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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.10.2023, RV/7102179/2023

Deklaratorische Wirkung der Aushändigung einer NAG-Karte bei vorweg begründetem unionsrechtlichem Aufenthaltsrecht

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , mit dem der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum September 2021 bis Juli 2022 abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist kolumbianische Staatsbürgerin und brachte beim Finanzamt am (eingelangt am ) einen Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihren Sohn ***1***, geb. 2014 und ebenfalls kolumbianischer Staatsbürger, ab September 2021 ein und übermittelte ein Konvolut an Unterlagen.

Ihr Ehegatte ist österreichischer Staatsbürger.

Der Kindesvater ist kolumbianischer Staatsbürger und hat die Obsorge für ***1*** der Bf. übertragen (Sorgerechtsausübung vom ).

Am reichte die Bf. das untenstehende Schreiben zum Antrag nach:

"Ich habe per Einschreiben vom einen umfangreichen Antrag zwecks Gewährung von Familienbeihilfe für meinen minderjährigen Sohn ***1*** ans Finanzamt geschickt. Ich hatte diesem Antrag zahlreiche Unterlägen in Kopie beigelegt. Mein Ehemann, EM, geb. ***3***, ist österreichischer Staatsbürger.

Mein Ehemann hatte mehr als drei Monate in Deutschland vollversichert gearbeitet. Mein Ehemann ist daher freizügigkeitsberechtigter Österreicher.Aus diesem Grund wurden mir und meinem minderjährigen Sohn vom Referat EWR der MA 35 fünfjährige Aufenthaltskarten (deren Kopien ich dem Finanzamt bereits am übermittelt hatte) erteilt. Das Verfahren bei der MA 35 hatte fast ein Jahr gedauert. Die Volksanwaltschaft hat bezüglich dieser Verfahrensdauer einen Missstand festgestellt.

Ich lege die Kopie des entsprechenden Schreibens der Volksanwaltschaft bei.

Ich ersuche um rückwirkende Gewährung der Familienbeihilfe für meinen Sohn ab September 2021.

Mein Sohn besucht seit September 2021 die Volksschule in Wien. Ich hatte Kopien entsprechender Unterlagen meinem Antrag vom beigelegt. Aufenthaltskarten, die ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht belegen, haben deklaratorischen Charakter. Das Finanzamt muss selbst prüfen, ob meinem Sohn und mir seit September 2021 rückwirkend dieses unionsrechtliche Aufenthaltsrecht als Gattin und Stiefsohn eines freizügigkeitsberechtigten Österreichers zukommt.

Aus diesem Grund hatte ich meinem Antrag vom auch Kopien der Lohnzettel meines Gatten in Deutschland, etc. beigelegt.

Mein Gatte arbeitet derzeit in der Firma H.. Ich bin stundenweise bei "LZ und G." tätig. Mein Sohn besucht die 2. Klasse Volksschule in Wien.

Beilagen in Kopie:

Postaufgabeschein meines Einschreibens, Antrag vom

Missstandsfeststellung der Volksanwaltschaft, zu den Anträgen von mir und meinem Sohn auf Ausstellung von Aufenthaltskarten bei der MA 35, Referat EWR, Schreiben der Volksanwaltschaft vom

Schulbesuchsbestätigung meines Sohnes, vom , Klasse 2b der Volksschule in ***2***

mein ÖGK-Versicherungsdatenauszug vom , aus dem hervorgeht, dass ich seit in Österreich - geringfügig - beschäftigt war bzw. bin ÖGK-Versicherungsdatenauszug meines Gatten vom , aus dem hervorgeht, dass mein Gatte - nach seiner Rückkehr aus Deutschland - zunächst ab Arbeitslosengeld bezog, ab in Österreich geringfügig beschäftigt war, seit vollversichert beschäftigt ist

Lohnzettel meines Gatten vom Juli 2022 und vom August 2022, Firma H.

Ich ersuche darum, mir jedenfalls aktuell Familienbeihilfe für meinen Sohn auszuzahlen, falls das Prüfverfahren für das zurückliegende Jahr mehr Zeit in Anspruch nehmen sollte; grundsätzlich denke ich aber, dass ich rückwirkend ab September 2021 Anspruch auf Familienbeihilfe für meinen Sohn habe, weil ich als Ehefrau eines freizügigkeitsberechtigten Österreichers seither unionsrechtlich aufenthaltsberechtigt in Österreich lebe und die Aufenthaltskarte lediglich deklaratorische Wirkung hat.

Mittelfristig beantrage ich daher die Zuerkennung der Familienbeihilfe rückwirkend ab September 2021."

