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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.10.2023, RV/7103056/2023

keine erhöhte Familienbeihilfe bei einem Behinderungsgrad von 30vH

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Helga Hochrieser über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe ab Juni 2019, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) stellte am einen Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe für die Tochter T., geb. am 2008, ab Juni 2019 wegen Skoliose.

Gutachten des Sozialministeriumservice (SMS) vom

T. wurde am im Sozialministeriumservice von Dr.in Doc1, Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde untersucht und am folgendes Gutachten erstellt:

Anamnese:
Es besteht eine Skoliose- Betreuung seit 2019 SMZ Ost, auch Orthopädie Speising. Ein Mieder wurde verordnet, aber kaum getragen. Aktuell keine orthopädische Betreuung (laut Mutter pandemiebedingt).

Derzeitige Beschwerden:
milde linkskonvexe Skoliose thorakolumbal
Panik vor dem Tragen einer FFP2 Maske

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: aktuell keine

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
2019-06-12 Skoliose laut Röntgen bestätigt

2019-10-07 SMZ Ost. Betreuung wegen Skoliose, BL Differenz ca 1,5 cm. CobbWinkel durch Schuheinlagen auf 9 Grad reduziert
2019- 08-23 Orthopädie Speising. Cobb Winkel 17 Gard. Intensive Physiotherapie, Schroththerapie
2020-05-30 Orthopädie Wien Süd. Korsett verordnet
2020- 09-26 Mag F., Psychologie. Angst vor dem Maskentragen. Panikstörung (Ängste). Vom Maskentragepflicht befreit.

Untersuchungsbefund:

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
interner Status unauffällig, Gehör und Visus unkorrigiert oB. Wirbelsäule: leichte linkskonvexe Skoliose, geringer Rippenbuckel. Aktuell keine wesentlichen Schmerzen

Gesamtmobilität-Gangbild: unauffällig

Psycho(patho)logischer Status:
altersgemäß. Maske wird auch in Untersuchungssituation nicht getragen - insoferne psychisch unbeeinträchtigt

Abweisungsbescheid vom

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom mit der Begründung ab, dass gemäß § 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) Anspruch auf den Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung bestehe, wenn der festgestellte Grad der Behinderung mindestens 50 Prozent betrage und die Behinderung nicht nur vorübergehend sei, sondern mehr als 3 Jahre andauere. Diese Punkte würden nicht zutreffen, da laut Sozialministeriumservice der Grad der Behinderung 30% betrage.

Beschwerde vom

Die Bf. brachte in ihrer Beschwerde vom vor, dass sie um eine nochmalige Untersuchung ersuche, da sie einen aktuellen Röntgenbefund vom habe und laut Befund eine Verschlechterung vorliege (Cobbwinkel 24,7°). Sie hätten im Juni 2019 eine Routinekontrolle beim Orthopäden gehabt, bei der durch die Ärztin festgestellt worden sei, dass T. eine Skloliose habee. Zu diesem Zeitpunkt hätte T. schon laut Röntgen vom Juni 2019 einen Cobbwinkel von 19,4° gehabt. Der Erstbefund liege mehr als drei Jahre zurück.

Gutachten vom

T. wurde am von Univ. Prof. Dr. Doc2, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, untersucht und folgendes Gutachten erstellt:

Anamnese:
Letzte Begutachtung 2022-12-06: 30% bei Skoliose thorakolumbal. Die Mutter reicht Beschwerde ein, da die Diagnose Skoliose mit Cobb Winkel 19.4° seit Juni 2019 vorliegt, und in einem neuen Befund von 2023-01-05 der Cobb-Winkel sich auf 24.7° verschlechtert hat. Aktuell wird keine Aktivmaßnahme gemacht. Eine spezielle Physiotherapie Form ist in Planung. Korsett wurde nicht verwendet. Körperliche Aktivität (Sport) ist möglich. Schmerzmedikation wird nicht benötigt. Schmerzen werden gelegentlich angegeben, jedoch nicht mediziert.

Auszug aus der Begutachtung 2022-12-06: Es besteht eine Skoliose- Betreuung seit 2019 SMZ Ost, auch Orthopädie Speising. Ein Mieder wurde verordnet, aber kaum getragen.

Aktuell keine orthopädische Betreuung (laut Mutter pandemiebedingt).

