Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.10.2023, RV/7101045/2022

Steht eine Ausgleichs- oder Differenzzahlung dem Grunde nach zu, ist der Familienbonus Plus und der Alleinverdienerabsetzbetrag zu gewähren.

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7101045/2022-RS1
Sind die Voraussetzungen für eine Ausgleichs- oder Differenzzahlung dem Grunde nach erfüllt, steht der Familienbonus Plus zu. Aus der Sicht des Familienbonus Plus kann es keinen Unterschied machen, ob sich noch eine (geringfügige) Ausgleichzahlung ergibt oder ob die Ausgleichzahlung wegen der Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe bloß Null beträgt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch VICTORIA Wirtschaftstreuhand GmbH, Prinz-Eugen-Straße 16/1/6, 1040 Wien über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird geändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf) war im Streitjahr mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet und beantragte im Rahmen der elektronisch eingelangten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2019 die Berücksichtigung des Alleinverdienerabsetzbetrages, den ganzen Familienbonus Plus für zwei Kinder und bestätigte, die Familienbeihilfe zu beziehen.

Am wurde der Bf mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019 veranlagt, wobei weder der Alleinverdienerabsetzbetrag noch der Familienbonus Plus berücksichtigt wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass der Bf für seine Kinder keine Familienbeihilfe in Österreich beziehe und daher kein Anspruch auf den beantragten Alleinverdienerabsetzbetrag sowie den Familienbonus Plus bestehe.

Dagegen hat der Bf durch seinen steuerlichen Vertreter am fristgerecht mit folgender Begründung Beschwerde erhoben:

"Unser Mandant hat Ende 2018 eine Wohnung in Wien erworben und unterliegt seither der unbeschränkten Steuerpflicht. Bis Ende Jänner 2019 hat unser Mandant bei Dienstgeber 1 (Beijing) Co., Ltd. in China gearbeitet, wo er auch mit seiner Familie gelebt hat.

Mit dem Ende des Wintersemesters 2018/19 ist die Familie Ende Jänner 2019 nach Österreich gezogen. Unser Mandant stand seit in einem Dienstverhältnis zur Dienstgeber 2, G, Deutschland. Unser Mandant war somit während des gesamten Jahres 2019 in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Die Ansässigkeit unseres Mandanten lag im Jänner 2019 noch in China, wo unser Mandant mit seiner Familie seit 2007 durchgängig gelebt hat. Mit dem Umzug der Familie nach Österreich zum Ende des Wintersemesters 2018/19 ist unser Mandant in Österreich ansässig geworden.

Nach innerstaatlichem Steuerrecht steht für die beiden Kinder unseres Mandanten somit seit Februar 2019 die österreichische Familienbeihilfe zu. Der Familienbeihilfenanspruch ist allerdings durch den Anspruch auf deutsches Kindergeld überlagert, da unser Mandant aufgrund der VO 883/2004 im Rahmen seines Dienstverhältnisses bei der Dienstgeber 2 in Deutschland sozialversichert war. Unser Mandant hat in 2019 deutsches Kindergeld bezogen. Der Umstand, dass der österreichische Familienbeihilfenanspruch durch den deutschen Kindergeldanspruch überlagert war und es aufgrund der Höhe des deutschen Kindergeldes zu keiner Auszahlung einer österreichischen Familienbeihilfe bzw eines Ausgleichsbetrages kam, ist für den Anspruch auf den Familienbonus unschädlich (vgl. nur Kanduth-Kristen in JAKOM EStG 2019, § 33 Rz 31 mwN; Rz 769b LStR, sowie zur insoweit vergleichbaren Rechtslage betreffend den Kinderabsetzbetrag das Erkenntnis des BFG Wien, RV/7104657/2017 vom ).

