TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.10.2023, RV/7103328/2022

Kein häusliches Arbeitszimmer eines Pressedienstmitarbeiters, der pandemiebedingt (Corona) im Homeoffice gearbeitet hat

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Monika Ahorn in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Robert Muhr, Köhlergasse 26, 1180 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2020 (Steuernummer ***BF1StNr1*** ) zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Nach durchgeführtem Vorhalteverfahren erließ die Abgabenbehörde den Einkommensteuerbescheid 2020 ohne Anerkennung der beantragten Werbungskosten für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer.

Der Beschwerdeführer (in Folge: Bf.) begründete seine gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde damit, dass der zeitliche Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit ab in dem Arbeitszimmer gelegen sei und verwies auf die Lohnsteuerrichtlinien Rz 325ff.

Nach einem weiteren Vorhalteverfahren wies die Abgabenbehörde die Beschwerde mit der Begründung ab, die steuerliche Anerkennung des privaten Arbeitszimmers sei ausgeschlossen, wenn dem Arbeitnehmer in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers weiterhin grundsätzlich ein Arbeitszimmer zur Nutzung überlassen werde. Weiters seien durch den Gesetzgeber für die durch die Covid-Pandemie geänderten Arbeitsbedingungen auch bereits für das Jahr 2020 unter bestimmten Voraussetzungen spezielle steuerliche Begünstigungen - wie insbesondere die Berücksichtigung von Ausgaben iSd § 16 Abs. 1 Z 7a lit a EStG 1988 (ergonomisch geeignetes Mobiliar) - geschaffen worden.

Im Vorlageantrag weist der Bf. nochmals darauf hin, dass es sich nicht um ein "Corona-Homeoffice" handle, sondern dass das Arbeitszimmer (eigener Raum und zeitliches Überwiegen während Corona) den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit dargestellt habe.

In Folge legte die Abgabenbehörde die Beschwerde samt den entsprechenden Aktenteilen dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und ergänzte in der Stellungnahme des Vorlageberichtes, dass der Zutritt zum Arbeitsplatz auch während der Lockdown-Zeiträume grundsätzlich möglich gewesen sei, da der Arbeitgeber kein Verbot des Betretens des Arbeitsplatzes verhängt habe.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. war im streitgegenständlichen Jahr im Rahmen eines Personalleasingvertrages mit der ***1*** GmbH als Referent im Pressedienst ***2*** tätig.

Im Jahr 2020 arbeitete er an 89 Tagen im Homeoffice - von Mitte März bis Ende Juni fast durchgehend, in den Monaten Juli bis Oktober überhaupt nicht, im November durchgehend und im Dezember an vier Tagen - und an mindestens 109 Tagen an seinem vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsplatz, der während des gesamten Jahres bereitstand.

Die weiteren, neben den Ausgaben für das Arbeitszimmer, geltend gemachten Werbungskosten iHv. 1.140,80 Euro wurden von der Abgabenbehörde anerkannt und stehen somit außer Streit.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht übermittelten Aktenteilen.

Im Jahr 2020 gab es in Österreich drei sogenannte "harte Lockdowns" mit Betretungsverboten für gewisse Betriebe, sowie Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen. Ein generelles gesetzliches Verbot des Betretens von Arbeitsplätzen wurde nicht verhängt (vgl. Bräumann, SWK 13/2020, S. 706). Diese Lockdowns betrafen die Zeiträume bis , bis sowie bis (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/COVID-19-Pandemie_in_%C3%96sterreich).

Der Bf. machte anteilige Wohnungskosten (Miete, Strom, Warmwasser/Heizung, Haushaltsversicherung, diverse Werkzeuge, Farben und Einrichtung) als Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer in Höhe von 1.405,49 Euro als Werbungskosten geltend. In der Beschwerde wendete der Bf. ua ein, dass Ausgaben für ergonomisch geeignetes Mobiliar in der Kennzahl 158 einzutragen wären, woraus das Bundesfinanzgericht schließt, dass die beantragten Ausgaben für diverse Einrichtung kein solches Mobiliar betreffen.

Mit Ergänzungsersuchen vom wurde der Bf. in Bezug auf die geltend gemachten Ausgaben für das Arbeitszimmer gebeten, folgende Unterlagen vorzulegen:
- zugrundeliegende Vereinbarung mit dem Arbeitgeber;
- Bestätigung des Arbeitgebers, ob dem Bf. ein eingerichteter Arbeitsplatz beim Arbeitgeber zur Verfügung steht;
- Nachweis, dass die Nutzung des Arbeitszimmers unbedingt notwendig ist;
- Nachweis der tatsächlich ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflichen Nutzung;
- detaillierte Tätigkeitsbeschreibung.