Die Bf. legte folgende Unterlagen bei:

Postaufgabeschein ihres Einschreibens, Antrag vom
Missstandsfeststellung der Volksanwaltschaft, zu den Anträgen der Bf. und ihres Sohnes auf Ausstellung von Aufenthaltskarten bei der MA 35, Referat EWR, Schreiben der Volksanwaltschaft vom
Schulbesuchsbestätigung des Sohnes vom , Klasse 2b der Volksschule in
***2***
ÖGK-Versicherungsdatenauszug vom (geringfügige Beschäftigung seit )
ÖGK-Versicherungsdatenauszug des Ehegatten vom , aus dem hervorgeht, dass ihr Gatte - nach seiner Rückkehr aus Deutschland - zunächst ab Arbeitslosengeld bezog, ab in Österreich geringfügig beschäftigt war und seit vollversichert beschäftigt ist
Lohnzettel DES Gatten vom Juli 2022 und vom August 2022, Firma
H.

Nachreichungdes unten angeführten Schreibens samt bereits vorgelegten Unterlagen am zum Antrag vom

"Mein Ehemann, EM, geb. ***3***, ist österreichischer Staatsbürger. Mein Ehemann hatte mehr als drei Monate in Deutschland vollversichert gearbeitet. Mein Ehemann ist daher freizügigkeitsberechtigter Österreicher. Aus diesem Grund wurden mir und meinem minderjährigen Sohn vom Referat EWR der MA 35 fünfjährige Aufenthaltskarten (deren Kopien ich dem Finanzamt bereits am übermittelt hatte) erteilt. Das Verfahren bei der MA 35 hatte fast ein Jahr gedauert. Die Volksanwaltschaft hat bezüglich dieser Verfahrensdauer einen Missstand festgestellt, ich lege die Kopie des entsprechenden Schreibens der Votksanwaitschaft bei. Ich ersuche um rückwirkende Gewährung der Famiiienbeihitfe für meinen Sohn ab September 2021.

Mein Sohn besucht seit September 2021 die Volksschule in Wien. Ich hatte Kopien entsprechender Unterlagen meinem Antrag vom beigelegt.

Aufenthaltskarten, die ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht belegen, haben deklaratorischen Charakter. Das Finanzamt muss selbst prüfen, ob meinem Sohn und mir seit September2021 rückwirkend dieses unionsrechtliche Aufenthaltsrecht als Gattin und Stiefsohn eines freizügigkeitsberechtigten Österreichers zukommt. Aus diesem Grund hatte ich meinem Antrag vom auch Kopien der Lohnzettel meines Gatten in Deutschland, etc. beigelegt. Mein Gatte arbeitet derzeit in der Firma H.. Ich bin stundenweise bei "LZ und G." tätig. Mein Sohn besucht die 2. Klasse Volksschule in Wien.

Ich ersuche darum, mir jedenfalls aktuell Familienbeihilfe für meinen Sohn auszuzahlen, falls das Prüfverfahren für das zurückliegende Jahr mehr Zeit in Anspruch nehmen sollte; grundsätzlich denke ich aber, dass ich rückwirkend ab September 2021 Anspruch auf Familienbeihilfe für meinen Sohn habe, weil ich als Ehefrau eines freizügigkeitsberechtigten Österreichers seither unionsrechtlich aufenthaltsberechtigt in Österreich lebe und die Aufenthaltskarte lediglich deklaratorische Wirkung hat. Mittelfristig beantrage ich daher die Zuerkennung der Familienbeihilfe rückwirkend ab September2021."

Ich möchte hinzufügen, dass Artikel 25 Absatz 1 der Unionsbürger-Richtlinie, Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, vom , lautet:

"Die Ausübung eines Rechts oder die Erledigung von Verwaltungsformalitäten dürfen unter keinen Umständen vom Besitz einer Anmeldebescheinigung nach Artikel 8, eines Dokuments zur Bescheinigung des Daueraufenthalts, einer Bescheinigung über die Beantragung einer Aufenthaltskarte oder einer Daueraufenthaltskarte abhängig gemacht werden, wenn das Recht durch ein anderes Beweismittel nachgewiesen werden kann."

Ich hatte zahlreiche Unterlagen vorgelegt, die belegen, dass mir und meinem Sohn das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht als drittstaatsangehörige Ehefrau bzw. Stiefsohn eines freizügigkeitsberechtigten Österreichers zukommt.

Mein Ehemann ist in Österreich erwerbstätig; auch nach seiner Rückkehr von Deutschland nach Österreich war er zunächst in Österreich geringfügig (neben seinem AMS-Bezug) erwerbstätig; seit ist mein Ehemann in einem Vollzeitjob unselbständig erwerbstätig. Selbst wenn mein Ehemann nach seiner Rückkehr von Deutschland nach Österreich ein "nicht wirtschaftlich tätiger Bürger" wäre, hätten wir das Recht auf Familienzusammenführung mit ihm als freizügigkeitsberechtigtem Österreicher, der nach Österreich zurückgekehrt ist. Dies geht aus dem EuGH-Urteil Eind, C - 291/05 vom hervor.

Aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs, VwGH 2011/22/0163 vom , geht hervor, dass nach § 57 NAG weder zu berücksichtigen ist, wann ein freizügigkeitsberechtigter Österreicher nach Österreich zurückgekehrt ist noch wann das Angehörigenverhältnis zum österreichischen Staatsbürger begründet worden ist oder wann der Angehörige nach Österreich gekommen ist. Der EuGH hat im Beschluss C-551/07 "D.Sahin" ausgesprochen, dass auch solche Angehörige eine abgeleitete unionsrechtliche Berechtigung in Anspruch nehmen können, die unabhängig vom Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat gelangt sind und erst dort die Angehörigeneigenschaft erworben oder das Familienleben mit diesem Unionsbürger begründet haben.

