu prüfen, ob sie an die richtige Person (Abgabepflichtiger) gerichtet ist, da andernfalls die Abgabenbescheide keine Wirkung zu erzielen vermögen und diesbezüglich fehlerhafte Bescheide nur durch neu zu erlassende Bescheide saniert werden können.

Nach dem Tod des Erblassers ist ein Bescheid über eine in dessen Person entstandene Abgabenschuld vor der Einantwortung an die Verlassenschaft, nach der Einantwortung an die Erben als Rechtsnachfolger zu richten (vgl. ).

Im Erkenntnis des wird ausgeführt:

"Bei natürlichen Personen hat die Bezeichnung des Bescheidadressaten durch Anführen seines Vor- und Zunamens zu erfolgen (Hinweis B , 97/16/0174, Ritz, BAO2, Tz 6 zu § 93, sowie Stoll, BAO I, 961). Eine Adressierung "an die Erben nach H.M.", somit ohne Angaben der Namen dieser Erben, reicht nicht aus. (…) Damit ist die angefochtene Erledigung jedoch jedenfalls insoweit, als sie sich an die nicht näher bezeichneten Erben nach H.M. richtet, ins Leere gegangen. Die angefochtene Erledigung hat daher gegenüber den Beschwerdeführern, welche sich in der Beschwerde als Erben nach H.M. bezeichnen, keine Rechtswirkung entfaltet."

Die Bescheide wurden nach Ergehen des Einanwortungsbeschlusses vom zur Verlassenschaft nach ***V*** und teilweise vor Beendigung der Verlassenschaft nach ***A*** erlassen.

Aus den an "Erbe nach ***V***" adressierten Bescheiden ist nicht erkennbar an wen sich diese richten.

Auch die an "***Bf1***. als Erbe n. ***V***" adressierten Bescheide können keine Rechtswirkung erlangen, da Frau ***Bf1*** keine direkte Erbin nach ***V*** war.

Somit ist den Bf. gegenüber mangels Vorliegens eines Leistungsgebotes keine Verpflichtung zur Entrichtung der genannten Abgabenschuldigkeiten entstanden, weshalb darüber in einem Nachsichtsverfahren gemäß § 236 BAO nicht abgesprochen werden kann.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist zu bemerken, dass den Bf. durch das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () zwar in seinem Verfahrensrecht verletzt wird. Auf Grund des zu beachtenden Gebotes der Verwaltungsökonomie (vgl. Ritz ÖStZ 1996, 70) wurde jedoch in Hinblick darauf, dass nach den vorstehenden Ausführungen ausgeschlossen werden kann, dass das BFG bei Vermeidung dieses Mangels (Durchführung einer mündlichen Verhandlung) zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

Zur Zustellung wird auf den Bescheid vom über die Vertreterbestellung nach § 81 BAO verwiesen.

1.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis weicht von der oben zitierten, ständigen und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103050.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at