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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.10.2023, RV/2100594/2022

Begünstigte Besteuerung der Gefahrenzulage für Ordinationsassistentinnen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Kurt Bernegger, Jacquingasse 21, 1030 Wien, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Oststeiermark, nunmehr Finanzamt Österreich, vom betreffend Haftung für Lohnsteuer für die Jahre 2015 bis 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Im Zuge einer bei dem als Arzt für Allgemeinmedizin tätigen Beschwerdeführer (Bf) durchgeführten Lohnabgabenprüfung wurden die an die als Ordinationsgehilfinnen beschäftigten Dienstnehmerinnen ***1***, ***2*** und ***3*** lohnsteuerfrei ausbezahlten Gefahrenzulagen nachversteuert, da keine Aufzeichnungen geführt und vorgelegt wurden und somit das Überwiegen der gefährdenden Tätigkeit nicht nachgewiesen werden konnte und die im Zuge eines Betriebsbesuches beschriebene Tätigkeit (Jeder macht Alles) einer steuerfreien Behandlung entgegensprechen würde. Den Ausführungen des Abgabepflichtigen, wonach eine generelle Gefährdung durch die Ausübung der Arbeit als Ordinationsgehilfin vorliegen würde, könne nicht gefolgt werden.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers und erließ die angefochtenen Bescheide.

In den dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerden wird ausgeführt, dass im Kollektivvertrag für "Angestellte bei Ärztinnen und Ärzten in Ordinationen in der Steiermark" unter Punkt XVIII festgehalten ist, dass Angestellte, die "in Ausübung ihrer Tätigkeit mit Blut, Serum, Harn, Stuhl in Berührung kommen bzw. aufgrund der Berufsausübung in direkten Patientenkontakt, mit potenziell erhöhtem Infektionsrisiko, kommen, eine Gefahrenzulage erhalten". Ab betrage die Gefahrenzulage EUR 133,00 für Vollzeitkräfte, Teilzeitangestellte würden die Zulage aliquot erhalten (siehe Punkt III des KV). Die betreffenden Dienstnehmerinnen des Bf würden die Gefahrenzulage genau in Höhe dieser kollektivvertraglichen Bestimmung erhalten.

Zur steuerlichen Behandlung verweise der Kollektivvertrag auf § 68 EStG. Darin sei geregelt, dass eine kollektivvertraglich zustehende Gefahrenzulage dann steuerfrei sei, wenn die vom Arbeitnehmer zu leistenden Arbeiten überwiegend eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit mit sich bringen würden. Überwiegend bedeute in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitnehmer mehr als 50% seiner Arbeitszeit einer solchen Gefährdung ausgesetzt sei. Bei der Ordination des Bf handle es sich um eine überdurchschnittlich große und stark frequentierte Landarztpraxis. Neben dem eigentlichen Ordinationsraum gebe es weiters eigene Räume für das Labor, die Wundversorgung und die Verabreichung von Infusionen, Bestrahlungen und Ähnlichem. Es würden permanent mehrere Patienten gleichzeitig behandelt werden, wobei die Ordinationsassistentinnen verschiedene Tätigkeiten wie Blutabnahmen, Verbandswechsel und Untersuchungen von Stuhl-, Harn-, und Blutproben u.ä. selbstständig durchführen würden. Während der Ordinationszeiten seien ob des vielfältigen Aufgabenbereichs immer 3 bis 4 Assistentinnen gleichzeitig anwesend und es hätten auch alle Ordinationsassistentinnen permanent Patientenkontakt. Keine Assistentin sei nur mit Telefondienst oder sonstigen administrativen Tätigkeiten beschäftigt. Vielmehr würden diese Tätigkeiten abwechselnd von den Assistentinnen nebenbei erledigt werden.