Unionsrechtlich gesehen kommt somit einem zeitlichen Zusammenhang zwischen der Inanspruchnahme der Freizügigkeit durch den Unionsbürger und der Begründung des Angehörigenverhältnisses keine Relevanz zu. Da mir und meinem Sohn das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht - auch vor Ausstellung der Aufenthaltskarten durch die Wiener Niederlassungsbehörde MA 35 - seit September 2021 zukommt und da mein Sohn seit September 2021 die Schule in Wien besucht, ersuche ich um Zuerkennung der Familienbeihilfe rückwirkend ab September 2021.

Unterlagen (in Kopie):
Lohnzettel meines Gatten, ***4***, LZ und G. GmbH, geringfügige Beschäftigung, Oktober 2022, 399,63 € netto- Arbeitsbetätigung meines Gatten, ausgestellt von H. Reinigungsdienst GmbH am : seit unbefristet beschäftigt,
Lohnzettel meines Gatten, H. Reinigungsdienst GmbH, Oktober 2022; seit beschäftigt, inklusive aliquoter Sonderzahlung 3363,03€ netto für Oktober 2022 ausbezahlt
mein Lohnzettel LZ und G. GmbH, Oktober 2022, geringfügige Beschäftigung, 442,75€ netto- meine ÖGK-Sammelanmeldung, ab , XY GmbH
mein Lohnzettel Oktober 2022, Filialmitarbeiterin in der Bäckerei XY GmbH, Oktober 2022: 704,26 € netto (Teilzeitjob)
Beitragsvorschreibung der ÖGK vom an mich, wegen meiner Mehrfachbeschäftigungen von Juli bis Oktober 2022; Rückstand: 207,61€; ich habe diese Summe bereits bezahlt
Vorschreibung aufgrund überschneidender Beschäftigungen, Schreiben der ÖGK vom an mich- Schulbesuchsbestätigung meines Sohnes ***1***, zweite Klasse Volksschule, ***5***, vom "

Abweisungsbescheid vom

Das Finanzamt wies den Antrag der Bf. auf Familienbeihilfe für den Sohn mit Bescheid vom für den Zeitraum September 2021 bis Juli 2022 mit der Begründung ab, dass die NAG-Karten für sie und ihren Sohn erst im Juli 2022 bzw. August 2022 ausgestellt worden seien.

Mit Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom wurde die Bf. in über den Bezug der Familienbeihilfe für den Zeitraum August 2022 bis Juli 2027 in Kenntnis gesetzt.

Beschwerde vom

Die Bf. brachte am folgende Beschwerde ein:

"Im Abweisungsbescheid des Finanzamts betreffend Abweisung der Familienbeihilfe für meinen Sohn für den Zeitraum von September 2021 bis Juli 2022, datiert mit , begründet das Finanzamt die Abweisung der Familienbeihilfe damit, dass mir und meinem Sohn erst ab Juli 2022 (mich betreffend) bzw. ab August 2022 (meinen Sohn betreffend) Aufenthaltskarten ausgestellt worden sind und dass unser Aufenthalt somit vor Ausstellung der Aufenthaltskarten nicht rechtmäßig gewesen sei:

"Gemäß § 3 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG 1967) haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürgerinnen sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach § 8 und 9 des NAG, BGBl. / Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Gemäß den vor gelegten Unterlagen und der BMI Datenbank gilt Ihre NAG-Karte erst ab 07/2022, die von ihrem Sohn erst ab 08/2022."

Mir meiner ausführlichen Argumentation zum deklaratorischen Charakter unseres unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, etc. hat sich das Finanzamt im oben genannten abweisenden Bescheid nicht auseinandergesetzt. Mir wurde im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens auch keine Möglichkeit zur Stellungnahme geboten. Dadurch wurden Verfahrensvorschriften verletzt.

Im Zeitraum von September 2021 bis Juli 2022, also im Zeitraum vor Ausstellung der Aufenthaltskarten an mich und an meinen Sohn durch die MA 35, waren wir beide bereits unionsrechtlich aufenthaltsberechtigt. Ich erlaube mir, dies - neuerlich - darzulegen.

Ich denke, dass ich rückwirkend im Zeitraum von September 2021 bis Juli 2022 Anspruch auf Familienbeihilfe für meinen Sohn habe, weil ich als Ehefrau und mein Sohn als Stiefsohn eines freizügigkeitsberechtiaten Österreichers auch in diesem Zeitraum unionsrechtlich aufenthaltsberechtigt in Österreich lebten und eine Aufenthaltskarte lediglich deklaratorische Wirkung hat.