Zur Dokumentation, dass unser Mandant Anspruch auf Familienbeihilfe hatte, übermitteln wir Ihnen in der Anlage die Anträge auf Familienbeihilfe für die beiden Kinder Kind 1 und Kind 2, jeweils ab . Die beiden Kinder standen in Ausbildung und besuchten die Volksschule bzw den Kindergarten in Wien. Seit wird unserem Mandanten österreichische Familienbeihilfe gewährt, da er seit Beginn des Jahres in einem Dienstverhältnis zu einem österreichischen Arbeitgeber steht.

Da unserem Mandanten in 2019 für mehr als 6 Monate die Familienbeihilfe zustand, ist ihm auch der Alleinverdienerabsetzbetrag zu gewähren (die Einkünfte der Ehefrau unseres Mandanten lagen im Jahr 2019 unter Euro 6.000)."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 als unbegründet abgewiesen.

Daraufhin beantragte der Bf durch seinen steuerlichen Vertreter am auf elektronischem Weg die Beschwerde mit folgender Begründung dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen:

"Tatsächlich ergibt sich jedoch aus der Begründung der Abweisung des Antrags auf Familienbeihilfe, dass unserem Mandanten der Familienbonus und der Alleinverdienerabsetzbetrag zustehen:

Nach § 2 Abs 1 FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz haben, für minderjährige und volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und sich - verkürzt ausgedrückt - in einer Ausbildung befinden, Anspruch auf Familienbeihilfe.

Die beiden Kinder unseres Mandanten waren im Jahr 2019 minderjährig und besuchten die Volksschule (Kind 1) bzw den Kindergarten (Kind 2). Beide Kinder hatten seit Februar 2019 ihren Wohnsitz in Österreich. Ein Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe ist daher dem Grund nachgegeben.

Unser Mandant hat aufgrund seiner Beschäftigung in Deutschland Anspruch auf deutsches Kindergeld: Nach Art 67 der EU VO 883/2004 hat eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Österreich) wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats (hier: Deutschland), als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Nach Art 68 Abs 1 lit a der VO sind für den Fall, dass für ein und denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren sind, zunächst die Leistungen des aufgrund der Beschäftigung zuständigen Mitgliedstaats (Deutschland) zu gewähren. Gemäß Art 68 Abs 2 der VO werden beim Zusammentreffen von Ansprüchen die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Art 68 Abs 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt. Erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinaus gehenden Betrages der Leistungen zu gewähren. Aus der unmittelbar anwendbaren VO 883/2004 ergibt sich somit, dass für Familienleistungen und damit auch für die Familienbeihilfe bzw das Kindergeld primär Deutschland zuständig ist. Ansprüche auf die österreichische Familienbeihilfe nach dem FLAG werden bis zur Höhe der deutschen Ansprüche auf das Kindergeld ausgesetzt.

Nach § 4 Abs 1 FLAG steht Personen, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, kein Familienbeihilfenanspruch zu. Allerdings sieht § 4 Abs 2 FLAG vor, dass österreichische Staatsbürger, die nach § 4 Abs 1 FLAG vom Anspruch auf die Familienbeihilfe ausgeschlossen sind, Anspruch auf eine Ausgleichszahlung haben, wenn die Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfegeringerist, als die Familienbeihilfe nach dem FLAG. Da unser Mandant österreichischer Staatsbürger ist, gilt § 4 Abs 2 FLAG für ihn uneingeschränkt. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten: Der Umstand, dass unser Mandant aufgrund seiner Beschäftigung in Deutschland Anspruch auf deutsches Kindergeld hatte, schließt ihn vom Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach § 4 Abs 2 FLAG nicht aus.