Somit bestehe während der Ordinationszeiten permanent das Risiko eines "In-Berührung-Kommen" mit infektiösen Material bzw. mit Patienten mit infektiösen Erkrankungen. Gerade auch während der derzeit grassierenden Covid-19-Pandemie sei das evident, dass Ordinationsassistentinnen aufgrund des direkten Patientenkontakts einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt seien, der sie sich nicht wie andere Angestellte beispielsweise mit Home-Office oder der Einhaltung von Abstandsregelungen entziehen könnten.

Weiters sei festzuhalten, dass die tatsächlichen Ordinationszeiten des Bf von den offiziellen (Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag von 07:30 Uhr bis 12:30 und Mittwoch von 17:00 bis 18:00 Uhr) erheblich abweichen würden. Wenn zum offiziellen Ordinationsende um 12:30 Uhr noch Patienten im Wartezimmer seien, was so gut wie immer der Fall sei, würden diese selbstverständlich auch noch behandelt werden. In der Regel ende ein Ordinationstag nicht vor 15:00 Uhr, manchmal auch später. Hinzu komme, dass die Kassenstelle eines Praktischen Arztes in ***Adresse*** seit Jahren unbesetzt sei und dementsprechend das Patientenaufkommen beim Bf in ***Ort*** überdurchschnittlich hoch sei.

Im Durchschnitt könne man daher davon ausgehen, dass ein normaler Ordinationstag rund 7 Stunden dauere und die Abendordination am Mittwoch auch einige Stunden. Selbst wenn man davon ausgehe, dass zumindest eine der Ordinationsassistentinnen bereits eine halbe Stunde vor Öffnung der Ordination anwesend sei, um administrative Aufgaben zu erledigen und eine andere auch noch eine halbe Stunde nach Schließung der Ordination und möglicherweise jede Assistentin noch eine halbe Stunde pro Ordinationstag telefonieren würde, sei es dennoch so, dass die Tätigkeiten mit Patientenkontakt und somit auch mit einer erhöhten Infektionsgefahr zeitlich bei weitem überwiegen würden.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung verwies das Finanzamt nach Hinweis auf die gesetzliche Bestimmung des § 68 EStG 1988 und einschlägiger Literatur und Judikatur darauf, dass dem Argument des Bf, dass bereits jeglicher Patientenkontakt eine Tätigkeit unter gefährlichen Umständen darstellen würde, nicht gefolgt werden könne, da es nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechen würde, dass jeder Patient, der die Ordination betritt, an einer infektiösen Erkrankung leiden bzw. an sich schon eine Gefahrensituation darstellen würde. Ebenso sehe der o.a. Kollektivvertrag weder eine Gefahrenzulage für "allgemeine Infektionsgefährdung" noch für "Kontakt mit Patienten" vor. Des Weiteren werde darauf hingewiesen, dass zu den Aufgaben der Dienstnehmerinnen nicht nur Arbeiten, die eine Gefahrenlage iSd § 68 EStG 1988 bewirken, gehören, sondern auch administrative Tätigkeiten bzw. Bürotätigkeiten wie Telefondienst, Terminvergabe, Rezepte ausstellen, Krankschreibungen etc.

Die Steuerbefreiung für Gefahrenzulagen habe zur Voraussetzung, dass die zu leistenden Arbeiten - worunter nur die vom Arbeitnehmer auf Grund des Dienstverhältnisses schlechthin (insgesamt) zu erbringende Arbeitsleistung verstanden werden könne - überwiegend unter Umständen ausgeführt werden, die zwangsläufig eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich bringen. Die Frage der außerordentlichen Gefährdung sei also nicht allein anhand jener Arbeiten zu untersuchen, mit denen diese Gefährdung verbunden sei. Vielmehr sei bezogen auf die gesamten vom Arbeitnehmer zu leistenden Arbeiten innerhalb eines Lohnzahlungszeitraums zu prüfen, ob sie überwiegend eine solche Gefahrenlage bewirken würden (). Das geforderte Überwiegen liege dann vor, wenn für mehr als die Hälfte der gesamten Arbeitszeit, für die eine Zulage gewährt werde, diese besonderen Arbeitsbedingungen zutreffen würden.