Außerdem hatte die Volksanwaltschaft in ihrem Schreiben vom festgestellt, dass das Verfahren zur Ausstellung von Aufenthaltskarten durch die MA 35 an mich und an meinen Sohn zu lange gedauert hatte:

"Die MA 35 setzte jedoch nach Einlangen des Antrags am bis zum keine erkennbaren Verfahrensschritte. Dies stellt eine Verfahrensverzögerung dar, die der MA 35 zuzurechnen ist. Ihre Beschwerde besteht daher zu Recht und stellt die Volksanwaltschaft einen Verwaltungsmissstand fest." (siehe Schreiben der Volksanwaltschaft beiliegend in Kopie)

Das AMS Wien, Wien Esteplatz, Service Ausländerbeschäftigung SAB, hatte nicht die Ausstellung einer Aufenthaltskarte an mich abgewartet, sondern hatte in Umsetzung der Unionsbürgerrichtlinie selbst entschieden, dass mir aufgrund des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts als drittstaatsangehöriger Ehefrau eines freizügigkeitsberechtigten Österreichers freier Arbeitsmarktzugang zusteht. Ich erhielt eine Bestätigung gemäß § 3 Abs. 8 Ausländerbeschäftigungsgesetz. datiert mit , dass ich nicht dem Geltungsbereich des AuslBG unterliege.

Artikel 25 Absatz 1 der Unionsbürger-Richtlinie, Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, vom , lautet:

"Die Ausübung eines Rechts oder die Erledigung von Verwaltungsformalitäten dürfen unter keinen Umständen vom Besitz einer Anmeldebescheinigung nach Artikel 8, eines Dokuments zur Bescheinigung des Daueraufenthalts, einer Bescheinigung über die Beantragung einer Aufenthaltskarte oder einer Daueraufenthaltskarte abhängig gemacht werden, wenn das Recht durch ein anderes Beweismittel nachgewiesen werden kann."

Ich hatte dem Finanzamt ab Antragstellung zahlreiche Unterlagen vorgelegt, die belegen, dass mir und meinem Sohn das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht als drittstaatsangehörige Ehefrau bzw. Stiefsohn eines freizügigkeitsberechtigten Österreichers im Zeitraum von September 2021 bis Juli 2022 zukommt.

Mein Ehemann ist aktuell in Österreich erwerbstätig; auch nach seiner Rückkehr von Deutschland nach Österreich war er zunächst in Österreich geringfügig (neben seinem AMS-Bezug) erwerbstätig; seit ist mein Ehemann in einem Vollzeitjob unselbständig erwerbstätig.

Selbst wenn mein Ehemann nach seiner Rückkehr von Deutschland nach Österreich ein "nicht wirtschaftlich tätiger Bürger" wäre, hätten wir das Recht auf Familienzusammenführung mit ihm als freizügigkeitsberechtigtem Österreicher, der nach Österreich zurückgekehrt ist. Dies geht aus dem EuGH-Urteil Eind, C - 291/05 vom hervor.

Aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs, VwGH 2011/22/0163 vom , geht hervor, dass nach § 57 NAG weder zu berücksichtigen ist, wann ein freizügigkeitsberechtigter Österreicher nach Österreich zurückgekehrt ist noch wann das Angehörigenverhältnis zum österreichischen Staatsbürger begründet worden ist oder wann der Angehörige nach Österreich gekommen ist.

Der EuGH hat im Beschluss C-551/07 "D. Sahin" ausgesprochen, dass auch solche Angehörige eine abgeleitete unionsrechtliche Berechtigung in Anspruch nehmen können, die unabhängig vom Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat gelangt sind und erst dort die Angehörigeneigenschaft erworben oder das Familienleben mit diesem Unionsbürger begründet haben.

Unionsrechtlich gesehen kommt somit einem zeitlichen Zusammenhang zwischen der Inanspruchnahme der Freizügigkeit durch den Unionsbürger und der Begründung des Angehörigenverhältnisses keine Relevanz zu.

Da mir und meinem Sohn das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht - auch vor Ausstellung der Aufenthaltskarten durch die Wiener Niederlassungsbehörde MA 35 - seit September 2021 zukommt und da mein Sohn seit September 2021 die Schule in Wien besucht, beantrage ich, den abweisenden Bescheid aufzuheben oder dahingehend abzuändern, dass die Zuerkennung der Familienbeihilfe rückwirkend für den Zeitraum von September 2021 bis Juli 2022 möglich wird.

Beschwerdevorentscheidung vom

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit der Begründung ab, dass das Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) keine Ermessensentscheidungen in Zusammenhang mit dem Beginn von Aufenthaltstiteln vorsehe.

Gemäß § 3 Abs. 1 FLAG 1967 hätten Personen, die nicht österreichische Staatsbürgerinnen sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach § 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Der Abweisungsbescheid vom sei für den Zeitraum September 2021 bis Juli 2022 erstellt worden, da ***1*** den NAG Titel erst ab August 2022 besitze. Die NAG Karte der Bf. sei ab Juli 2022 ausgestellt worden.

Im Zuge der aktuellen Erledigung habe die Bf. diverse Bestätigungen über den Aufenthalt der Familie in Österreich im Beschwerdezeitraum vorgelegt.

