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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 20.09.2023, RV/2100948/2020

Keine Verbindung von Beschwerden gegen die Haftungsinanspruchnahme mit Beschwerden gegen den Abgabenanspruch

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***1*** und die beisitzende Richterin ***2*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***3*** und ***4*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Dr. Tibor Lászlo Robert Nagy, p.A. tws wien-salzburg Steuerberatungs GmbH, Hainburger Straße 20 Tür 7, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Haftung nach § 9 BAO zu Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***5*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben. Der Bf. wird für folgende Abgaben im Gesamtausmaß von € 338.327,17 zur Haftung herangezogen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabe
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag
Bmgrl.
50%
Einkommensteuer (BE)
2002
33.348,95
0,00
0,00
Einkommensteuer (BE)
2003
74.924,23
74.924,23
37.462,12
Einkommensteuer (BE)
2004
57.633,29
57.633,29
28.816,65
Einkommensteuer (BE)
2005
43.856,02
43.856,02
21.928,01
Einkommensteuer (BE)
2006
37.651,77
37.651,77
18.825,89
Lohnsteuer
2004
66.230,46
66.230,46
33.115,23
Lohnsteuer
2005
157.662,49
157.662,49
78.831,25
Lohnsteuer
2006
150.253,56
150.253,56
75.126,78
Dienstgeberbeitrag
2004
14.085,72
14.085,72
7.042,86
Dienstgeberbeitrag
2005
33.918,58
33.918,58
16.959,29
Dienstgeberbeitrag
2006
32.830,95
32.830,95
16.415,48
Zuschlag zum DB
2004
1.377,27
1.377,27
688,64
Zuschlag zum DB
2005
3.165,74
3.165,74
1.582,87
Zuschlag zum DB
2006
3.064,25
3.064,25
1.532,13
710.003,28
676.654,33
338.327,17

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) fungierte in der Zeit vom bis als alleiniger Geschäftsführer der K. GmbH. Am wurde die Firma der GmbH gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.

Mit Schreiben vom wurde von der belangten Behörde an den Bf. ein Schreiben gerichtet, worin die Heranziehung zur Haftung nach § 9 iVm. § 80 BAO für die Abgabenschulden der K. GmbH beabsichtigt werde, weil Vertreter juristischer Personen alle Pflichten des Vertreten zu erfüllen hätten. Sie hätten insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, vorschriftsmäßig entrichtet würden. Gleichzeitig wurde er aufgefordert, die nachfolgenden Fragen der Behörde sorgfältig und vollständig zu beantworten und durch Vorlage geeigneter Unterlagen, die zur seiner Entlastung vom Verschulden dienen könnten, zu belegen. Im Einzelnen wurden Abgaben mit Fälligkeiten beginnend mit bis in Höhe von 710.003,28 € aufgelistet.
Da die Abgabenbeträge während seiner Vertretungsperiode fällig bzw. nicht entrichtet wurden, müsse das Finanzamt bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgehen, dass der Bf. seiner ihm aufgetragenen Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten nicht vorschriftsmäßig nachgekommen sei. Die bisherigen Einbringungsmaßnahmen gegen die Abgabenschuldnerin seien erfolglos verlaufen und letztlich sei diese gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht worden.

Sofern die GmbH ab den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügte, wurde der Bf. ersucht, dies durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger ab dem Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten (siehe Punkt 1) gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen darzulegen. In dieser Aufstellung müssten alle damaligen Gläubiger der GmbH (auch die zur Gänze bezahlten) sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen (Quoten) enthalten sein. Außerdem seien alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel (Bargeld und offene Forderungen) anzugeben bzw. gegenüber zu stellen. Für den Nachweis der quotenmäßigen Erfüllung der Gläubigergleichbehandlung sei eine rechnerische Darstellung vorzulegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es Aufgabe des Vertreters, im Verwaltungsverfahren allfällig vorliegende Gründe aufzuzeigen, die ihn daran gehindert haben, die Abgabenschuld am oder nach dem Fälligkeitstag zu begleichen (). Es stehe dem Bf. frei, die maßgebliche finanzielle Situation ab Eintritt der Abgabenfälligkeiten, die offenen Verbindlichkeiten und die erbrachten Tilgungsleistungen an alle einzeln anzuführenden Gläubiger der GmbH auch auf andere Art und Weise einwandfrei bekannt zu geben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliege dem Bf. als Vertreter, Nachweise dafür, wie viel Zahlungsmittel zur Verfügung gestanden seien und in welchem Ausmaß die anderen Gläubiger der GmbH noch Befriedigung erlangten, zu erbringen. Im Fall der Nichterbringung dieser Nachweise müsse das Finanzamt davon ausgehen, dass der Bf. seiner obliegenden Verpflichtung, die fällig gewordenen Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu entrichten, schuldhaft verletzt hätte, und diese Pflichtverletzung auch ursächlich für den Abgabenausfall bei der GmbH sei. Unter diesen Umständen hafte er für die uneinbringlichen Abgabenschuldigkeiten im vollen Ausmaß ().
Werde der Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung nicht in nachvollziehbarer Weise erbracht, liege es im Ermessen des Finanzamtes, die Haftung für die angeführten Abgabenbeträge auszusprechen, bei Benachteiligung des Abgabengläubigers im Ausmaß der nachgewiesenen Benachteiligung der Abgabenschuldigkeiten gegenüber den anderen Verbindlichkeiten der GmbH (). Da der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung allfällige Einzelinteressen verdrängt (z.B. ), sähe sich das Finanzamt veranlasst, die gesetzliche Vertreterhaftung im erforderlichen Ausmaß geltend zu machen.

