Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.10.2023, RV/5100690/2020

Rückforderung von Familienleistungen (FB/KG)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, Sozialversicherungsnummer ***1***, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde vom gegen den Rückforderungsbescheid des ehemals Finanzamtes ***2***, nunmehr FAÖ DS ***3*** , vom betreffend Familienbeihilfe bzw. Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum 09.2018-01.2019 für den Sohn ***4*** , SVNr. ***5***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Im gegenständlichen Fall war die Frage zu klären, ob die bescheidmäßige Rückforderung von Familienbeihilfe (FB)und Kinderabsetzbetrag (KG) v. im Ausmaß von € 1.188,90 (Familienbeihilfen € 896,50 bzw. KG € 292) hinsichtlich des Zeitraumes September bis 2018 bis Jänner 2019 zu Recht erfolgte.

I. Verfahrensgang

Mit Überprüfungsschreiben vom wurde die Beschwerdeführerin (Bfin.) aufgefordert, Unterlagen bezüglich ihrer Kinder *** und ***4*** (beschwerdegegenständlich) bekanntzugeben.

In der Beantwortung dieses Überprüfungsschreibens wurde betreffend den Sohn ***4*** angekündigt, ein Schreiben der Kammer per E-Mail an das Finanzamt zu übersenden. Die Beantwortung dieses Überprüfungsschreibens wurde persönlich beim Finanzamt am abgegeben.

Das Schreiben der Wirtschaftskammer vom (Fassung des berichtigten Lehrvertrages zu Nr. ***6***) wurde am vorgelegt

Vorhalt v (Vorlage von Unterlagen betreffend Sohn ***4***)

In der FB-Datenbank findet sich folgender Eintrag: "Vormerkung 0100 J 07 230119 (=Zeitpunkt der nur teilweisen Beantwortung des Überprüfungsschreibens v. und neuerliche Fristvorlage mit Datum 180519 (siehe auch Abfrage der Sachbearbeiterin v. ):

Vorlage des Aufnahmevertrages im Konservatorium am (persönlich beim FA) im Zuge der Beschwerde v. sowie Vorlage des Schreibens der Wirtschaftskammer vom (berichtigter Lehrvertrag zu Nr. ***6*** (3-jährige Lehrzeit vom - mit anschließender Weiterverwendung bis schließlich )- wie im Überprüfungsschreiben v. angekündigt).

Vorhalte v. (Fristsetzung ) betreffend Sohn ***4*** (Vorlage von Unterlagen hinsichtlich Ausbildung im Konservatorium der Diözese ***7*** seit ):

Schulbesuchsbestätigung (bitte auch um Bekanntgabe der voraussichtlichen Ausbildungsdauer)

oder

Fortsetzungsbestätigung von ***4*** Studienjahr 2018/19 UND 2019/2020

oder

Studienerfolgsnachweis aus dem Studien/Schuljahr 2018/19 von ***4***

Rückforderungsbescheid v.

In der Begründung des Rückforderungsbescheides v. wurde ausgeführt, "dass -trotz Aufforderung der abverlangten Unterlagen diese nicht nachgereicht worden seien und dadurch Ihre Mitwirkungspflicht nach § 115 Bundesabgabenordnung verletzt worden sei , und daher müsse angenommen werden , dass im oben genannten Zeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden habe bzw. bestehe.

In der dagegen erhobenen rechtzeitig erhobenen Beschwerde vom wurde von der Bfin. Folgendes ausgeführt:

"Sehr geehrte Damen und Herren, ich, ***Bf1***, erhebe Einspruch gegen den Bescheid über die Rückforderung der zu Unrecht bezogenen Beiträge (Familienbeihilfe). Mein Sohn, ***25*** ***4***, hat die Lehre im August beendet, jedoch noch keinen Lehrabschluss. Er studiert seit September 2018 am Konservatorium der Diözese ***7*** das Fach Kirchenmusik. Den Aufnahmebescheid habe ich bereits vor Wochen am Finanzamt persönlich vorgelegt. Aufgrund ihrer Forderung lege ich diesen Aufnahmebescheid heute noch einmal persönlich vor. Somit hoffe ich, ihren Anforderungen gerecht zu werden und ersuche um nochmalige Überarbeitung meines Aktes. Vielen Dank! "

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde mit folgender Begründung abgewiesen:

"Es ergeht die Beschwerdevorentscheidung betreffend die Beschwerde vom von Frau ***9***, ***10*** gegen den Rückforderungsbescheid v. ***4*** September 2018 bis Jänner 2019. Über die Beschwerde wird auf Grund des § 263 Bundesabgabenordnung (BAO) entschieden: Ihre Beschwerde vom wird als unbegründet abgewiesen. Begründung: Da Sie trotz Aufforderung (Frist ) die Unterlagen betreffend der Ausbildung von ***4*** nicht vorgelegt haben, war die Beschwerde vollinhaltlich abzuweisen".