Der Aufenthalt in Österreich sei zwar plausibel und die lange Bearbeitungsdauer der Magistratsabteilung 35 sei auch eindeutig ersichtlich, aber eine Ermessensentscheidung sei in diesem Zusammenhang im FLAG 1967 nicht vorgesehen.

Die Familienbeihilfe stehe erst ab dem Monat zu, in dem sowohl der Antragsteller als auch das Kind über einen gültigen NAG Titel verfügen.

(Anm.: Aufgrund eines Zustellhindernisses des RSb-Briefes erfolgte am eine neuerliche Zustellung der Beschwerdevorentscheidung über FinanzOnline).

Nachreichung von Unterlagen am zur Beschwerde vom

Vorlageantrag

Das als "Nachreichung zur Beschwerde vom " bezeichnete Anbringen der Bf. vom , eingelangt beim Finanzamt am , wurde vom Finanzamt als Vorlageantrag gewertet.

"Ich wiederhole im Folgenden zunächst einen Auszug aus meiner Beschwerde vom und erlaube mir, im Anschluss daran, auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs hinzuweisen, welches meine Rechtsansicht unterstützt.

Im Abweisungsbescheid des Finanzamts betreffend Abweisung der Familienbeihilfe für meinen Sohn für den Zeitraum von September 2021 bis Juli 2022, datiert mit , begründete das Finanzamt die Abweisung der Familienbeihilfe damit, dass mir und meinem Sohn erst ab Juli 2022 (mich betreffend) bzw. ab August 2022 (meinen Sohn betreffend) Aufenthaltskarten ausgestellt worden sind und dass unser Aufenthalt somit vor Ausstellung der Aufenthaltskarten nicht rechtmäßig gewesen sei:

"Gemäß § 3 Abs, 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG 1967) haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürgerinnen sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach § 8 und 9 des NAG, BGBi / Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Gemäß den vorgelegten Unterlagen und der BMI Datenbank gilt Ihre NAG-Karte erst ab 07/2022, die von Ihrem Sohn erst ab 08/2022."

Mit meiner ausführlichen Argumentation zum deklaratorischen Charakter unseres unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, etc. hatte sich das Finanzamt im oben genannten abweisenden Bescheid nicht auseinandergesetzt.

Im Zeitraum von September 2021 bis Juli 2022, also im Zeitraum vor Ausstellung der Aufenthaltskarten an mich und an meinen Sohn durch die MA 35, waren wir beide bereits unionsrechtlich aufenthaltsberechtigt.

Ich denke, dass ich rückwirkend im Zeitraum von September 2021 bis Juli 2022 Anspruch auf Familienbeihilfe für meinen Sohn habe, weil ich als Ehefrau und mein Sohn als Stiefsohn eines freizügigkeitsberechtigten Österreichers auch in diesem Zeitraum unionsrechtlich aufenthaltsberechtigt in Österreich lebten und eine Aufenthaltskarte lediglich deklaratorische Wirkung hat.

Außerdem hatte die Volksanwaltschaft in ihrem Schreiben vom festgestellt, dass das Verfahren zur Ausstellung von Aufenthaltskarten durch die MA 35 an mich und an meinen Sohn zu lange gedauert hatte:

"Die MA 35 setzte jedoch nach Einlangen des Antrags am bis zum 5: Juli 2022 keine erkennbaren Verfahrensschritte. Dies stellt eine Verfahrensverzögerung dar, die der MA 35 zuzurechnen ist. Ihre Beschwerde besteht daher zu Recht und stellt die Volksanwaltschaft einen Verwaltungsmissstand fest."

Das AMS Wien, Wien Esteplatz, Service Ausländerbeschäftigung SAB, hatte nicht die Ausstellung einer Aufenthaltskarte an mich abgewartet, sondern hatte in Umsetzung der Unionsbürgerrichtlinie selbst entschieden, dass mir aufgrund des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts als drittstaatsangehöriger Ehefrau eines freizügigkeitsberechtigten Österreichers freier Arbeitsmarktzugang zusteht. Ich erhielt eine Bestätigung gemäß § 3 Abs. 8 Ausländerbeschäftigungsgesetz, datiert mit , dass ich nicht dem Geltungsbereich des AuslBG unterliege.

Artikel 25 Absatz 1 der Unionsbürger-Richtlinie, Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, vom , lautet:

"Die Ausübung eines Rechts oder die Erledigung von Verwaltungsformalitäten dürfen unter keinen Umständen vom Besitz einer Anmeldebescheinigung nach Artikel 8, eines Dokuments zur Bescheinigung des Daueraufenthalts, einer Bescheinigung über die Beantragung einer Aufenthaltskarte oder einer Daueraufenthaltskarte abhängig gemacht werden, wenn das Recht durch ein anderes Beweismittel nachgewiesen werden kann."

Ich hatte dem Finanzamt ab Antragstellung zahlreiche Unterlagen vorgelegt, die belegen, dass mir und meinem Sohn das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht als drittstaatsangehörige Ehefrau bzw. Stiefsohn eines freizügigkeitsberechtigten Österreichers im Zeitraum von September 2021 bis Juli 2022 zukommt.