In seiner Antwort führte der Bf. im Wesentlichen aus, dass eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber nicht vorliege, da für den Bf. dieselben dienstlichen Anweisungen wie für alle anderen Beschäftigten ***2*** bezüglich Telearbeit gegolten haben. Die erweiterten Telearbeitsmöglichkeiten seien ab März 2020 in Form von monatlichen internen Mitteilungen ***2*** ausgegeben und an die jeweilige Lage angepasst worden. Homeoffice während des Corona-Lockdowns habe beim Bf. im eigenen Arbeitszimmer zu Hause stattgefunden.

Diesem Schreiben fügt der Bf. seine Stundenaufzeichnungen für die Monate Februar bis Dezember 2020 bei. An Tagen, an denen er im Homeoffice gearbeitet hat, findet sich in der Spalte "Bemerkungen" dieser Stundenerfassungen ein Hinweis darauf. Für Dezember 2020 hat diese Erfassung ein anderes Aussehen - eine Spalte "Bemerkungen" mit den entsprechenden Eintragungen ist nicht vorhanden. An vier Tagen findet sich ein Hinweis auf Arbeitserbringung im Home-Office. ("CK Unterbrechung tätigkeit im homeoffice CK tätigkeit im homeoffice wieder aufgenommen"), weshalb das Gericht von vier Tagen Homeoffice Tätigkeit im Dezember 2020 ausgeht.

In Summe ergeben sich aus diesen Aufzeichnungen für das Jahr 2020 89 Tage im Homeoffice und 109 Arbeitstage außerhalb des Homeoffices, wobei die entsprechenden Tage vom Jänner 2020 gänzlich fehlen, da keine diesbezüglichen Aufzeichnungen vorgelegt wurden. Urlaubs- und Krankenstandstage sind in diesen Tagen nicht enthalten. Da der Bf. selbst angegeben hat, dass es keine eigene Homeoffice-Vereinbarung gab und auch im Februar kein einziger Homeoffice-Tag eingetragen wurde, ist davon auszugehen, dass der Bf. vor den pandemiebedingten Änderungen nicht im Homeoffice gearbeitet hat. Überdies hat er dies auch nicht behauptet.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 16 Abs 1 EStG 1988 in der für das Veranlagungsjahr 2020 geltenden Fassung (BGBl I 52/2021; § 124b Z 374 EStG 1988) lautet auszugsweise:
"Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im folgenden ausdrücklich zugelassen ist. […] Werbungskosten sind auch:
[…]
7. Ausgaben für Arbeitsmittel (zB Werkzeug und Berufskleidung). Ist die Nutzungsdauer der Arbeitsmittel länger als ein Jahr, ist Z 8 anzuwenden.
7a. Ausgaben und Beträge eines Arbeitnehmers, der seine berufliche Tätigkeit in der Wohnung (im Homeoffice) erbringt und bei dem keine Ausgaben für ein Arbeitszimmer gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d berücksichtigt werden:
a) Ausgaben für ergonomisch geeignetes Mobiliar (insbesondere Schreibtisch, Drehstuhl, Beleuchtung) eines in der Wohnung eingerichteten Arbeitsplatzes bis zu insgesamt 300 Euro (Höchstbetrag pro Kalenderjahr), wenn der Arbeitnehmer zumindest 26 Homeoffice-Tage gemäß § 26 Z 9 lit. a im Kalenderjahr geleistet hat. Übersteigen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten insgesamt den Höchstbetrag, kann der Überschreitungsbetrag innerhalb des Höchstbetrages jeweils ab dem Folgejahr bis zum Kalenderjahr 2023 geltend gemacht werden. Z 8 ist nicht anzuwenden.
[…]"

§ 20 Abs 1 EStG 1988 lautet auszugsweise:
"Bei den einzelnen Einkünften dürfen nicht abgezogen werden:
[…]
Z 2 lit d) Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände der Wohnung. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig."

Aufwendungen für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer sind somit nur dann abzugsfähig, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen bildet. Der Bf. führt in seiner Beschwerde aus, dass der zeitliche Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit ab im häuslichen Arbeitszimmer gelegen sei.

