Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin IBV in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Rückforderungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für das Kind K für die Monate Juni 2021 bis April 2022 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Rückforderungsbescheid wird hinsichtlich der Monate Juni 2021 und Juli 2021 ersatzlos aufgehoben.
Hinsichtlich der Monate August 2021 bis April 2022 bleibt der angefochtene Rückforderungsbescheid unverändert.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Am reichte die Beschwerdeführerin (kurz: Bf) eine Schulbesuchsbestätigung betreffend ihren Sohn K (K) für das Sommersemester 2020/21 beim Finanzamt (kurz: FA) ein.
In weiterer Folge gab die Bf, nach einer Erinnerung des FA vom zur Kontrolle des Datenblattes zur Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe und zur Vorlage des Reifeprüfungszeugnisses und Bekanntgabe der weiteren Tätigkeit von S, am bekannt, dass das Reifeprüfungszeugnis nicht vorgelegt werden könne, da noch drei Prüfungen abgelegt werden müssten. Aufgrund von COVID-19 seien sämtliche Prüfungen verschoben bzw abgesagt worden. Die Termine für die Prüfungen stünden noch nicht fest.
Mit Ergänzungsersuchen vom wurde die Bf vom FA aufgefordert, eine Bestätigung der Schule vorzulegen, dass die Prüfungen ihres Sohnes wegen COVID-19 verschoben werden hätten müssen und wann in etwa die Prüfungen stattfinden würden.
Am teilte die Bf dazu mit, dass die Prüfungsvereinbarung für den übermittelt werde. Prüfungsvereinbarungen würden vor der Prüfung ausgefüllt und unterschreiben werden. Bezüglich einer Bestätigung hätte der Vorstand noch nicht erreicht werden können.
Am übermittelte das FA der Bf ein weiteres Datenblatt zur Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe und forderte wiederum das Reifeprüfungszeugnis an.
Mit Erinnerung vom wurde der Bf nochmals das Datenblatt zur Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe übermittelt, welches am von der Bf unterzeichnet und samt einer Prüfungsvereinbarung für den retourniert wurde.
Am richtete das FA einen weiteren Schriftsatz an die Bf und ersuchte um Retournierung des beigelegten Datenblattes zur Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe und Vorlage eines Prüfungszeugnisses und Nachweises über die abgelegte Prüfung (auch negativ).
Am erfolgte eine Erinnerung der Bf.
Mit Vorhalt vom wurde die Bf vom FA ersucht, das Reifeprüfungszeugnis, eine Bestätigung der Schule mit Bekanntgabe, ob und zu welchem Termin S zur Reifeprüfung angetreten sei, sowie das letzte Jahreszeugnis vorzulegen.
Mit Bescheid vom forderte das FA sodann von der Bf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Sohn S für die Monate Juni 2021 bis April 2022 mit der Begründung zurück, dass die Bf trotz mehrmaliger Aufforderung entgegen ihrer Mitwirkungspflicht gemäß § 119 BAO das Reifeprüfungszeugnis, das letzte Jahreszeugnis und Bestätigung der Schule mit Bekanntgabe, zu welchen Terminen K zur Reifeprüfung angetreten sei, nicht vorgelegt habe.
Mit Schriftsatz vom brachte die Bf daraufhin Beschwerde ein und führte begründend aus, dass sie keine Schriftsätze vom FA bekommen habe und dass sich durch die Covid-Situation leider alles nach hinten verschoben habe; in der Abendform sei es extrem schwierig, die Professoren bezüglich eines Termins zu erreichen; oftmals seien die Professoren krankheitsbedingt wochen-, sogar monatelang nicht anwesend gewesen.
Die Bf erklärte, der Beschwerde eine aktuelle Schulbesuchsbestätigung und das Notengesamtübersichtsblatt beizulegen und merkte dazu an, dass noch zwei Prüfungen abgelegt werden müssten; die Termine für die Prüfungen würden, in der Hoffnung, dass die Professoren zu ihren Sprechstunden anwesend seien, vereinbart werden.
Mit Auskunftsersuchen vom wurden folgende Unterlagen angefordert: Reifeprüfungszeugnis, das letzte Jahreszeugnis und Bestätigung der Schule mit Bekanntgabe, zu welchen Terminen K zur Reifeprüfung angetreten sei. Der Beschwerde seien keine Unterlagen beigelegt gewesen.
Am reichte die Bf über FinanzOnline die in der Beschwerde erwähnten Beilagen nach.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom , zugestellt am , wurde die Beschwerde unter Hinweis auf § 115 BAO abgewiesen, da die Berufsausbildung des Kindes mangels Vorlage der angeforderten Unterlagen nicht nachgewiesen worden sei.
Die Bf brachte dagegen am einen Vorlageantrag über FinanzOnline ein und übermittelte Terminvereinbarungen samt Prüfungsprotokollen; es fehle noch eine letzte Prüfung; die Prüfungsvereinbarung für die letzte Prüfung werde erst am unterschrieben, da der zuständige Professor nur freitags Sprechstunde habe. Als Prüfungstermin sei der mündlich vereinbart worden. Die Prüfungsvereinbarung werde nachgereicht.
Am übermittelte die Bf via FinanzOnline das Prüfungsprotokoll vom .
Laut Aktenvermerk des FA vom wäre die HTL nach Angaben der Bf 2021 mit Matura abzuschließen gewesen, der letzte Prüfungsantritt habe am stattgefunden. Dieser Antritt sei negativ beurteilt worden. Laut Bf habe der Wiederholungstermin nicht rechtzeitig stattgefunden, da wegen Corona keine Prüfungen gewesen seien.