Da mir und meinem Sohn das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht - auch vor Ausstellung der Aufenthaltskarten durch die Wiener Niederlassungsbehörde MA 35- seit September 2021 zukommt und da mein Sohn seit September 2021 die Schule in Wien besucht, beantragte ich, den abweisenden Bescheid aufzuheben oder dahingehend abzuändern, dass die Zuerkennung der Familienbeihilfe rückwirkend für den Zeitraum von September 2021 bis Juli 2022 möglich wird.

Das im Folgenden angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs, VwGH 2013/16/0217 vom , hält ausdrücklich fest, dass es für die nach § 3 Abs. 1 FLAG erforderliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts in Österreich nicht auf die Ausstellung der entsprechenden Dokumentation durch die Niederlassungsbehörde ankommt:

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin, eine kenianische (alias nigerianische) Staatsangehörige, hielt sich seit in Österreich auf. Ihr an diesem Tag gestellter Asylantrag wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom abgewiesen. Die Beschwerdeführerin war Mutter eines am geborenen Kindes, das die österreichische Staatsbürgerschaft besaß. Ihr zweites Kind wurde am geboren und verstarb am . Der Vater der Kinder und Ehemann der Beschwerdeführerin war österreichischer Staatsbürger, wohnte im für das verwaltungsgerichtliche Verfahren relevanten Zeitraum nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit der Beschwerdeführerin und ihren Kindern und leistete an sie keine Unterhaltszahlungen.

Das Finanzamt Wien wies den Antrag der Beschwerdeführerin auf Familienbeihilfe mit Bescheid vom bezüglich des verstorbenen Kindes und bezüglich des anderen Kindes mit der Begründung ab, dass die Beschwerdeführerin weder über einen "Aufenthaltstitel gemäß § 8 und § 9 NAG" noch über einen positiven Asylbescheid verfügte.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, ihr Aufenthalt in Österreich sei "nach der UnionsbürgerRL iVm § 57 u. § 54 Abs 1 NAG" rechtmäßig. Sie führte dazu aus, ihr Ehemann habe zwischen September und Dezember 2009 in Spanien gearbeitet, und verwies auf das beim Landeshauptmann von Wien anhängige Verfahren zur Ausstellung einer Aufenthaltskarte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung für den Zeitraum ab April 2011 als unbegründet ab. Sie stellte fest, die Beschwerdeführerin "besitzt bis dato keine NAG Karte, der diesbezügliche Antrag vom auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei nach ihren eigenen Angaben noch nicht erledigt worden." Rechtlich führte sie aus, es sei der Aufenthalt des Fremden erst mit der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung und nicht schon nach der Stellung eines darauf abzielenden Antrages rechtmäßig. Da der Beschwerdeführerin eine solche Niederlassungsbewilligung trotz Antrages noch nicht erteilt worden sei und für den Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 3 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) " allein auf den Zeitpunkt der Erteilung eines in den §§8 und 9 NAG 1967 genannten Aufenthaltstitels abzustellen" sei, erweise sich die Berufung für den Zeitraum ab April 2011 als unbegründet.

VwGH:

"Gemäß § 54 Abs. 1 NAG sind u.a. drittstaatsangehörige Ehegatten von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern zum Aufenthalt in Österreich für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte ... auszustellen. Für Angehörige von Österreichern gelten nach § 57 NAG die Bestimmungen der §§ 52 bis 56 NAG sinngemäß, sofern der Österreicher sein unionsrechtliches oder das ihm auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG- Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in einem anderen EWR-Mitgliedstaat oder in der Schweiz in Anspruch genommen hat und im Anschluss an diesen Aufenthalt nach Österreich nicht bloß vorübergehend zurückkehrt.

Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Fremdenrechtspaketes 2005 ... sollen Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind nunmehr dann Anspruch auf die Familienbeihilfe haben, wenn sie zur Niederlassung in Österreich berechtigt sind (Hinweis auf §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes).

Aus § 8 und § 9 NAG ergibt sich die gesetzliche Gliederung in Aufenthaltstitel und Dokumentationen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts .... Das unionsrechtlich begründete Recht auf Aufenthalt entfaltet unmittelbare Wirkung ... und wird nach dem NAG nicht verliehen oder konstitutiv verschafft, sondern lediglich dokumentiert. Für die nach § 3 Abs. 1 FLAG erforderliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit des von der Beschwerdeführerin behaupteten unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes in Österreich kommt es somit nicht auf eine konstitutive Verleihung durch die Niederlassungsbehörde an. ...

Indem die belangte Behörde dies verkannte ..., hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Er war daher ... aufzuheben."

Im Hinblick auf dieses VwGH-Erkenntnis ist auch im Falle von mir und meinem Sohn von einer Rechtmäßigkeit unseres unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts in Österreich vor Ausstellung unserer Aufenthaltskarten durch die MA 35 auszugehen."

