Keine Familienbeihilfe zwischen dem Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften und dem Beginn des Gerichtspraktikums
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Edith Stefan über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für die Monate Juli bis September 2022 zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO betreffend den Zeitraum Juli und August 2022 als unbegründet abgewiesen.Der Bescheid bleibt hinsichtlich dieses Zeitraums unverändert.
II. Hinsichtlich des Zeitraums September 2022 wird der Beschwerde Folge gegeben. Die Familienbeihilfe (€ 165,10), der Kinderabsetzbetrag (€ 58,40) und der Geschwisterstaffelbetrag (€ 7,10 pro Kind für zwei Kinder) standen für den Zeitraum September 2022 in Höhe von gesamt € 237,70 zu.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog für seinenSohn A., geb. 2000, bis August 2022 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.
A. schloss das Studium der Rechtswissenschaften (UA101) am ab und machte vom bis beim ***1*** Gerichtspraxis.
Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt vom Bf. die für A. für die Monate Juli 2022 bis September 2022 bezogene Familienbeihilfe sowie die in diesem Zeitraum bezogenen Kinderabsetzbeträge gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) mit der Begründung zurück, dass für ein volljähriges Kind die Familienbeihilfe während einer Berufsausbildung bzw. -fortbildung zustehe. Diese Voraussetzung sei bei A. nicht zutreffend gewesen (Verweis auf § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967).
Der Bf. habe für mehr als ein Kind Familienbeihilfe bezogen. Im Rückforderungsbetrag sei die anteilige Geschwisterstaffel für sämtliche Kinder enthalten gewesen, für die er im Rückforderungszeitraum zu Unrecht Familienbeihilfe erhalten habe (§ 8 Abs. 3 FLAG 1967).
A. habe das Diplomstudium Rechtswissenschaften am erfolgreich abgeschlossen und absolviere seit die Gerichtspraxis. Da sich A. im Juli und August 2022 nicht in Berufsausbildung befunden habe, hätte die Familienbeihilfe rückgefordert werden müssen.
Der Bf. brachte in seiner Beschwerde vom vor, dass A. in den Jahren 2019 bis 2022 Rechtswissenschaften an der ***2*** studiert und am Ende des Sommersemesters 2022 mit dem akademischen Grad Mag.iur. abgeschlossen habe. Dazu sei ihm nach Übermittlung des Leistungsnachweises für den ersten Studienabschnitt die Familienbeihilfe gem. Beilage bis zum Ende seines Studiums in Mindeststudienzeit, also bis einschließlich September 2022, gewährt worden. A. habe alle Prüfungen, wie im Studienplan vorgesehen, innerhalb der vorgegebenen acht Semester absolviert, wobei er die letzte Prüfung im Rahmen der großen Prüfungswoche des Sommersemesters am abgelegt und danach den Bescheid über den akademischen Grad beantragt und am erhalten habe. Das Sommersemester, in dem er das Studium abgeschlossen habe, beinhalte auch die vorlesungsfreie Zeit in den Sommermonaten, in denen in der Regel auch kein Prüfungsbetrieb stattfinde. Die Eile, den Bescheid so rasch als möglich zu erwirken, habe A. entwickelt, um zum raschest möglichen Zeitpunkt das Gerichtspraktikum anzutreten und damit seine Berufsausbildung fortzusetzen. Die Fortsetzung seiner Ausbildung und die Gewährung von Familienbeihilfe im Sinne der ständigen Rechtsprechung des VwGH sei vom Finanzamt mittels o.a. Zahl selbst sowie der gleichzeitig ausgestellten Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe bestätigt worden. Die Zeit dazwischen habe der Vorbereitung auf den neuen Abschnitt und zur Einreichung der Bewerbungsunterlagen bis zum einzuhaltenden Stichtag beim ***3*** am gedient. Darüber hinaus sei zu sagen, dass die universitäre Ausbildung im Sommer eine jährliche Pause einlege, um Lehrenden wie Lernenden eine Erholungsphase zu verschaffen und die Vorbereitung auf die im Herbst anstehenden Aufgaben während des - nebenbei bemerkt - immer noch laufenden Sommersemesters zu ermöglichen. Die ständige Praxis bei der Auszahlung der Familienbeihilfe trage diesem Umstand Rechnung, indem sie die Weitergewährung der Familienbeihilfe vorsehe in
