Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 27.10.2023, RV/4100232/2023

Zurückweisung wegen verspätet eingebrachter Bescheidbeschwerde

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Weger & Partner Steuerberatungs GmbH, Villacher Straße 34 Tür 1, 9800 Spittal/Drau, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

Die Beschwerde vom wird gemäß § 260 Abs. 1 lit b BAO iVm § 278 Abs. 1 lit a BAO als nicht rechtzeitig eingebracht zurückgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin erzielte im Jahr 2021 Pensionseinkünfte.

Mit langte die Einkommensteuererklärung der Beschwerdeführerin elektronisch bei der belangten Behörde ein. Die Beschwerdeführerin beantwortete mit Schreiben vom das Ergänzungsersuchen der belangten Behörde. Per Finanz Online erkundigte sich die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin am über den Stand des Verfahrens. Nach einem Telefonat am zwischen der steuerlichen Vertretung und der belangten Behörde wurden von der steuerlichen Vertretung am Unterlagen sowie Aufstellungen elektronisch an die belangte Behörde übermittelt. Diese erließ am den Einkommensteuerbescheid 2021.

Mit Schreiben vom erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid per Finanz Online.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde gemäß § 260 BAO mit der Begründung, dass diese nicht fristgerecht eingebracht wurde, zurück.

Im elektronisch eingebrachten Vorlageantrag vom führte die steuerliche Vertretung aus, dass der Einkommensteuerbescheid vom am zugestellt worden sei und verwies auf den Eingangsstempel der steuerlichen Vertretung am Einkommensteuerbescheid. Die Beschwerde sei somit am fristgerecht eingebracht worden, da dies innerhalb eines Monats nach Zustellung erfolgt sei. Die Beschwerdeführerin stellte den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

Mit Vorhalt vom wurde die Beschwerdeführerin vom Bundesfinanzgericht aufgefordert, zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde Stellung zu nehmen und entsprechende Nachweise vorzulegen. Im Schreiben vom führte die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin aus, dass sich das Finanzamt in der Zeit der maschinengeschriebenen und in Papier ausgegebenen Bescheide nie bemüht habe, die an einem Tag ausgefertigten Bescheide, wenn sie knapp vor einer Reihe von Feiertagen oder arbeitsfreien Tage lagen, an den arbeitsfreien Tagen zuzustellen. Man habe sich verlassen können, dass nach Ausfertigung eines Bescheides die gesetzlich vorgesehene Frist von einem Monat zur Beantwortung zur Verfügung stand. Im konkreten Fall habe die Kanzleimitarbeiterin am um 17:20 Uhr die Nachrichten in Finanz Online letztmalig kontrolliert und keinen Bescheid vorgefunden. Am sei der Bescheid ausgelesen und ein Eingangsstempel am Ausdruck angebracht worden. Dieser Eingangsstempel sei für die Sachbearbeiter maßgeblich für den Zustellungstag. Man habe nicht ahnen können, dass die "Nicht Auslesung" nach 17:30 Uhr oder einem Sonn- oder Feiertag einen anderen Fristbeginn bedeuten könne. Die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin zweifelt die Einhaltung des Grundsatzes von Treu und Glauben an, "wenn die Rechtsmittelfrist von einem Monat durch Systemzustellungen wahrscheinlich nicht willkürlich gegenüber der langjährigen Übung kürzer wird".

Sachverhalt:

Am wurde vom Finanzamt Österreich der Einkommensteuerbescheid 2021 erlassen. Der Bescheid wurde am um 22:51 Uhr auf elektronischem Wege in die Databox der zustellbevollmächtigten steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin übermittelt.

Der Bescheid wurde am um 9:31 Uhr von der steuerlichen Vertretung gelesen.

Die Bescheidbeschwerde wurde am über Finanz Online elektronisch eingebracht.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen. Dagegen wurde am ein Vorlageantrag erhoben. Mit Vorhalt vom wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde Stellung zu nehmen sowie entsprechende Nachweise, welche gegen die Verspätung der Bescheidbeschwerde sprechen, dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.

Beweiswürdigung:

Die Zeitpunkte der Erlassung des Einkommensteuerbescheides und der Beschwerdevorentscheidung, der Erhebung der Bescheidbeschwerde sowie des Vorlageantrages ergeben sich aus den vorgelegten Aktenteilen und dem Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung.

Der genaue Zustellungszeitpunkt des Einkommensteuerbescheides 2021 wurde mittels E-Mails vom vom Bundesministerium für Finanzen, Zentrale Services-Verfahrensbetreuung mitgeteilt und es bestehen keine Bedenken dagegen.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO ist eine Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Gemäß § 245 Abs. 1 BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat.