Vorlageantrag v. :

"Sehr geehrte Damen und Herren , ich habe am einen Beschwerdeantrag beim ***FA*** eingebracht. Diese Beschwerde wurde unbegründet abgewiesen. Ich wurde daraufhin aufgefordert bis zum Unterlagen betreffend meines Sohnes ***4*** nachzureichen. Ich habe dem Finanzamt mitgeteilt das ich alle mir zur Verfügung stehenden Unterlagen bereitgestellt habe. Mein Sohn wohnt zum Jetzigen Zeitpunkt nicht mehr in meinem Haushalt. Zum damaligen Zeitraum studierte er,hat zu Hause keine Miete noch Kostgeld gezahlt. Jetzt ist er Zivildiener beim ***8*** und studiert nicht mehr. Ich sehe es nicht ein, dass ich mit meinem Putzgehalt auch nur einen Cent zurückzahlen soll, der mir ja für den Lebensunterhalt meines Kindes zugestanden ist. Wenn Sie Unterlagen wollen, die Ihnen fehlen, dann wenden sie sich bitte an mein Kind. Ich hoffe das Sie mir helfen können und dieses Schreiben an das ***FA*** (Vorlageantrag) weiterleiten"( das FA DS ***3*** wurde diesbezüglich in Kenntnis gesetzt).

Mit Vorlagebericht v. wurde die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Kindesmutter und Antragstellerin für FB/KG heißt ***24*** ***25*** (Bfin). (Sozialversicherungsnummer ***11***-Wohnsitzadresse in ***12***).

Auslöser der gegenständlichen Rückforderung von Familienleistungen war nach Ansicht des Finanzamtes die Nichtvorlage von Unterlagen im Zusammenhang mit der neu begonnenen Ausbildung im Konservatorium der Katholischen Privatuniversität der Diözese in ***7*** zum Kirchenmusiker (Grundstufe Elementarlehrgang zum Kirchenmusiker- C Prüfung) ab September 2018.

Der Sohn ***4***, geb. ***13***, war zum Zeitpunkt des Beginnes der weiteren Ausbildung im Konservatorium der Diözese ***7*** im September 2018 19 Jahre alt.

Vorher war er bis als Tischlerlehrling bei der Firma ***14*** in ***15*** beschäftigt. Das Lehrverhältnis, welches ohne Lehranschlussprüfung beendet wurde, wurde schließlich vom Sohn mit Schreiben v. gekündigt. Der letzte Arbeitstag war der .

Kurze Zeit später, nämlich am (im Zeitraum von bis bezog der Sohn vom AMS AL-Geld iHv. € 277,97), wurde von ihm ein Ausbildungsvertrag bei der katholischen Privatuniversität der Diözese ***7*** zwecks Beginnes einer neuen Ausbildung abgeschlossen. Laut Ausbildungsvertrag war dies eine Ausbildung zum Kirchenmusiker (siehe § 1 dieses Vertrages in der Grundstufe als ordentlicher Schüler). Dieses Konservatorium ist eine Privatuniversität mit Öffentlichkeit Recht. Daraufhin trat er seinen Zivildienst an.Der Sohn ***4*** ist mittlerweile ständig beim ***8*** beschäftigt.

Mittlerweile bezieht die Bfin. zusätzlich noch geringe Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Wirtschaftszweig: Facility Management (ohne Hauswartung), ***16*** , PLZ ***.

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage (Familienrechtsdatenbank, Abfragen der Sachbearbeiterin des nunmehrigen FAÖ DS ***3*** v., Abfragen des Gerichtes v. aus dem AIS) und dem Parteienvorbringen.

Der Sohn war an folgenden Adressen gemeldet (Abfrage des Gerichtes v. aus der FB-Datenbank):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Aktueller Hauptwohnsitz
***17***
***18***
***19***
Hauptwohnsitz
***20***
***21***
4/2
Hauptwohnsitz
***20***
***22***
***23***

Die Behauptung der Bfin. im Vorlageantrag v., dass sich der Sohn bereits im November 2019 in einem eigenen Haushalt befand und die Behörde sich daher an ihn -zwecks Vorlage weiterer Unterlagen - zu wenden habe, ist daher gemäß § 167 BAO unrichtig.

Der Vorhalt, insbesondere jener vom v., wurde von der Bfin. nicht beantwortet.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Rechtsgrundlagen

§ 26 FLAG 1967 in der für den Beschwerdezeitraum geltenden Fassung lautet:

§ 26. (1) Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

(2) Zurückzuzahlende Beträge nach Abs. 1 können auf fällige oder fällig werdende Familienbeihilfen angerechnet werden.