• der Sommerpause zwischen zwei Jahren universitärer Ausbildung
• der Sommerpause, zwischen dem Schulabschluss und dem Beginn der universitären Ausbildung bzw. dem Wehr-oder Zivildienst
• der Sommerpause bei einem allfälligen Studienwechsel
• der Sommerpause zwischen Diplom-und Doktoratsstudium
• der Sommerpause zwischen Bachelor und Masterstudium
Nachdem der geschilderte Wechsel zwischen zwei Teilen der Ausbildung (Uni und Gerichtspraxis), die nach den § 2 (1) b des FLAG 1967 gleich zu behandeln seien, in der Art der o.a. Wechsel erfolgt sei, die Berufsausbildung zum raschestmöglichen Zeitpunkt angestrebt und realisiert worden sei (die vorlesungsfreie Zeit im Sommer 3 Monate betrage und somit länger als die Pause sei, die A. im Sommer 2022 gehabt habe) und ein Mindestabstand zwischen Bescheidausstellung über das absolvierte Studium und Antritt der Gerichtspraxis systemimmanent sei, sei die im beanstandeten Bescheid willkürlich vorgenommene Ungleichbehandlung bei der Behandlung des ggst. Falles rechts- und verfassungswidrig. Gesetze müssten im Sinne der Bundesverfassung interpretiert werden, das gelte insbesondere für Grundprinzipien der österreichischen Rechtsordnung wie den Gleichheitssatz (Art. 7 B-VG). Dieser gebiete, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Der gegenständliche Wechsel von der ***2*** zur Gerichtspraxis sei demnach gleichbedeutend zum Wechsel zu einem Doktoratsstudium an derselben oder einer anderen Universität, wobei in diesem Fall wahrscheinlich aufgrund des Vorlesungsbeginns im Oktober sogar drei Monate Pause anfallen würden.
Daher beantrage der Bf, den ggst. Bescheid insoweit abzuändern, dass für A. im Zeitraum für Juli und August 2022 die Familienbeihilfe nicht rückgefordert werde und die belangte Behörde in der Zwischenzeit zu Unrecht einbehaltene Beträge aus der seit September 2022 anfallenden Familienbeihilfe für A. unverzüglich anweise.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit folgender Begründung ab:
"Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen,- die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden.
Bei Kindern, die eine im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305/1992, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten.
Familienbeihilfenanspruch besteht auch für folgende Zeiträume:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit d: Für Zeiten zwischen dem Abschluss einer SCHULAUSBILDUNG und dem frühestmöglichen Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit e: Für Zeiten zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes und dem Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung.
Rechtliche Beurteilung
zu Punkt 1;
Mit dem Datenblatt "Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe" haben Sie am die weitere Zuerkennung der Familienbeihilfe für Ihre studierenden Söhne beantragt.
Über die Erledigung dieser Eingabe wurden Sie am durch eine "Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe" dahingehend informiert, dass die Familienbeihilfe für die Söhne B. und A. bis verlängert wurde.
Aus der Mitteilung über die Zuerkennung der Familienbeihilfe für zukünftige Zeiträume kann kein Familienbeihilfenanspruch bei geändertem Sachverhalt (Studienabschluss) abgeleitet werden:
zu Punkt 2;
Bei Ablegung der letzten Prüfung im Diplomstudiums Rechtswissenschaften am ist die universitäre Studienzulassung automatisch mit dem letzten Prüfungsdatum erloschen.
Ein Absolvent, der die Ausbildung an einer Universität/Hochschule erfolgreich abgeschlossen hat, kann nicht einem aktiv Studierenden gleichgestellt werden, der für das Folgesemester zur Studienfortsetzung angemeldet ist.
