Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 18.10.2023, RV/5100679/2023

Nichtigkeit von Erledigungen, die an eine bereits vollbeendete atypisch stille Gesellschaft adressiert sind

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/5100679/2023-RS1
Die in § 191 Abs. 5 BAO normierte Teilwirksamkeit eines Feststellungsbescheides gilt nicht, wenn sich die Nichtigkeit als Feststellungsbescheid beabsichtigter Schriftstücke aus der Adressierung an eine bereits beendete Gemeinschaft ergibt (Ritz, BAO7, § 191 Tz 14). Eine solche Teilwirksamkeit kann daher auch nicht für einen Bescheid gemäß § 299 BAO gelten.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Angelegenheit ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Abweisung eines Antrages auf Aufhebung des Feststellungsbescheides vom zu Steuernummer ***BF1StNr1*** gemäߧ 299 BAO beschlossen:

Das Verfahren wird in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 278 Abs. 1 lit. b BAO als gegenstandslos eingestellt.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Sachverhalt

Zwischen der ***E*** GmbH (FN ***1***; Geschäftsinhaberin) und ***P*** (stiller Gesellschafter) war am ein Vertrag über die Errichtung einer atypisch stillen Gesellschaft errichtet worden.

In der außerordentlichen Generalversammlung der Geschäftsinhaberin vom wurde beschlossen, dass dieselbe mit Ablauf des aufgelöst wird und in das Stadium der Liquidation eintritt. Ferner wurde ein Liquidator bestellt.

Mit Bescheid vom wurden die im Kalenderjahr 2021 erzielten Einkünfte der atypisch stillen Gesellschaft entsprechend der am elektronisch über FinanzOnline eingereichten Erklärungen gemäß § 188 BAO festgestellt. An den atypisch stillen Gesellschafter wurden keine Einkünfte zugewiesen. Im Umlaufbeschluss der Gesellschafter der Geschäftsinhaberin vom war dazu festgehalten worden, dass dem stillen Gesellschafter im Jahr 2021 wegen Geringfügigkeit kein Verlustanteil mehr zugerechnet wurde. Der Feststellungsbescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Gesellschafterbeschluss vom wurde der Bericht des Liquidators über die Beendigung der Liquidation der Geschäftsinhaberin genehmigend zur Kenntnis genommen. Am wurde die Firma der Geschäftsinhaberin im Firmenbuch infolge beendeter Liquidation gelöscht.

Der steuerliche Vertreter des stillen Gesellschafters ersuchte den ehemaligen steuerlichen Vertreter der atypisch stillen Gesellschaft mit Mail vom "im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von Herrn ***P*** aus der stillen Gesellschaft mit der ***E*** GmbH", die durch die Uneinbringlichkeit entstandenen Verluste des stillen Gesellschafters in der Steuererklärung der Mitunternehmerschaft als Veräußerungsverlust in Höhe von 87.770,71 € geltend zu machen.

Vom ehemaligen steuerlichen Vertreter der atypisch stillen Gesellschaft wurde daraufhin am über FinanzOnline folgender Antrag auf Aufhebung gem. § 299 (1) BAO eingebracht:

"Sehr geehrte Damen und Herren! In Vertretung der steuerpflichtigen Gesellschaft beantragen wir gem. § 299 BAO die Aufhebung des Bescheides über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO vom und begründen dies wie folgt: Das Finanzamt hat in Erledigung der für 2021 eingereichten Erklärungen E6, E6a und E6a-1 die erklärten Einkünfte ohne Abweichung mit Einkünften aus Gewerbebetrieb in der Höhe von € 85.459,76 veranlagt. Laut Mitteilung des steuerlichen Vertreters des Gesellschafters ***P*** sind für das Jahr 2021 noch Sonderbetriebsausgaben in Höhe von € 925,69 angefallen. Außerdem wäre noch ein Veräußerungsverlust des stillen Gesellschafters durch Verlust des Kapitalkontos in Höhe von € 9.889,62 und der Verlust der Darlehens- und Verrechnungskonten in Höhe von insgesamt € 77.881,09 entstanden, der bei der Erstveranlagung nicht geltend gemacht wurde. Wir beantragen daher den Bescheid vom aufzuheben und die in der Anlage übermittelten Erklärungen der Aufhebung und Neufestsetzung zu Grunde zu legen."

In einem Ergänzungsersuchen vom wurde unter anderem um nähere Erläuterungen zum geltend gemachten Verlust, eine Nachreichung des Darlehensvertrages, sowie eine Vorlage des "Vertrages vom Ausscheiden des Gesellschafters" ersucht.

Da dieser Vorhalt unbeantwortet blieb, wies das Finanzamt mit einer als Bescheid intendierten Erledigung vom den Antrag gemäß § 299 BAO vom als unbegründet ab. Der Bescheid wurde an die atypisch stille Gesellschaft zu Handen ihres ehemaligen steuerlichen Vertreters adressiert.

Dagegen richtet sich die vom ehemaligen steuerlichen Vertreter der atypisch stillen Gesellschaft eingebrachte Beschwerde vom . Darin wurde ausgeführt, dass "in Vertretung obiger Gesellschaft" (***E*** GmbH und ***P***) gegen den Bescheid vom (mit näherer Begründung) Beschwerde erhoben werde.

