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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.09.2023, RV/2100458/2023

Anspruchszinsen: Akzessorietät von Anspruchszinsenbescheiden - durch Vorlageantrag bleibt Beschwerdevorentscheidung im Rechtsbestand

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/2100458/2023-RS1
Rechtzeitige und zulässige Vorlageanträge führen dazu, dass die Bescheidbeschwerde wieder als unerledigt gilt. Die Beschwerdevorentscheidung bleibt jedoch bis zur abschließenden Erledigung (zB durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes) im Rechtsbestand (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 264, Rz 3). Nach der Bundesabgabenordnung tritt, anders als in § 64a AVG, mit der Vorlage der Beschwerde die Beschwerdevorentscheidung nicht außer Kraft. Zinsenrelevante Nachforderungen oder Gutschriften können sich vor allem – jeweils bezogen auf die Einkommensteuer - aus Beschwerdevorentscheidungen gem. § 262 BAO ergeben (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 205 Rz 8).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin in der Beschwerdesache ***Beschwerdeführer***, ***Adresse**, vertreten durch Imre & Schaffer Rechtsanwälte OG, Ludersdorf 201, 8200 Gleisdorf, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Anspruchszinsen (§ 205 BAO) 2013, 2014 und 2016 sowie den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Anspruchszinsen (§ 205 BAO) 2015, Steuernummer**** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen für die Jahre 2013, 2014 und 2016 vom jeweils und für das Jahr 2015 vom , wurden die Anspruchszinsen für die Jahre in folgender Höhe festgesetzt:

2013 mit € 141,48,

2014 mit € 164,60,

2015 mit € 152,91,

2016 mit € 110,80.

Mit fristgerechtem Schreiben wurde vom ausgewiesenen Vertreter Beschwerde gegen die Anspruchszinsenbescheide 2013, 2014, 2015 und 2016 erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass hinsichtlich der Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen und der Bescheide über die Festsetzung von Aussetzungszinsen eine Änderung der Rechtslage dergestalt eingetreten sei, als mit Vorlageantrag vom heutigen Tag die Vorlage sämtlicher Beschwerden an das Bundesfinanzgericht beantragt worden sei und daher sämtliche Beschwerdevorentscheidungen außer Kraft getreten seien. Gleichzeitig sei in diesem Vorlageantrag eine jedenfalls berechtigte Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO beantragt, welche auch schon ursprünglich bei Einbringung der Bescheidbeschwerden gegen die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide 2012 bis 2017 bewilligt worden sei. Es sei daher die Basis für die Festsetzung von Anspruchszinsen und Aussetzungszinsen weggefallen, sodass die bekämpften Bescheide ersatzlos zu beheben seien.

Es werde beantragt der gegenständlichen Beschwerde Folge zu geben und die Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2013, 2014, 2015 und 2016 sowie die Bescheide über die Festsetzung von Aussetzungszinsen ersatzlos zu beheben. Unter einem stelle der Beschwerdeführer (kurz Bf.) hinsichtlich sämtlicher oben bekämpfter Bescheide den Antrag auf Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde von der Abgabenbehörde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass gemäß § 205 (1) BAO für Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen) seien. Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen seien somit an die im Spruch des zur Nachforderung oder Gutschrift führenden Bescheides ausgewiesene Nachforderung bzw Gutschrift gebunden. Zinsenbescheide seien mit Bescheidbeschwerde anfechtbar, etwa mit der Begründung, dass der maßgebende Einkommensteuerbescheid nicht zugestellt worden sei oder der im Zinsenbescheid angenommene Zeitpunkt seiner Zustellung unzutreffend sei. Wegen der genannten Bindung sei der Zinsenbescheid allerdings nicht (mit Aussicht auf Erfolg) mit der Begründung anfechtbar, der maßgebende Einkommensteuer-(Körperschaftsteuer)-bescheid sei inhaltlich rechtswidrig.