Am habe die Bf dem FA telefonisch mitgeteilt, dass der reguläre Maturatermin ihres Sohnes im Jahr 2021 stattgefunden habe. Im fraglichen Zeitraum habe ihr Sohn keine Unterrichtsstunden besucht. Er habe sich jedoch privat intensiv auf den Abschluss der Schulausbildung vorbereitet. Sie habe nicht gewusst, dass ein bestimmtes Ausmaß an Wochenstunden vorzuweisen sei bzw Prüfungen in angemessener Zeit absolviert werden müssten, um von einer ernsthaften und zielstrebig betriebenen Berufsausbildung auszugehen.
Mit Bericht vom legte das FA die Beschwerde der Bf dem Bundesfinanzgericht (kurz: BFG) mit dem Antrag auf Abweisung zur Entscheidung vor und hielt in der Stellungnahme ua Folgendes fest:
Zum Zeitpunkt des regulären Erstantritts zur Matura im Mai 2021 habe der Sohn nicht die notwendige Punkteanzahl erreicht. Um von einer ernstlichen und zielstrebigen Berufsausbildung auszugehen, hätte er zum nächstmöglichen Termin zu den Wiederholungsprüfungen antreten müssen. Aus den vorgelegten Unterlagen und der mündlichen Aussage der Bf gehe hervor, dass die Wiederholungsprüfungen im Zeitraum Jänner bis Mai 2023 erfolgt seien und damit jedenfalls deutlich nach dem ehestmöglichen Termin für den Wiederholungsantritt. Als Begründung habe die Bf angeführt, dass es auf Grund der Corona-Pandemie zu zeitlichen Verschiebungen der Antrittstermine gekommen sei und ein früherer Wiederholungstermin daher nicht möglich gewesen sei. Die Bf habe jedoch dahingehend keine Nachweise vorgelegt, obwohl sie dazu aufgefordert worden sei. Bei einem mehr als einjährigen Abstand zwischen Erstantritt zur Matura und den Wiederholungsterminen sei jedenfalls nicht davon auszugehen, dass die Ausbildung in der Zwischenzeit die volle Zeit des Kindes in Anspruch genommen habe. Auf Anfrage habe die Bf bestätigt, dass ihr Sohn im fraglichen Zeitraum keine Unterrichtsstunden besucht habe.
Am richtete das BFG ein Auskunftsverlangen gemäß § 143 BAO an ***1*** und ersuchte um die Beantwortung der nachstehenden Fragen und die Vorlage der angeführten Unterlagen:
1. Habe S konkret den 7-semestrigen Aufbaulehrgang berufsbegleitend in der Abendform besucht?
2. In welchem Monat bzw mit welchem Semester habe er diese Ausbildung begonnen?
3. Finde dieser Aufbaulehrgang in Form von Präsenzunterricht statt? Sei im Kalenderjahr 2021 Präsenzunterricht erfolgt oder habe es bedingt durch COVID-19 während dieses Kalenderjahres eine andere Form des Unterrichts gegeben?
4. In welchem Monat bzw am Ende welchen Semesters wäre der reguläre Abschluss mit der Reife- und Diplomprüfung der Höheren technischen Lehranstalt für S bei Berücksichtigung des Beginns seiner Ausbildung (Pkt 2) vorgesehen gewesen?
5. Sei S zum regulären Reife- und Diplomprüfungstermin angetreten? Wenn nein, wann seien jeweils mögliche Ersatztermine zum Antritt zur Reife- und Diplomprüfung gewesen?
6. Habe S bereits Matura-Teilprüfungen abgelegt? Wenn ja, werde um Vorlage des entsprechenden Zeugnisses in Ablichtung ersucht.
7. Sei S bereits zur Reife- und Diplomprüfung angetreten? Wenn ja, werde das Reife- und Diplomprüfungszeugnis in Ablichtung benötigt.
8. Es würden sämtliche Semesterzeugnisse von S in Ablichtung benötigt werden.
Die ***1*** Lehranstalt teilte dazu mit Schriftsatz vom Folgendes mit:
1. S habe Module des 8-semstrigen modularisierten Aufbaulehrganges in der berufsbegleitenden Abendform besucht.
2. Im September 2018 habe S erstmals Module gemäß der Einstufung in der Gruppe 3ABBT inskribiert.
3. Durchgehend auch während der COVID-Zeit habe Unterricht (meist in Form des Präsenzunterrichtes) stattgefunden. Es habe auch auf Grund von gesetzlichen Vorgaben ortsungebundenen Online-Unterricht gegeben.
4. Die abschließende mündliche Reife- und Diplomprüfung wäre für Ende Juni 2021 vorgesehen gewesen. Alle dafür notwendigen Teilprüfungen mit Präsentation seiner Diplomarbeit habe S positiv absolviert.
5. Da für einige wenige Pflicht-Module der positive Abschluss gefehlt habe, sei S im Juni 2021 zur abschließenden Prüfung nicht zugelassen worden. Auch für Ersatztermine im Jänner 2022 und Juni 2022, sowie im Jänner 2023 und Juni 2023 hätten die Voraussetzungen gefehlt und habe S nicht zugelassen werden dürfen.
6. Matura-Teilprüfungen aus Deutsch (Note 3, Angewandte Mathematik (Note 3) sowie die Diplomarbeit samt Präsentation seien positiv abgelegt worden.
Solange die Pflichtmodule seines Studiums noch nicht restlos positiv abgeschlossen gewesen seien, sei S als Studierender nach den Bestimmungen des SchUG-BKV geführt worden. Letztlich seien noch zwei Module (SSBB, SHB) unerledigt offen gewesen, die nun auch positiv abgelegt worden seien. S sei ab jetzt zum Antritt zur finalen abschließenden Prüfung berechtigt.