Nach § 33 Abs 3a EStG steht für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem FLAG gewährt wird, und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU aufhält, auf Antrag auf ein Familienbonus Plus zu. Nach Literatur und Verwaltungspraxis (vgl Kanduth-Kristen in JAKOM EStG 2019 § 33 Rz 31; Rz 769b LStR) steht der Familienbonus Plus auch bei Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach § 4 FLAG zu. Dies gilt auch dann, wenn aufgrund höherer Familienleistungen im Ausland (deutsches Kindergeld) die Differenzzahlung betragsmäßig EUR Null beträgt. Im Ergebnis ist somit Voraussetzung für den Bezug des Familienbonus Plus, dass sich die Kinder in Österreich (EU) aufhalten und sie die übrigen Voraussetzungen (Alter, Ausbildung) erfüllen. Der Umstand, dass ein österreichischer Familienbeihilfenanspruch durch einen ausländischen Anspruch auf Familienleistungen nach der VO 883/2004 überlagert ist, schließt den Familienbonus somit nicht aus. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BFG (vgl sowie das zu einem vom Sachverhalt vergleichbaren Fall, allerdings noch zum Kinderfreibetrag ergangene Erkenntnis vom , RV/7104657/2017).

Gemäß § 106 Abs 1 EStG gelten als Kinder iSd EStG, Kinder, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehepartner für mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs 3 EStG zusteht. Nach Rechtsprechung und Literatur (vgl , ; Kanduth-Kristen in JAKOM EStG 2019 § 33 Rz 21) vermittelt auch der Bezug einer der Familienbeihilfe vergleichbaren ausländischen Beihilfe nach der VO 883/2004 den Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag. Aus diesem Grund sind die Kinder unseres Mandanten während des gesamten Jahres 2019 als "§ 106 EStG Kinder" anzusehen.

Daraus ergibt sich aber auch unmittelbar der Anspruch unseres Mandanten auf den Alleinverdienerabsetzbetrag für zwei Kinder (die Einkünfte der Ehefrau lagen unter EUR 6.000)."

Im Vorlagebericht beantragte die Abgabenbehörde die Abweisung der Beschwerde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob dem Bf für das Kalenderjahr 2019 der Alleinverdienerabsetzbetrag und der Familienbonus Plus für zwei Kinder zusteht.

Der Bf war mit seiner Ehefrau das ganze Kalenderjahr 2019 verheiratet. Laut ZMR- Abfrage durch das Bundesfinanzgericht begründete der Bf seinen Hauptwohnsitz in Österreich per . Die Ehegattin und die beiden Kinder Kind 1 und Kind 2 waren ebenfalls ab in Österreich an der Adresse des Bf mit Hauptwohnsitz gemeldet. Die beiden Kinder besuchten im strittigen Zeitraum die Volksschule (Kind 1) und den Kindergarten (Kind 2) in Wien.

Im Rahmen der elektronischen Einkommensteuererklärung 2019 beantragte der Bf den Alleinverdienerabsetzbetrag und den ganzen Familienbonus Plus und gab an, die Familienbeihilfe zu beziehen.

Weder der Bf noch seine Ehegattin bezogen im Jahr 2019 Familienbeihilfe in Österreich. Der Antrag auf Familienbeihilfe für den Zeitraum 02/2019-12/2020, eingebracht per , wurde per abgewiesen.

Per hat der Bf seine berufliche Tätigkeit von China nach Deutschland verlegt und unterliegt im Rahmen dieses Dienstverhältnisses der Sozialversicherung in Deutschland. Für beide Kinder wurde dem Bf im Jahr 2019 in Deutschland das Kindergeld (nach deutschem EStG) ausbezahlt und es ist davon auszugehen, dass diese Zahlungen seitens des Bf zu Recht bezogen wurden.

Die Ehegattin des Bf hat im Kalenderjahr 2019 ein Einkommen unter € 6.000,00 bezogen.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den dem Bundesfinanzgericht von der Abgabenbehörde übermittelten Unterlagen.

2. Beweiswürdigung

Der vorliegende Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus den vom Bf und vom Finanzamt vorgelegten Unterlagen sowie im Abgabeninformationssystem des Bundes durchgeführten Abfragen. Zur Beurteilung der Ansässigkeit des Bf und seiner Familie in Österreich wurde zusätzlich Einsicht in das Zentrale Melderegister vorgenommen.

