Zurückweisung - Bescheidadressierung an "Verl.n...." nach der Einantwortung
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Diana Sammer in der Beschwerdesache ***2*** als Erbin nach ***1*** (RNF der Verlassenschaft nach ***1***) , ***6***, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf (nunmehr Finanzamt Österreich) jeweils vom betreffend Einkommensteuer 2015 und Einkommensteuer 2016, Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:
I. Die Beschwerden werden gemäß § 278 Abs. 1 lit. a BAO iVm § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
1. Verfahrensgang/Sachverhalt
Frau ***1*** verstarb am tt.mm.2017.
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes ***5*** vom zu GZ. ***4***, rechtskräftig seit , wurde die Verlassenschaftder erblichen Tochter ***2*** eingeantwortet.
Die Einkommensteuererklärungen 2015 und 2016 wurden im Namen der Verlassenschaft ("Verl.n. ***1***") durch den steuerlichen Vertreter, Herrn Dr. ***3***, am elektronisch beim Finanzamt eingereicht.
Am erließ die belangte Behörde an die "Verl. n. ***1***" zu Handen des steuerlichen Vertreters gerichtete Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2015 und 2016. Aus dem Einkommensteuerbescheid 2015 ergab sich eine Abgabengutschrift in Höhe von € 1.786,00, aus dem Einkommensteuerbescheid 2016 ergab sich eine Abgabengutschrift in Höhe von € 172,00.
Gegen diese Bescheide erhob der steuerliche Vertreter jeweils am im Namen der Verlassenschaft elektronisch Beschwerde.
Diese wurden von der belangten Behörde jeweils mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdevorentscheidungen waren an die Verlassenschaft nach ***1*** zu Handen des steuerlichen Vertreters, Dr. ***3***, gerichtet.
Dagegen richteten sich die fristgerecht elektronisch eingebrachten Vorlageanträge jeweils vom sowie die Ergänzung des Vorlageantrages betreffend die Beschwerde gegen den ESt-Bescheid 2016 vom , die der steuerliche Vertreter im Namen der "Verlassenschaft nach" ***1*** einbrachte. Es wurde die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch den gesamten Senat beantragt.
Am legte die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht die Beschwerden vom samt Akten und Vorlagebericht elektronisch vor. Eine Kopie des Vorlageberichtes erging an die "Verl. n. ***1***" zu Handen des steuerlichen Vertreters.
Am übermittelte die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht den Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichtes ***5*** vom .
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt (Verfahrensgang) ergibt sich widerspruchsfrei aus den elektronisch vorgelegten Aktenteilen sowie dem Veranlagungsakt, in welchen das Gericht Einsicht nahm, insbesondere aus den genannten Schriftsätzen der beschwerdeführenden Partei und den genannten Erledigungen der Abgabenbehörde sowie der Kopie des Einantwortungsbeschlusses des Bezirksgerichtes ***5***.
Es liegen dem Gericht keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Verfahrensgang nicht dem Akteninhalt entsprechen könnte.
Das Gericht konnte daher den Sachverhalt gem. § 167 BAO als erwiesen ansehen.
3. Rechtliche Beurteilung (Zurückweisung)
Rechtslage
Gemäß § 19 Abs. 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.
Gemäß § 79 BAO gelten für die Rechts- und Handlungsfähigkeit (hier betreffend den Nachlass und nach Einantwortung betreffend die Erben) die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes; § 2 Zivilprozessordnung ist sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 92 Abs. 1 BAO, BGBl. Nr. 194/1961, sind Erledigungen einer Abgabenbehörde als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen ua. Rechte und Pflichten begründen oder abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen.
Nach § 93 Abs. 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Personenumschreibung notwendiger Bestandteil eines Bescheidspruchs (vgl. ; ). Eine Umdeutung eines Bescheidadressaten kommt nicht in Betracht (vgl ; , 0068).
Gemäß § 260 Abs 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) oder mit Beschluss (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie
a) nicht zulässig ist oder
b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.
Gemäß § 264 Abs 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Bescheidbeschwerde zu enthalten.
Rechtliche Erwägungen
Eine Verlassenschaft ist nach herrschender Lehre in der Zeit zwischen dem Erbfall und der Einantwortung als juristische Person anzusehen ist (vgl zB Koziol-Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts II9, S 390).
Wenn ein einen Erblasser betreffender Bescheid ergehen soll, ist zu unterscheiden, ob der Bescheid vor oder nach der Einantwortung von der Behörde erlassen wird. Vor der Einantwortung hat ein solcher Bescheid an die Verlassenschaft zu ergehen, nach der Einantwortung hat der Bescheid an die (eingeantworteten) Erben in ihrer Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolger nach dem Verstorbenen zu ergehen.
Auch die erst nach dem Tod des Erblassers festgesetzten Abgaben oder Abgabenguthaben, die auf vom Erblasser zu seinen Lebenszeiten verwirklichten Tatbeständen beruhen, treffen den oder die Erben (). Der Gesamtrechtsnachfolger tritt in materiell- und in verfahrensrechtlicher Sicht voll an die Stelle des Rechtsvorgängers ().