Mit Vorhalt vom wurde der Bf die Möglichkeit zur Stellungnahme zu dem vom BFG durchgeführten Auskunftsverfahren geboten und zusätzlich Folgendes festgehalten:
Laut den (nunmehr) dem BFG zur Verfügung stehenden Unterlagen sei der Sohn S wegen des Fehlens dreier Pflichtgegenstände nicht zum Antritt zur Reife- und Diplomprüfung im Juni 2021 zugelassen worden. Dabei handele es sich aus der Sicht des BFG um den Pflichtgegenstand Wirtschaft und Recht (WIR), 3 Wochenstunden, für das Semester 6ABBTW, 2019/20, den Pflichtgegenstand Statik und Stahlbetonbau (SSBB), 3 Wochenstunden, für das Semester 6ABBT, Sommersemester 2020, und den Pflichtgegenstand Stahl und Holzbau (SHB), 2 Wochenstunden, für das Semester 7 ABBTW.
Hinsichtlich des Moduls WIR liege als zeitlich früheste eine Prüfungsterminvereinbarung vom , hinsichtlich des Moduls SSBB eine früheste Terminvereinbarung vom und hinsichtlich des Moduls SHB eine früheste Terminvereinbarung vom vor. Sämtliche Prüfungen seien in Form eines Kolloquiums nach § 23 SchUG-BKV abzulegen gewesen.
Gemäß § 23 Abs 3 SchUG-BKV seien die Prüfungstermine auf Antrag des Studierenden vom Prüfer anzuberaumen.
Die Bf werde eingeladen, die von ihrem Sohn hinsichtlich der im Juni 2021 noch fehlenden Pflichtgegenstände, sämtliche Anträge des Sohnes auf Anberaumung eines Prüfungstermins zur Ablegung eines Kolloquiums und sämtliche Terminvereinbarungen für ein Kolloquium hinsichtlich dieser Module vorzulegen.
Gleichzeitig werde die Bf ersucht, den zeitlichen Beginn der Vorbereitung ihres Sohnes auf die Kolloquien hinsichtlich der einzelnen (genannten) Pflichtgegenstände und zusätzlich den wöchentlichen Lern- und Vorbereitungsaufwand für die einzelnen Kolloquien für die Monate Juni 2021 bis April 2022 gegliedert bekanntzugeben und zu belegen oder zumindest glaubhaft zu machen.
Es werde derzeit davon ausgegangen, dass der Sohn ab September 2021 keine Unterrichtsstunden mehr besucht habe.
Mit Vorhaltsbeantwortung vom teilte die Bf den chronologischen Ablauf in der Zeit von Juni 2021 bis April 2022 mit. Da der Sohn mit vier nicht positiv abgeschlossenen Modulen in das neue Schuljahr habe starten müssen, sei es ihm ein persönliches Anliegen gewesen, die für ihn anspruchsvolleren Fächer zuerst positiv zu absolvieren. Dementsprechend habe er, nachdem er im Juni 2021 bei Antritt zum Rechnungswesen (RW) Kolloquium negativ beurteilt worden sei, mündlich mit dem Professor ausgemacht, dass er zum nächstmöglichen Termin wieder antrete (Anhang Kolloquium Terminliste, wohlgemerkt seien die verfügbaren Termine Sammeltermine gewesen und keine Einzelprüfungen). Der Sohn habe die verfügbare Zeit in den Sommerferien mit Lernen verbracht und habe sie auch positiv abgeschlossen (Anhang Lerndokument 1 und Lerndokument 2 ). Ein Protokoll des Kolloquiums sollte der Abteilungsvorstand besitzen. Leider sei der Sohn nicht im Besitz eines Fotos des Protokolls, habe jedoch eMail-Verläufe, die das nachweisen könnten, aber aufgrund des Datenschutzes sei der Sohn sich nicht sicher, ob er dies dem BFG zukommen lassen könne.
Danach habe der Sohn versucht den Gegenstand Wirtschaft und Recht (WIR) positiv abzuschließen. Er müsse dazu sagen, dass das alles sehr lange her sei und er sich nicht zu 100% erinnern könne. Bei dem nächstmöglichen Termin müsse er wohl erkrankt sein und eine Terminvereinbarung vom für die Prüfung am liege dem BFG vor. Er habe diesen Antritt nicht positiv absolviert, weshalb er zum nächstmöglichen Antritt laut Liste am anwesend gewesen sei, welcher wieder nicht erfolgreich geendet habe, weil der Lernprozess aufgrund eines stationären Krankhausaufenthaltes beeinträchtigt gewesen sei. Dementsprechend habe er einen weiteren Prüfungstermin am ausgemacht (Anhang Protokoll ). Wie anfangs erwähnt hätten den Sohn diese Gegenstände beansprucht und seien deshalb mit mehr Lernaufwand verbunden gewesen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. gesetzliche Grundlagen
Gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist (Satz eins).
Die Familienbeihilfe wird gemäß § 10 Abs 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Steuerpflichtige, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht gemäß § 33 Abs 3 EStG 1988 ein Kinderabsetzbetrag von 58,40 Euro zu (Satz eins). Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden (letzter Satz).
Gemäß § 167 Abs 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erweisen anzusehen ist oder nicht.
1.2 Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge (SchUG-BKV)
Unter abschließender Prüfung sind nach § 4 Z 3 SchUG-BKV die Reifeprüfung, die Reife- und Diplomprüfung, die Diplomprüfung und die Abschlussprüfung zu verstehen.