(3) Für die Rückzahlung eines zu Unrecht bezogenen Betrages an Familienbeihilfe haftet auch derjenige Elternteil des Kindes, der mit dem Rückzahlungspflichtigen in der Zeit, in der die Familienbeihilfe für das Kind zu Unrecht bezogen worden ist, im gemeinsamen Haushalt gelebt hat.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich eine objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat.

Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs der Familienleistungen an), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug. Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienleistungen, Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags oder die Verwendung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Gleiches gilt für den gutgläubigen Verbrauch der Beträge.

Für das Verständnis des § 26 FLAG 1967 ist es wesentlich, sich das System der Auszahlung von Familienbeihilfe vor Augen zu halten: Das FLAG 1967 kennt keine bescheidmäßige Zuerkennung von Familienbeihilfe. Ist Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag auszubezahlen (§ 11 FLAG 1967), hat hierüber eine bloße Mitteilung (§ 12 FLAG 1967) zu ergehen. Nur insoweit, als einem Antrag nicht Rechnung getragen wird, hat das Finanzamt einen Bescheid (§ 13 FLAG 1967) zu erlassen.

Mitteilungen über den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag gemäß § 12 FLAG 1967 stehen einer Rückforderung gemäß § 26 FLAG 1967 nicht entgegen.

§ 33 Abs. 3 EStG 1988 lautet:

...

(3) Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

Gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur unter den hier dargestellten Voraussetzungen anzunehmen.

Gemäß § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird.

Nach § 10 Abs 2 FLAG 1967 wird Familienbeihilfe von Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Konkreter Beschwerdefall

Verfahrensrechtliches:

A) Die Einbringung des Vorlageantrages direkt beim BFG war fristwahrend. Eine Entscheidungspflicht für das Verwaltungsgericht entsteht zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Nach § 291 BAO entsteht eine Entscheidungspflicht erst mit der Beschwerdevorlage gemäß § 265 BAO an das BFG.

B) Mitwirkungspflichten iSd § 115 BAO

Wie bereits in der Beschwerdevorentscheidung des FA rechtsrichtig ausgeführt wurde, wurden -trotz der Aufforderungen insbesondere dem Vorhalt v. (konkrete Unterlagen)

-Bitte um Vorlage von Schulbesuchsbestätigung (bitte auch um Bekanntgabe der voraussichtlichen Ausbildungsdauer)

oder

-Fortsetzungsbestätigung von ***4*** Studienjahr 2018/19 UND 2019/2020

oder

-Studienerfolgsnachweis aus dem Studien/Schuljahr 2018/19 von ***4***

von der Bfin. nicht nachgekommen.

Zur Vorlage verpflichtet ist immer der Antragsteller/die Antragstellerin der Familienbeihilfe (im konkreten Beschwerdefall die Bfin.). Sollten zB. studierende Kinder nicht im Haushalt der Kindesmutter wohnhaft sein (haushaltszugehörig) sein, gibt es auch die Möglichkeit der Beantragung einer eigenen Familienbeihilfe für das auszubildende Kind selbst.

Daher war verfahrensrechtlich nicht anders zu entscheiden, weil die Mitwirkungspflicht der Bfin.im Sinne des § 115 BAO als Antragstellerin verletzt wurde.

C) Berufsausbildung

Nach einer Abfrage des Gerichtes v. auf der Homepage der Diözese-***7***.at kann man im Konservatorium der Privatuniversität die Ausbildung eine Ausbildung z.B. zum C Kirchenmusiker/Kirchenmusikerin absolvieren. Die Grundstufe endet gemäß den Studien und Prüfungsordnung des Konservatoriums - mit einer Abschlussprüfung zum C Kirchenmusiker. Diese Ausbildung beinhaltet neben Pflichtfächern bzw. alternativen Pflichtfächern auch unverbindliche Übungen. Die Ausbildung wird mit einem positiven Abschlussdiplom beendet.

Neben dieser Elementarstufe kann auch der Nachweis vorgelegt werden, dass hinsichtlich des belegten Musikfaches (hier Kirchenmusik) die Fertigkeiten und Kenntnisse erworben worden sind. Im Rahmen der Ausbildung gibt es vorbereitende Lehrgänge wie beispielsweise Gesang etc.

D) "Zwischenzeiten" und Schulausbildung

Aus § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 ("für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung") ergibt sich, dass der Gesetzgeber des FLAG 1967 die Schulausbildung als eine eigene Form der Berufsausbildung sieht. Somit ist die "Schulausbildung" - verstanden als engerer Begriff einer Berufsausbildung - jedenfalls auch eine "Berufsausbildung", während nicht jede "Berufsausbildung" als "Schulausbildung" angesehen werden kann.