Auch kann die Wartezeit auf den Bescheid über die Zuerkennung des akademischen Grades nicht als Zeiten der Berufsausbildung des Kindes angesehen werden.
zu Punkt 3:
Im Bescheid wurde keine Feststellung getroffen, dass der Sohn das Gerichtspraktikum nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgenommen hätte sondern wurde begründet, dass in den Monaten Juli und August 2022 keine Berufsausbildung des volljährigen Kindes vorgelegen ist.
zu Punkt 4:
Die nach Studienabschluss im Juni 2022 erfolgte Bewerbung als Rechtspraktikant beim ***3*** bzw. die Wartezeit auf die Aufnahme der Gerichtspraxis stellt keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 dar.
zu Punkt 5:
Eingehend auf die in der Beschwerde vorgebrachte Gründe wird festgestellt, dass • nach Ablegung der letzten Prüfung am keine weitere universitäre Ausbildung im Rahmen des Diplomstudiums Rechtswissenschaften mehr gegeben war
• aufgrund der fehlenden folgenden Fortsetzung der universitären Ausbildung (im Wintersemester 2022/23) für diese Monate auch keine ferienbedingte "Sommerpause" aufgrund
a; eines Wechsels der Studienrichtung oder
b; aufgrund eines Wechsels von einem Bachelor- zu einem Masterstudium oder
c; aufgrund eines Wechsel von einem Master- zu einem Doktoratsstudium
erkannt werden kann
• in den Monaten Juli und August 2022 kein Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 1 lit d FLAG 1967 (Zeit zwischen einem dem SCHULABSCHLUSS und dem Beginn der universitären Ausbildung) bestanden hat
• in den Monaten Juli und August 2022 kein Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 1 lit e FLAG 1967 (Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz/Zivildienstes und dem Beginn bzw. der frühestmöglichen Fortsetzung der Berufsausbildung) bestanden hat
zu Punkt 6:
Eine gesetzliche Normierung, dass die Absolvierung des Gerichtspraktikums einem Universitäts-/Hochschulstudium entspricht besteht nicht.
zu Punkt 7:
Die Prüfung des Familienbeihilfenanspruches erfolgte nach den Bestimmungen des FLAG 1967.
Im Rückforderungszeitraum hat das volljährige Kind keine Anspruchsvoraussetzung des § 2 Abs. 1 FLAG 1967 erfüllt.
Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber die sonstige Berufsausbildung eines volljährigen Kindes (hier: Gerichtspraxis) nicht einem Studium gleichstellt, kann keine willkürliche rechts- und verfassungswidrige Ungleichbehandlung erkannt werden.
Der Bf. brachte am folgenden Vorlageantrag ein:
"Auf meine Beschwerde gegen den o.a. Bescheid hat die belangte Behörde am eine Beschwerdevorentscheidung verfasst, die aus formeller und inhaltlicher Sicht grob unrichtig ist.
Daher übermittle ich den ggst. Vorlageantrag und möchte ergänzend und in Reaktion auf die bisweilen haltlosen Feststellungen der BVE (anhand der Nomenklatura der darin erwähnten Punkte) wie folgt ausführen:
Rein formell urteilt die BVE, meine Beschwerde vom wäre als "unbegründet abzuweisen". In der Folge wird - kurioserweise noch dazu unter der Überschrift "Begründung" auf einer dreiviertel Seite auf die in der Beschwerde strukturiert vorgebrachte Begründung eingegangen. Auch die später im BVE-Text ausgeführten Stellungnahmen der belangten Behörde orientieren sich an den Argumenten, mit denen die Beschwerde begründet wurde. Die Beschwerde, abzuweisen, weil sie "unbegründet" sei, widerspricht im ggst. Fall sowohl allen Gesetzen der Logik als auch den Grundtugenden der juristischen Wissenschaft.
1. Der Anspruch aus einer deklaratorischen Mitteilung über die Zuerkennung der Familienbeihilfe wurde in der Beschwerde nicht erhoben. Es wurde lediglich auf die Dauer der Semester abgestellt. Diese betragen jeweils - wie der Name schon sagt - ein halbes Jahr und sind nicht durch die Willkür des Finanzamts kürzbar.
2. Die Hypothese, dass die Studienzulassung durch das Ablegen einer Prüfung "erlischt", ist Unsinn. Ein Studium kann lediglich durch Exmatrikulation beendet werden. Die Exmatrikulation findet mit Ende jenes Semesters statt, in dem die letzte Prüfung absolviert (https://www.studium.at/exmatrikulation-exmatrikulieren-abaana-von-der universitaet). Ein Unterschreiten der Mindeststudienzeit ist zudem undenkbar.
3. In der Beschwerde wurde dargelegt, dass es aufgrund der Fristen schon rein technisch nicht möglich gewesen war, das Gerichtspraktikum direkt an die letzte Prüfung anzuschließen.