Derzeitige Beschwerden:
milde linkskonvexe Skoliose thorakolumbal

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: aktuell keine

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
2019-06-12 Skoliose laut Röntgen bestätigt
2019-10-07 SMZ Ost. Betreuung wegen Skoliose, BL Differenz ca 1,5 cm. CobbWinkel durch Schuheinlagen auf 9 Grad reduziert
2019-08-23 Orthopädie Speising. Cobb Winkel 17 Gard. Intensive Physiotherapie, Schroththerapie
202-05-30 Orthopädie Wien Süd. Korsett verordnet
2020-09-26 Mag F., Psychologie. Angst vor dem Maskentragen. Panikstörung (Angste). Vom Maskentragepflicht befreit.
2023-01-13: Beschwerde durch Kindsmutter zu Bescheid von .
2023-01-31: Orthopädie Zentrum Dr S. und Dr V.: linkskonvexe Skoliose Cobb 24.7°,
Anterolisthese L5, Retrolisthese L1-4, deg Veränderungen Symphysenfuge, Senk-Spreizfuss bds, Therapie: Analgesie, Physiotherapie, Korsett
2023-01-05: Orthopädie Zentrum Wien Süd: Dr S. und Dr V.: Linkskonvexe Deviation von Th1-Th6 Cobb 9.2°, rechtskonvexe Deviation von Th6-Th12, Cobb Winkel 17.9°,
Linkskonvexe Deviation von Th12-S1Cobb 24.7°

Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: gut
Ernährungszustand: eutroph

Gesamtmobilität - Gangbild: diskret nach links ausladendes Gangbild
Psycho(patho)logischer Status: unauffällig


X Dauerzustand

Beschwerdevorentscheidung vom

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit folgender Begründung ab:

"Gemäß § 8 Abs. 5 ff Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der derzeit gültigen Fassung gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem nicht nur eine vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Eine rückwirkende Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ist für max. fünf Jahre ab der Antragstellung möglich bzw. ab dem Monat, ab dem das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung festgestellt hat (§ 10 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in der geltenden Fassung).

Laut Gutachten des Sozialministeriumservice wurde bei T. eine Beeinträchtigung in Höhe von 30% ab festgestellt.

Da die oben genannten Kriterien für den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe somit nicht gegeben sind, kann keine erhöhte Familienbeihilfe für Ihre Tochter ab 06/2019 gewährt werden."
Vorlageantrag vom

Die Bf. brachte im Vorlageantrag vor, dass die Behinderung nicht vorrübergehend sei, im Gegenteil es werde schlimmer. Eine körperliche Funktionsbeeinträchtigung sei sehr wohl vorhanden, da ihre Tochter sehr oft unter Schmerzen leide und nicht im Unterricht im vollem Ausmaß teilnehmen könne (zB Turnen, Sport). Sehr wohl leide ihre Tochter unter geistigen und psychischen Problemen wegen ihrer Schiefhaltung. Die Diagnose sei schon im Sommer 2019 gestellt worden. Dies bedeute, dass die Beeinträchtigung schon mehr als drei Jahre zurückliege. Das Finanzamt habe die Befunde. Laut ihres Wissens sei die Krankheit nicht heilbar. Ihr Ziel sei es, durch Therapien die voranschreitende Krümmung zu stoppen. Dafür bräuchte es finanzielle Mittel. Außerdem würde sie nicht warten wollen bis der Grad der Behinderung 50 % oder mehr betrage, dann wäre es zu spät und eine OP unausweichlich. Ihre Tochter sei Schülerin und werde weiterhin zur Schule gehen. Laut Skoliose-Therapiezentrum Gumpendorferstr. 95 müssten sie so schnell wie möglich mit einer Therapie beginnen, da die Krankheit sehr schnell voranschreite, Kostenpunkt pro Sitzung/Woche zwischen 90-115 Euro.

Gutachten des SMS vom

T. wurde am von Dr.in Doc3, Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde, untersucht und am folgendes Gutachten erstellt:

Anamnese:
Zuletzt 05/2023 im FLAG Verfahren Bestätigung des GdB 30% (wie im Vorgutachten 12/2022). Es wird neuerlich in schriftlicher Form Einspruch im Beschwerdevorverfahren eingebracht (siehe unten).

Es soll eine spezielle Therapie durchgeführt werden, welche nicht von der Sozialversicherung gedeckt ist, ein neuer Befund liegt nicht vor, auch eine Erstvorstellung am Therapieplatz ist noch nicht erfolgt (Schroth Therapie?).

Derzeitige Beschwerden:
Skoliose thorakolumbal
Schmerzen im betroffenen Bereich

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
aktuell keine
Nureflex bei Bedarf

laut Befund: analgetische, antiphlogistische orale Medikation, Physiotherapie nach Schroth, Korsett empfohlen

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
2023-06-13 Schriftliche Beschwerde gegen Höhe der Einstufung (im System hochgeladen).