Die im Gesetz normierte Voraussetzung einer "überwiegend" unter gefährdeten Umständen zu leistenden Arbeit hätte weder nachgewiesen noch glaubhaft dargelegt werden können (vgl. ). Auch die im Zuge einer Einvernahme getätigten Aussagen der Dienstnehmerinnen ***3***, ***2*** und ***1*** hätten ergeben, dass sie 46 % der Gesamtarbeitszeit einer außergewöhnlichen Gefährdung ausgesetzt seien. Da der tägliche Umgang mit Patienten in einer Arztpraxis keine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit darstellen würde, die kollektivvertragliche Bestimmung dies auch nicht vorsehe und ein konkreter Nachweis, dass die Dienstnehmerinnen überwiegend mit Arbeiten betraut waren, die zwangsläufig eine Gefahr darstellen nicht erbracht worden sei, seien die Voraussetzungen für eine steuerfreie Auszahlung der Zulage gem. § 68 EStG 1988 nicht erfüllt.

In dem dagegen fristgerecht erhobenen Vorlageantrag wird bemängelt, dass aus der Beschwerdevorentscheidung in keiner Weise hervorgehen würde, wie das Finanzamt den Wert von 46% errechnet habe. Gerade in Zeiten einer Pandemie stelle jeglicher Patientenkontakt für Mitarbeiterinnen einer Landarztpraxis eine außergewöhnliche Gefährdung dar, der sie sich nicht wie andere Dienstnehmer durch Home-Office oder andere Schutzmaßnahmen entziehen könnten.

Das Finanzamt legte die Beschwerden an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerden. Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass die beschriebenen Tätigkeiten der Ordinationsgehilfinnen durchwegs eine Allgemeingefahr darstellen würden, die mit dem generellen Berufsbild einer Ordinationsgehilfin verbunden sei und die unter Einhaltung der erforderlichen Schutzmaßnahmen keine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder der körperlichen Sicherheit der Gehilfinnen mit sich gebracht habe. Das treffe insbesondere auf die Infektionsgefahr zu, wie sie generell in einer Arztpraxis für Allgemeinmedizin zu erwarten sei. Die kontaktlose aerogene Übertragung durch Keime in der Luft bzw. durch Tröpfcheninfektion stelle für sich alleine keine typische Berufsgefahr dar, die eine steuerfreie Auszahlung der Gefahrenzulage rechtfertigen würde. Daran vermöge auch die COVID-19-Pandemie nichts zu ändern, zumal es sich dabei um eine Allgemeingefahr handelt, der jeder Bürger im Alltag ausgesetzt sei.

Nach Angaben des Bf würden zwar Bestrahlungen in der Ordination stattfinden, wofür grundsätzlich zumindest eine stundenweise steuerfreie Gefahrenzulage in Frage käme. Jedoch bedürfe es auch in diesem Fall eines Nachweises, um das jeweilige zeitliche Ausmaß für jede Gehilfin feststellen zu können.

Aufzeichnungen zu führen, um die Steuerfreiheit der gewährten, kollektivvertraglich festgelegten Gefahrenzulage zu gewährleisten, erübrige sich nur dann, wenn eine Arbeitnehmerin in einer Arztpraxis ausschließlich mit Aufgaben betraut sei, die mit einer permanenten Infektionsgefahr verbunden sind ().