Die Bescheidbeschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2012-2017, welche die Grundlage der gegenständlichen Festsetzungsbescheide darstellen, seien derzeit beim Bundesfinanzgericht zu Geschäftszahl*** noch anhängig. Erweise sich der genannte Stammabgabenbescheid nachträglich als rechtswidrig und werde er entsprechend abgeändert (oder aufgehoben), so werde diesem Umstand mit einem an den Abänderungsbescheid (Aufhebungsbescheid) gebundenen Zinsenbescheid Rechnung getragen (z.B. Gutschriftszinsen als Folge des Wegfalles einer rechtswidrigen Nachforderung). Es ergehe ein weiterer Zinsenbescheid und erfolge daher keine Abänderung des ursprünglichen Zinsenbescheides. Die gegenständliche Beschwerde sei abzuweisen und habe die Abgabenbehörde nach erfolgter Sachentscheidung neue Zinsenbescheide im Sinne dieser Sachentscheidung zu erlassen.

Betreffend die Aussetzungszinsen wurde begründend ausgeführt, dass die Grundlage für die Aussetzungszinsen die Bescheide gewesen seien, die derzeit noch beim Bundesfinanzgericht zu Geschäftszahl*** anhängig seien. Sollten diese Bescheidbeschwerden zu einer nachträglichen Herabsetzung der strittigen Abgabenschuld führen, sei diese Änderung entsprechend zu berücksichtigen. Da jedoch noch keine entsprechende Sachentscheidung des Bundesfinanzgerichtes zu Geschäftszahl*** erfolgt sei, war die gegenständliche Beschwerde abzuweisen.

Mit fristgerechten Vorlageantrag stellte der ausgewiesene Vertreter aufgrund der ergangenen Beschwerdevorentscheidung vom den Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Weiteres Vorbringen werde nicht erstattet. Der Bf. stelle nochmals den Antrag auf Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO, da aufgrund der Beschwerdevorentscheidung auch die Bewilligung der Aussetzung der Einhebung weggefallen sei.

Mit Vorlagebericht vom wurde von der Abgabenbehörde zusammengefasst mitgeteilt, dass entsprechend der Bestimmung des § 205 BAO die neu erlassenen Sachbescheide betreffend Einkommensteuer aus dem Ausgangsverfahren (Jahre 2012 - 2015) zur bescheidmäßigen Festsetzung von Anspruchszinsen für die Jahre 2013 - 2016 geführt hätten. Diese Bescheide betreffend Festsetzung von Anspruchszinsen seien gegenständlich beschwerdeverfangen.

Strittig sei im gegenständlichen Fall, ob die Festsetzung von Anspruchszinsen sowie Aussetzungszinsen sich auch dann als rechtsrichtig erweise, wenn die zugrundeliegenden Bescheide, nämlich die Einkommensteuerbescheide hinsichtlich Festsetzung von Anspruchszinsen gemäß § 205 BAO bzw. die Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide hinsichtlich Festsetzung von Aussetzungszinsen gemäß § 212a (9) BAO für die Inanspruchnahme eines Zahlungsaufschubes noch beschwerdeverfangen seien. Wie von der Abgabenbehörde bereits in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt wurde, ergäbe sich sowohl aus der gesetzlichen Bestimmung des § 205 BAO als auch des § 212a BAO, dass eine (amtswegige) Berücksichtigung nachträglicher Änderungen von Einkommensteuerbescheiden bzw. Bescheiden, die Aussetzungszinsen für Beträge festsetzen, die im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens herabgesetzt werden, zu erfolgen habe. Im Umkehrschluss lasse sich aus den genannten Bestimmungen jedoch nicht ableiten, dass eine Berücksichtigung von Änderungen - so wie es gegenständlich vom Bf. begehrt werde - bereits vor der tatsächlichen Feststellung mittels Bescheid oder Erkenntnis zu erfolgen hätte. Da im Vorlageantrag kein ergänzendes Vorbringen erstattet worden sei, werde auf die näheren Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung vom verwiesen, die vollinhaltlich aufrechterhalten werden. Folglich werde die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der (unstrittige) Sachverhalt wurde im Punkt I. Verfahrensgang bereits dargestellt.

2. Beweiswürdigung

Der im Verfahrensgang dargelegte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten elektronischen Verwaltungsakten, den Abfragen des Bundesfinanzgerichtes im Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung und aus dem Vorbringen des Bf..

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 205 BAO lautet auszugsweise in der für den Beschwerdezeitraum maßgebenden Fassung (BGBl. I Nr. 14/2013):

(1) Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, sind für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus

1.a) Aufhebungen von Abgabenbescheiden,

2.b) Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt,

3.c) auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 oder 4 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.