In seiner elfseitigen Äußerung vom erhob der Bf. auf ca. 9 Seiten Einwendungen zu den von der belangten Behörde gegen die primärschuldnerische GmbH erlassenen Abgabenbescheiden, indem er die im Außenprüfungsbericht getroffenen Prüfungsfeststellungen bekämpft.
Zur Haftungsinanspruchnahme selbst führt er aus, er sei nur für Handlungen und Unterlassungen im Zeitraum Mai 2002 bis September 2008 verantwortlich. Allfällige Verstöße gegen das Gleichbehandlungsgebot, die nach diesem Zeitraum datieren, seien ihm nicht mehr zuzurechnen.
Soweit die geltend gemachten Abgaben Selbstbemessungsabgaben sind, wären diese bereits in den Jahren 2002 bis 2008 zu entrichten gewesen. Die Verpflichtung zur anteiligen Befriedigung setze voraus, dass der Geschäftsführer von der Existenz der Abgabenpflichten zumindest Kenntnis haben musste. Im gegenständlichen Fall wären es erst die Prüfberichte vom November 2008, die die Geschäftsgebarung der K. GmbH in einen überraschend neuen rechtlichen Kontext stellten, der die geltend gemachten Selbstbemessungsabgaben erst zu begründen vermochte. Dieser von den Prüfern konstruierte rechtliche Kontext sei, wie dieses Verfahren auch zeigt, alles andere als zwingend, sodass es ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, wenn er während der Jahre 2002 bis 2008 von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der die geltend gemachten Selbstbemessungsabgaben gar nicht auslöst. Abgabenschulden, von denen der Haftungspflichtige Kenntnis weder hatte noch haben musste, seien vom Gleichbehandlungsgebot des § 9 BAO nicht umfasst. Er stelle deshalb den Antrag, ihm im Rahmen eines Vorhaltes darzutun, ob die Finanzverwaltung meinem Mandanten die Kenntnis oder schuldhafte Unkenntnis eines Sachverhaltes vorwerfen möchte, an den die Verpflichtung zur Entrichtung von Selbstbemessungsabgaben geknüpft ist, und gegebenenfalls um nähere Darlegung, worauf sie entweder die Behauptung eines Verschuldens stützen möchte, oder aus welchen Gründen sie davon ausgehe er sei in Kenntnis des entsprechenden Sachverhaltes gewesen. Erst nach Vorliegen dieser Konkretisierungen werde er in der Lage sein, seine abgabenrechtliche Mitwirkungspflicht zu erfüllen und zu diesen rechtserheblichen Fragen konkretes und substantiiertes Vorbringen erstatten zu können.
Soweit die geltend gemachten Abgaben solche sind, die bescheidmäßig festzusetzen sind, gelte folgendes: Wie bereits ausgeführt, habe die K. Bau GmbH am gegen sämtliche Abgabenbescheide Berufung erhoben. Überdies habe sie mit Eingabe vom die Aussetzung der Einhebung beantragt. Durch die Wirkung der Aussetzung ist die Verpflichtung zur unmittelbaren Entrichtung der Abgaben weggefallen. Für die Dauer der Aussetzung kann die Nichtentrichtung der Abgaben deshalb das Gebot der Gleichbehandlung nicht verletzen.

Im angefochtenen Bescheid nahm die belangte Behörde den Bf. für Abgabenschuldigkeiten in Höhe von insgesamt 711.003,28 € als Haftungspflichtigen in Anspruch. Im Detail sind folgende Abgaben angeführt:

In seiner Begründung führt der angefochtene Bescheid Folgendes aus:
"Die Haftung des § 9 BAO setzt voraus:
• Stellung als Vertreter,
• Bestehen einer Abgabenforderung gegen den Vertretenen,
• Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung
• Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Vertreter
• Verschulden des Vertreters und
• Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit
Zur Stellung als Vertreter:
Sie waren von bis der K. GmbH (in weiterer Folge kurz: GmbH genannt) im Firmenbuch als handelsrechtlicher Geschäftsführer der GmbH eingetragen.
Somit sind Sie Vertreter der GmbH im Sinne der §§ 9 und 80 BAO.
Bestehen einer Abgabenforderung gegen den Vertretenen:
Alle haftungsgegenständlichen Abgaben wurden mittels Bescheid festgesetzt.
Somit bestehen Abgabenforderungen gegen die GmbH.
Die Abgabenbescheide sowie Betriebsprüfungsberichte werden im Zuge dieses Haftungsbescheides zur Kenntnis gebracht.
Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung:
Die Haftung gem.
§ 9 BAO ist eine Ausfallshaftung ( 99/14/0278).
Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (
2003/13/0153).
Die Uneinbringlichkeit ergibt sich deshalb, da die GmbH am gem. § 40 FBG im Firmenbuch infolge Vermögenslosigkeit gelöscht wurde. Somit ist der Betrag von € 710.003,28 uneinbringlich.
Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertreters:
Haftungsrelevant ist nur, wenn sich die Uneinbringlichkeit aus der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten ergibt ().
Zu den abgabenrechtlichen Pflichten gehören insbesondere
• die Abgabenentrichtung aus den Mitteln, die der Vertreter verwaltet,
• die Führung gesetzlicher Aufzeichnungen (
89/14/0043),
• die zeitgerechte Einreichung von Abgabenerklärungen (
2000/14/0006).
Die Pflicht des Vertreters, die vom Vertretenen geschuldeten Abgaben zu entrichten, besteht nur insoweit, als hierfür liquide Mittel vorhanden sind (
2000/16/0601).
Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob dem Primärschuldner die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel zur Verfügung standen, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären (
98/15/0003; , 95/15/0137, /2001/15/0108).
Reichen die Mittel des Primärschuldners nicht aus, die offenen Schuldigkeiten zur Gänze zu entrichten, so ist der Vertreter grundsätzlich zur Befriedigung der Schulden im gleichen Verhältnis (anteilig) verpflichtet (Gleichbehandlungsgrundsatz). Er darf hierbei Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als die übrigen Schulden (
95/13/0170; 97/17/0096, , 2000/16/0149).
Er ist jedoch nicht verpflichtet, den Abgabengläubiger besser als die übrigen Gläubiger zu behandeln (
98/17/0038).
Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erstreckt sich die Haftung des Vertreters nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat (
96/15/0049; 95/14/0090; 2000/14/0149).
Allerdings hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nicht die Abgabenbehörde nachzuweisen; vielmehr hat der Vertreter das Fehlen ausreichender Mittel nachzuweisen (
99/13/0090; 98/16/0348). Gelingt ein solcher Nachweis nicht, kann die Haftung für den gesamten uneinbringlichen Abgabenrückstand geltend gemacht werden ( 95/14/0056, 2000/14/0149).
Diese qualifizierte Mitwirkungspflicht entbindet die Abgabenbehörde jedoch nicht von jeglicher Ermittlungspflicht. Die Behörde hat bei entsprechenden Behauptungen und diesbezüglichem Beweisanbot die zur Entlastung des Vertreters angebotenen Beweise aufzunehmen und erforderliche Präzisierungen abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen (
95/15/0145; 94/14/0147).
Mit Vorhalt vom wurden Sie daher aufgefordert, Nachweise zu erbringen, wie die Zahlungsmittel zur Verfügung gestanden sind und in welchem Ausmaß die anderen Gläubiger der GmbH noch Befriedigung erlangten.
Am wurde von Ihrem Vertreter eine Stellungnahme eingebracht und wird nun folgendes festgestellt:
Das am eingereichten Beschwerdeverfahren gegen die Abgabenfestsetzungen wurden am vom Bundesfinanzgericht (RV/2100116/2009) eingestellt, da die GmbH bereits am im Firmenbuch gem. § 40 FBG gelöscht wurde. Eine Abschrift wird Ihnen im Zuge dieses Haftungsbescheides zur Kenntnis gebracht.
Eine Haftungsinanspruchnahme des Geschäftsführers ist aber auch dann zulässig, wenn Abgabenbescheide, die die Grundlage für den Haftungsbescheid bilden, noch nicht in Rechtskraft erwachsen sind. Wesentlich ist, dass die Erstfestsetzung an eine rechts- und parteifähige Körperschaft erfolgte (
98/15/0084; , 2014/13/0035), was hier der Fall ist.
Ihre ausführlichen Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzungen, die auch das Ergebnis der Betriebsprüfung bekämpfen, gehen ins Leere, da diese nur im Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend gemacht werden können.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die nach § 9 BAO erforderliche Verschuldensprüfung von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen (; ,
2004/13/0142).
Bei Einbringung einer Beschwerde gegen den Haftungsbescheid gem. § 9 BAO sowie gegen den Abgabenanspruch gem. § 248 BAO hat die Abgabenbehörde erst über die Beschwerde gegen die Haftungsinanspruchnahme abzusprechen, da von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhängt (
2004/13/0027).
Für das Verschulden im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO kommt es auf die gesellschaftsrechtliche Stellung als Geschäftsführer der GmbH an.
Sie weisen in Ihrer Stellungnahme darauf hin, dass Sie nur in der Zeit von Mai 2002 bis September 2008 für die GmbH verantwortlich waren, es Ihnen aber unmöglich war, vor als Geschäftsführer zurückzutreten. Dazu ist anzuführen, dass es Ihnen als Geschäftsführer oblegen wäre, bei Abwesenheit des Gesellschafters einen Abwesenheitskurator zu erwirken und die Niederlegung der Geschäftsführung dem Kurator gegenüber zu erklären (
89/14/0044). Eine solche Niederlegung wirkt unabhängig von der Eintragung im Firmenbuch und setzt auch nicht die gleichzeitige Bestellung eines neuen Geschäftsführers voraus. Hierzu ist in weiterer Folge festzustellen, dass sich der haftungsrelevante Zeitraum von Jänner 2002 bis ins Jahr 2007 erstreckt. Somit steht fest, dass Sie im gesamten haftungsrelevanten Zeitraum Ihre Tätigkeit als Geschäftsführer ausgeübt haben.
Ihnen als Vertreter der GmbH oblag der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger bezogen auf die Fälligkeitszeitpunkte der haftungsrelevanten Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (
2003/14/0040; , 2004/14/0030).
Da Sie trotz Aufforderung vom keine rechnerische Darstellung der quotenmäßigen Gleichbehandlung aller Gläubiger übermittelt haben, wird die Schlechterstellung des Finanzamtes Graz-Stadt für die Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag zu 100% angenommen und die Haftung für den gesamten Abgabenrückstand ausgesprochen (
2000/16/0601).
Im Jahr 2005 wurden von der GmbH € 477.613,40 - im Jahr 2006 € 479.920,60 - und im Jahr 2007 € 175.412,48 an Umsätzen gemeldet.
Es ist daher davon auszugehen, dass Mittel der GmbH zur Verfügung gestanden sind, um ihre Verbindlichkeiten zu bezahlen, und dass die vorhandenen Mittel nicht im gleichen Verhältnis zur Befriedigung der Schulden eingesetzt wurden.
Sie waren zur anteilsmäßigen Verteilung der liquiden Mittel nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet. Durch die Nichtbeachtung dieses Grundsatzes für die Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag haben Sie Ihre abgabenrechtlichen Pflichten als Vertreter der GmbH verletzt.
Eine Ausnahme vom Gleichheitsgrundsatz besteht für Abfuhrabgaben, wie die Lohnsteuer (
99/14/0040; 2000/15/0227).
Reichen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht aus, hat er die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten (§ 78 Abs. 3 EStG 1988). In solchen Fällen dürfen Löhne somit nicht in voller Höhe ausbezahlt werden und sie sind (wie auch andere Schuldigkeiten) anteilig zu kürzen; die auf den gekürzten Lohnbetrag entfallende Lohnsteuer ist zur Gänze zu entrichten (
95/15/0046).
Eine weitere Ausnahme vom Gleichheitsgrundsatz besteht für Abzugssteuern nach § 99 EStG 1988 (VereinsRL 2001, Rz.
813).
Die Unterlassung der Abfuhr der Lohnsteuern und Abzugssteuern stellt eine schuldhafte Verletzung Ihrer abgabenrechtlichen Pflichten als Vertreter der GmbH dar.
Sie bringen in weiterer Folge vor, dass Sie von der bescheidmäßigen Festsetzung der haftungsrelevanten Abgaben am keine Kenntnis hatten und somit auch vom Gleichheitsgrundsatz nicht umfasst sind. Auch weisen Sie darauf hin, dass am ein Antrag gem. § 212a BAO eingebracht wurde und durch die Wirkung der Aussetzung die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe weggefallen ist. Daher treffe Sie kein Verschulden an der Nichtzahlung dieser Verbindlichkeiten.
Bei Selbstbemessungsabgaben - wie hier die Abzugsteuer und Lohnabgaben - ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (
2004/13/0146). Maßgebend ist somit der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, unabhängig davon, wann die Abgaben bescheidmäßig festgesetzt wurden (vgl. Ritz, BAO-Kommentar5; 2001/16/0291).
Alle festgesetzten Lohnabgaben und Abzugssteuern hatten ihre Fälligkeitstage jedenfalls im Zeitraum Ihrer Geschäftsführertätigkeit.
Da Sie es als verantwortlicher Geschäftsführer unterlassen haben, für eine ordnungsgemäße Berechnung und vollständige Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten zu sorgen, haben Sie Ihre Pflichten als Vertreter der GmbH schuldhaft verletzt.
Verschulden des Vertreters:
Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen nur dann zur Haftungsinanspruchnahme, wenn die Verletzung schuldhaft erfolgte. Eine bestimmte Schuldform ist hierfür nicht erforderlich (
96/14/0158; 2000/16/0601). Daher reicht leichte Fahrlässigkeit ( 91/13/0037, 95/15/0137).
Der Vertreter hat darzutun, weshalb er nicht dafür habe Sorge getragen, dass der Vertretene die Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (
95/15/0137; 99/14/0277; 98/16/0348). In der Regel wird nämlich nur der Vertreter jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung des Vertretenen haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht ( 97/15/0115; 99/14/0128). Der Vertreter hat für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen ( 89/14/0132). Ihm obliegt kein negativer Beweis, sondern die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die etwa der rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden ( 89/13/0212).
Wie der Verwaltungsgerichtshof ausführt, ist es Aufgabe des Geschäftsführers im Verwaltungsverfahren allfällige Gründe aufzuzeigen, die ihn darin gehindert haben, die Abgabenschuld am oder nach dem Fälligkeitstag zu begleichen (
2007/13/0137).
Aufgrund der Aktenlage muss davon ausgegangen werden, dass zu den jeweiligen Fälligkeitstagen bzw. ab dem ersten Fälligkeitstag liquide Mittel vorhanden waren, diese jedoch nicht nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz verteilt wurden. Warum keine Gleichbehandlung erfolgte, wurde trotz Vorhalt nicht dargetan.
Es liegt daher eine schuldhaftes Verhalten des ehemaligen Vertreters vor.
Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit:
Die Inanspruchnahme der gem. § 9 BAO bestehenden Haftung setzt voraus, dass die schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten kausal für die Uneinbringlichkeit ist. Bei schuldhafter Pflichtverletzung darf die Abgabenbehörde mangels dagegen sprechender Umstände annehmen, dass die Pflichtverletzung Ursache der Uneinbringlichkeit ist (
97/15/0051; 98/15/0084).
Es sind daher alle Voraussetzungen gem. § 9 BAO für eine Inanspruchnahme zur Haftung erfüllt.
Die Geltendmachung der persönlichen Haftung ist eine Ermessensentscheidung. Gem. § 20 BAO sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.
Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten
Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel dann ermessenskonform ist, wenn die betreffenden Abgaben beim Primärschuldner uneinbringlich sind."