Unter Modulen sind gemäß § 4 Z 5 SchUG lehrplanmäßig in einem Semester vorgesehene Unterrichtsgegenstände zu verstehen.
Die Beurteilung der Leistungen eines Studierenden in einem Modul erfolgt nach § 21 Abs 1 SchUG-BKV durch den Lehrer des betreffenden Moduls unter Zugrundelegung aller im betreffenden Modul erbrachten Leistungen.
Nach § 23 Abs 1 SchUG-BKV ist jeder Studierende, der in einem oder in mehreren Modulen nicht oder mit "Nicht genügend" beurteilt wurde, berechtigt, in diesen Modulen außerhalb des lehrplanmäßigen Unterrichtes ein Kolloquium abzulegen.
Prüfer ist gemäß § 23 Abs 2 SchUG-BKV der das Modul unterrichtende Lehrer oder im Verhinderungsfall ein vom Schulleiter (bei Abteilungsaufgliederung an berufsbildenden Schulen vom Abteilungsvorstand) zu bestellender fachkundiger Lehrer.
Die Prüfungstermine für Kolloquien sind gemäß § 23 Abs 3 SchUG-BKV auf Antrag des Studierenden vom Prüfer anzuberaumen. Einem Terminwunsch ist nach Möglichkeit zu entsprechen.
Das Kolloquium hat gemäß § 23 Abs 5 SchUG-BKV den Lehrstoff des betreffenden Unterrichtsgegenstandes für den Zeitraum, auf den sich das Kolloquium bezieht, zu umfassen.
Wegen vorgetäuschter Leistungen nicht beurteilte oder mit "Nicht genügend" beurteilte Kolloquien dürfen gemäß § 23 Abs 7 SchUG-BKV höchstens zwei Mal wiederholt werden. Die vorstehenden Absätze finden Anwendung.
Die abschließende Prüfung besteht gemäß § 33 Abs 1 aus
1. einer Vorprüfung und einer Hauptprüfung oder
2. einer Hauptprüfung.
Zur Ablegung der Hauptprüfung sind gemäß § 36 Abs 1 SchUG-BKV alle Prüfungskandidaten und Prüfungskandidatinnen berechtigt,
1. die alle Pflichtgegenständen entsprechenden Module erfolgreich abgeschlossen haben,
2. die an allen Verbindlichen Übungen entsprechenden Modulen teilgenommen haben und
3. die alle im Lehrplan vorgesehenen Pflichtpraktika und Praktika zurückgelegt haben.
2. Sachverhalt und Beweiswürdigung
S, der Sohn der Bf, kam am 99 zur Welt und vollendete am 17 das 18. Lebensjahr.
S besuchte ab September 2018 in der ***1*** Lehranstalt an der Abteilung Bautechnik für Berufstätige, Module des modularisierten Aufbaulehrganges, Fachrichtung Bauwirtschaft, in der berufsbegleitenden Abendform und wurde zu Beginn in der Gruppe 3ABBT eingestuft. Die abschließende mündliche Reife- und Diplomprüfung wäre für Ende Juni 2021 vorgesehen gewesen. Alle dafür notwendigen Teilprüfungen mit Präsentation seiner Diplomarbeit hatte S positiv absolviert. Da allerdings für vier Pflichtgegenstände der positive Abschluss fehlte, wurde S im Juni 2021 zur abschließenden Prüfung bzw Hauptprüfung nicht zugelassen. Auch zu den Ersatzterminen im Jänner 2022, im Juni 2022 sowie im Jänner 2023 und Juni 2023 fehlten die Voraussetzungen und S durfte nicht zur abschließenden Prüfung bzw Hauptprüfung zugelassen werden.
Im Juni 2021 fehlte der erfolgreiche Abschluss folgender Pflichtgegenstände bzw Module: Rechnungswesen (kurz: RW), 2 Wochenstunden, Wirtschaft und Recht (kurz: WIR), 3 Wochenstunden, für das Semester 6 ABBTW, 2019/20, Statik und Stahlbetonbau (kurz: SSBB), 3 Wochenstunden, für das Semester 6 ABBT, Sommersemester 2020, und Stahl- und Holzbau (kurz: SHB), 2 Wochenstunden, für das Semester 7 ABBTW.
Der noch fehlende Pflichtgegenstand RW wurde im Herbst 2021 erfolgreich abgeschlossen, wobei sich der Sohn im September 2021 diesbezüglich noch in der Vorbereitungsphase befand. Im November 2021 und im Jänner 2022 fehlten noch drei Prüfungen: WIR, SSBB und SHB. Letztlich fehlten Anfang 2023 noch zwei Pflichtmodule, nämlich SSBB und SHB.
Ein Modul entspricht einem Pflichtgegenstand pro Semester. Jedes Semester bildet eine für sich abgeschlossene, Bildungs- Leistungs- und Benotungseinheit. (https://www.***/images/doks/schug.bkv.allg.pdf, https://www.***/ausbildung81-modulgruppen-gliederung.html
Wird ein Modul negativ (oder nicht) beurteilt, muss darüber ein Kolloquium abgelegt werden. Kolloquien sind außerhalb der Unterrichtszeit abzulegen. Vier Kolloquiumstage - verteilt über die Monate- stehen pro Halbjahr zur Verfügung. Die Anmeldefrist beträgt 14 Tage vor dem Termin. Die Terminvereinbarung erfolgt mit der Lehrperson. Es kann auch völlig frei mit dem Prüfer/der Prüferin jeder andere Termin nach Wahl vereinbart werden. (https://www.***/images/doks/schug.bkv.allg.pdf, KolloquiumTerminliste)
Am wurde ein Prüfungstermin (Kolloquium nach § 23 SchUG-BKV) betreffend den Gegenstand WIR für den vereinbart. Es kam allerdings zu keinem positiven Abschluss dieser Prüfung. Für den wurde am (dieser Termin wurde ebenfalls nicht erfolgreich genutzt) eine weitere Terminvereinbarung für ein Kolloquium nach § 23 SchUG-BKV (2. Chance) für den Gegenstand WIR getroffen.