4. Eine durch nichts belegte Behauptung als Argumentation darzustellen, wie dieses von der belangten Behörde geschehen ist, geht vollkommen ins Leere.
5. Interessant ist, dass die unter diesem Punkt vorgebrachten Aufzählungen präsentiert werden, als handle es sich um eine taxative Aufzählung. Diese ist aber nicht der Fall, auch das FLAG 1967 kennt eine derartige Listung nicht, im Gegenteil sind lediglich die Fälle zwischen Schulbesuch und weiterer Berufsausbildung (§ 2 Abs.1 lit. d FLAG 1967) sowie zwischen Präsenz-/Zivildienst und weiterer Berufsausbildung (§ 2 Abs.1 lit. e und g FLAG 1967) spezifisch geregelt Es handelt sich daher um eine grob verzerrte Rechtsdarstellung.
6. Das Erheben der Forderung, dass für die Anwendung der Gleichbehandlung zwischen dem Gerichtspraktikum und einem weiteren Universitäts-/Hochschulstudium eine besondere "gesetzliche Normierung" vonnöten sei, widerspricht dem gesunden Menschenverstand, der Methodenlehre der Rechtswissenschaft, und der Systematik des FLAG 1967. Sein § 2 Abs.1 behandelt alle Berufsausbildungen, die eine echte Berufsausübung verunmöglichen, gleich. Dies gilt selbstredend auch für die vorlesungsfreie Zeit an universitären Einrichtungen, die im Übrigen im FLAG 1967 in keiner Weise erwähnt ist.
7. Wie die Judikatur in nicht zu wünschen lassender Klarheit bestimmt hat, ist die Gerichtspraxis dem Studium in der Bestimmung des § 2 Abs.1 FLAG 1967 völlig gleichgestellt, ohne dass diese in dieser Gesetzesbestimmung genannt wird. Die Behauptung der Nichtgleichstellung ist daher unzutreffend, die daraus resultierenden Spekulationen der belangten Behörde über verfassungsrechtliche Implikationen daher unerheblich.
Zu guter Letzt möchte ich nochmals unterstreichen, dass die Fortsetzung der Berufsausbildung von Juristen durch die Gerichtspraxis eine Einrichtung ist, die die Republik Österreich als Dienstgeber aktiv mittels eines Rechtsanspruchs fördert, damit der justiziellen Gewalt entsprechender personeller Nachwuchs zugeführt wird, und die Qualität der juristischen Kernberufe im öffentlichen Interesse gefördert wird. Es ist undenkbar, zu glauben, dass der Gesetzgeber jene jungen Menschen, die sich in diesem Sinn engagieren, sozialrechtlich in den Übergangsmonaten schlechter stellen will, als jene, die ein Masterstudium oder eine postgraduate Ausbildung an einer in- oder ausländischen Universität anschließen. Ebenso denkunmöglich ist es, einen jungen Menschen durch Aberkennung der Familienbeihilfe dafür bestrafen zu wollen, dass er durch Ablegung seiner letzten Prüfung drei Monate vor der Absolvierung der Mindeststudiendauer seine universitären Verpflichtungen in bestmöglicher Weise erfüllt hat. Durch die Einführung der Mindest-ECTS Punkte pro Semester im § 2 Abs.1 FLAG 1967 hat vor einigen Jahren das Prinzip der Leistungsförderung auch im FLAG Einzug gehalten.
Dass es im ggst. Fall, es wie die belangte Behörde offenkundig anstrebt, zu einer Leistungsbestrafung kommen soll, ist in jeder erdenklichen Interpretationsrichtung absurd.
…
Daher beantrage ich unter Aufrechterhaltung meiner ursprünglichen Anträge:
• Den ggst. Bescheid insoweit abzuändern, dass für Mag. A. Bf1 im Zeitraum Juli bis August 2022 die Familienbeihilfe nicht rückgefordert wird und
• Dass die belangte Behörde in der Zwischenzeit zu Unrecht einbehaltnene Beträge aus der seit September 2022 anfallenden Familienbeihilfe für Mag. A. Bf1 unverzüglich anweist.
die Vorlage meiner Beschwerde vom und des ggst. Antrags an das Bundesfinanzgericht."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Gesetzliche Grundlagen
Nach den Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen neben weiteren Voraussetzungen (hier nicht relevant) Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn…
für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für vier Monate nach Abschluss der Schulausbildung; im Anschluss daran für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bis zum Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird.