Für die Bestimmung des Mittelpunktes einer Tätigkeit ist ihr materieller Schwerpunkt maßgebend; nur in Zweifelsfällen ist darauf abzustellen, ob das Arbeitszimmer in zeitlicher Hinsicht für mehr als die Hälfte der Tätigkeit im Rahmen der konkreten Einkunftsquelle benützt wird (vgl ; , 2011/15/0104). Der Mittelpunkt einer Tätigkeit ist somit primär nach ihrem materiellen Schwerpunkt, also nach dem typischen Berufsbild, nicht aber nach den Gegebenheiten im Einzelfall zu beurteilen (vgl Jakom/Peyerl EStG, 2023, § 20 Rz 51).

Seine Tätigkeit beschrieb der Bf. als Referent im Pressedienst ***2***. Der Pressedienst ist für die ***3*** - somit für die objektive, umfassende und parteiunabhängige Berichterstattung aus ***4*** zuständig (www.***5***). Nach dem typischen Berufsbild handelt es sich daher nicht um eine Tätigkeit mit Mittelpunkt im Arbeitszimmer.

Auf das zeitliche Überwiegen ist somit nicht mehr abzustellen, da es nur für Zweifelsfälle relevant ist. Allerdings ergäbe sich auch bei Annahme eines Zweifelsfalles kein anderes Ergebnis, da - wie in der Beweiswürdigung dargestellt - zeitlich überwiegend nicht im Homeoffice gearbeitet wurde.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müssen neben der Voraussetzung des Mittelpunktes der Tätigkeit auch noch weitere Kriterien erfüllt sein. Demnach muss ein Arbeitszimmer nach der Art der Tätigkeit des Steuerpflichtigen notwendig sein und muss der zum Arbeitszimmer bestimmte Raum tatsächlich ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich genutzt sowie entsprechend eingerichtet sein (siehe zB ; ).

Verfügt ein Steuerpflichtiger als Arbeitnehmer über ein jederzeit zugängliches Arbeitszimmer an der Arbeitsstätte, steht dies der Notwendigkeit eines häuslichen Arbeitszimmers entgegen (; ).

Grundsätzlich stand dem Bf. ein Arbeitsplatz am Dienstort zur Verfügung. Dass der Arbeitgeber ein Verbot des Betretens des Arbeitsplatzes verhängt habe, wurde nicht behauptet. Ebensowenig bestand ein gesetzliches Verbot. An den Stundenaufzeichnungen sieht man, dass der Bf. am 23. und seine Tätigkeit nicht im Homeoffice ausgeübt hat, obwohl diese Tage den Zeitraum des 2. Lockdowns betreffen. Dies untermauert, dass der Arbeitsplatz am Arbeitsort durchgehend zur Verfügung stand, weshalb die Nutzung des Arbeitszimmers als nicht notwendig zu erachten ist.

Da somit weder der Mittelpunkt der Tätigkeit des Bf. im Arbeitszimmer gelegen ist, noch eine Notwendigkeit des Arbeitszimmers festgestellt werden konnte und alle Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen (), war auf das weitere Kriterium eines steuerlich anzuerkennenden häuslichen Arbeitszimmers - die nahezu ausschließliche berufliche Nutzung - nicht mehr einzugehen. Die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer liegen somit nicht vor.

Zudem hat der Gesetzgeber mit § 16 Abs 1 Z 7a EStG 1988 eine vom steuerlichen Arbeitszimmer unabhängige Regelung geschaffen, die auf die steuerliche Entlastung von aufgrund von COVID-19-bedingter beruflicher Tätigkeit im privaten Wohnbereich abzielt. So sind Ausgaben für ergonomisch geeignetes Mobiliar bereits ab 2020 (lit a) als Werbungskosten abzugsfähig (669 BlgNR 27. GP). Entsprechende Ausgaben wurden vom Bf. jedoch nicht geltend gemacht.

Bezüglich der Anerkennung als Arbeitszimmer selbst sollten die bisherigen Anforderungen unabhängig von der nunmehrigen Bestimmung weiter Geltung haben - darauf wird sowohl in
§ 16 Abs. 1 Z 7a EStG 1988 selbst als auch in den Stenographischen Protokollen (669 BlgNR 27. GP) hingewiesen. Daraus ist abzuleiten, dass sich der Gesetzgeber der Problematik der nunmehr vermehrt in Anspruch genommenen Homeoffice-Tätigkeit durchaus bewusst war. Er nahm diese aber nicht zum Anlass, die Anforderungen an das Vorliegen eines steuerlichen Arbeitszimmers neu zu definieren, sondern begnügte sich mit der Erleichterung der Absetzbarkeit von Aufwendungen für die Einrichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgt der unter Punkt 3.1. benannten einheitlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at