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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.10.2023, RV/7400115/2015

Haftung Vergnügungssteuer bei unverzüglichem Rücktritt aus der Geschäftsführerfunktion, Zulässigkeit einer Beschwerde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Alexander Zeiler LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Manfred C. Müllauer, Wohllebengasse 16, 1040 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratssabteilung 6, Rechnungs und Abgabewesen vom (MA 6/DII/R2 - 689426/2013) zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Der Haftungsbetrag wird von EUR 53.818,90 auf EUR 17.301,80 reduziert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Haftungsbescheid vom wurde die Beschwerdeführerin für den Rückstand an Vergnügungssteuer und Nebengebühren der ***Ges*** iHv EUR 53.818,90 zur Haftung herangezogen.

Mit Schreiben vom nahm die zu diesem Zeitpunkt noch unvertretene Beschwerdeführerin zur Sache Stellung und ersuchte von der Festsetzung der Vergnügungssteuer abzusehen. Mit dem Schreiben übermittelte Sie ihre Rücktrittserklärungen vom an die Gesellschafter der Primärschuldnerin, mit denen Sie Ihren Rücktritt als Geschäftsführerin der Gesellschaft erklärte.

Mit Schreiben vom wurde vom Vertreter der Beschwerdeführerin ein als "Berufung" bezeichnetes Schreiben bei der belangten Behörde eingebracht. In der Beschwerde wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführerin zum einen der Haftungsbescheid vom nicht rechtswirksam zugestellt wurde. Zum anderen wird ausgeführt, dass das Schreiben vom als Berufung (nunmehr: Beschwerde) zu betrachten sei und der vorliegende Schriftsatz als Verbesserung der Berufung zu betrachten sei. Weiters wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin bereits am ihren Rücktritt als Geschäftsführerin rechtswirksam erklärt habe, da es der Beschwerdeführerin aufgrund des fehlenden Zugangs zu Unterlagen nicht möglich war, die kaufmännische Lage der Gesellschaft zu überprüfen. Da die Beschwerdeführerin umgehend ihren Rücktritt erklärt habe, treffe sie an der Nichtabgabe der Steuererklärung bzw an der Nichtentrichtung der Vergnügungssteuer kein Verschulden.

Mit Nachtrag zur Beschwerde vom , mit dem auf einen Vorhalt der belangten Behörde vom reagiert wurde, wird zusammengefasst vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin den Bescheid nicht erhalten hat und die Zustellung durch Selbstabholung erfolgt ist. Weiters wird nochmals vorgebracht, dass bereits das Schreiben vom als Beschwerde zu werten sei. Entgegen der Ansicht der Behörde sei das Schreiben erkennbar auf den angefochtenen Bescheid bezogen. Zu einer Buchungsmitteilung selbst bestehe keine Veranlassung Stellung zu nehmen, vielmehr würden inhaltliche Einwände gegen den Bescheid in deutlich erkennbarer Weise erhoben, sodass allenfalls mit einem Verbesserungsauftrag vorzugehen gewesen wäre. Unabhängig davon sei einem Verbesserungsauftrag zuvorkommend die Eingabe vom verfasst worden, bei der die Behörde nicht beanstandet hätte, dass irgendwelche Elemente fehlen. Das Schreiben der Einschreiterin beziehe sich vordergründig auf die Buchungsmitteilung, die sich selbst wieder auf den eindeutig angefochtenen Bescheid beziehe. Die Behörde könne nicht daran zweifeln, dass nicht eine Buchung bekämpft wird, sondern der Bescheid. Alles andere wäre, wie es die Behörde selbst ausdrücke, ein "überspitzter Formalismus".

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde schlussendlich als verspätet zurückgewiesen. Die belangte Behörde vertrat in ihrer Entscheidung die Rechtsauffassung, dass der Bescheid am zugestellt wurde. Es sei kein Zustellmangel geltend gemacht worden. Als Beschwerde wurde das Schreiben vom gewertet, die als verspätet angesehen wurde.