Der Unterricht an einem 20 Wochenstunden umfassenden Vorbereitungskurs für die Externistenreifeprüfung ist zB. gemäß der Rechtsprechung "Schulausbildung".

Die Unterbrechung der Ausbildung durch der Natur der Dinge entsprechende Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges sind für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich. Hiezu gehören Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen, genauso wie Urlaube und Schulferien.

E) VwGH-Rechtsprechung(Inhaltliches)

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff der Berufsausbildung alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird.

In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof nicht nur den Lehrinhalten, sondern auch der Art der Ausbildung und deren Rahmen, insbesondere der Art und dem Umfang der Lehrveranstaltungen entsprechende Bedeutung für die Beurteilung des Beihilfenanspruches beigemessen. Daraus folgt, dass es durchaus möglich sein kann, dass eine Bildungsmaßnahme, wenn sie in einer konzentrierten, zeitlich gestrafften Form absolviert wird, die Voraussetzung für den Familienbeihilfenanspruch erfüllt, während eine solche, die zwar das gleiche Ausbildungsziel hat, aber zeitlich nicht gestrafft und damit von (wesentlich) längerer Dauer, verbunden mit geringeren Anforderungen an den Auszubildenden, ist, diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Entscheidend dabei ist, ob in den jeweils einzeln zu betrachtenden Monaten (§ 10 FLAG 1967 normiert den Monat als Anspruchszeitraum) eine entsprechende zeitliche Intensität gegeben ist.

Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 kommt es nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Studienfortgang an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. etwa m.w.N.).

Weiters wird darauf hingewiesen, dass im Falle einer vorzeitigen Beendigung einer Ausbildung eine anspruchslöschende Tatsache ausgelöst werden kann. Diesbezüglich bestehen auch Meldeverpflichtungen gegenüber dem Finanzamt.

Diese Frage allerdings wurde vom Finanzamt zu Recht nicht mehr geprüft, weil maßgebliche Unterlagen (innerhalb der vom Finanzamt gesetzten Fristen zuletzt bis ) von der Bfin. nicht vorgelegt wurden.

Die von der Judikatur geforderten Unterlagen, die das Finanzamt, aber auch das Gericht in die Lage versetzen, ob der Sohn diese Ausbildung zum Kirchenmusiker ernsthaft bzw. zielstrebig im ersten Ausbildungsjahr ab 09/2018 verfolgte (ex ante Betrachtung) , zu überprüfen und beurteilen zu können, liegen nicht vor .

Es ging hier um eine ausschließliche verfahrensrechtliche Frage (Nichtvorlage von wesentlichen Unterlagen-siehe Vorhalt v. ).

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Unzulässigkeit einer (ordentlichen) Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Hinweise

A) Einer Rückforderung steht auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist. Allerdings kann ein Grund für eine Nachsicht nach § 236 BAO vorliegen. Das behördeninterne Verfahren nach § 26 Abs. 4 FLAG 1967 ist vom Nachsichtsverfahren nach § 236 BAO zu unterscheiden.

Eine Nachsicht gemäß § 236 BAO (Abschreibung von Abgabenschuldigkeiten) ist ein von der Rückforderung getrenntes Verfahren. Die Gewährung einer Nachsicht liegt im Ermessen des Finanzamts und kann bei Versagung der beantragten Nachsicht in einem Rechtsmittelverfahren angefochten werden. Die Nachsicht setzt keine Weisung der Oberbehörde nach § 26 Abs. 4 FLAG 1967 voraus.

B) Im Familienbeihilfenverfahren trat die Bfin. jeweils im eigenen Namen als Antragstellerin der Familienbeihilfe bzw. als Bfin gegen den Rückforderungsbescheid v. auf. Es wurde weder gegenüber der Abgabenbehörde noch gegenüber dem Bundesfinanzgericht eine Vollmacht einer rechtsfreundlichen Vertretung im Original vorgelegt (bzw. die Berufung auf eine solche Vollmacht vorgebracht-vgl. Ritz/Koran, BAO Kommentar, 7. Aufl. (2021), § 83, II. Nachweis der Bevollmächtigung [Rz 5 - 14].). Daher war auch das Erkenntnis an die Bfin zuzustellen. Die Vollmacht im Einkommenteuerverfahren der Bfin. [(die auch erst später eingeräumt wurde- Abfrage des Gerichtes v. aus dem AIS)] ist davon unabhängig zu sehen, weil die jeweilige Vollmacht nur im jeweiligen Verfahren gilt.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Schlagworte
Nichtvorlage von wesentlichen Unterlagen
FB und KG
Rückforderung
Rückzahlungsverfahren
eigenes Nachsichtsverfahren
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100690.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at