Die notwendige funktionelle Therapie benötigt finanzielle Mittel, der Bruder ist hochgradig behindert.

2019-06-12 Skoliose laut Röntgen bestätigt
2019-10-07 SMZ Ost. Betreuung wegen Skoliose, BL Differenz ca 1,5 cm. CobbWinkel durch Schuheinlagen auf 9 Grad reduziert.
2019-08-23 Orthopädie Speising. Cobb Winkel 17 Gard. Intensive Physiotherapie, Schroththerapie
2020-05-30 Orthopädie Wien Süd. Korsett verordnet
2020-09-26 Mag F., Psychologie. Angst vor dem Maskentragen. Panikstörung (Ängste). Vom Maskentragepflicht befreit.
2023-01-13: Beschwerde durch Kindesmutter zu Bescheid von .
2023-01-31: Orthopädie Zentrum Dr S. und Dr V.: linkskonvexe Skoliose Cobb 24.7°, Anterolisthese L5, Retrolisthese L1-4, deg Veränderungen Symphysenfuge, Senk-Spreizfuss bds, Therapie: Analgesie, Physiotherapie, Korsett
2023-01-05: Orthopädie Zentrum Wien Süd: Dr S. und Dr V.: Linkskonvexe Deviation von Th1-Th6 Cobb 9.2°, rechtskonvexe Deviation von Th6-Th12, Cobb Winkel 17.9°, Linkskonvexe Deviation von Th12-S1 Cobb 24.7°

Untersuchungsbefund:

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
interner Status unauffällig. Wirbelsäule: milde bis mäßige thorakolumbale Skoliose, linkskonvex, geringer Rippenbuckel, keine wesentliche BL Differenz. Motorik und Neurologie unauffällig, symmetrisch. Pubertät und Wachstum abgeschlossen

Gesamtmobilität - Gangbild: unauffällig

Psycho(patho)logischer Status:
unauffällig, Regelschullehrplan. Lehnte bislang und auch weiterhin das Tragen eines Korsetts ab

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Die Tochter der Bf., geb. am 2008, leidet an Skoliose.

Im Zuge des Beihilfenverfahrens wurden seitens des SMS drei Gutachten erstellt.

Dr.in Doc1, Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde, reihte die Erkrankung von T. im Gutachten vom unter die Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung und stellte den Grad der Behinderung mit 30 vH rückwirkend ab Juni 2019 fest.

Univ. Prof. Dr. Doc2 und Dr.in Doc3, beide ebenfalls Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde, trafen in ihren Gutachten vom bzw. die gleichen Feststellungen.

Die Einstufung stützte sich auf die orthopädischen Befunde und die Untersuchung.

Das Bundesfinanzgericht geht aus den nachstehend angeführten Gründen in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die Feststellung in den drei Gutachten, dass der Grad der Behinderung 30 vH beträgt, mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entspricht.

Beweiswürdigung

Gutachten im Bereich des Familienbeihilfenrechts sind Beweismittel in einem gerichtlichen Verfahren. Sie unterliegen, wie alle anderen Beweismittel, der freien behördlichen/-richterlichen Beweiswürdigung (vgl. ).

Das Bundesfinanzgericht hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs. 2 BAO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele ) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzu-nehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.

Für die Einschätzung des Behinderungsgrades ist die Einschätzungsverordnung anzuwenden, welche für die Erkrankung (Skoliose) folgende Richtsatzpositionen vorsieht:

Die drei Sachverständigen reihten die Erkrankung von T. übereinstimmend unter die Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung mit einem Behinderungsgrad von 30 vH rückwirkend ab Juni 2019.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein ärztliches Gutachten, soll damit eine Behinderung iSd FLAG dargetan werden, Feststellungen über Art und Ausmaß des Leidens sowie auch der konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer Weise zu enthalten. Insbesondere muss deutlich sein, welcher Bestimmung der erwähnten Verordnung der festgestellte Behinderungsgrad zugeordnet wird ( unter Hinweis auf ).

Die drei Gutachten entsprechen diesen Voraussetzungen. Es wurde ausführlich auf die Art des Leidens und das Ausmaß der hieraus resultierenden Behinderung eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen basieren auf der persönlichen Untersuchung der Tochter der Bf. und den von der Bf. vorgelegten Befunden und dem Fachwissen der Gutachter. Es ist klar nachvollziehbar, welcher Befund der Beurteilung der Sachverständigen zu Grunde liegt, nämlich der Röntgenbefund vom Juni 2019.