Mit Schreiben vom wurde die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht gestellt.

Am fand schlussendlich eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht statt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin war vom bis als Geschäftsführerin der ***Ges*** im Firmenbuch eingetragen.

Ab bis war die Beschwerdeführerin als Liquidatorin der ***Ges*** im Firmenbuch eingetragen. Der Antrag auf Änderung wurde am beim Firmenbuch eingereicht.

Allerdings erklärte die Beschwerdeführerin mit gegenüber den Gesellschaftern der ***Ges*** (***Pers1***, ***Ges1***) die Zurücklegung der Geschäftsführung für die Gesellschaft.

Mit Beschluss des Handelsgericht Wien vom wurde die Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens betreffend die ***Ges*** mangels kostendeckenden Vermögens beschlossen.

Daraufhin wurde am die Gesellschaft infolge der rechtskräftigen Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens und Zahlungsunfähigkeit aufgelöst.

Schlussendlich wurde die Firma gem § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit am amtswegig gelöscht.

Mit Haftungsbescheid vom wurde die Beschwerdeführerin schlussendlich für den entstandenen Rückstand an Vergnügungssteuer und Nebengebühren iHv EUR 53.818,90 zur Haftung herangezogen.

Der für die verfahrensrechtlichen Rechtsfragen maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem oben dargestellten Verfahrensgang.

2. Beweiswürdigung

Die Daten zur Stellung als Geschäftsführerin und Liquidatorin sowie die anderen Daten zur Gesellschaft ergeben sich unstrittig aus dem Firmenbuch.

Die Zurücklegung der Geschäftsführung ergibt sich für das Bundesfinanzgericht zweifelsfrei aus dem persönlich übergebenen Schreiben vom an die ***Ges1*** und aus dem rekommandierten Schreiben an Frau ***Pers1*** datiert mit . Hierzu wurde auch eine Einschreibbestätigung bei der Österreichischen Post AG vom vorgelegt, mit der der Versand an Frau ***Pers1*** bestätigt wurde.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

a) Beurteilung der Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung durch die belangte Behörde

Mit Schreiben vom nahm die Beschwerdeführerin zu der ihr vorgeschriebenen Vergnügungssteuer Stellung. Dabei informierte die Beschwerdeführerin die Behörde, dass sie das Lokal der Primärschuldnerin weder betreibe noch irgendwelche Einflüsse habe. In diesem Zusammenhang übermittelte die Beschwerdeführerin auch ihre Erklärungen vom Rücktritt als Geschäftsführerin der Gesellschaft vom und schilderte des Weiteren, dass sie das Lokal nie betreten hätte und nicht in Besitz irgendwelcher buchhalterischen Unterlagen sei. Schlussendlich ersucht Sie die Abgabenforderung nicht an sie zu richten.

Der belangten Behörde ist in Bezug auf das Schreiben vom , das laut den ergänzenden Eingaben der Beschwerdeführerin als Beschwerde zu qualifizieren sei, zuzustimmen, dass das Schreiben vom die formalen Anforderungen des § 250 BAO nicht vollständig erfüllt, wonach eine Beschwerde die Bezeichnung des Bescheides, die Erklärung in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird, die Erklärung, welche Änderung beantragt wird und eine Begründung enthalten muss.

Allerdings sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Parteierklärungen nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, d. h. es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (vgl zB , mit weiteren Nachweisen).

Voraussetzung für die Beurteilung eines Schriftsatzes als Berufung iSd § 250 BAO ist, dass aus dem Anbringen zumindest andeutungsweise zu entnehmen ist, dass die Partei beabsichtige, eine behördliche Maßnahme zu bekämpfen. Lässt sich erkennen, dass der Einschreiter sich durch eine bestimmte Entscheidung beschwert fühlt und deren Nachprüfung begehrt, so ist vom Vorliegen einer Beschwerde auszugehen, zumal das Tatbestandsmerkmal "Bescheidbeschwerde" nicht formalistisch auszulegen ist. Keinesfalls ist dabei die Bezeichnung des Schriftsatzes von alleiniger Bedeutung (; ).