Im Jänner 2023 legte S eine Prüfung im Gegenstand SSBB mit der Beurteilung "Nicht Genügend" ab (Kolloquium nach § 23 SchUG-BKV). Nach der ersten Wiederholung am wurde S bei der zweiten Wiederholung des Kolloquiums am mit "Genügend" beurteilt; die Terminvereinbarung erfolgte am .
Am legte S - nach der am erfolgten Terminvereinbarung - eine Prüfung im Modul SHB in Form eines Kolloquiums nach § 23 SchUG-BKV mit der Beurteilung "Genügend" ab.
Im Sommersemester 2020/21 ( bis ) war er in folgenden Modulen inskribiert:
In den Sommerferien 2021 und auch noch im September 2021 bereitete sich S auf das Pflichtfach RW vor, welches er sodann im Herbst 2021 positiv abschloss. Danach befasste sich der Sohn bis April 2022 mit dem Pflichtgegenstand WIR.
Die Stundentafel der ***1*** Lehranstalt sieht derzeit für den Aufbaulehrgang in der berufsbegleitenden Abendform pro Semester zwischen 23 und 29 Wochenstunden vor und sah im Schuljahr 2012/13 für die Abendform Fachrichtung Bauwirtschaft 20 bis 26 Wochenstunden vor. (https://www.***/service/downloads/, https://www.***/images/doks/Stundentafeln.pdf)
Angaben der Bf und ihres Sohnes über den mit den ab Juni 2021 noch zu absolvierenden Pflichtgegenständen verbundenen wöchentlichen Zeitaufwand erfolgten nicht.
Ab September 2021 besuchte S keinen Präsenzunterricht mehr.
Die Bf erhielt zuletzt durchgehend von September 2018 bis Mai 2021 Familienbeihilfe für S.
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus einer Abfrage des BFG in der Familienbeihilfendatenbank und Internetrecherchen, den von Seiten der Bf gemachten Angaben und vorgelegten unbedenklichen Unterlagen sowie den von Seiten der ***1*** Lehranstalt erfolgten und mit den Angaben der Bf im Wesentlichen im Einklang stehenden Angaben und vorgelegten unbedenklichen Unterlagen.
Dass S ab September 2021 keine Unterrichtsstunden mehr absolvierte, hielt das BFG im Vorhalt vom ausdrücklich fest und blieb in der Vorhaltsbeantwortung vom unwidersprochen. Von der Richtigkeit dieser Sachverhaltsfeststellung ist daher auszugehen.
Aus den Angaben von Seiten der Bf und den dazu vorgelegten Unterlagen lässt sich ableiten, dass sich der Sohn in den Sommerferien 2021 und im Herbst 2021 bis zu deren positiven Ablegung ausschließlich auf die Prüfung für das Modul RW vorbereitete, sich zeitlich danach ausschließlich auf das Modul WIR konzentrierte und sich erst nach positiver Absolvierung der Kolloquiumsprüfung im Modul WIR mit den noch fehlenden Modulen SSBB sowie SHB befasste. Der letzte aus den dem BFG vorliegenden Terminvereinbarungen ersichtliche Prüfungstermin hinsichtlich des Moduls WIR ist der . Dies bedeutet, dass sich der Sohn in den Sommerferien 2021 und danach bis einschließlich April 2022 jeweils (in den einzelnen Monaten) lediglich auf ein (mit entweder zwei oder drei Wochenstunden unterlegtes) Modul vorbereitete.
Ein Nachweis dafür, dass aufgrund von COVID 19 - wie die Bf am via FinanzOnline behauptete - sämtliche Prüfungen abgesagt bzw verschoben wurden, wurde von Seiten der Bf trotz Auskunftsersuchen des FA vom nicht erbracht. Diesen unbewiesenen Angaben der Bf wird von Seiten des BFG kein Glaube geschenkt, da laut den unbedenklichen Ausführungen von Seiten der ***1*** Lehranstalt von einem durchgehenden Unterricht (meist in Präsenzform) auch während der COVID 19 Phase auszugehen ist und somit das Lehrpersonal zur Verfügung gestanden haben musste. Prüfer des Kolloquiums - in den noch fehlenden Pflichtgegenständen war jeweils ein Kolloquium von S abzulegen - ist grundsätzlich der das Modul zuletzt unterrichtende Lehrer, wobei gemäß § 23 Abs 1 SchUG-BKV im Falle seiner Verhinderung vom Schulleiter oder Abteilungsvorstand ein fachkundiger Lehrer ersatzweise zu bestellen ist. Für eine wesentliche zeitliche Verzögerung wegen eines fehlenden Lehrers in der COVID 19 Phase gibt es somit keinen Hinweis.
Trotz der Aufforderung des BFG, den zeitlichen Beginn der Vorbereitung des Sohnes auf die einzelnen Prüfungen hinsichtlich der ab Juni 2021 noch fehlenden Pflichtgegenstände und zusätzlich den wöchentlichen Lern- und Vorbereitungsaufwand für die einzelnen Prüfungen für die Monate Juni 2021 bis April 2022 gegliedert bekanntzugeben und zu belegen oder zumindest glaubhaft zu machen, erfolgten in der Vorhaltsbeantwortung vom keine Angaben über den mit den noch zu absolvierenden Pflichtgegenständen verbundenen wöchentlichen Zeitaufwand.