Abgabenbescheide sind alle Bescheide, die ein Leistungsgebot in Bezug auf die Erbringung einer abgabenrechtlichen Geldleistung enthalten (Ritz/Koran, BAO7, § 198 Tz 5). Dazu zählen auch Bescheide über die veranlagte Einkommensteuer. Das Leistungsgebot ergibt sich aus der Nennung des Adressaten im Spruch des Bescheides (). Somit darf nur von demjenigen die Erbringung einer Leistung verlangt werden, an den der Bescheid gerichtet ist (). Die Auszahlung eines nachträglich hervorkommenden Abgabenguthabens kommt nach der Einantwortung den im Einantwortungsbeschluss genannten Erben entsprechend ihres Anteiles am Nachlass zu. Daher ist jeder der Erben mit Vor- und Zunamen als Bescheidadressat im Spruch anzuführen und jedem der Abgabenbescheid zuzustellen.
Die Abgabenschuld geht auf den Gesamtrechtsnachfolger dann über, wenn der Abgabenanspruch vor dem die Gesamtrechtsnachfolge bewirkenden Ereignis (z.B. Tod) entstanden ist. Nach dem Tod des Erblassers ist ein Bescheid über eine in dessen Person entstandene Abgabenschuld vor der Einantwortung an die Verlassenschaft, nachder Einantwortung an den/die Erben als Rechtsnachfolger zu richten (; ).
Mit Beschwerde anfechtbar sind nur Bescheide. Daher sind Bescheidbeschwerden gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter als unzulässig zurückzuweisen (Ritz/Koran, BAO7, § 260 Tz 8 und die dort angeführte Judikatur).
Kein Bescheid liegt vor, wenn die an sich Bescheidcharakter aufweisende Erledigung an keine Rechtsperson gerichtet ist, sondern zB an eine rechtlich nicht mehr existente Verlassenschaft (Ritz, aaO, unter Hinweis auf ).
Bei natürlichen Personen hat die Bezeichnung des Bescheidadressaten durch Anführen seines Vor- und Zunamens zu erfolgen (vgl. ; Ritz/Koran, BAO 7 , § 93 Tz 6, mwN; Stoll, BAO-Kommentar I, 961).
Durch die Erlassung der Einkommensteuerbescheide 2015 und 2016 vom an die"Verl. n. (= Verlassenschaft nach) ***1***, z.H. Dr. ***3***," hat die belangte Behörde nach der Einantwortung vom die Bescheide sowohl an eine nicht (mehr) existierende Personengemeinschaft erlassen, als auch an einen Zustellbevollmächtigen zugestellt, der nicht als Vertreter der Erbin namhaft gemacht wurde.
Die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2015 und 2016 vom sind mangels richtigem und gültigem Bescheidadressaten nichtig.
Die im Namen der Verlassenschaft eingebrachten Beschwerden vom richten sich ausdrücklich gegen die Einkommensteuerbescheide 2015 und 2016 vom , die an die "Verlassenschaft nach…" gerichtet waren.
Wie dem vorgelegten Einantwortungsbeschluss entnommen werden kann, wurde die Verlassenschaft nach ***1*** bereits mit (rechtskräftigem) Beschluss des Bezirksgerichtes vom zur Gänze der Tochter der Verstorbenen, ***2***, eingeantwortet.
Eine nach rechtskräftiger Einantwortung an die "Verlassenschaft nach ..." gerichtete Erledigung geht ins Leere.
Da die Verlassenschaft infolge der Einantwortung zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr existierte, stellen der "Einkommensteuerbescheid 2015" und der "Einkommensteuerbescheid 2016" jeweils vom mangels tauglichem Bescheidadressaten überhaupt keine wirksame Erledigung, sondern einen Nichtbescheid dar (vgl. ).
Die gegenständlich angefochtenen Bescheide konnten somit keine Rechtswirkungen entfalten.
Die Beschwerdevorentscheidungen vom konnten - unabhängig davon, dass auch sie an die "Verlassenschaft nach…" gerichtet sind - aufgrund dessen, dass sie sich auf gegen Nichtbescheide gerichtete Beschwerden beziehen, nicht wirksam werden. Folglich richteten sich auch die Vorlageanträge vom gegen diese Erledigungen ohne Rechtswirkungen. Daher treten mit dem Ergehen dieser Formalerledigung (in Form eines Beschlusses) auch die Beschwerdevorentscheidungen außer Kraft (Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren3, § 264 Tz 11).
Gegen einen Nichtbescheid gerichtete Beschwerden sind nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO zurückzuweisen (vgl. insbesondere ). Im Übrigen wären die Beschwerden auch deshalb als unzulässig zurückzuweisen, weil sie im Namen der zum Zeitpunkt der Einbringung nicht mehr existenten Verlassenschaft eingebracht wurde und es daher auch an einem aktivlegitimierten Beschwerdeführer mangelt.
Die erhobenen Bescheidbeschwerden waren daher gemäß § 278 Abs. 1 lit. a BAO iVm § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückzuweisen.
Die Zurückweisung obliegt gemäß § 272 Abs. 4 BAO auch bei beantragter Senatszuständigkeit dem Berichterstatter als Einzelrichter. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte nach § 274 Abs. 3 Z. 1 BAO aus verfahrensökonomischen Gründen abgesehen werden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegen den vorliegenden Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG i. V. m. § 25a VwGG eine Revision nicht zulässig, da es sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Die Frage, ob eine nach der Einantwortung an die "Verlassenschaft nach ..." adressierte Erledigung Rechtswirkungen zu entfalten vermag, ist durch die Rechtsprechung des VwGH (zB ; ; ) eindeutig geklärt.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 79 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 92 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 93 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 19 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103760.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at