Diese Beschwerde wurde mit einer als Beschwerdevorentscheidung intendierten Erledigung vom als unbegründet abgewiesen, und an die atypisch stille Gesellschaft zu Handen ihres ehemaligen steuerlichen Vertreters adressiert.

Dagegen richtet sich der vom ehemaligen steuerlichen Vertreter der atypisch stillen Gesellschaft "in Vertretung" dieser Gesellschaft eingebrachte Vorlageantrag vom . Darin wurde unter anderem vorgebracht, dass der atypisch stille Gesellschafter "bis zur Liquidation" der Geschäftsinhaberin Mitunternehmer gewesen sei.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte eine Abweisung derselben.

Erwägungen

Gemäß § 79 BAO gelten für die Rechts- und Handlungsfähigkeit die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Dabei ist Rechtsfähigkeit die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Bezogen auf Verfahrenshandlungen begründet die Rechtsfähigkeit die Parteifähigkeit, somit die abstrakte Fähigkeit, Träger von prozessualen Rechten und Pflichten zu sein. Die mangelnde Parteifähigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. An nicht (mehr) Parteifähige zugestellte Bescheide sind nichtig (Nichtbescheide).

Die Vollbeendigung der (auch atypisch) stillen Gesellschaft tritt bereits mit dem Wirksamwerden der Auflösung ein (Ritz, BAO7, § 79 Tz 12a mit Hinweis auf und ).

Im Ergänzungsersuchen vom wurde unter anderem um Vorlage des "Vertrages vom Ausscheiden des Gesellschafters" und damit um Bekanntgabe des Zeitpunktes der Vollbeendigung der atypisch stillen Gesellschaft ersucht. Dieser Vorhalt blieb jedoch unbeantwortet. Im Vorlageantrag wurde vorgebracht, dass der atypisch stille Gesellschafter "bis zur Liquidation" der Geschäftsinhaberin (***E*** GmbH) Mitunternehmer gewesen sei. Mit Gesellschafterbeschluss vom war der Bericht des Liquidators über die Beendigung der Liquidation der Geschäftsinhaberin genehmigend zur Kenntnis genommen, und am die Firma der Geschäftsinhaberin im Firmenbuch infolge beendeter Liquidation gelöscht worden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war daher die atypisch stille Gesellschaft beendet und verlor diese ihre Rechts- und damit auch ihre Parteifähigkeit.

Der Antrag vom auf Aufhebung des Feststellungsbescheides vom wurde damit vom ehemaligen steuerlichen Vertreter der atypisch stillen Gesellschaft für ein nicht mehr rechts- und parteifähiges Rechtssubjekt eingebracht. Ebenso erging der Abweisungsbescheid vom an einen nicht mehr rechts- und parteifähigen Adressaten.

Wird ein Feststellungsbescheid an eine nicht mehr bestehende (somit an eine beendigte) Gemeinschaft gerichtet, so entfaltet er keine Rechtswirkungen (Ritz, BAO7, § 188 Tz 22 mit Hinweis auf ; und ). Dies gilt in gleicher Weise für Bescheide, mit denen ein Antrag gemäß § 299 BAO abgewiesen wird. Auch gilt die in § 191 Abs. 5 BAO normierte Teilwirksamkeit eines Feststellungsbescheides nicht, wenn sich die Nichtigkeit als Feststellungsbescheid beabsichtigter Schriftstücke aus der Adressierung an eine bereits beendete Gemeinschaft ergibt (Ritz, BAO7, § 191 Tz 14). Eine solche Teilwirksamkeit kann daher auch nicht für einen Bescheid gemäß § 299 BAO gelten; abgesehen davon wird eine sinngemäße Anwendung des § 191 Abs. 5 BAO für derartige Bescheide in der Bundesabgabenordnung nicht normiert.

Im gegenständlichen Fall wurden somit sowohl der Antrag vom , als auch die Beschwerde und der Vorlageantrag für ein nicht mehr rechts- und parteifähiges Rechtssubjekt eingebracht und wurden auch die als Bescheide intendierten Erledigungen des Finanzamtes an einen nicht mehr rechts- und parteifähigen Adressaten gerichtet. Das gesamte Verfahren ging damit ins Leere und war daher in sinngemäßer Anwendung des § 278 Abs. 1 lit. b BAO als gegenstandslos einzustellen (vgl. dazu ).

Dem ehemaligen steuerlichen Vertreter der Gesellschaft wird mit gesondertem formlosen Schreiben eine Ablichtung des gegenständlichen Beschlusses zur Information übermittelt.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage liegt gegenständlich nicht vor. Der Beschluss stützt sich auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Im Übrigen entspricht nach dem Erkenntnis , die Bestimmung des § 278 Abs. 1 lit. b BAO inhaltlich § 33 Abs. 1 VwGG und damit der Vorschrift, die sinngemäß anzuwenden ist, wenn es zu einem Wegfall der Rechtspersönlichkeit der beschwerdeführenden (revisionswerbenden) Partei kommt.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 79 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 191 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100679.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at