In der Begründung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2019 vom wird darauf hingewiesen, dass der Bf für seine Kinder keine Familienbeihilfe in Österreich beziehe und er daher keinen Anspruch auf den beantragten Alleinverdienerabsetzbetrag und Familienbonus Plus habe.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 steht "für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, ... auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:

1. Der Familienbonus Plus beträgt

a) bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 125 Euro."

Gemäß § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 steht Alleinverdienenden ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro, bei zwei Kindern
(§ 106 Abs. 1) 669 Euro. […]

Alleinverdienende sind Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1), die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragene Partner sind und von ihren unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten oder eingetragenen Partnern nicht dauernd getrennt leben […] Voraussetzung ist, dass der (Ehe-)Partner (§ 106 Abs. 3) Einkünfte von höchstens 6.000 Euro jährlich erzielt. […]

Gemäß § 106 Abs. 1 EStG 1988 gelten als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetzes Kinder, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner (Abs. 3) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 zusteht.

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 iddgF steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen für minderjährige Kinder, die im Bundesgebiet ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass der Alleinverdienerabsetzbetrag unmittelbar an den Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 anknüpft. Der Kinderabsetzbetrag und der Familienbonus Plus knüpfen wiederum unmittelbar an den Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 1 FLAG 1967 an, wobei dieser Anspruch lediglich dem Grunde nach bestehen muss.

Familienbonus Plus

Aufgrund der VwGH-Judikatur (siehe ) muss im Einkommensteuerverfahren beurteilt werden, ob ein Familienbeihilfenanspruch dem Grunde nach bestünde. Würde diese Frage bejaht, sei dies ausreichend für die Gewährung des Familienbonus Plus. Ob Familienbeihilfe tatsächlich gewährt bzw. beantragt wurde, sei nicht relevant.

Im Falle eines Anspruchs auf eine der Familienbeihilfe vergleichbare ausländische Beihilfe besteht gemäß § 4 FLAG 1967 kein Anspruch auf Familienbeihilfe (Abs. 1) oder nur ein verminderter Anspruch im Ausmaß einer Ausgleichszahlung (Unterschiedsbetrag zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der höheren Familienbeihilfe, vgl. Abs. 2 bis 7). In solchen - in § 33 Abs. 3a EStG 1988 nicht ausdrücklich geregelten - Fällen, in denen also (teilweise) an Stelle der Familienbeihilfe eine gleichartige ausländische Beihilfe iSd § 4 FLAG 1967 gewährt wird, ist in gleicher Weise die in § 33 Abs. 3a erster Satz EStG 1988 normierte Voraussetzung der "Beihilfengewährung" erfüllt (vgl. Mayr/Gensluckner in Doralt et al, EStG22, § 33 Tz 34/2).

Gemäß § 4 Abs. 6 FLAG 1967 gilt die Ausgleichszahlung als Familienbeihilfe. Aus der Sicht des Familienbonus Plus kann es keinen Unterschied machen, ob sich noch eine (geringfügige) Ausgleichzahlung iSd § 4 Abs. 2 FLAG 1967 ergibt oder ob die Ausgleichzahlung wegen der Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe bloß Null beträgt ().

Sind die Voraussetzungen für eine Ausgleichs- oder Differenzzahlung iSd § 4 FLAG 1967 dem Grunde nach erfüllt, steht der Familienbonus Plus zu (vgl. sowie ). In diesen Fällen ist der Bezug der österreichischen Familienbeihilfe daher ausnahmsweise keine Voraussetzung für den Familienbonus Plus (Gunter/Sebastian in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), Kommentar zum EStG (22. Lfg 2021) Familienbonus Plus Rz 34/29).

Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 regelt, welcher Mitgliedstaat vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet ist. Vorrangig muss grundsätzlich jener Mitgliedstaat die Familienleistungen gewähren, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde.

Die Erwerbstätigkeit des Bf liegt im Streitjahr in Deutschland, die Ehegattin war im Streitjahr in Österreich berufstätig und bezog Einkünfte unter € 6.000,00. Die Kinder des Bf wohnen in Österreich.