In einer weiteren mit datierten Ergänzung des Vorlageantrages verwies die Bf. auf das ihre Argumentation stützende C- 85/96.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die die kolumbianische Staatsbürgerschaft besitzende Bf. ist seit Dezember 2020 mit Herrn EM, einem österreichischen Staatsbürger, verheiratet und zusammen mit ihrem, ebenfalls die kolumbianische Staatsbürgerschaft besitzenden Sohn ***1*** seit dem am Hauptwohnsitz ihres Ehegatten in ***Bf1-Adr*** gemeldet.

Der Ehegatte der Bf. der im Zeitraum vom bis zum nachweislich in Deutschland erwerbstätig war, bezog im Anschluss an seine Rückkehr nach Österreich im Streitzeitraum Arbeitslosengeld bzw. war dieser geringfügig beschäftigt.

Die via einer auf § 3 Abs. 8 AuslBG fußender Bestätigung des AMS vom - ausdrücklich vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) ausgenommene - Bf. ist seit März 2022 in Österreich beschäftigt.

Mit an die MA 35 gerichtete Eingabe vom beantragte die Bf. für sich selbst sowie für das Kind ***1*** die Ausstellung einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts (Aufenthaltskarten "Angehörige von Österreichern")

Nach zwischenzeitiger Intervention bei der Volksanwaltschaft gelangten seitens der MA 35 die NAG - Karten (Angehörige von Österreichern) an die Bf. am , bzw. jene an ihren Sohn ***1*** am zur Aushändigung.

Streitgegenstand

Ausgehend von obigem Sachverhalt steht in Streit ob nach Ansicht der belangten Behörde der im Juli 2022 bzw. August 2022 erfolgte Aushändigung der NAG-Karten konstitutive Wirkung beizumessen ist, mit der Folge, dass der Familienbeihilfenanspruch der Bf. erstmals ab dem entstanden ist, oder ob - den Beschwerdeausführungen der Bf. folgend - dieser sowie deren Sohn über den österreichischen Ehegatten bereits im September 2021 ein unionsrechtlicher Aufenthaltstitel verschafft wurde, sodass die Aushändigung der NAG- Karten nur als deklaratorischer, nämlichen Aufenthaltstitel dokumentierender Akt zu qualifizieren und demzufolge die für den Zeitraum vom bis zum verfügte Abweisung des Antrags zu Unrecht erfolgte.

Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung

Rechtsgrundlagen

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Gemäß § 2 Abs. 3 FLAG 1967 sind Kinder einer Person

a) deren Nachkommen,
b) deren Wahlkinder und deren Nachkommen,
c) deren Stiefkinder,
d) deren Pflegekinder (§§ 186 und 186a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches).

§ 3 FLAG 1967 lautet:

  • (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, oder nach § 54 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005idF BGBl. I Nr. 87/2012, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 NAG oder nach § 54 AsylG 2005 rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(3) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde.

(4) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.

(5) In den Fällen des Abs. 2, Abs. 3 letzter Satz und Abs. 4 letzter Satz wird für nachgeborene Kinder die Familienbeihilfe rückwirkend gewährt. Gleiches gilt für Adoptiv- und Pflegekinder, rückwirkend bis zur Begründung des Mittelpunktes der Lebensinteressen im Bundesgebiet (§ 2 Abs. 8) durch den Elternteil und das Kind. Als nachgeborene Kinder gelten jene Kinder, die nach dem Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels oder der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten an den zusammenführenden Fremden geboren werden.

Nach den Bestimmungen des § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden.

Rechtliche Beurteilung

In dem auf vorliegenden Fall anzuwendenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2013/16/0217 hat das Höchstgericht zur Anspruchsberechtigung auf Familienbeihilfe einer drittstaatsangehörigen Ehegattin eines unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR - Bürgers nachstehendes ausgeführt:

"§ 3 (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten."

§§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) in der Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 - FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38/2011 lauten auszugsweise samt Überschriften:

"3. Hauptstück Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen Arten und Form der Aufenthaltstitel

§ 8. (1) Aufenthaltstitel werden erteilt als:

1. Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte', der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, für die eine schriftliche Mitteilung oder ein Gutachten gemäß §§ 12 d oder 24 AuslBG erstellt wurde, berechtigt;

2. Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte plus', der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 AuslBG berechtigt;

3. Aufenthaltstitel 'Blaue Karte EU', der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, für die eine schriftliche Mitteilung gemäß § 12d Abs. 2 Z 4 AuslBG erstellt wurde, berechtigt;

4. 'Niederlassungsbewilligung', die zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz gilt, berechtigt;

5. 'Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit', die zur befristeten Niederlassung ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt;

6. 'Niederlassungsbewilligung - Angehöriger', die zur befristeten Niederlassung ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt; die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist nur auf Grund einer nachträglichen quotenpflichtigen Zweckänderung erlaubt;

7. Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt - EG' für die Dokumentation des unbefristeten Niederlassungsrechts, unbeschadet der Gültigkeitsdauer des Dokuments;

8. Aufenthaltstitel 'Familienangehöriger' für die befristete Niederlassung mit der Möglichkeit, anschließend einen Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt - Familienangehöriger' (Z 9) zu erhalten;

9. Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt - Familienangehöriger' für die Dokumentation des unbefristeten Niederlassungsrechts, unbeschadet der Gültigkeitsdauer des Dokuments;

10. 'Aufenthaltsbewilligung' für einen vorübergehenden befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet zu einem bestimmten Zweck (§§ 58 bis 69a).