Entspricht die Berufung nicht den in § 250 Abs 1 BAO umschriebenen Erfordernissen, ist die Abgabenbehörde gem § 85 Abs 2 BAO verpflichtet, dem Berufungswerber unter Setzung einer Frist die Behebung der Mängel aufzutragen (; ).

Vordergründig bezieht sich das Schreiben lediglich auf die Buchungsmitteilung, die selbst kein Bescheid ist. Aber bereits aus dem Betreff "Kd 20256970 Vergnügungssteuer" ergibt sich für das Bundesfinanzgericht, dass es der Beschwerdeführerin nicht darum geht, die Buchungsmitteilung zu bekämpfen, sondern die ihr vorgeschriebene Vergnügungssteuer. Im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung ist daher im konkreten Fall zumindest andeutungsweise zu erkennen, dass mit dem Schreiben der Haftungsbescheid bekämpft werden soll und nicht die Buchungsmitteilung.

Darüber hinaus ist aus dem Schreiben das Bestreben der Beschwerdeführerin erkennbar, in welchen Punkten der Bescheid angefochten werden soll und welche Änderung beantragt wird. Wenn auch vielleicht juristisch nicht trennscharf formuliert, ist aus dem Schreiben doch ableitbar, dass die Haftung für Vergnügungssteuer bekämpft werden soll und die Aufhebung des Haftungsbescheides begehrt wird. Außerdem enthält, das Schreiben zumindest in Ansätzen bereits eine Begründung, warum die Beschwerdeführerin nicht schuldhaft gehandelt haben soll.

Gerade unter der Berücksichtigung, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Einreichung dieses Schreibens noch unvertreten war, wird von der belangten Behörde schon zu erwarten sein, dass sie das Schreiben nicht streng formalistisch liest, sondern den durchaus erkennbaren Parteienwillen so interpretiert, dass die Rechtsschutzmöglichkeit der Beschwerdeführerin gewahrt bleibt.

Zusammengefasst ist das Schreiben vom im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs als Beschwerde iSd § 250 BAO zu qualifizieren und somit rechtzeitig eingebracht worden. Die belangte Behörde hätte allenfalls einen Mängelbehebungsauftrag iSd § 85 Abs 2 BAO erteilen müssen, um der Beschwerdeführerin aufzutragen den formalen Anforderungen (z.B. konkrete Bezeichnung des angefochtenen Bescheids etc) nachzukommen. Jedenfalls wurden schlussendlich aber die verfahrenrechtlichen Anforderungen durch den ergänzenden Schriftsatz vom erfüllt. Somit ist die Zurückweisung der Beschwerde als rechtswidrig zu qualifizieren und das Bundesfinanzgericht hat sich in weiterer Folge mit der materiellen Rechtsfrage im vorliegenden Fall auseinanderzusetzen.

b) Haftung für die ausstehende Vergnügungssteuer

Gem § 13 Abs 5 Vergnügungsteuergesetz haften die in § 80 BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können.

Im vorliegenden Fall ist es unstrittig, dass die Beschwerdeführerin ab Geschäftsführerin der Primärschuldnerin war und somit grundsätzlich vom persönlichen Anwendungsbereich der Haftungsbestimmung erfasst ist.

Außerdem steht es fest, dass der Abgabenrückstand bei der Primärschuldnerin im Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme nicht mehr einbringlich war, da mit Beschluss vom die Gesellschaft infolge rechtskräftiger Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens und Zahlungsunfähigkeit aufgelöst wurde.

Fraglich ist daher in weiterer Folge, ob die Abgabe infolge einer schuldhaften Verletzung der der Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht entrichtet wurde.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf (Vgl z.B. , 89/15/0037). Die Beschwerdeführerin hatte nach ihren Angaben keinen Zugang zu den Buchhaltungsunterlagen, daher sei es ihr nicht möglich gewesen die Abgabe fristgerecht zu entrichten.