(2) Die Anspruchszinsen betragen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen. […]

Den angefochtenen Anspruchszinsenbescheiden liegen, betreffend die Berechnung, die sich aufgrund der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2013, 2014 und 2016 vom , für das Jahr 2015 vom , ergebenden Differenzbeträge zugrunde.

Anspruchszinsenbescheide sind nach ständiger Rechtsprechung an die Höhe der im Bescheidspruch des Einkommen-(Körperschaft-)Steuerbescheides ausgewiesenen Nachforderung gebunden (; ; ).

Anspruchszinsen gehören nach § 3 Abs. 2 lit. b BAO zu den Nebenansprüchen und sind zur festzusetzenden Abgabe formell akzessorisch (; ). Eine rechtskräftige Einkommen- oder Körperschaftsteuerfestsetzung wird vom Gesetz nicht verlangt ().

Anspruchszinsenbescheide sind an die Stammabgabenbescheide gebunden. Erweist sich im Übrigen der Stammabgabenbescheid nachträglich als rechtswidrig und wird er daher entsprechend abgeändert (oder aufgehoben), so wird diesem Umstand mit einem an den Abänderungsbescheid (Aufhebungsbescheid) iSd § 295 Abs. 3 BAO gebundenen Zinsenbescheid Rechnung getragen. Es ergeht diesfalls ein weiterer Zinsenbescheid; es erfolgt daher keine Abänderung des ursprünglichen Zinsenbescheides (vgl. Ritz/Koran, BAO7 § 205 Rz 35 bzw. ).

Im gegenständlichen Fall hat die Vertretung des Bf. die Anspruchszinsenbescheide lediglich mit dem Vorbringen in der Beschwerde, dass mit Vorlageantrag die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragt worden sei und daher sämtliche Beschwerdevorentscheidungen außer Kraft getreten seien, bekämpft.

Zinsenrelevante Nachforderungen oder Gutschriften können sich vor allem - jeweils bezogen auf Einkommensteuer - aus Beschwerdevorentscheidungen gem. § 262 BAO ergeben (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 205 Rz 8).

Dem Bf. ist entgegen zu halten, dass nach der Bundesabgabenordnung, anders als in § 64a AVG, mit Vorlage der Beschwerde die Beschwerdevorentscheidung nicht außer Kraft tritt.

Rechtzeitige und zulässige Vorlageanträge führen dazu, dass die Bescheidbeschwerde wieder als unerledigt gilt. Die Beschwerdevorentscheidung bleibt jedoch bis zur abschließenden Erledigung (zB durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes) im Rechtsbestand (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 264 Rz 3).

Die Bemessungsgrundlage für die Anspruchsverzinsung ist der Saldo aus der jeweils letztfestgesetzten Abgabenschuld im Vergleich mit der unmittelbar vorangegangenen Festsetzung (Tanzer in Althuber/Tanzer/Unger (Hrsg), BAO Handbuch (2015) zu § 205 BAO "2. Die Berechnung der Anspruchszinsen").

Die Beschwerde hinsichtlich der Anspruchszinsenbescheide für die Jahre 2013, 2014, 2015 und 2016 war als unbegründet abzuweisen.

Der Vollständigkeit halber wird noch - wie bereits oben ausgeführt - darauf hingewiesen, dass, sollte sich ein Stammabgabenbescheid nachträglich als rechtswidrig erweisen und entsprechend abgeändert oder aufgehoben werden, diesem Umstand ohnedies mit einem an den Abänderungsbescheid (Aufhebungsbescheid) gebundenen neuen Zinsenbescheid Rechnung zu tragen wäre (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 205 Rz 33ff).

Die Erledigung der Beschwerden gegen die den Anspruchszinsenbescheiden zu Grunde liegenden Einkommensteuerbescheiden (GZ. RV/2100798/2021) bleibt einer späteren Erledigung vorbehalten. Eine gewährte Aussetzung der Einhebung der strittigen Anspruchszinsen bleibt bis zur Erledigung der Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide durch das Bundesfinanzgericht aufrecht (vgl. § 212a Abs. 1 erster Satz BAO: mittelbare Abhängigkeit der Einhebung der Anspruchszinsen von der Erledigung der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid).

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wurde von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen bzw. ergeben sich die Rechtsfolgen aus den gesetzlichen Bestimmungen, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 3 Abs. 2 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100458.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at