...

Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts

§ 9. (1) Zur Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate werden auf Antrag ausgestellt:

1. eine 'Anmeldebescheinigung' (§ 53) für EWR-Bürger, die sich länger als drei Monate in Österreich aufhalten, und

2. eine 'Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers' (§ 54) für Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind.

(2) Zur Dokumentation des unionsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts werden auf Antrag ausgestellt:

1. eine 'Bescheinigung des Daueraufenthalts' (§ 53a) für EWR-Bürger, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, und

2. eine 'Daueraufenthaltskarte' (§ 54a) für Drittstaatsangehörige, die Angehörige eines EWR-Bürgers sind und das Recht auf Daueraufenthalt erworben haben.

..."

Gemäß § 54 Abs. 1 NAG sind u.a. drittstaatsangehörige Ehegatten von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern zum Aufenthalt in Österreich für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen.

Für Angehörige von Österreichern gelten nach § 57 NAG die Bestimmungen der §§ 52 bis 56 NAG sinngemäß, sofern der Österreicher sein unionsrechtliches oder das ihm auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in einem anderen EWR-Mitgliedstaat oder in der Schweiz in Anspruch genommen hat und im Anschluss an diesen Aufenthalt nach Österreich nicht bloß vorübergehend zurückkehrt.

Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Fremdenrechtspaketes 2005 (952 der Beilagen XXII. GP, 155) sollen Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, einschließlich Staatenloser, nunmehr dann Anspruch auf die Familienbeihilfe haben, wenn sie zur Niederlassung in Österreich berechtigt sind (Hinweis auf §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes).

Aus § 8 und § 9 NAG ergibt sich die gesetzliche Gliederung in Aufenthaltstitel und Dokumentationen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/21/0564). Das unionsrechtlich begründete Recht auf Aufenthalt entfaltet unmittelbare Wirkung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2009/18/0024) und wird nach dem NAG nicht verliehen oder konstitutiv verschafft, sondern lediglich dokumentiert (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2008/22/0439, und vom , 2009/21/0378).

Daraus folgt, dass das von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Aufenthaltsrecht nach § 54 Abs. 1 iVm § 57 NAG auf ihren Antrag von der Niederlassungsbehörde durch Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 9 Abs. 1 Z 2 NAG zu dokumentieren ist. Für die nach § 3 Abs. 1 FLAG erforderliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit des von der Beschwerdeführerin behaupteten unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes in Österreich kommt es somit nicht auf eine konstitutive Verleihung durch die Niederlassungsbehörde an. Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid für ihre Auffassung zitierten hg. Erkenntnisse betreffen indes Drittstaatsangehörige, die Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln nach § 8 NAG gestellt hatten, und sind insofern mit dem gegenständlichen Fall nicht vergleichbar.

Indem die belangte Behörde dies verkannte und vermeinte, für den Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 3 Abs. 1 FLAG sei allein auf den Zeitpunkt der Erteilung eines u.a. in § 9 NAG genannten "Aufenthaltstitels" abzustellen, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben."

Der Umstand, dass obiges Judikat exklusiv über die Anspruchsberechtigung einer drittstaatsangehörigen Ehegattin eines EWR Bürgers (Österreichers) auf Familienbeihilfe für ihr ebenfalls die österreichische Staatbürgerschaft besitzendes Kind befindet ist der Anwendung auf den vorliegenden Sachverhalt insoweit nicht abträglich, als der österreichische Ehegatte der Bf. auch seinem "als Verwandten seiner Ehegattin in gerader absteigender Linie" zu qualifizierenden Stiefsohn ***1*** gemäß § § 52 Abs. 1 Z 2 NAG einen unionsrechtlichen Aufenthalt verschafft und insoweit auch der Anspruchsvoraussetzung gemäß § 3 Abs. 2 FLAG 1967 Rechnung getragen wird.

Ausgehend von vorzitiertem Judikat gelangt das BFG zur Überzeugung, dass ob bereits im Zeitpunkt der am erfolgten Antragstellung auf Ausstellung von Aufenthaltskarten (Angehörige von Österreichern) auf § 54 Abs. 1 NAG fußenden Erwerbs des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts der im Juli 2022 bzw. August 2022 erfolgten Aushändigung der NAG- Karten lediglich deklaratorische Wirkung beizumessen ist.

Korrespondierend damit erweist sich der angefochtene - auf Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe für den Zeitraum vom bis zum lautende - Bescheid als rechtswidrig.

Es war daher wie im Spruch zu befinden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt im Beschwerdefall nicht vor. Das Bundesfinanzgericht folgt im Hinblick auf die Gewährung der Familienbeihilfe an Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, der o.a. Rechtsprechung.

Wien, am

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