Auf das Ausmaß des wöchentlichen Zeitaufwandes für die Prüfungsvorbereitungen wird unter Pkt 3 rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung näher eingegangen.
3. Rechtliche Beurteilung samt Beweiswürdigung
Einleitend ist festzuhalten, dass die Frage, ob für einen bestimmten Anspruchszeitraum Familienbeihilfe zusteht, anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten ist. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum ist der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches für ein Kind kann somit von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein. (Vgl ).
Die Familienbeihilfe ist gemäß § 10 Abs 2 FLAG 1967 auch noch für den Monat zu gewähren, in dem die Anspruchsvoraussetzung wegfällt. (Vgl Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 10 Rz 8).
Für volljährige Kinder wird Familienbeihilfe grundsätzlich nur für die Monate gewährt, in denen sich das Kind in Berufsausbildung befindet, wobei die Familienbeihilfe nicht auf eine einzige Berufsausbildung beschränkt ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 kommt es überdies nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Ausbildungsfortgang an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen. (Vgl , ).
Zur Berufsausbildung gehört ihrer Art nach zweifellos die allgemein bildende Schulausbildung. (Vgl Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 2 Rz 35, ).
Im Falle des Besuches einer Maturaschule manifestiert sich das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg im Antreten zu den erforderlichen Vorprüfungen. Zwar ist nicht (nur) der Prüfungserfolg ausschlaggebend, der Maturaschüler muss aber durch das Antreten zu Prüfungen innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für die Zulassung zur Reifeprüfung zu erlangen (vgl ).
Die Ausbildungsmaßnahme muss zusätzlich, um als Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 anerkannt werden zu können, die volle Zeit des Auszubildenden in Anspruch nehmen. Was unter "volle Zeit" zu verstehen ist, ist weder im Gesetz geregelt noch trifft die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes diesbezüglich eine klare Aussage. Die Lehre geht von einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 dann aus, wenn ein wöchentlicher Gesamtzeitaufwand, welcher neben dem Besuch von Lehrveranstaltungen bzw Kursen auch Vorbereitungszeiten und die Absolvierung von Prüfungen und die Zeiten für Hausaufgaben bzw Haus- oder Seminararbeiten umfassen kann, von mindestens 30 Wochenstunden anfällt. Das BFG nimmt bei Schulen für Berufstätige einen erforderlichen wöchentlichen Zeitaufwand von durchschnittlich 20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben an, insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden, um von einer Berufsausbildung sprechen zu können. (Vgl Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2 Rz 40, , , ).
Bei Besuch eines Abendgymnasiums (in Vollzeit) kann nach allgemeiner Lebenserfahrung pro Woche für Lernaufwand, Hausübungen und Vor- und Nachbereitung sowie Prüfungsvorbereitungen rund 50% der in Präsenz absolvierten Unterrichtsstunden angesetzt werden. (Vgl , , RV/5101043/2018, )
Im Falle des Selbststudiums (ohne gleichzeitigen Besuch eines Kurses, eines Schulunterrichts oder einer Lehrveranstaltung) muss die Vorbereitung so intensiv und zielstrebig betrieben werden, dass sie die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt und auf die schnellstmögliche Beendigung der Berufsausbildung abzielt. Es kommt also nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Ausbildungsfortgang an, sondern das Selbststudium muss ebenfalls in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes (also mindestens 30 Wochenstunden) in Anspruch nehmen. (Vgl , ).
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichts kann im Hinblick auf die allgemeine Lebenserfahrung nicht angenommen werden, dass für die Vorbereitung zu einer Wiederholungsprüfung in lediglich einem Fach ein Zeitaufwand von mindestens 30 Wochenstunden über mehrere Monate erforderlich ist (vgl , ).
Bei volljährigen Kindern steht Familienbeihilfe in den Sommerferien nur zu, wenn vor und nach den Schulferien durchgehend eine Berufsausbildung vorliegt (Vgl , , ).
Ob von einem Kind eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 absolviert wird, ist eine Tatfrage, welche die Behörde in freier Beweiswürdigung gemäß § 167 Abs 2 BAO im Einklang mit den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung zu beantworten hat. (Vgl , ).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es, im Rahmen der der Behörde nach § 167 Abs 2 BAO zukommenden "freien Überzeugung" von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. (Vgl ).
Zudem trifft einerseits die Abgabenbehörde, sohin auch das Verwaltungsgericht, die Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhaltes, andererseits die Partei die Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht. Die Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhaltes findet dort ihre Grenzen, wo nach der Lage des Falles nur die Partei Angaben zum Sachverhalt machen kann. (Vgl ).
Die vorstehenden Ausführungen bedeuten für den gegenständlichen Fall Folgendes:
Der Besuch des gegenständlichen modularisierten Aufbaulehrganges in der berufsbegleitenden Abendform kann dem Grunde nach eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG darstellen. Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Besuch dieses Lehrganges nach außen erkennbar ernsthaft und zielstrebig erfolgte und die volle Zeit des Kindes in Anspruch nahm, was in freier Beweiswürdigung zu beurteilen ist.
