Haftung Vergnügungssteuer - verfassungskonforme Interpretation des Begriffs "nicht ohne Schwierigkeiten"
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Alexander Zeiler LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid vom (MA 6/DII/R2 - 94/11) des Magistrats der Stadt Wien - Abteilung 6 - Rechnungs-und Abgabenwesen DII zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Schreiben vom wurde der Beschwerdeführer darüber informiert, dass er als Geschäftsführer der ***Ges*** gem § 13 Abs 5 VGSG zur Haftung für die bei der Gesellschaft aushaftenden Vergnügungssteuerbeträge herangezogen wird, da die Gesellschaft die mit Haftungsbescheid vom (MA 6/DII/R2 - 900/10) vorgeschriebenen Vergnügungsteuerschulden des Herrn ***Pers 1*** nicht entrichtet hat. Mit diesem Scheiben wurde im gem § 183 Abs 4 BAO Gelegenheit gegeben, den vorliegenden Sachverhalt (Haftung für Vergnügungssteuerschuld von Herrn ***Pers 1***) und das Ergebnis der Beweisaufnahme zu Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern.
Mit Haftungsbescheid vom (MA 6/DII/R2 - 94/11) wurde der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der ***Ges*** gem § 13 Abs 5 VGSG zur Haftung für den oben genannten Betrag von EUR 6.747,91 herangezogen.
Mit Schreiben vom (Zustellung Bescheid am ) erhob der Beschwerdeführer Berufung (nunmehr Beschwerde) gegen den Haftungsbescheid vom .
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde dahingehend stattgegeben, dass der Haftungsbetrag auf EUR 4.217,44 eingeschränkt wurde. Der Grund für diese Änderung war die Festlegung der Schuldentilgungsquote im Schuldenregulierungsverfahren von Herrn ***Pers 1*** auf 37,5%.
Mit Schreiben vom stellt der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag zur Entscheidung an die Behörde 2. Instanz. Mit Schreiben vom wurde der Akt dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Mit Haftungsbescheid vom wurde die ***Ges*** gem § 13 Abs 2 Vergnügungssteuergesetz 2005 für die in der Zeit von März 2008 bis Oktober 2008 im Betrieb in ***, Clubschiff *** entstandene Vergnügungssteuerschuld des Herrn ***Pers 1*** iHv EUR 6.747,91 zur Haftung herangezogen.
Der Haftungsbetrag setzt sich aus Vergnügungssteuer 03/08 - 10/08 iHv EUR 6.550,08 und Nebengebühren iHv EUR 197,83 zusammen und beträgt also insgesamt EUR 6.747,91. Der gegenständliche Abgabenanspruch resultiert aus dem Ergebnis der Revision vom bei Herrn ***Pers 1***.
Da die ***Ges*** die vorgeschriebene Steuer nicht entrichtet hat, wird der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Gesellschaft mit Haftungsbescheid vom für den aushaftenden Betrag gem § 80 Abs 1 BAO iVm § 13 Abs 5 Vergnügungssteuergesetz 2005 zur Haftung herangezogen, da er als Geschäftsführer die ihm gem § 80 BAO auferlegte Pflicht zur zeitgerechten Entrichtung der vorgeschriebenen Steuer verletzt habe.
Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom wurde das Konkursverfahren betreffend die Primärschuldnerin eröffnet. Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom wurde der Konkurs mangels Kostendeckung abgewiesen.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden Verwaltungsakt und kann daher der Entscheidung des Bundesfinanzgerichts zugrunde gelegt werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Gem § 13 Abs 5 Vergnügungsteuergesetz haften die in § 80 BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können.
Der Beschwerdeführer ist als Geschäftsführer jedenfalls als Vertreter iSd Bestimmung zu qualifizieren und kann daher grundsätzlich zur Haftung herangezogen werden.
Außerdem ist festzuhalten, dass die Abgabenschuld der Primärschuldnerin grundsätzlich rechtswirksam besteht. Die Primärschuldnerin erhob zwar am Beschwerde gegen den an sie gerichteten Haftungsbescheid vom (MA 6/DII/R2 - 900/10). Diese Beschwerde wurde aber mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom (RV/7400070/2014) als verspätet zurückgewiesen.
Die entscheidende Frage im vorliegenden Fall ist aber, ob das Tatbestandsmerkmal, dass die Abgaben "nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können" erfüllt ist. Im Haftungsbescheid vom führt die belangte Behörde ohne nähere Begründung aus, dass die Abgabe bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sei.
In einem Schreiben an den Beschwerdeführer vom konkretisiert die belangte Behörde ihre Rechtsansicht wie folgt:
"Zur Uneinbringlichkeit ist festzuhalten, dass gemäß § 13 Abs 5 Vergnügungssteuergesetz 2005 - VGSG, in der geltenden Fassung der Nachweis der Uneinbringlichkeit nicht zwingend erforderlich ist, sondern bereits erschwerte Einbringlichkeit genügt. Bei einem Vollstreckungsversuch des Erhebungs- und Vollstreckungsdienstes am bei der ***Ges*** wurde festgestellt, dass in den Wintermonaten der Betrieb geschlossen ist. Da der Geschäftsführer Herr ***Bf1*** in ***Ort***, ***Haus*** gemeldet ist, kann eine verwaltungsbehördliche Einhebung und Erhebungen bezüglich des Firmenvermögens durch den Erhebungs- und Vollstreckungsdienst nicht erfolgen. Nachdem auch der zur Haftung herangezogenen Geschäftsführer trotz seiner bestehenden Möglichkeiten die ***Ges*** nicht zur Zahlung der Haftungsrückstände veranlasst, ist erschwerte Einbringlichkeit gegeben."