Für den Beginn der Beschwerdefrist ist der Tag maßgebend, an dem der Bescheid bekannt gegeben worden ist (vgl. Ritz, BAO6, § 245 Tz 4).

Bei schriftlichen Bescheiden beginnt die Frist daher in der Regel am Tag von dessen Zustellung zu laufen (vgl. Ritz, BAO6, § 245 Tz 5).

Gemäß § 97 Abs. 3 BAO kann an Stelle der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung einer behördlichen Erledigung deren Inhalt auch telegraphisch oder fernschriftlich mitgeteilt werden. Darüber hinaus kann durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen die Mitteilung des Inhalts von Erledigungen auch im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise vorgesehen werden, wobei zugelassen werden kann, daß sich die Behörde einer bestimmten geeigneten öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Übermittlungsstelle bedienen darf. In der Verordnung sind technische oder organisatorische Maßnahmen festzulegen, die gewährleisten, daß die Mitteilung in einer dem Stand der Technik entsprechenden sicheren und nachprüfbaren Weise erfolgt und den Erfordernissen des Datenschutzes genügt. Der Empfänger trägt die Verantwortung für die Datensicherheit des mitgeteilten Inhalts der Erledigung. § 96 Abs. 2 gilt sinngemäß.

Die FinanzOnline-Verordnung 2006 (FOnV), BGBl II 2006/97 idF BGBl II 2021/348, ist eine Verordnung im Sinne dieser Bestimmung. Nach § 5b Abs. 1 FOnV haben die Abgabenbehörden nach Maßgabe ihrer technischen Möglichkeiten Zustellungen an Empfänger, die Teilnehmer von Finanz Online sind, elektronisch vorzunehmen.

Gemäß § 98 Abs. 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind.

Der Zeitpunkt, an dem die Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind, ist bei Finanz Online der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox, zu der der Empfänger Zugang hat. Dies gilt auch, wenn die Daten am Freitag nach Ende der Kanzleiöffnungszeit des zustellungsbevollmächtigten Parteienvertreters einlangen. Auf das tatsächliche Einsehen der in der Databox befindlichen elektronischen Dokumente durch Öffnen, Lesen oder Ausdrucken eines Schriftstückes kommt es nicht an (vgl Ritz, BAO6, § 98 BAO, Tz 4 und die dortigen Judikaturhinweise).

Nach § 108 Abs. 3 BAO werden Beginn und Lauf einer Frist durch Samstage, Sonntage oder Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächsten Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

Die einmonatige Frist zur Einbringung der Beschwerde begann somit am zu laufen, weil an diesem Tag der Bescheid in den elektronischen Verfügungsbereich der steuerlichen Vertretung gelangt ist.

Dass die steuerliche Vertretung diesen Bescheid erst am ausgelesen hat, ändert nichts an der rechtswirksamen Zustellung des Bescheides am und am Beginn des Fristenlaufs.

Da das Ende der einmonatigen Frist auf einen Sonntag () gefallen ist, ist gemäß § 108 Abs. 3 BAO der (Montag) als letzter Tag der Frist anzusehen. Die Bescheidbeschwerde ist jedoch erst am über FinanzOnline und somit nicht rechtzeitig eingebracht worden.

Den von der steuerlichen Vertretung im Schreiben vom vorgebrachten Bedenken, dass die Auslegung, wonach elektronisch zugestellte Dokumente mit Eingang in die Databox unabhängig von der Uhrzeit als zugestellt gelten, gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt, ist entgegenzuhalten, dass die Anwendung von Treu und Glauben nur bei Ermessensentscheidungen sowie bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe zu beachten ist. Die Anwendung von Treu und Glauben setzt somit einen Vollzugsspielraum voraus (vgl Ritz, BAO7, § 114 BAO, Tz 8 und die dortigen Judikaturhinweise).

Weder kommt der belangten Behörde hinsichtlich des Zeitpunktes der Zustellung ein Ermessenspielraum zu, noch sind in diesem Zusammenhang unbestimmte Rechtsbegriffe auszulegen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Rechtzeitigkeit der Einbringung einer Bescheidbeschwerde ist eine Sachverhaltsfrage. Die Rechtsfolge der Zurückweisung einer verspätet eingebrachten Bescheidbeschwerde ergibt sich aus den klaren oben angeführten gesetzlichen Bestimmungen. Es liegt daher im konkreten Fall keine Rechtsfrage vor, der gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Die ordentliche Revision war daher gemäß Art 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 B-VG nicht zuzulassen.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 278 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.4100232.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at