Mit Eingabe vom erhob der Bf. sowohl gegen die Sachbescheide als auch gegen den hier angefochtenen Haftungsbescheid Beschwerde und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat. Hierzu führte er Folgendes aus:
"Zunächst ist im Spruch des Bescheides der geltend gemachte Haftungsbetrag nicht eindeutig festgesetzt.
Sodann, wie in der Beschwerde nach § 248 BAO ausgeführt, bestehen die im Haftungsbescheid geltend gemachten Abgabenforderungen nicht zu Recht.
Außerdem haftet der Geschäftsführer für Abgabenschulden nur insoweit, als er gegen das Gebot der anteiligen Befriedigung aller Gläubiger verstößt (
Ro 2014/16/0019 u.v.a.). Gegen dieses Gebot hat mein Mandant aus den nachstehenden Gründen nicht verstoßen.
2.1 Maßgeblicher Zeitraum:
Mit Eingabe vom hat mein Mandant, vertreten durch den Wirtschaftstreuhänder Mag. W.S., bereits überzeugende Gründe dargetan, warum er für Handlungen oder Unterlassungen der K. GmbH ab September 2008 nicht mehr verantwortlich gemacht werden kann. Deshalb ist mein Mandant (nur) verantwortlich für Handlungen und Unterlassungen in der Zeit von Mai 2002 bis September 2008. Allfällige Verstöße gegen das Gleichbehandlungsgebot, die nach diesem Zeitraum datieren, sind meinem Mandanten nicht mehr zuzurechnen.
2.2 Selbstbemessungsabgaben:
A. Soweit die geltend gemachten Abgaben Selbstbemessungsabgaben sind, wären diese bereits in den Jahren 2002 bis 2008 zu entrichten gewesen. Die Verpflichtung zur anteiligen Befriedigung setzt voraus, dass der Geschäftsführer von der Existenz der Abgabenpflichten zumindest Kenntnis haben musste. Das setzt wiederum voraus, dass er entweder in Kenntnis eines Sachverhaltes ist, der entsprechende Abgabenpflichten auslöst, oder ihm die Unkenntnis des Sachverhaltes vorzuwerfen ist.
B. Im gegenständlichen Fall waren es erst die Prüfberichte vom November 2008, die die Geschäftsgebarung der K. GmbH in einen überraschend neuen rechtlichen Kontext stellten, der die geltend gemachten Selbstbemessungsabgaben erst zu begründen vermochte. Dieser von den Prüfern konstruierte rechtliche Kontext ist, wie dieses Verfahren auch zeigt, alles andere als zwingend, sodass es meinem Mandanten nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, wenn er während der Jahre 2002 bis 2008 von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der die geltend gemachten Selbstbemessungsabgaben gar nicht auslöst. Abgabenschulden, von denen der Haftpflichtige Kenntnis weder hatte noch haben musste, sind vom Gleichbehandlungsgebot des § 9 BAO nicht umfasst.
Meinen dazu am gestellten Antrag, mir im Rahmen eines Vorhaltes darzutun, ob die Finanzverwaltung meinem Mandanten die Kenntnis oder schuldhafte Unkenntnis eines Sachverhaltes vorwerfen möchte, an den die Verpflichtung zur Entrichtung von Selbstbemessungsabgaben geknüpft ist, und gegebenenfalls um nähere Darlegung, worauf sie entweder die Behauptung eines Verschuldens stützen möchte, oder aus welchen Gründen sie davon ausgeht, mein Mandant sei in Kenntnis des entsprechenden Sachverhaltes gewesen, hat die belangte Behörde nicht erledigt. Die Vertreterin der belangten Behörde wird das Versäumte deshalb in der mündlichen Verhandlung nachzuholen haben.
2.3 Festzusetzende Abgaben:
Soweit die geltend gemachten Abgaben solche sind, die bescheidmäßig festzusetzen sind, gilt Folgendes:
Wie bereits unter Punkt 1.2 ausgeführt, hat die K. GmbH am gegen sämtliche Abgabenbescheide Berufung erhoben. Überdies hat sie mit Eingabe vom die Aussetzung der Einhebung beantragt.
Durch die Wirkung der Aussetzung ist die Verpflichtung zur unmittelbaren Entrichtung der Abgaben weggefallen. Für die Dauer der Aussetzung kann die Nichtentrichtung der Abgaben deshalb das Gebot der Gleichbehandlung nicht verletzen.
2.4 Fehlendes Verschulden:
Wenn die belangte Behörde meint, meine Einwendungen gegen den Abgabenanspruch im Verfahren über den Haftungsbescheid nicht prüfen zu müssen, so irrt sie. Denn mein Einwand, die belangte Behörde stütze ihren Abgabenanspruch auf ein von den Prüfern nachträglich errichtetes überraschendes Rechtskonstrukt, von dem mein Mandant zur Zeit seiner Geschäftsführertätigkeit Kenntnis weder hatte noch haben musste, zielt auch auf fehlendes Verschulden ab. Mangels Kenntnis von diesem Rechtskonstrukt konnte mein Mandant auch nichts von einer Verpflichtung zur Entrichtung von Selbstbemessungsabgaben wissen. Ebenso wenig konnte er vorausahnen, dass die Betriebsprüfer eine Leistungsbeziehung zu den übrigen ARGE-Partnern aberkennen würden. Für eine objektive Verletzung der Gleichbehandlungspflicht wäre meinem Mandanten deshalb kein Verschulden anzulasten. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH setzt eine Haftung nach § 9 BAO Verschulden des Geschäftsführers voraus (
2011/16/0084). Mit meinem Einwand fehlenden Verschuldens hätte sich die belangte Behörde deshalb auseinanderzusetzen gehabt."