Die belangte Behörde geht zusammengefasst also davon aus, dass bereits aufgrund eines gescheiterten Einbringungsversuches bzw der Zahlungsunwilligkeit der Gesellschaft eine erschwerte Einbringlichkeit der Abgabe iSd § 13 Abs 5 VGSG vorliegt. Mit dieser Rechtsansicht lässt die Behörde allerdings die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zu § 7 WAO, die einen ähnlichen Wortlaut wie die streitgegenständliche Bestimmung hat außer Acht (vgl ). In verfassungskonformer Interpretation misst der Verfassungsgerichtshof dem Begriff "nicht ohne Schwierigkeiten" ein eingeschränkteres Verständnis, als jenes das von der Behörde unterstellt wird, zu.
Konkret hat der Verfassungsgerichtshof dazu ausgesprochen:
"Der unbestimmte Rechtsbegriff "nicht ohne Schwierigkeiten" ist so auszulegen, daß nur bei erheblichen Schwierigkeiten, die in ihrer Intensität so geartet sind, wie die Schwierigkeiten, die sich für das Einbringen der Abgabenforderungen im Falle der Konkurseröffnung ergeben, die Tatbestandsvoraussetzung für die Haftung gegeben ist. Dieses - auch von der belangten Behörde vertretene - Verständnis ergibt sich schon aus der allgemeinen Interpretationsregel, daß dann, wenn ein generell formuliertes Tatbestandselement durch eine demonstrative Aufzählung erläutert wird, die Beispiele die Interpretation der generellen Formulierung zu bestimmen haben (vgl. VfSlg. 9720/1983, 10463/1985).
Eine solche Interpretation ist verfassungsrechtlich aber auch geboten. Würde man der Vorschrift einen Sinn unterstellen, daß schon bei geringen Schwierigkeiten, etwa - wie die Beschwerde erwägt - bei subjektiver Zahlungsunwilligkeit, die Tatbestandsvoraussetzung für die Heranziehung zur Haftung gegeben ist, so käme eine solche Interpretation nach dem vom Verfassungsgerichtshof in derartigen Fällen angelegten Maßstab (vgl. Pkt. II. 3. a), insb. VfSlg. 12008/1989) in Widerspruch zu dem Gleichheitsgrundsatz innewohnenden Sachlichkeitsgebot.
Andererseits ist die Haftungsregelung, versteht man sie so, daß sich die Interpretation der Schwierigkeiten für das Einbringen am Beispielsfall der Konkurseröffnung zu orientieren hat, verfassungsrechtlich unbedenklich: Es kann nicht zweifelhaft sein, daß eine solche Regelung - wie dies der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 11942/1988 und 12008/1989 verlangt hat - dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Einbringlichkeit öffentlich-rechtlicher Ansprüche dient und daß sie aus einer besonderen Rechtsbeziehung zwischen dem Abgabepflichtigen und dem Haftungspflichtigen erfließt. Die Tatsache, daß ein Verschulden des Haftungspflichtigen und schwere Einbringlichkeit (die vergebliche Versuche der Einbringung beim Primärschuldner und sodann Hindernisse von erheblichem Gewicht im Sinne des oben Gesagten erfordert) beim Abgabepflichtigen als weitere Tatbestandsvoraussetzungen hinzutreten müssen, damit die Haftung des Vertreters besteht, zeigt, daß auch von einer unsachlich-überschießenden Regelung nicht die Rede sein kann."
Im Schrifttum wird zu dieser Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs die folgende Rechtsansicht vertreten (Vgl Pinetz, Haftung von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern im Kommunalsteuerrecht, in Althuber Geschäftsführer- und Vorstandshaftung im österreichischen Steuerrecht3, 214ff):
"Im Ergebnis bringt die Gefährdungshaftung [des § 13 Abs 5 VGSG] im Vergleich zur Ausfallshaftung [des § 9 BAO] daher eine Vereinfachung der Geltendmachung der Haftung für die Abgabenbehörde, da im Fall der Insolvenzeröffnung sofort die gesamten Abgabenforderungen im Haftungsbescheid geltend gemacht werden können, während nach der BAO zunächst nur der voraussichtlich uneinbringliche Teil eingefordert werden dürfte.
Dagegen wird die Inanspruchnahme des Haftungspflichtigen bei bloß erkennbaren wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Primärschuldnerin vor der Zulässigkeit einer Insolvenzeröffnung - wenn überhaupt - nur in Ausnahmenfällen möglich sein, um mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen im Einklang zu bleiben. Es kommt somit bei der Gefährdungshaftung im Vergleich zur Ausfallshaftung grundsätzlich allein zu einer zeitlichen Vorverlegung und Beschleunigung sowie Vereinfachung des abgabenrechtlichen Haftungsverfahrens, da im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung sämtliche Abgabenrückstände ohne weitere Verzögerung direkt bei Haftungspflichtigen eingetrieben werden können."
Im Gegensatz zur Ansicht der belangten Behörde ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt keine Anhaltspunkte, dass im Zeitpunkt der Erlassung des streitgegenständlichen Haftungsbescheids bereits eine erschwerte Einbringlichkeit der Abgabe iSd der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs vorgelegen ist. Ein gescheiterter Einbringungsversuch oder die bloße Zahlungsunwilligkeit der Primärschuldnerin alleine begründen jedenfalls noch keine erschwerte Einbringung. Untermauert wird diese Beurteilung vorallem durch die Tatsache, dass das Konkursverfahren betreffend die Primärschuldnerin erst mit Beschluss vom eröffnet wurde.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Erkenntnis beruht auf der zitierten, eindeutigen, höchstgerichtlichen Judikatur. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 13 Abs. 5 VGSG, Wiener Vergnügungssteuergesetz 2005, LGBl. Nr. 56/2005 § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7400073.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at