Die Gewährung der Familienbeihilfe ab September 2018 bis einschließlich Mai 2021 durch das FA bestätigt, dass der Besuch dieses Lehrgangs in der von S betriebenen Art und Weise während dieser Zeit als Berufsausbildung im Sinne des FLAG anzusehen ist. Für ein ernsthaftes und zielstrebiges Verhalten von S auch im Sommersemester 2021 spricht zusätzlich die vorliegende Inskriptionsbestätigung/Schulbesuchsbestätigung, welche die Belegung von 8 Modulen mit insgesamt 22 Wochenstunden ausweist. Dieser Bestätigung ist des Weiteren zu entnehmen, dass das Sommersemester 2021 bis andauerte. Aus der Sicht des BFG ist daher nicht nur bis Mai 2021, sondern bis einschließlich Juli 2021 Familienbeihilfe wegen des Vorliegens einer Berufsausbildung (wie vom FA zuletzt bis bzw im Mai 2021 - also im Sommersemester 2021 angenommen) zu gewähren. Daran kann aus der Sicht des BFG die Nichtzulassung zur Reifeprüfung im Juni 2021 nichts ändern.
Es lag somit in den Monaten Juni 2021 und Juli 2021 (noch) eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 2 lit b FLAG 1967 vor, weshalb der Rückforderungsbescheid hinsichtlich dieser beiden Monate zu Unrecht ergangen ist.
Ziel der von S gewählten Ausbildungsmaßnahme ist der erfolgreiche Abschluss des Aufbaulehrganges für Bautechnik durch erfolgreiche Ablegung der Reife- und Diplomprüfung. Der reguläre Abschluss seiner Ausbildung wäre für Juni 2021 vorgesehen gewesen, der erste Ersatztermin wurde im Jänner 2022 angeboten. Die gewählte Schulform des Sohnes der Bf ist darauf aufgebaut, dass den Schülern der gesamte Lernstoff in Modulen, sprich in Präsenzunterricht, vermittelt wird.
Die Nichtzulassung zur Reifeprüfung im Juni 2021 erfolgte, da S zu diesem Zeitpunkt der positive Abschluss von insgesamt vier Pflichtgegenständen mit insgesamt 10 Wochenstunden fehlte. Im Jänner 2022 waren zum ersten Ersatztermin noch drei Module, nämlich WIR, 3 Wochenstunden, SSBB, 3 Wochenstunden, und SHB, 2 Wochenstunden, nicht positiv abgeschlossen, sodass eine Zulassung zur Reifeprüfung auch zum ersten Ersatztermin im Jänner 2022 nicht möglich war. Vor dem Ersatztermin im Jänner 2022 schloss S lediglich ein Modul (RW mit 2 Wochenstunden) erfolgreich ab und befasste sich danach mit einem weiteren Modul (WIR mit 3 Wochenstunden), ohne dieses bis zum ersten Ersatztermin positiv abschließen zu können. In den Sommerferien 2021 und den nachfolgenden Monaten bis April 2022 befasste sich S letztlich jeweils in den einzelnen Monaten mit nur einem Modul, nämlich zunächst mit RW und danach mit WIR. Die beiden weiteren noch fehlenden Module (SSBB und SHB) waren auch zu Beginn des Jahres 2023 noch nicht erfolgreich absolviert. Es bleibt somit zu klären, ob die konkrete Vorbereitung von S auf die Zulassung zur Reifeprüfung in den Sommerferien 2021 und den nachfolgenden Monaten bis April 2022 nach außen erkennbar ernsthaft und zielstrebig erfolgte und in quantitativer Hinsicht seine volle Zeit (mit einem Mindestmaß von 30 Stunden pro Woche) in Anspruch nahm.
Der positive Abschluss von Modulen erfolgt üblicherweise im Rahmen der zu diesen Modulen in einem Semester abgehaltenen Unterrichtsstunden, nachdem der entsprechende Lernstoff in diesen Unterrichtsstunden von Seiten des Lehrers vorgetragen wurde und der Student sich zusätzlich darauf außerhalb des Unterrichtes durch Lernen und Erledigung von Hausaufgaben vorbereitete. Die Vorbereitung auf die einzelnen Module ist also neben dem laufenden Präsenzunterricht vorgesehen. Dabei wird von einer Bandbreite von 20 bis 29 Unterrichtsstunden an der ***1*** Lehranstalt während eines Semester ausgegangen. Diese Anzahl von Unterrichtsstunden lässt eine zusätzliche Lern- und Vorbereitungsphase im Ausmaß von rund 50 % der Unterrichtsstunden als noch machbar erscheinen und ist - wie auch ein Vergleich mit anderen Abendschulen zeigt - als wahrscheinlich anzunehmen. Heruntergebrochen auf ein Modul mit 2 bzw ein Modul mit 3 Unterrichtsstunden in der Woche, ist daher von einem zusätzlichen durchschnittlichen Lern- und Vorbereitungsaufwand von 1 bzw 1,5 Wochenstunden für diese Module auszugehen.
S befasste sich in der Zeit von Juli 2021 bis April 2022, also in einem Zeitraum von 10 Monaten zeitlich hintereinander mit den Modulen RW und WIR, für die eine Unterrichtszeit von 2 und 3 Wochenstunden im Semester vorgesehen war. Es handelt sich also um einen Lernstoff für zwei Module, die einmal 2 und einmal 3 Wochenstunden in einem Semester umfassen. Neben dem laufenden Präsenzunterricht wäre - nach den vorstehenden Überlegungen - ein zusätzlicher Lernaufwand (neben dem Unterricht) von durchschnittlich 1 und 1,5 Stunden pro Woche für diese Module anzunehmen. Inklusive der Unterrichtseinheiten ergebe sich somit ein wöchentlicher Zeitaufwand von rund 3 und 4,5 Stunden für die Module RW und WIR beschränkt auf ein Semester (ca ein halbes Jahr), der einen positiven Abschluss dieser Module im Allgemeinen ermöglichen würde.