Mit Beschwerdevorentscheidung wurde die vorhin erwähnte Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der Schreibfehler des Spruchs des angefochtenen Bescheides von 711.003,28 € auf 710.003,28 € - wie in der tabellarischen Auflistungen der haftungsgegenständlichen Abgaben berichtigt.
In der weiteren Folge führt die belangte Behörde Folgendes aus:
"Ihre Einwendungen, dass die Abgabenbescheide nicht rechtskräftig geworden sind und die Abgabenbehörde daher bei der Haftungsinanspruchnahme auf die Einwände gegen den Abgabenanspruch eingehen hätte müssen, ist zu entgegnen, dass - wie bereits im Haftungsbescheid ausgeführt - die Geltendmachung der Haftung auch dann zulässig ist, wenn die Bescheide, die die Grundlage für den Haftungsbescheid bilden, noch nicht in Rechtskraft erwachsen sind.
Wesentlich ist nur, dass die Erstfestsetzung noch an eine rechts- und parteifähige Körperschaft erfolgte, was hier der Fall ist, da die Abgabenbescheide am bzw. festgesetzt wurden, während die Firmenbuchlöschung gem. § 40 FBG erst am erfolgte.
Die Frage ob ein Abgabenanspruch gegeben ist, hat das Finanzamt nur dann als Vorfrage im Haftungsverfahren zu klären, wenn kein eine Bindungswirkung entfaltender Abgabenbescheid vorangegangen ist (
2003/13/0131; , 2005/13/0094; , 2014/13/0035).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage gehen somit Ihre ausführlichen Vorbringen ins Leere, welche sich gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung richten und das Ergebnis der Betriebsprüfung bekämpfen.
Einsprüche gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sind im Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen sind.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die nach § 9 BAO erforderliche Verschuldensprüfung von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen ().
Im Zuge der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid wurde auch eine Beschwerde gem. § 248 BAO gegen den Abgabenanspruch eingebracht.
Die Abgabenbehörde hat zunächst über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid gem. § 9 BAO zu entscheiden, da von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhängt (
2004/13/0027).
Durch Zusendung einer Ausfertigung der Außenprüfungsberichte vom bzw. sowie der Abgabenbescheide für die Abzugsteuer 2002 bis 2006 sowie der haftungsgegenständlichen Lohnabgaben 2004 bis 2006 wurde Ihnen Kenntnis über den gegenständlichen Abgabenanspruch verschafft. Sie wurden daher in die Lage versetzt, Ihr Beschwerderecht gemäß § 248 BAO auszuüben, was Sie im Rahmen der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom auch getan haben.
Die Fälligkeitszeiträume der haftungsgegenständlichen Abgaben betreffen die Jahre 2002 bis 2007. Während des gesamten haftungsrelevanten Zeitraumes waren Sie als Geschäftsführer der GmbH tätig.
Für die Fälligkeitstermine der Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag - hier der , und - wäre es Ihnen oblegen einen Liquiditätsstatus einzubringen, aus dem hervorgeht, dass die liquiden Mittel der GmbH im gleichen Verhältnis auf alle Gläubiger verteilt wurden.
Auf dem Geschäftsführer und nicht auf der Behörde lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote (
2006/15/0322). Wird kein Nachweis erbracht, kann die Haftung für den gesamten uneinbringlichen Abgabenbetrag geltend gemacht werden.
Zu Ihrem Hinweis, dass die Abgabenbescheide erst im Jahr 2008 erlassen wurden und Sie daher keine Kenntnis hatten, noch haben mussten, wird mitgeteilt, dass bei Selbstbemessungsabgaben - wie die Abzugsteuer und Lohnabgaben - maßgeblich ist, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Somit ist der Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben maßgeblich, unabhängig davon wann sie bescheidmäßig festgesetzt wurden. Die Verpflichtung zur Entrichtung der Abzugsteuern und Lohnsteuern ist somit schon vor Bescheiderlassung ex lege eingetreten.
Die Abzugsteuern 2002 bis 2006 wurden am festgesetzt und am gem. § 212a BAO ausgesetzt.
Die Lohnabgaben 2004 bis 2006 wurden ebenfalls am festgesetzt und am gem. § 212a BAO ausgesetzt.
Wie bereits oben angeführt, handelt es sich bei den haftungsrelevanten Abgaben um Selbstbemessungsabgaben und ist der Zeitpunkt der Fälligkeit bereits vor der Aussetzung der Einhebung eingetreten. Die Verbindlichkeiten sind nicht erst im Zeitpunkt der "Nachforderung", sondern bereits im Zeitpunkt des Zufließens der steuerabzugspflichtigen Einkünfte entstanden.
Somit geht Ihr Einwand, dass durch die Aussetzung der Einhebung die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe weggefallen ist und somit das Gebot der Gleichbehandlung nicht verletzt wurde, ins Leere.
Der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung wäre für den Zeitraum 2005 bis 2007 erbringen zu gewesen.
Abgabenrechtliche Pflichten werden nicht erfüllt, wenn Abgaben, die zu entrichten gewesen wären, nicht entrichtet worden sind. Nach dem festgestellten Sachverhalt sind Abgaben in erheblicher Höhe nicht entrichtet worden, deren Entstehung und Fälligkeit im Zeitraum Ihrer Geschäftsführertätigkeit liegt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen, wenn von der Gesellschaft Abgaben nicht gemeldet wurden und nach späterer Vorschreibung infolge der inzwischen gelöschten Gesellschaft, die Steuerschuld nicht mehr entrichtet werden kann.
Die nach § 9 BAO erforderliche Verschuldensprüfung hat von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen. Daraus folgt, dass für die Haftung, der zugrundeliegende Abgabenbescheid sowie Sachverhalt heranzuziehen ist, da es nicht Zweck des Haftungsverfahrens sein kann, die Sachverhaltserhebungen des Abgabenverfahrens zu wiederholen, die ohnedies Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gem. § 248 BAO sind.
Da der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung allfällige Einzelinteressen verdrängt, sah sich das Finanzamt X. veranlasst, die gesetzliche Vertreterhaftung im erforderlichen Ausmaß geltend zu machen.
Daher konnte Ihrem Beschwerdebegehren nicht Folge geleistet werden und die Heranziehung zur Haftung bislang nicht entrichteter Abgabenschuldigkeiten erfolgte zu Recht."