Gemäß § 8 Abs. 3 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe monatlich für jedes Kind, wenn sie für zwei oder mehrere Kinder gewährt wird um die unter lit. a) bis f) angeführten Beträge.
Nach § 10 Abs. 2 FLAG wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
Nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gemäß § 33 Abs. 3 EStG steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des FLAG 1967 gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des FLAG 1967 anzuwenden.
Rechtliche Beurteilung
Unstrittig ist, dass der Sohn des Bf. sein Studium der Rechtswissenschaften am abgeschlossen und ab ein Gerichtspraktikum beim Oberlandesgericht absolviert hat.
Der Bf. vertritt - entgegen der Feststellung des Finanzamtes - die Auffassung, dass ihm für seinen Sohn die Familienbeihilfe zwischen Abschluss des Studiums und Aufnahme der Gerichtspraxis, somit für die Monate Juli und August 2022, zu gewähren sei.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Tätigkeit eines Rechtspraktikanten als auch die Absolvierung eines Studiums eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG dar ().
Aus den Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 ergibt sich ein Beihilfenanspruch, sofern nach Abschluss der Schulausbildung eine weitere Berufsausbildung angeschlossen wird und diese weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird.
Der Gesetzgeber spricht dabei dezidiert vom "Abschluss der Schulausbildung" und nicht vom "Abschluss einer Schulausbildung". Dies bedeutet, dass der Verlängerungstatbestand laut obgenannter lit d) nur einmal im Laufe der verschiedenen Phasen der Berufsausbildung gewährt werden kann (vgl. auch BFG, RV/7103029/2014).
Dass der Begriff "Schulausbildung" nicht ein Studium umfasst, ist offensichtlich, da das Bestehen eines Beihilfenanspruchs für den Zeitraum zwischen der Ablegung der Reifeprüfung und dem Beginn eines Studiums sonst nicht normiert wäre.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes (vgl. z.B. ) stellt die Zeit zwischen Beendigung einer Ausbildung und dem Beginn einer weiteren Ausbildung weder eine Ausbildungszeit iSd § 2 Abs. 1 lit b) FLAG noch eine unschädliche Lücke zwischen zwei Ausbildungsarten dar. Für derartige Zeiten hatte - so der Gerichtshof im genannten Erkenntnis weiter - der Gesetzgeber durch die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit d) FLAG in der bis inklusive Februar 2011 geltenden Fassung die Weiterzahlung der Familienbeihilfe für drei Monate vorgesehen, sofern das volljährige Kind in dieser Zeit weder den Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienst leistete.
Mit der Novellierung des FLAG 1967 durch das BGBl 111/2010 wurde mit Wirksamkeit ab März 2011 u.a. die Bestimmung des lit d) geändert und sieht nunmehr einen Weiterbezug der Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nur mehr für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung vor, wenn diese weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird. In den Erläuternden Bemerkungen (981 der Beilagen XXIV. GP) zu dieser Gesetzesänderung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die vormals bestehende Regelung der Weitergewährung der Familienbeihilfe für drei Monate nach Abschluss einer Berufsausbildung aus Gründen der Budgetkonsolidierung entfallen soll. Gleichzeitig werde jedoch eine ergänzende Regelung aufgenommen, um die Zeit zwischen einer Schulausbildung und einer weiterführenden Ausbildung familienbeihilfenrechtlich abzudecken. Mit dem Begriff "Schulausbildung" hat der Gesetzgeber einen weiteren Terminus im FLAG 1967 geschaffen, der - ebenso wie der Begriff "Berufsausbildung" - nicht näher umschrieben wird. Der Begriff "Schulausbildung" ist aber - wie sich aus dem Kontext der gesamten Maßnahmen im Zuge der gesetzlichen Änderungen und den Erläuternden Bemerkungen zweifelsfrei ergibt - jedenfalls enger auszulegen als der Begriff der "Berufsausbildung" (vgl auch Hebenstreit in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 130). Der Begriff "Schulausbildung" kann somit keinesfalls jede Art einer "Berufsausbildung" umfassen.