Österreich ist somit für die Familienbeihilfe nachrangig zuständig und wäre zur Leistung einer Ausgleichszahlung/Differenzzahlung verpflichtet.

Da der Familienbeihilfenanspruch dem Grunde nach bestand, ist dies ausreichend für die Gewährung des Familienbonus Plus.

Alleinverdienerabsetzbetrag

Voraussetzung für die Zuerkennung des Alleinverdienerabsetzbetrages ist, dass der Steuerpflichtige ein Kind iSd § 106 EStG 1988 hat. Der § 106 EStG 1988 knüpft dabei an die Berechtigung für einen Kinderabsetzbetrag iSd § 33 Abs 3 EStG 1988 und damit an den Bezug von Familienbeihilfe nach dem FLAG an.

Ein Kind iSd § 106 EStG 1988 ist nur im Falle des Familienbeihilfebezuges durch den Steuerpflichtigen oder dessen (Ehe-)Partner gegeben. Für den Alleinverdienerabsetzbetrag ist es dabei ausreichend, wenn ein Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe dem Grunde nach besteht.

Weiters ist für die Anerkennung des Alleinverdienerabsetzbetrages wesentlich, dass die (Ehe-) Partner nicht dauernd getrennt leben. Dieses Tatbestandsmerkmal stellt nicht auf die Anzahl der Wohnsitze eines der beiden (Ehe-)Partner oder dessen polizeiliche Meldung und auch nicht auf die Tragung der Kosten des Familienhaushaltes ab. Voraussetzung ist vielmehr, dass derjenige, der den Alleinverdienerabsetzbetrag beansprucht, bei aufrechter Ehe oder eingetragener Partnerschaft bzw bei Partnerschaft mit Kind tatsächlich in Gemeinschaft mit seinem (Ehe-)Partner lebt (vgl. ).

Voraussetzung für den Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag ist weiters, dass der (Ehe-)Partner Einkünfte von höchstens € 6.000,00 jährlich erzielt. In diese Grenzen sind die nach § 3 Abs. 1 Z 4 lit a EStG 1988 sowie § 3 Abs. 1 Z 10 und 11 EStG 1988 (Wochengeld und vergleichbare Bezüge, Einkünfte aus begünstigten Auslandstätigkeiten, Einkünfte der Fachkräfte der Entwicklungshilfe) und aufgrund zwischenstaatlicher oder anderer völkerrechtlicher Vereinbarungen steuerfreien Einkünfte mit einzubeziehen, nicht aber andere steuerfreie Einkünfte.

Der Bf bezog für die beiden Kinder für das ganze Kalenderjahr 2019 Kindergeld in Deutschland. Es ist dem Bf insofern beizupflichten, als im Streitjahr nach Gemeinschaftsrecht ein grundsätzlicher Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe bestanden hat.

Darüber hinaus handelt es sich bei den Kindern des Bf um Kinder iSd § 106 Abs. 1 EStG 1988, das den Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 vermittelt. Nach der im gemeinschaftsrechtlichen Sinn auszulegenden Textierung des § 33 Abs. 3 EStG 1988 darf es dabei keine Rolle spielen, wo sich das Kind aufhält bzw welcher der beiden Mitgliedstaaten die Familienleistungen tatsächlich erbringt.

Die Ehegattin des Bf sowie die beiden Kinder lebten im Beschwerdezeitraum in Österreich.

Da die in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige Gattin des Bf im Beschwerdezeitraum auch die jährliche Einkunftsgrenze des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 von € 6.000,00 nicht überschritten hat und der Bf somit sämtliche Voraussetzungen entsprechend dem § 33 Abs. 4 EStG 1988 für einen Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag erfüllt hat, steht dem Bf für das Beschwerdejahr der Alleinverdienerabsetzbetrag für die beiden Kinder in der Höhe von
€ 669,00 zu.