Mit Schreiben vom überreichte der Bf. durch seinen neuen rechtsfreundlichen Vertreter einen Fristverlängerungstrag zur Einbringung eines Vorlageantrages gegen die vorhin erwähnte Beschwerdevorentscheidung vom sowie gegen den Abweisungsbescheid betreffend Aussetzung der Einhebung bis , weil ein Mandatswechsel stattgefunden habe und der neue Vertreter noch etwas Zeit zur Einarbeitung in den Akt benötige.

Mit weiterem Schreiben vom überreichte der Beschwerdevertreter einen Vorlageantrag und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat und die Aussetzung der streitgegenständlichen Haftungsabgaben. In der Sache verwies er auf eine noch einzubringende ergänzende umfangreiche Begründung bis zum , welche bis verlängert wurde.

In seiner Ergänzung zum Vorlageantrag wendet der Bf. das Vorliegen der Einhebungsverjährung ein, die einerseits mit dem Ablauf des Kalenderjahres beginne, in welchem die Abgabe fällig gewesen ist und ende keinesfalls früher als die Festsetzungsverjährungsfrist.

Die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Abgabenansprüche datierten mit 13.11. bzw. und ergingen auf Grund einer Betriebsprüfung. Sie stellten keine Amtshandlungen dar, da sie nicht auf die Durchsetzung von Ansprüchen gerichtet gewesen wären, sondern zur erstmaligen Festsetzung, weshalb diesen Bescheiden keine Unterbrechungswirkung zukomme. Eine nach außen erkennbare Amtshandlung gab es durch die Sicherstellungsaufträge vom und , wodurch die Frist neu zu laufen begonnen habe.
Gemäß § 238 Abs. 3 lit. b BAO sei die Einhebungsverjährungsfrist durch eine Aussetzung der Einhebung, die am bzw. (Abzugsteuern) bewilligt wurde, gehemmt und am widerrufen worden. Vom bis zur Erlassung des Haftungsbescheides vom hätte es keinen Hemmungsgrund mehr gegeben.
Hinsichtlich der Abzugssteuern 2002 sei jedenfalls Verjährung eingetreten, weil diese 2002 fällig wurden und die Verjährungsfrist am zu laufen begonnen habe.
Sämtliche vom Haftungsbescheid erfassten Abgabenansprüche seien im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides verjährt gewesen.
Weiters liege die Erlassung von Haftungsbescheiden im Ermessen der Behörde. Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld bei der Primärschuldnerin einerseits und der Haftungsinanspruchnahme andererseits sei zweifellos ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen dürfe. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichts sei bei Zeiträumen von 6,5 Jahren zwischen der Haftungsinanspruchnahme und dem Entstehen des Abgabenanspruchs die Haftungssumme um 50% zu reduzieren. Im gegenständlichen Fall könne die Haftungssumme zwischen 80% und 100% verringert werden.

Im Übrigen fehle es für eine Haftung am erforderlichen Verschulden des Vertreters, da diesem erst im Zuge der Betriebsprüfung festgesetzten Abgaben nicht erkennbar waren und ihm nicht einmal Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Die erlassenen Grundlagenbescheide stellen willkürliche und nicht nachvollziehbare Verwaltungsakte dar.
Im Übrigen sei auf die inhaltliche Unrichtigkeit der im Abgabenverfahren festgesetzten Abgaben ausnahmsweise bereits im Haftungsverfahren zwingend einzugehen, da im eigentlichen Abgabenverfahren der GmbH - als Folge der Einstellung des Beschwerdeverfahrens wegen Löschung der GmbH - zu keiner Zeit mehr entschieden werden werde und so ein Fall bisher soweit ersichtlich nicht judiziert wurde. Es sei daher in diesem Fall nicht erst über die Haftung zu entscheiden und danach über die dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Abgabenansprüchen, sondern bereits im hiesigen Beschwerdeverfahren gegen den beschwerdegegenständlichen Haftungsbescheid. Dieser Fall weiche daher von jenen Entscheidungen, die dazu als ständige Judikatur bezeichnet werden könne und im Haftungsbescheid zitiert wurden seitens der Abgabenbehörde, signifikant ab und rechtfertige aus Gründen des fairen Verfahrens eine Behandlung dieser Themen direkt im Haftungsverfahren.

In ihrem Vorlagebericht vom führte die belangte Behörde aus, die Einhebungsverjährung bei den haftungsrelevanten Abgaben sei noch nicht eingetreten. Für alle Abgaben wurde innerhalb der Einhebungsverjährung ein Sicherstellungsauftrag am bzw. am ausgestellt. Mit wurde für die Abzugssteuern und mit für die Lohnabgaben die Aussetzung der Einhebung bewilligt. Am wurde für alle Abgaben der Ablauf der Aussetzung der Einhebung verfügt. Einwendungen gegen die Abgabenbescheide seien nicht im Haftungsverfahren sondern im Abgabenverfahren zu klären. Dem Beschwerdeführer sei ein Verschulden anzulasten, da er es unterlassen habe, für eine ordnungsgemäße Berechnung und vollständige Entrichtung der Abgaben zu sorgen. Am sei ein Auskunftsersuchen nach Deutschland betreffend Adresse bzw. Vermögenswerte des Beschwerdeführers übermittelt worden, das von der deutschen Steuerbehörde am beantwortet wurde. Am sei der Haftungsvorhalt gefertigt worden, sodass die Haftungsinanspruchnahme zeitnah erfolgte.
Im Zusammenhang mit der Verjährungseinrede geht aus dem Prüfungsauftrag vom hervor, dass lediglich die Umsatz- und Körperschaftsteuer 2002-2004 sowie aus dem (erweiterten) Prüfungsauftrag vom die Umsatz- und Körperschaftsteuer 2005-2006 in die Außenprüfung einbezogen wurden.