Die in den drei Gutachten getroffenen Feststellungen sind daher vollständig, schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf.

Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung:

Gemäß § 2 Abs 1 lit a FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

Gemäß § 10 Abs 1 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe nur auf Antrag gewährt und ist die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs 4 leg. cit.) besonders zu beantragen.

Gemäß § 10 Abs 3 FLAG 1967 werden die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs 4 FLAG) höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt.

Gemäß § 8 Abs 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes erheblich behinderte Kind. Als erheblich behindert gilt ein Kind gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 8 Abs 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesa-mtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind (für Begutachtungen nach dem Stichtag ) § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Grundlage der Einschätzung

Einschätzungsverordnung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Gutachten Allgemeines:

Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhaltes durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen, verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen, stützen. Alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sach-verhalt vorgelegen sein könnte, reicht dabei keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen (vgl. z.B. ; ).

Diagnoseerstellung durch die sachverständigen Ärzte des Sozialministeriumservice (SMS):

Die sachverständigen Ärzte des Sozialministeriumservice ziehen für ihre zu treffenden Fest-stellungen (Höhe des Grades der Behinderung, allenfalls Feststellung, ob und seit wann eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt) neben der Anamnese und Untersuchung die Kenntnisse der Medizin, ihr eigenes Fachwissen und die vom Antragsteller vorgelegten Befunde, Arztbriefe oder sonstigen Unterlagen heran, aus denen Rückschlüsse gezogen werden können, seit wann eine Erkrankung besteht oder wie hoch das Ausmaß der Beeinträchtigung in der Vergangenheit war.

Bescheinigung des SMS:

Der Grad der Behinderung und die Feststellung, ob bzw. ab wann eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt, ist gemäß den Bestimmungen des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Das nach dieser Bestimmung abzuführende qualifizierte Nachweisverfahren hat Feststellungen über die Art und das Ausmaß des Leidens sowie auch der konkreten Auswirkungen der Be-hinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer Weise zu enthalten (vgl. , ) und bildet die Grundlage für die Entscheidung, ob die erhöhte Familienbeihilfe zusteht.

Bindung an die Gutachten des SMS:

Bei der Antwort auf die Frage, in welcher Höhe der Behinderungsgrad vorliegt (bzw. ob eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr oder allenfalls während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetreten ist, sind die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) zugrunde liegenden Gutachten gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen (vgl. zB und 2009/16/0310, ).

Ein Abweichen ist nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung möglich (, ).

Schlüssigkeit von Gutachten

Ein Gutachten ist

• vollständig, wenn es die von der Behörde oder dem Gericht gestellten Fragen beantwortet (sofern diese zulässig waren)

• nachvollziehbar, wenn das Gutachten von der Beihilfenstelle und vom Gericht verstanden werden kann und diese die Gedankengänge des Gutachters, die vom Befund zum Gutachten führten, prüfen und beurteilen kann und

• schlüssig, wenn es nach der Prüfung auf Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit immer noch überzeugend und widerspruchsfrei erscheint

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es nicht auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht (vgl. auch , ).

Im vorliegenden Fall gingen die Gutachter übereinstimmend von einem Grad der Behinderung von 30 vH aus. Für die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe ist aber Voraussetzung, dass der Grad der Behinderung 50 vH beträgt.

Da die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 nicht vorliegen, musste die Beschwerde abgewiesen werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Abschließend wird informativ festgehalten, dass Zweck der erhöhten Familienbeihilfe ist, die besonderen Bedürfnisse, die aus der Behinderung folgen und im Verhältnis zu den Kosten der Lebensführung nicht behinderter Personen einen finanziellen Mehraufwand auslösen, zumindest teilweise abzudecken (vgl. zB ).

Die Bf hat in diesem Zusammenhang nicht vorgebracht, dass ihre Tochter im Streitzeitraum wegen ihrer Erkrankung (Skoliose) eine Therapie gemacht hat.

Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der Frage, unter welcher Voraussetzung der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe zusteht, ergibt sich aus den bezughabenden Gesetzesbestimmungen. Bei der Frage, ob bzw. ab wann ein bestimmter Grad der Behinderung vorliegt, handelt es sich um eine Tatfrage und ist das BFG an die vom Sozialministeriumservice erstellten Gutachten gebunden, sofern diese schlüssig sind. Da sohin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen war, ist eine Revision nicht zulässig.

Wien, am

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