Gegenständlich sei keine der Ordinationsgehilfinnen mit einer oder bestimmt abgegrenzten Aufgaben betraut, sondern würden diese abwechselnd von allen erledigt. Gemäß der Auskunft dreier Ordinationsgehilfinnen würden diese immer überall dort zum Einsatz gelangen, wo sie gerade gebraucht würden. Daraus ergebe sich im Tagesablauf eine Rotation, sodass eine Gehilfin einmal bei der Anmeldung am Schalter zum Einsatz käme, dann beispielsweise mit Patienten bei der Blutabnahme oder bei Therapien betraut sei und dann wieder mit Laboraufgaben, wie beispielsweise mit der Auswertung von Harn- oder Stuhlproben beschäftigt sei. Weiters sei die Anmeldung immer mit zumindest einer Kollegin besetzt, solange die Ordination geöffnet habe. Demnach könne man laut Auskunft der Gehilfinnen das jeweilige zeitliche Ausmaß nicht genau festlegen und es sei unmöglich darüber Aufzeichnungen zu führen.

Über Befragen der Ordinationsgehilfinnen, wie viele Stunden pro Woche sie nach ihrer persönlichen Einschätzung mit besonders gefährdenden Tätigkeiten beschäftigt seien bzw. sie mit potentiell infektiösen Substanzen hantieren würden, wie beispielsweise bei Blutabnahmen, Blutstechen, Verbandswechsel, Stuhl- und Harnproben, hätte die Summe dieser Tätigkeiten ein Ausmaß von 46 Wochenstunden ergeben.

Unter Berücksichtigung, dass die drei befragten Gehilfinnen gemeinsam ein wöchentliches Ausmaß von 100 Arbeitsstunden erlangten, ergebe sich daraus ein Schätzwert von 46 % der jeweiligen Arbeitszeit, bei der es zu einer potentiellen Gefährdung kommen könnte. Zu beachten sei jedoch, dass es sich hierbei um einen großzügigen und höchst möglichen Schätzwert aufgrund der eigenen Aussagen der Gehilfinnen handelt, der in seinen tatsächlichen (individuellen) Ausmaßen erheblich nach unten abweichen könne. Zur Inanspruchnahme der steuerlichen Begünstigung wäre es jedenfalls unabdingbar die entsprechenden Nachweise zur Feststellung des tatsächlichen zeitlichen Ausmaßes vorzulegen.

Weiters sei anzumerken, dass unter Einhaltung der gebotenen Vorsichts- und Schutzmaßnahmen, wie das Tragen von Handschuhen und Schutzmasken, von keinem erhöhten Risiko auszugehen sei, da ein direkter Kontakt mit allenfalls kontaminierten Substanzen ausgeschlossen werden könne.

Ein direkter Patientenkontakt, bei dem überwiegend mit infektiösen Stoffen, wie etwa Blut, Harn oder Stuhl hantiert werde, sei vom Abgabenpflichtigen nachzuweisen. Auch auf Anfrage durch das Prüforgan seien keine Aufzeichnungen über die tatsächlich erbrachten Tätigkeiten und deren zeitlichen Ausmaße für die Beurteilung zur Anwendung der steuerlichen Begünstigung vorgelegt worden. Darüber hinaus bestehe die Tätigkeiten der Ordinationsgehilfinnen über weite Teile aus rein administrativen Aufgaben, wie etwa die Patienten- bzw. Terminkoordination vor Ort wie auch telefonisch, die Befunderfassung, Kassenabrechnung, Rezeptausstellung, Vor- und Nachbereitung für Laborarbeiten, Heil- und Hilfsmittelbestellung und -verteilung etc.

Das Vorbingen des Bf sei insofern zu relativieren, als gewisse Tätigkeiten am Patienten, wie Blutabnahmen, Anlegen von Infusionen oder das Verabreichen von Injektionen sowie die Vornahme von schwierigen Verbandswechseln nur vom Arzt selbst vorgenommen werden dürfen, da es den Ordinationsgehilfinnen allein von Gesetzes wegen bloß erlaubt ist zu assistieren.