Im der mündlichen Verhandlung verwies der rechtsfreundliche der Vertreter des Bf. auf seine und die seines Vorgängers eingereichten Schriftsätze.
Die Vertreterin der belangten Behörde verwies zum Verjährungsargument des Bf. darauf hin, dass im Jahr 2006 hinsichtlich der Abzugssteuern eine Fallaktivierung stattgefunden habe und ihr die Information gegeben wurde, dass im Jahr 2007 mit der abgabenrechtlichen Prüfung begonnen wurde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Im angefochtenen Bescheid wurde der Bf. für die Abzugsteuer 2002, 2003, 2004, 2005 und 2006 sowie Lohnsteuer 2004, 2005, 2006 und entsprechend Dienstgeberbeiträge sowie Zuschläge von Dienstgeberbeiträgen als Haftungspflichtiger in Anspruch genommen.

Die festgesetzten Abgaben wurden gleichzeitig mit der gegen den Haftungsbescheid erhobenen Beschwerde bestritten.

Von der belangten Behörde erhobenen Behauptung, dass im 2006 hinsichtlich der Abzugssteuern eine Fallaktivierung (Aktenöffnung im Betriebsprüfungsverfahren) stattgefunden habe und im Jahr 2007 der Prüfungsbeginn stattgefunden habe, konnte in der mündlichen Verhandlung nicht ausreichend verifiziert werden, da es der belangten Behörde offenbar ca. acht Wochen nach Erhalt der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat des Bundesfinanzgerichts am nicht möglich war ein entsprechendes Schriftstück vorzulegen.

Der im Rahmen des finanzgerichtlichen Verfahrens erhobene Prüfungsauftrag vom , der als nach Außen gerichtete Amtshandlung zu werten war, erwähnt in diesem Zusammenhang lediglich die Umsatz- und Körperschaftsteuer 2003-2004.

Beweiswürdigung

Die Beweiswürdigung gründet sich auf Grund der vorliegenden Aktenlage.

2. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Rechtsquellen

Bundesabgabenordnung (BAO)

§ 9
(1) Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
(2) Notare, Rechtsanwälte und Wirtschaftstreuhänder haften wegen Handlungen, die sie in Ausübung ihres Berufes bei der Beratung in Abgabensachen vorgenommen haben, gemäß Abs. 1 nur dann, wenn diese Handlungen eine Verletzung ihrer Berufspflichten enthalten. Ob eine solche Verletzung der Berufspflichten vorliegt, ist auf Anzeige der Abgabenbehörde im Disziplinarverfahren zu entscheiden.

§ 20
Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

§ 207
(1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.
(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe.
(3) Das Recht zur Verhängung von Zwangs-, Ordnungs- und Mutwillensstrafen sowie zur Anforderung von Kostenersätzen im Abgabenverfahren verjährt in einem Jahr.
(4) Das Recht, den Ersatz zu Unrecht geleisteter oder die Rückzahlung zu Unrecht bezogener Beihilfen zu fordern, sowie das Recht auf Rückforderung zu Unrecht zuerkannter Erstattungen, Vergütungen oder Abgeltungen von Abgaben verjährt in fünf Jahren. Abs. 2 zweiter Satz gilt sinngemäß.
(5) Abs. 2 zweiter Satz gilt sinngemäß für Abgaben, deren vorsätzliche Verkürzung nicht in den Anwendungsbereich des Finanzstrafgesetzes fällt.


§ 208
(1) Die Verjährung beginnt
a) in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht im Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird;
b) in den Fällen des § 207 Abs. 3 mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Voraussetzung für die Verhängung der genannten Strafen oder für die Anforderung der Kostenersätze entstanden ist;
c) in den Fällen des § 207 Abs. 4 mit dem Ablauf des Jahres, in dem die rückzufordernden Beihilfen, Erstattungen, Vergütungen oder Abgeltungen geleistet wurden;
d) in den Fällen des § 200 mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Ungewißheit beseitigt wurde;
e) in den Fällen des Eintritts eines rückwirkenden Ereignisses im Sinn des § 295a mit Ablauf des Jahres, in dem das Ereignis eingetreten ist.
(Anm.: lit. f) aufgehoben durch BGBl. I Nr. 112/2012)
(2) Bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer unterliegenden Erwerben von Todes wegen oder Zweckzuwendungen von Todes wegen beginnt die Verjährung frühestens mit Ablauf des Jahres, in dem die Abgabenbehörde vom Erwerb oder von der Zweckzuwendung Kenntnis erlangt.

§ 209
(1) Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG, § 32 Abs. 2 VStG) gelten als solche Amtshandlungen.
(2) Die Verjährung ist gehemmt, solange die Geltendmachung des Anspruches innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist wegen höherer Gewalt nicht möglich ist.
(3) Das Recht auf Festsetzung einer Abgabe verjährt spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4). In den Fällen eines Erwerbes von Todes wegen oder einer Zweckzuwendung von Todes wegen verjährt das Recht auf Festsetzung der Erbschafts- und Schenkungssteuer jedoch spätestens zehn Jahre nach dem Zeitpunkt der Anzeige.
(4) Abweichend von Abs. 3 verjährt das Recht, eine gemäß § 200 Abs. 1 vorläufige Abgabenfestsetzung wegen der Beseitigung einer Ungewissheit im Sinn des § 200 Abs. 1 durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen, spätestens fünfzehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches.
(5) In den Fällen, in denen aufgrund der Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes 1988 oder des Umgründungssteuergesetzes über die entstandene Einkommen- oder Körperschaftsteuerschuld abgesprochen, aber die Steuerschuld nicht festgesetzt worden ist, verjährt das Recht auf Festsetzung der genannten Abgaben insoweit jedoch spätestens zehn Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist.