Nach den vorstehenden Ausführungen ist es als höchst unwahrscheinlich anzusehen, dass die zeitlich hintereinander gereihte Vorbereitung auf die beiden Kolloquiumsprüfungen zunächst im Pflichtfach RW und danach im Pflichtfach WIR in einem Zeitraum von rund 10 Monaten die volle Zeit des Sohnes der Bf, dh mindestens 30 Stunden in der Woche (an einem Präsenzunterricht nahm der Sohn der Bf nicht mehr teil), einnahm. Um das zeitliche Mindestausmaß von 30 Stunden in der Woche zu erreichen, hätte der Sohn der Bf den rund zehnfachen wöchentlichen Zeitaufwand gegenüber dem während des laufenden Präsenzunterrichts anzunehmenden Zeitaufwandes für das Modul RW und anschließend den rund siebenfachen wöchentlichen Zeitaufwand für das Modul WIR aufwenden müssen und dies jeweils über mehrere Monate hinweg, was als nicht wahrscheinlich anzusehen ist.
Betont wird in diesem Zusammenhang nochmals, dass sich S in den Sommerferien 2021 und den nachfolgenden Monaten bis April 2022 in den einzelnen Monaten jeweils nur auf die Kolloquiumsprüfung in einem einzigen Pflichtfach vorbereitete, nämlich zunächst auf die Kolloquiumsprüfung im Pflichtfach RW und erst nach dem erfolgreichen Abschluss dieser Prüfung auf die Kolloquiumsprüfung im Pflichtfach WIR.
Generell widerspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Vorbereitung auf eine Prüfung in lediglich einem einzigen Unterrichtsgegenstand bei einem über mehrere Monate verteilten Lernen mindestens 30 Stunden pro Woche in allen Monaten in Anspruch nimmt.
Zusätzlich sei auch angemerkt, dass der Sohn der Bf das Fach WIR nicht vor April 2022 positiv abschließen konnte, obwohl er sich nach erfolgreichem Abschluss des Pflichtfachs RW im Herbst 2021 auf die Prüfungsvorbereitung hinsichtlich des Pflichtfaches WIR beschränkte. Dieses Ergebnis ist ebenfalls ein Indiz dafür, dass er nicht die volle Zeit - im Ausmaß von mindestens 30 Wochenstunden - für das Lernen und die Prüfungsvorbereitung investierte.
Von der Bf und ihrem Sohn wurden trotz entsprechender Aufforderung keine Ausführungen und Nachweise zu dem investierten wöchentlichen Zeitaufwand erbracht.
Unter Heranziehung der allgemeinen Lebenserfahrung muss das BFG letztlich zu dem Ergebnis kommen, dass die Vorbereitung auf die Kolloquiumsprüfung in jeweils einem einzigen Pflichtfach pro Monat in den Sommerferien 2021 und in den nachfolgenden Monaten bis April 2022 nicht die volle Zeit des Sohnes (im Mindestausmaß von 30 Wochenstunden) in Anspruch genommen haben kann.
Da in den noch zu beurteilenden Monaten August 2021 bis April 2022 nicht von einer die volle Zeit des Kindes beanspruchenden Vorbereitung ausgegangen werden kann, ist während dieser Monate eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 nicht anzunehmen. Für die Monate Juni 2021 und Juli 2021 ist die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag deshalb zu gewähren, weil das Sommersemester 2021, in dem die Voraussetzungen einer Berufsausbildung - wie ausgeführt - erfüllt waren, erst am endete.
Letztlich konnte der Sohn der Bf mangels positiven Abschlusses noch fehlender Pflichtgegenständen an insgesamt vier Ersatzterminen (im Jänner 2022, Juni 2022, Jänner 2023 und Juni 2023) nicht zur Reife- und Diplomprüfung antreten, was nicht nur für einen fehlenden Zeiteinsatz spricht, sondern auch ein ernsthaftes und zielstrebiges Bemühen nicht erkennen lässt.
Es lag somit in den Monaten August 2021 bis April 2022 keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 2 lit b FLAG 1967 vor, weshalb der Rückforderungsbescheid hinsichtlich dieser Monate zu Recht ergangen ist.
Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich eine objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat. Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs der Familienleistungen, also auf das bloße Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug, an. (vgl. zB , ).
Die objektive Erstattungspflicht hat zur Folge, dass der Behörde, sobald die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht (mehr) gegeben sind, hinsichtlich der Rückforderung von bereits bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen kein Ermessensspielraum bleibt. (Vgl ).
In den Monaten August 2021 bis April 2022 lag nach den vorstehenden Ausführungen keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 vor. In den Monaten August 2021 bis April 2022 wurden die in § 2 Abs 2 FLAG 1967 normierten Anspruchsvoraussetzungen für einen rechtmäßigen Bezug der Familienbeihilfe nicht erfüllt. Die Rückforderung der Familienbeihilfe erfolgte somit für den Zeitraum August 2021 bis April 2022 im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen und der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
Wurden, wie gegenständlich mangels Familienbeihilfenanspruch, auch Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist ebenfalls § 26 FLAG 1967 anzuwenden. Die Ausführungen zur Familienbeihilfe gelten somit auch für den Kinderabsetzbetrag. (Vgl ).
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
4 Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. (Art 133 Abs 4 B-VG)
Im gegenständlichen Fall ist die Revision nicht zulässig. Soweit Rechtsfragen zu beurteilen sind, folgt das BFG in seiner Entscheidung einer existierenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Tatfragen wie die Frage, ob das quantitative und qualitative Element einer Berufsausbildung erfüllt wird, sind einer Revision nicht zugänglich.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 10 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101550.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at