Im Ergebnis hätte daher der Auffassung des Abgabepflichtigen, dass die Voraussetzungen für eine steuerfreie Auszahlung der Gefahrenzulage für die angeführten Ordinationsgehilfinnen gegeben seien, nicht zugestimmt werden, da die materiellen Voraussetzungen für jede einzelne der besagten Gehilfinnen nicht erfüllt seien und zudem keine Aufzeichnungen der tatsächlich verrichteten Tätigkeiten als Nachweis vorgelegt wurden. Somit sei es im Zuge der Prüfung lohnabhängiger Abgaben und Beiträge zur lohnsteuerlichen Nachverrechnung über die Zulagen gekommen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf ist Arzt und betreibt eine Ordination für Allgemeinmedizin. Die offiziellen Öffnungszeiten sind Montag bis Freitag 07:30 bis 12:30 Uhr und am Mittwoch 17:00 bis 18:00 Uhr. Die in der Ordination beschäftigten Ordinationsassistentinnen werden nach dem Kollektivvertrag für "Angestellte bei Ärztinnen und Ärzten in der Steiermark" beschäftigt und erhalten je nach Beschäftigungsausmaß die unter Punkt XVIII festgehaltene Gefahrenzulage (ab in Höhe von € 133 monatlich) dafür, dass sie in Ausübung ihrer Tätigkeit mit Blut, Serum, Harn, Stuhl in Berührung bzw. aufgrund der Berufsausübung in direktem Patientenkontakt mit potentiell erhöhtem Infektionsrisiko kommen. Die Gefahrenzulage wird unter Hinweis auf § 68 EStG 1988 für 11 Monate pro Jahr steuerfrei ausbezahlt, wobei sich bei den drei im Bericht genannten Ordinationsassistentinnen eine steuerliche Auswirkung ergibt.

Nachdem die ausbezahlte Gefahrenzulage im Kollektivvertrag für Angestellte bei Ärztinnen und Ärzten in der Steiermark geregelt ist und die Ordinationsassistentinnen in Ausübung ihrer Tätigkeit mit Blut, Serum, Harn, Stuhl in Berührung kommen können bzw. aufgrund der Berufsausübung im direktem Patientenkontakt ein potentiell erhöhtes Infektionsrisiko bestehen kann, ist das bereits in § 68 Abs. 5 EStG 1988 geregelte zeitliche Überwiegen der Gefährdung strittig.

Beweiswürdigung

Aufzeichnungen über die Zeiten, in denen die betroffenen Mitarbeiterinnen des Bf in Ausübung ihrer Tätigkeit mit Blut, Serum, Harn, Stuhl in Berührung bzw. aufgrund der Berufsausübung in direktem Patientenkontakt mit potentiell erhöhtem Infektionsrisiko kommen, wurden nicht geführt. Als Begründung für die Steuerfreiheit der ausbezahlten Gefahrenzulage wird zusammengefasst darauf verwiesen, dass auf Grund der überdurchschnittlich großen und stark frequentierten Landarztpraxis während der Ordinationszeiten permanent die im Kollektivvertrag beschriebenen Gefahren bzw. Risiken bestehen würden.

Die Auswertung der vom Prüfungsorgan mit den drei betroffenen Dienstnehmerinnen des Bf ergab, dass bei ca. 46% er gesamten Arbeitszeit gefährdende Tätigkeiten durchgeführt werden. Der Einwand der betroffenen Ordinationsassistentinnen dahingehend, gefühlsmäßig mehr Zeit mit gefährdenden Tätigkeiten verbracht zu haben, schätzungsweise mindestens 55%, kann nicht als Nachweis dafür angesehen werden, dass die gesamte Arbeitszeit überwiegend aus gefährdenden Tätigkeiten besteht.

Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung

§ 68 EStG 1988 lautet auszugsweise:
(1) Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und mit diesen Arbeiten zusammenhängende Überstundenzuschläge sind insgesamt bis 360 Euro monatlich steuerfrei. ...
(3) Soweit Zulagen und Zuschläge durch Abs. 1 und 2 nicht erfaßt werden, sind sie nach dem Tarif zu versteuern. ...
(5) Unter Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sind jene Teile des Arbeitslohnes zu verstehen, die dem Arbeitnehmer deshalb gewährt werden, weil die von ihm zu leistenden Arbeiten überwiegend unter Umständen erfolgen, die
- …
- …
- infolge der schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder Strahlen, von Hitze, Kälte oder Nässe, von Gasen, Dämpfen, Säuren, Laugen, Staub oder Erschütterungen oder infolge einer Sturz- oder anderen Gefahr zwangsläufig eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit des Arbeitnehmers mit sich bringen.
Diese Zulagen sind nur begünstigt, soweit sie
1. auf Grund gesetzlicher Vorschriften,
2. auf Grund von Gebietskörperschaften erlassener Dienstordnungen,
3. auf Grund aufsichtsbehördlich genehmigter Dienst(Besoldungs)ordnungen der Körperschaften des öffentlichen Rechts,
4. auf Grund der vom Österreichischen Gewerkschaftsbund für seine Bediensteten festgelegten Arbeitsordnung,
5. auf Grund von Kollektivverträgen oder Betriebsvereinbarungen, die auf Grund besonderer kollektivvertraglicher Ermächtigungen abgeschlossen worden sind,
6. auf Grund von Betriebsvereinbarungen, die wegen Fehlens eines kollektivvertragsfähigen Vertragsteiles (§ 4 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974) auf der Arbeitgeberseite zwischen einem einzelnen Arbeitgeber und dem kollektivvertragsfähigen Vertragsteil auf der Arbeitnehmerseite abgeschlossen wurden,
7. innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern
gewährt werden. ... "

Die Begünstigung des § 68 Abs.1 iVm Abs. 5 EStG 1988 setzt ua voraus, dass der Arbeitnehmer tatsächlich Arbeiten verrichtet, die überwiegend unter Umständen erfolgen, welche die Voraussetzung einer Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit erfüllen. Der Arbeitnehmer muss also während der Arbeitszeit überwiegend mit Arbeiten betraut sein, die zwangsläufig eine Gefahr darstellen (; , 2011/15/0066, 2011/15/0067).

Steuerlich begünstigte Gefahrenzulagen liegen nur vor, wenn die Arbeiten tatsächlich überwiegend unter gefährdenden Umständen stattfinden. Der Arbeitnehmer muss somit - während der gesamten Arbeitszeit im Lohnzahlungszeitraum überwiegend unter Gefährdungsumständen tätig sein (; , 2008/15/0322; , 2011/15/0066, 2011/15/0067; , 2007/13/0138).

Der Prüfer hat mit den drei betroffenen Ordinationsassistentinnen des Bf gemeinsam eine Niederschrift aufgenommen. Als Gegenstand der Amtshandlung wurde die Feststellung der Beschäftigungsfelder der Ordinationsgehilfinnen in der Ordination des Bf und des Ausmaßes der Tätigkeiten, die eine begünstigte Beurteilung der zustehenden Gefahrenzulage begründen, genannt. Die drei betroffenen Ordinationsassistentinnen haben angegeben, dass sie gemeinsam aussagen würden, da sie in der Ordination mit denselben Tätigkeiten befasst gewesen wären. Es verhalte sich so, dass sie immer überall arbeiten würden, wo sie eben gebraucht werden, sie würden quasi in einer Rotation arbeiten, einmal bei der Anmeldung, dann mit dem Patienten bei der Blutabnahme oder bei Therapien, dann seien sie wieder mit Laboraufgaben beschäftigt wie die Auswertung von Harn oder Stuhlproben. Genau könne man das nicht festlegen und da es unmöglich wäre, auch noch Aufzeichnungen zu führen, würden sie die Fragen nach bestem Wissen und durchschnittlich betrachtet beantworten.