§ 238
(1) Das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, verjährt binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. § 209a gilt sinngemäß.
(2) Die Verjährung fälliger Abgaben wird durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
(3) Die Verjährung ist gehemmt, solange
a) die Einhebung oder zwangsweise Einbringung einer Abgabe innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist wegen höherer Gewalt nicht möglich ist, oder
b) die Einhebung einer Abgabe ausgesetzt ist, oder
c) einer Revision gemäß § 30 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, oder einer Beschwerde gemäß § 85 des Verfassungsgerichtshofgesetzes - VfGG, BGBl. Nr. 85/1953, aufschiebende Wirkung zuerkannt ist.
(4) Wenn fällige Abgaben durch Handpfand gesichert sind, findet § 1483 ABGB. sinngemäß Anwendung. Sind sie durch bücherliche Eintragung gesichert, so kann innerhalb von dreißig Jahren nach erfolgter Eintragung gegen die Geltendmachung der durch das Pfandrecht gesicherten Forderung die seither eingetretene Verjährung der Abgabe nicht eingewendet werden.
(5) Wird ein Bescheid, mit dem eine Abgabenschuldigkeit gelöscht (§ 235) oder nachgesehen (§ 236) wird, innerhalb von drei Jahren ab seiner Bekanntgabe (§ 97) abgeändert oder aufgehoben, so lebt dadurch der Abgabenanspruch wieder auf und beginnt die Verjährungsfrist mit der Bekanntgabe des Abänderungs- oder Aufhebungsbescheides neu zu laufen.
(6) Die Abs. 1 bis 5 gelten auch für die Einhebung und zwangsweise Einbringung der im § 207 Abs. 4 bezeichneten gegen Abgabepflichtige gerichteten Ansprüche.

§ 248
Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2, 4 und 5 sinngemäß.

3.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Abzugsteuer 2002 wurden die Abgaben erstmalig im Sicherstellungsauftrag vom (erst einen Monat vor Erlassung des Festsetzungsbescheides durch die Außenprüfung) erwähnt.
Bei Annahme der Entstehung des Abgabenanspruchs per ist dieser bei Annahme der normalen (fünfjährigen) Verjährungsfrist bereits am verjährt.
Der erlassene Prüfungsauftrag vom , der als nach Außen gerichtete Amtshandlung zu werten war, erwähnt in diesem Zusammenhang lediglich die Umsatz- und Körperschaftsteuer 2003-2004. Damit liegt hinsichtlich der Abzugssteuer 2002 keine entsprechende Unterbrechungshandlung vor. Für die Annahme der längeren Verjährungsfrist gemäß § 207 Abs. 2 Satz 2 BAO für hinterzogene Abgaben finden sich im Bericht über die vorgenommene Außenprüfung keine ausreichenden Anhaltspunkte. Daher war hinsichtlich des Jahres 2002 von abgabenrechtlicher Festsetzungsverjährung auszugehen, die auch im Einhebungsverfahren zu beachten war.

Aus der von der belangten Behörde ins Treffen geführten Fallaktivierung können in verjährungsrechtlicher Hinsicht keine ausreichenden Feststellungen getroffen werden. Abgesehen davon wurde das diesbezügliche Vorbringen erst in mündlichen Verhandlung ohne Vorlage weiterer Beweismittel erstattet und grenzt an Verschleppungsabsicht, zumal bei einer Vorbereitungszeit von fast acht Wochen es der Partei zumutbar erscheint, die diesbezüglichen Schriftstücke aus ihren Akten zu sichten und vorzulegen.

Bringt der Haftungspflichtige sowohl gegen den Haftungsbescheid als auch gegen den maßgeblichen Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerden ein, so sind diese Beschwerden nicht gemäß § 267 zu einem gemeinsamen Verfahren zu verbinden (; , 2000/16/0886).
Vielmehr ist zunächst über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden (; , 2011/16/0085; , 2011/16/0070; , Ra 2019/13/0029; , Ra 2020/13/0100; , Ra 2022/13/0054; , Ra 2021/13/0115; , Ra 2020/13/0071), zumal von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhängt (; , 2009/16/0260; , 2012/16/0049; , Ra 2019/13/0029).
Wird der Haftungsbescheid mit Beschwerdevorentscheidung, Erkenntnis oder Beschluss aufgehoben, so ist die gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch gerichtete Bescheidbeschwerde als unzulässig (geworden) gemäß § 260 Abs. 1 lit. a zurückzuweisen (; ).
Daher war es nicht möglich auf die gegen den Abgabenanspruch vorgetragenen Argumente einzugehen.

Was die Verschuldensprüfung anlangt, wurde vom Bf. kein Nachweis erbracht, dass der Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz erfüllt worden wäre. Daher können die in der Beschwerdevorentscheidung getroffenen Feststellungen dem Grunde nach bestätigt werden.

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen.

Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().
Ist eine Einbringlichmachung bei der Primärschuldnerin unzweifelhaft nicht möglich, kann die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden von der Abgabenbehörde bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigt werden ().
Dem Bf. ist aber insoweit zuzustimmen, als der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass die Frage der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit bei der Ermessensübung berücksichtigt werden muss.
Dabei ist den jeweiligen Umständen des Einzelfalles in der gebotenen Weise Rechnung zu tragen, um Unbilligkeiten hintanzuhalten, die aus einer späten Geltendmachung der Haftung resultieren (). Auch aus dem Erkenntnis vom , 2006/13/0159, ergibt sich, dass die Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit zur Hintanhaltung von Unbilligkeiten bei der Ermessensübung nicht ohne weiteres außer Betracht gelassen werden darf. Im Erkenntnis vom , 2009/16/0108, hat der Verwaltungsgerichtshof wiederum auf die Notwendigkeit einer Berücksichtigung der langen Verfahrensdauer bei der Ermessensentscheidung hingewiesen, weil diese - sollten nicht außergewöhnliche Gründe vorliegen - der Inanspruchnahme zur vollen Haftung entgegenstehen könne.
Im vorliegenden Fall wurden die streitgegenständlichen Abgaben am festgesetzt. Gegen diese wurde noch von der primärschuldnerischen GmbH Beschwerde erhoben. Das finanzgerichtliche Verfahren hinsichtlich der Lohnabgaben wurde mit Beschluss RV/2100116/2009 vom infolge firmenbuchrechtlicher Löschung und fehlenden Abwicklungsvermögens eingestellt. Damit waren grundsätzlich Einbringungsmöglichkeiten der Abgabenbehörde offen, da die Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung der Aussetzung der Einhebung nicht mehr gegeben waren, weil das Abgabenverfahren bei der Primärschuldnerin als erledigt betrachtet werden konnte. Soweit ersichtlich hielt und hält sich der Bf. im Ausland auf, wurde mit Vorhalt vom angeschrieben und am der angefochtene Bescheid erlassen. Zwischen Abgabenfestsetzung und Haftungsinanspruchnahme vergingen somit über zehn Jahre. Daher erscheint eine Reduktion der Haftungsbeträge um 50% gerechtfertigt. Damit wird der langen Verfahrensdauer angemessen Rechnung getragen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im Übrigen wird auf die oa. Judikatur des Verwaltungsgerichthofes verwiesen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 78 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 Abs. 2 Satz 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100948.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at