Der Geschäftsführer muss sich bei der Übernahme seiner Geschäftsführertätigkeit darüber unterrichten, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene Gesellschaft bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist (Vgl ). Ist ein Geschäftsführer an der ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Obliegenheiten gehindert, so muss er entweder sofort die Behinderung seiner Funktion - allenfalls im Rechtsweg - abstellen oder seine Funktion niederlegen und als Geschäftsführer ausscheiden (Vgl Zl. 85/13/0124). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat ein Geschäftsführer einer GmbH, der nicht in der Lage ist, die Vertreterfunktion ordnungsgemäß auszuüben, seine Funktion zurückzulegen (Vgl z.B. /00118; , 2007/13/0024).

Zur Haftung für die vor seiner Bestellung fällig gewordenen Abgaben kann der Geschäftsführer herangezogen werden, wenn er es schuldhaft unterlassen hat, sich darüber zu unterrichten, ob und in welchem Ausmaß die von ihm vertretene Gesellschaft bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist. Im Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie sei auch nach der Übernahme der Geschäftsführung nicht in der Lage gewesen, die vor ihrer Eintragung angefallenen Abgaben zu entrichten, da ihr trotz ihrer Urgenzen keine Unterlagen übergeben worden seien, liegt die Behauptung, ohne ihr Verschulden von den Abgabenrückständen der Gesellschaft keine Kenntnis gehabt zu haben.

Eine Verpflichtung des Geschäftsführers, die Herausgabe von Buchhaltungsunterlagen der Gesellschaft im Rechtsweg zu erzwingen, besteht nicht. Dem Geschäftsführer steht es in einem solchen Fall vielmehr frei, sein Haftungsrisiko durch unverzügliche Niederlegung seiner Funktion auszuschließen. Ihrer Verpflichtung, bei einer Behinderung in der Ausübung ihrer Funktion diese niederzulegen, ist die Beschwerdeführerin grundsätzlich nachgekommen. Ob der Rücktritt allerdings "unverzüglich" erfolgte, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Auch ein Zeitraum von nahezu drei Monaten zwischen der Bestellung zum Geschäftsführer und dessen Rücktritt wegen einer Behinderung in der Ausübung seiner Funktion schließt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofss eine Beurteilung des Rücktrittes als "unverzüglich" nicht von vornherein aus, weil die Verpflichtung zum Rücktritt erst durch die Erkennbarkeit der Behinderung und der Ergebnislosigkeit der Bemühungen, diese zu beseitigen, ausgelöst wird. (Vgl )

Die Beschwerdeführerin wurde am zur Geschäftsführerin bestellt. Mit Schreiben vom , also rund zwei Monate nach ihrer Bestellung, erklärte die Geschäftsführerin ihren Rücktritt gegenüber den Gesellschaftern. Allerdings war sie bis zum als Geschäftsführerin und anschließend bis zum als Liquidatorin formal im Firmenbuch eingetragen. Zu letzterem ist festzuhalten, dass die Firmenbucheintragung nur deklarativ wirkt (s OGH 12 Os 156/13b; VwGH 2010/16/0028;). Daher hat das Bundesfinanzgericht unabhängig vom Firmenbuchstand zu überprüfen, ob der Geschäftsführer seinen Rücktritt erklärt hat ().

Gem § 16a Abs 1 GmbHG können Geschäftsführer wegen eines wichtigen Grundes mit sofortiger Wirkung ihren Rücktritt erklären. Als wichtiger Grund wird in der Lehre jedenfalls angenommen, wenn der Geschäftsführer an der ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Aufgaben gehindert wird, etwa durch die systematische Vorenthaltung von Buchhaltungsunterlagen (Vgl Ratka in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 16a (Stand ), Rz 12). Da der Beschwerdeführerin tatsächlich kein Zugang zu den Buchhaltungsunterlagen gewährt wurde, lag ein wichtiger Grund iSd der Bestimmung vor und sie konnte daher dem Grunde nach rechtswirksam ihren sofortigen Rücktritt erklären.