Eine weitere Voraussetzung für die Zuerkennung des Familienbonus Plus und des Alleinverdienerabsetzbetrages ist die unbeschränkte Steuerpflicht des Antragstellers; dies ergibt sich indirekt daraus, dass beschränkt Steuerpflichtigen gem § 70 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 und § 102 Abs. 3 EStG 1988 familienbezogene Absetzbeträge nicht zustehen.

Unbeschränkt steuerpflichtig sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (Welteinkommens- oder Universalitätsprinzip). Ist eine Person unbeschränkt steuerpflichtig, dann erfasst die Steuerpflicht alle steuerbaren Einkünfte iS des § 2 EStG 1988 (Welteinkommen, Totalitätsprinzip), und zwar unabhängig davon, ob sie auch im Ausland besteuert werden. Hat dagegen die natürliche Person im Inland keinen Wohnsitz und keinen gewöhnlichen Aufenthalt, dann unterliegt sie der beschränkten Steuerpflicht nach § 98 EStG 1988 mit ihren inländischen Einkünften (Territorialitätsprinzip).

Der Bf hat seit seinen Wohnsitz iSd BAO in Österreich. Der Bf hat für das Streitjahr eine Einkommensteuererklärung eingereicht und ist demgemäß in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig.

Da beide Kinder in Österreich wohnen, die Voraussetzungen für eine Ausgleichszahlung dem Grunde nach erfüllt sind und der Bf unbeschränkt steuerpflichtig ist, stehen sowohl der Familienbonus Plus als auch der Alleinverdienerabsetzbetrag für beide Kinder zu.

Die Absetzbeträge (zB Familienbonus Plus, Alleinverdienerabsetzbetrag, Verkehrsabsetzbetrag) wirken sich in der Folge unmittelbar auf die Höhe der ermittelten Steuer aus. Das heißt sie kürzen die Steuerschuld selbst und nicht die Bemessungsgrundlage.

Der Familienbonus Plus beträgt im Jahr 2019 pro Kind € 125,00 monatlich. Der Alleinverdienerabsetzbetrag beträgt jährlich bei einem Kind € 494,00, bei zwei Kindern
€ 669,00.

Für den Beschwerdefall bedeutet das, dass der Familienbonus Plus in Höhe von insgesamt
€ 3.000,00 sowie der Alleinverdienerabsetzbetrag für zwei Kinder in Höhe von € 669,00 abzuziehen waren.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Einkommensteuer 2019 ändern sich wie folgt:


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Gesamtbetrag der Einkünfte lt. Erstbescheid
20.438,44
Einkommen lt. Erstbescheid
20.134,00
Durchschnittssteuersatz vor Abzug der Absetzbeträge lt. Erstbescheid
8.071,72
Familienbonus Plus
-3.000,00
Alleinverdienerabsetzbetrag
-669,00
Verkehrsabsetzbetrag
-400,00
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
4.002,72
Steuer für die sonstigen Bezüge 0 % für die ersten 620,00 6 % für die restlichen 1.803,33
0,00 108,20
108,20
Einkommensteuer lt. BFG
4.110,92
Rundung gem § 39 Abs 3 EStG
0,08
Festgesetzte Einkommensteuer gerundet lt. BFG
4.111,00
Bisher festgesetzte Einkommensteuer
7.780,00
Abgabengutschrift
- 3.669,00

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich das BFG im Beschwerdefall auf die angeführte Rechtsprechung des VwGH (insbesondere das ergangene Erkenntnis VwGH Ra 2021/15/0067 vom betreffend dem Familienbonus Plus) stützen konnte, lag keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im oa. Sinne vor und war folglich die Revision nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 3 Abs. 1 Z 10 und 11 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
§ 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 70 Abs. 2 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 33 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 106 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 3 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 4 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 106 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 33 Abs. 3a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 4 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 4 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 98 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 102 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Schlagworte
Alleinverdienerabsetzbetrag
Familienbonus Plus
Ausgleichs- oder Differenzzahlung
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101045.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at