Nach der Intention des Gesetzgebers soll die Familienbeihilfe grundsätzlich (nur mehr) bis zum Abschluss der ersten nach Eintritt der Volljährigkeit abgeschlossenen Berufsausbildung gewährt werden. Unbeschadet der Tatsache, dass mit Beginn einer weiteren Berufsausbildung der Familienbeihilfenanspruch wieder aufleben kann, hat sich der Gesetzgeber dazu entschlossen, für volljährige Kinder für Lücken zwischen zwei Berufsausbildungen keine Familienbeihilfe mehr zu gewähren; dies mit Ausnahme von bestimmten, nach Ansicht des Gesetzgebers besonders berücksichtigungswürdigen Sachverhaltskonstellationen. Eine derartige besonders berücksichtigungswürdige Situation wird durch die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit d) FLAG in der ab März 2011 anzuwendenden Fassung vorgesehen, nämlich, dass nach Abschluss der allgemeinbildenden Schulausbildung in sehr vielen Fällen der unmittelbare Einstieg in das Berufsleben noch nicht möglich ist und daher (regelmäßig) eine weitere (spezifische) Berufsausbildung zu erfolgen hat (siehe z.B. auch -I/12).
Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes besteht daher ausschließlich für diesen Zeitraum, konkret für die Zeit zwischen dem Abschluss der allgemeinen Schulausbildung und dem frühestmöglichen Beginn der ersten weiteren Berufsausbildung, iSd § 2 Abs. 1 lit d FLAG in der hier anzuwendenden Fassung ein Anspruch auf Familienbeihilfe, nicht jedoch für den hier strittigen Zeitraum zwischen Abschluss eines Studiums und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung (Gerichtspraktikum) zu ( ; , RV/5100684/2013; RV/5100001/2014; RV/3100490/2015; RV/5100988/2013; RV/0534-G/2012; RV/0055-S/2012).
Abschließend ist daher für den vorliegenden Rechtsstreit festzuhalten, dass die Absolvierung eines Studiums keine "Schulausbildung" iSd obigen Norm, sondern eine "Berufsausbildung" darstellt. Für den Zeitraum zwischen dem Abschluss dieser Berufsausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, nämlich hier der Gerichtspraxis, ist ein Beihilfenanspruch nicht normiert (, ). Dass die in der Beschwerdevorentscheidung unter Punkt 5 aufgezählten Fälle nicht als taxative Aufzählung aufzufassen seien bzw das FLAG 1967 keine derartige Listung kenne, trifft nicht zu. Es sind, wie im Übrigen auch vom Bf insoweit konzediert, lediglich die Fälle zwischen Schulbesuch und weiterer Berufsausbildung (§ 2 Abs.1 lit. d FLAG 1967) sowie zwischen Präsenz-/Zivildienst und weiterer Berufsausbildung (§ 2 Abs.1 lit. e und g FLAG 1967) spezifisch geregelt. Dass Studium und Gerichtspraxis eine einheitliche Ausbildung im Sinne des FLAG darstellt, geht aus den Bestimmungen des FLAG nicht hervor.
Aus den hier angeführten Gründen hat das Finanzamt die für die Monate Juli und August 2022 bezogenen Familienbeihilfenbeträge (KG) zu Recht zurückgefordert.
Für den Zeitraum September 2022 war der Anspruch auf Grund der am begonnenen weiteren Ausbildung (Gerichtspraxis) gegeben.
Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Unzulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zwar fehlt bislang zur Frage der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 lit d) FLAG in der ab März 2011 anzuwendenden Fassung hinsichtlich des in dieser Bestimmung verwendeten und nicht näher definierten Begriffes "Schulausbildung" eine Rechtsprechung des VwGH. Nach Ansicht des BFG ist aber schon durch den normierten Wortlaut und die diesbezüglichen Ausführungen in den Erläuternden Bemerkungen (981 der Beilagen XXIV. GP) klargestellt, dass der Gesetzgeber mit dieser Regelung einen Beihilfenanspruch für den Zeitraum, der zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, nicht aber für den Zeitraum zwischen dem Abschluss eines Studiums und dem Beginn einer weiteren oder weiterführenden Berufsausbildung vorgesehen hat, weshalb eine ordentliche Revision nicht zuzulassen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102260.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at