Gem § 16a Abs 2 GmbHG ist der Rücktritt gegenüber der Generalversammlung oder alternativ gegenüber allen Gesellschaftern zu erklären. Wie im Sachverhalt festgestellt, erklärte die Beschwerdeführerin ihren Rücktritt als Geschäftsführerin wirksam gegenüber den Gesellschaftern.

Da die Beschwerdeführerin binnen zwei Monate ihren Rücktritt als Geschäftsführerin erklärt hatte, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls davon auszugehen, dass der Rücktritt "unverzüglich" iSd Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs erfolgte. Nach dem die Beschwerdeführerin erkannt hatte, dass sie keinen Zugang zu den Buchhaltungsunterlagen der Gesellschaft erlangen kann und sie daher nicht in der Lage ist ihre Geschäftsführertätigkeit ungehindert auszuüben, hat sie innerhalb von zwei Monate, also binnen einer relativ kurzen Frist, bereits wieder ihren Rücktritt erklärt. Es trifft sie daher kein Verschulden an der Nichtentrichtung jener Abgaben, die nicht während ihrer Funktionsperiode fällig geworden sind.

Für jene Abgaben, die in ihrer Zeit als Geschäftsführerin fällig gewesen wären, trifft die Beschwerdeführerin allerdings ein Verschulden, da sie selbst verpflichtet gewesen wäre die Bücher der Gesellschaft zu führen und die Abgaben fristgerecht zu entrichten. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH besteht bei der Frage, ob der Vertreter schuldhaft eine Abgabenpflicht verletzt hat, eine qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters. Der Vertreter hat dabei darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten nicht möglich war. Andernfalls kann eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden (vgl zB , 2011/16/0184; , 2013/16/0166; , 2013/16/0208; , 2013/16/0016). Weder in der Beschwerde noch im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht konnte die Beschwerdeführerin Nachweise erbringen, die belegen hätten können, dass sie kein Verschulden an der Nichtentrichtung der Abgaben trifft. Das Bundesfinanzgericht geht daher davon aus, dass die betroffenen Abgaben von der Beschwerdeführerin in ihrer Funktion als Geschäftsführerin schuldhaft nicht entrichtet wurden.

Die Haftungsinanspruchnahme setzt eine Kausalität zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung und dem Abgabenausfall voraus. Wie soeben dargestellt, geht das Bundesfinanzgericht auf Basis der Aktenlagen und mangels anderer Vorbringen der Beschwerdeführerin davon aus, dass die Beschwerdeführerin ihre abgabenrechtlichen Pflichten als Geschäftsführerin während ihrer Zeit in dieser Funktion schuldhaft verletzt hat. Nach der Judikatur des VwGH spricht bei schuldhafter Pflichtverletzung die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgabe. (vgl zB , 2012/16/0001; , 2013/16/0016; , Ra 2020/13/0027). Da die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang keine gegenteiligen Tatsachen vorlegen konnte, geht das Bundesfinanzgericht der ständigen Rechtsprechung des VwGH folgend auch von einer Kausalität zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung der Beschwerdeführerin und der Uneinbringlichkeit der Abgaben aus.

Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass die Beschwerdeführerin betreffend jene Abgaben, die während ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin fällig gewesen sind, schuldhaft die Uneinbringlichkeit der Abgaben verursacht hat und daher für diese Beträge zur Haftung heranzuziehen ist.

Konkret ist Sie daher für die Vergnügungssteuer 03/2013 (Fälligkeit ) iHv EUR 8.233,40 und für die Vergnügungsteuer 04/2013 (Fälligkeit ) iHv EUR 9.068,40 haftbar. In Summe beträgt der Haftungsbetrag daher EUR 17.301,80. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis beruht auf der oben zitierten eindeutigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 250 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7400115.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at