Das Berufsbild als Ordinationsgehilfin in der Ordination des Bf bestehe darin, dass sie abwechselnd in der Anmeldung (Schalter) oder gemeinsam mit dem Bf für den Fall, dass er bei einem Patienten Unterstützung benötigt, arbeiten würden. Weiters bei den Therapien, beim EKG, beim Verbandswechsel, Wundversorgung, beim Rezepte ausstellen und Krankschreibungen, Telefondienst und Terminvergaben. Es sei so, dass eine von ihnen eigentlich immer in der Anmeldung zu tun habe, solange die Ordination geöffnet sei. Die Ordination sei durchschnittlich ca. 40 Stunden pro Woche für die Patienten zugänglich.

Einer erhöhten Gefährdung seien sie bei Blutabnahmen, Harnproben, Stuhlproben, Blutzuckermessungen (Fingerkuppe Blutstechen), Sputum (Spucke), Wundversorgung und Verbandwechsel, CRP (Entzündungswerte feststellen - Blutstechen), Assistenzleistung bei Operationen in der Ordination, HIV positive Patienten, Erbrochenes bei Kleinkindern, Infusionen ausgesetzt.

In der Ordination würden die CRP Wertbestimmung (Entzündungswert), das Blutbild, die Rachenabstriche, die Blutzuckerbestimmung und den Trombotest durchgeführt. Bei den Stuhlproben werde der Hämoccult und die Harnproben fast zur Gänze in der Ordination mittels Teststreifen ausgewertet. Zusätzlich werde der Harn in der Zentrifuge aufbereitet und unter dem Mikroskop untersucht. Andere Auswertungen würden an ein Labor weitergeleitet werden.

Bezüglich der besonders gefährdenden Tätigkeiten geben die Ordinationsassistentinnen über Befragen durch den Prüfer folgende Zahlen bzw. Zeiten an:

Blutabnahmen: durchschnittlich ungefähr 60 Mal pro Woche, ca. 10 Minuten pro Einheit, gesamt 10 Stunden
Blutstechen: ca. 200 Einheiten zu 5 Minuten, gesamt 15 Stunden pro Woche
Stuhlproben ca. 5 Auswertungen zu 3 Minuten, gesamt 0,25 Stunde pro Woche
Harnproben ca. 100 Proben zu 5 Minuten, gesamt 8,75 Stunden pro Woche
Verbandswechsel ca. 15 Verbandswechsel/Wundversorgung, zu durchschnittlich
20 Minuten, gesamt 5 Stunden pro Woche. Verbandwechsel können oft lange
dauern.
Infusionen: Aufbrechen der Glasampullen (Einschneidgefahr) ca 80 pro Woche zu 5 Minuten gesamt 3,5 Stunden.
Assistenzleistungen bei OPs: ca 3 pro Woche ca. 15 bis 30 Minuten, gesamt 2 Stunden.
Rachen und Nasenabstriche: ca. 30 pro Woche zu ca. 1 Minute, gesamt 0,5 Stunden
Wundsekretabstriche und sonstige: 60 pro Woche zu 1 Minute, gesamt 1 Stunde sonstige körpernahe gefährdende Aufwendungen: Erbrochenes von Kindern und teilweise Erwachsenen, HIV Positive, der HIV Positive kommt in die Ordination ohne besondere Schutzvorrichtung zur Blutabnahme, Harn, Stuhl usw.

Viele Patienten würden in die Ordination kommen um sich eine Trombosespritze verabreichen zu lassen. Üblicherweise sei es so, dass die Patienten sich diese Spritzen selbst verabreichen sollten, alle könnten das aber nicht und würden in die Ordination kommen. Sie würden das dann in der Ordination spritzen.

Der Prüfer addierte die von den Ordinationsassistentinnen angegebenen Zeiten für gefährdende Tätigkeiten pro Woche (46 Stunden pro Woche) und stellte diese Stundenanzahl den aus den Beschäftigungsverhältnissen ersichtlichen Wochenstunden (Frau ***3*** 40 Wochenstunden, Frau ***2*** 28 Wochenstunden, Frau ***1*** 32 Wochenstunden, insgesamt 100 Wochenstunden) gegenüber. Konfrontiert mit diesem Ergebnis, nämlich, dass aus dieser Aufstellung hervorgeht, dass sie insgesamt 46 Stunden von 100 Wochenstunden mit Tätigkeiten befasst waren, die eine außerordentliche Gefahr bewirkt haben, entgegneten die Ordinationsassistentinnen, dass es schwer sei, das so einfach festzulegen. Es handle sich nur um ungefähre Zahlenangaben, da es immer verschieden sein könne. Gefühlsmäßig hätten sie mehr Zeit mit den gefährdenden Tätigkeiten zu tun, schätzungsweise könne man von mindestens 55% ausgehen. Im strittigen Zeitraum seien keine Aufzeichnungen von besonders gefährdenden Tätigkeiten in der Ordination geführt worden.

Aus den Angaben der betroffenen Dienstnehmerinnen des Bf ergibt sich, dass sie zwar gefährdende Tätigkeiten im Sinne des § 68 Abs. 5 EStG 1988, aber auch administrative Tätigkeiten wie etwa bei der Anmeldung während der Ordinationszeiten, die Patienten- bzw. Terminkoordination vor Ort wie auch telefonisch, die Befunderfassung, Kassenabrechnungen, Rezeptausstellungen, Vor- und Nachbereitungen für Laborarbeiten, Heil- und Hilfsmittelbestellungen und -verteilungen durchgeführt haben. Somit liegt der Fall wie in BFG RV/7102510/2021, wonach Arbeitnehmer in einer Arztpraxis ausschließlich mit Aufgaben betraut waren, die mit einer permanenten Infektionsgefahr verbunden sind, und es sich erübrigt, darüber Aufzeichnungen zu führen, um die Steuerfreiheit der gewährten, kollektivvertraglich festgelegten Gefahrenzulage zu gewährleisten, nicht vor.

Damit ist aber das Vorbringen in der Beschwerde dahingehend, dass während der Ordinationszeiten permanent das Risiko eines "In-Berührung-Kommens" mit infektiösem Material bzw. mit Patienten mit infektiösen Erkrankungen besteht, widerlegt. Um die laut Kollektivvertrag ausbezahlte Gefahrenzulage steuerfrei auszahlen zu können bedarf es des Nachweises, dass die betroffenen Dienstnehmer überwiegend und damit zu mehr als der Hälfte der gesamten Arbeitszeit, für die eine Zulage gewährt wird, mit gefährdenden Tätigkeiten betraut wurden. Dieser Nachweis ist aber nicht erfolgt, da einerseits keine Aufzeichnungen darüber geführt wurden und andererseits auch eine Schätzung durch die betroffenen Ordinationsassistentinnen nicht zu dem von der Bf gewünschten Ergebnis geführt hat.

Zum Einwand im Vorlageantrag, dass gerade in Zeiten einer Pandemie jeglicher Patientenkontakt für Mitarbeiterinnen einer Landarztpraxis eine außergewöhnliche Gefährdung darstellen würde, die sich nicht wie andere Dienstnehmer durch Home-Office oder andere Schutzmaßnahmen entziehen hätten können, wird auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach eine Gefahrenzulage iSd § 68 EStG 1988 eine typische Berufsgefahr abgelten muss (vgl. ). Diese Ansicht wird auch in der Literatur von Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG-Kommentar, Rz 25 zu § 68, vertreten. Bei der angesprochenen Pandemie kann jedoch nicht von einer typischen Berufsgefahr für Ordinationsassistentinnen in Arztpraxen gesprochen werden, da von dieser Erkrankung nach den jeweiligen Umständen die gesamte Bevölkerung mehr oder weniger stark bedroht wird.

Die Beschwerden mussten daher wie aus dem Spruch ersichtlich abgewiesen werden.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Gemäß § 25a VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nachdem die Beschwerde insoweit keine für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen aufwirft, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme, war unter Hinweis auf die zitierte eindeutige und einheitliche Rechtsprechung die Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision auszusprechen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100594.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at