Aufrechnung von Abgabenguthaben im Abschöpfungsverfahren
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückzahlungsantrag vom , Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit ***Datum 1*** wurde vom ***BG*** zur Zahl ***1234*** für den Beschwerdeführer (in weiterer Folge Bf.) ein Schuldenregulierungsverfahren mit Eigenverwaltung eröffnet. Der angebotene Zahlungsplan mit einer Quote von 18,3076% wurde nicht angenommen.
Daraufhin wurde am ***Datum 2*** das Abschöpfungsverfahren eingeleitet und das Schuldenregulierungsverfahren am ***Datum 3*** aufgehoben.
Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2022 vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer mit einer Gutschrift iHv € 2.098,00 fest.
Am stellte der Bf. elektronisch einen Antrag auf Rückzahlung von € 2.098,00.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Rückzahlungsantrag ab, weil auf dem Abgabenkonto des Bf. zu diesem Zeitpunkt kein Guthaben bestehe.
Am brachte der Bf. dagegen Beschwerde ein und begründete diese im Wesentlichen, dass die Konkursforderungen erstmals am ausgesetzt worden seien. Er habe diesbezüglich keinen Bescheid erhalten. Seitdem hätten sich seine finanziellen Verhältnisse nicht verbessert, sondern sogar verschlechtert. Somit sei eine Grundlage gemäß § 294 Abs. 1 lit. a BAO nicht gegeben. Er verweise auf mit der Geschäftszahl 95/15/0042. Der Widerruf der Löschung sei bescheidlos umgesetzt worden, sodass er die Beschwerde nicht auf diesen Widerruf beziehen könne.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Am erhob der Bf. dagegen Vorlageantrag.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Am setzte das Finanzamt die Einbringung von Abgaben iHv € 19.569,52 aus, welche am wiederaufgenommen wurde.
Über das Vermögen des Bf. wurde mit Wirkung ab ***Datum 1*** ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Dieses wurde am ***Datum 3*** infolge rechtskräftiger Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens (***Datum 2***) aufgehoben.
Am setzte das Finanzamt die Einbringung Abgaben iHv € 25.261,67 und am Abgaben iHv € 1.570,21 aus.
Mit Bescheid vom veranlagte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2022 und kam es zu einer Gutschrift iHv € 2.098,00.
Am nahm das Finanzamt die Einbringung von Umsatzsteuer 3-12/2016 iHv € 2.098,00 auf, gegen welche die Gutschrift aus der Einkommensteuer für das Jahr 2022 aufgerechnet wurde.
2. Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem dem Bundesfinanzgericht elektronisch vorgelegten Akt.
Die Aussetzung der Einbringung ergibt sich aus den Buchungen auf dem Abgabenkonto des Bf.
Die Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahren und Einleitung des Abschöpfungsverfahren ergeben sich aus der Insolvenzdatei, die Einkommensteuergutschrift für das Jahr 2022 aus dem Einkommensteuerbescheid vom und die Aufrechnung aus dem Abgabenkonto des Bf.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 214 Abs. 1 erster Satz BAO sind in den Fällen einer zusammengefassten Verbuchung der Gebarung Zahlungen und sonstige Gutschriften, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen.
Ein sich aus der Gebarung (§ 213 BAO) unter Außerachtlassung von Abgaben, deren Einhebung ausgesetzt ist, ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen ist gemäß § 215 Abs. 1 BAO zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtiger bei derselben Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.
Soweit Guthaben nicht gemäß Abs. 1 bis 3 zu verwenden sind, sind sie gemäß § 215 Abs. 4 BAO nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 BAO zurückzuzahlen oder unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen über Antrag des zur Verfügung über das Guthaben Berechtigten zugunsten eines anderen Abgabepflichtigen umzubuchen oder zu überrechnen.
Gemäß § 231 Abs. 1 BAO kann die Einbringung fälliger Abgaben ausgesetzt werden, wenn Einbringungsmaßnahmen erfolglos versucht worden sind oder wegen Aussichtslosigkeit zunächst unterlassen werden, aber die Möglichkeit besteht, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt zum Erfolg führen können. Das gleiche gilt, wenn der für die Einbringung erforderliche Verwaltungsaufwand außer Verhältnis zu dem einzubringenden Betrag stehen würde.
Wenn die Gründe, die zur Aussetzung der Einbringung geführt haben (Abs. 1) innerhalb der Verjährungsfrist wegfallen, ist die ausgesetzte Einbringung gemäß § 231 Abs. 2 BAO wieder aufzunehmen.
Gemäß § 239 Abs. 1 BAO kann die Rückzahlung von Guthaben (§ 215 Abs. 4 BAO) auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen.
Gemäß § 20 Abs. 1 erster Satz IO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Schuldner der Insolvenzmasse geworden oder wenn die Forderung gegen den Schuldner, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben worden ist.
Der Schuldner hat gemäß § 199 Abs. 2 IO in den Tilgungsplan die Erklärung aufzunehmen, dass er den pfändbaren Teil seiner Forderungen auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensteuerersatzfunktion für die Zeit von drei Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses, mit dem das Abschöpfungsverfahren eingeleitet wird, an einen vom Gericht zu bestellenden Treuhänder abtritt. Bei einem Abschöpfungsverfahren hat der Schuldner die Erklärung nach dem ersten Satz mit einer Frist von fünf Jahren aufzunehmen. Hat der Schuldner diese Forderung bereits vorher an einen Dritten abgetreten oder verpfändet, so ist in der Erklärung darauf hinzuweisen.
Gemäß § 206 Abs. 1 IO sind Exekutionen einzelner Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners während des Abschöpfungsverfahrens nicht zulässig.
Gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden, kann der Drittschuldner eine Forderung gegen den Schuldner gemäß § 206 Abs. 3 IO idF vor dem Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinien-Umsetzungsgesetz (BGBl I Nr. 147/2021) nur aufrechnen, soweit er bei einer Fortdauer des Insolvenzverfahrens nach §§ 19 und 20 zur Aufrechnung berechtigt wäre.
Gegen eine Forderung des Schuldners, insbesondere auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden, kann der Drittschuldner eine Forderung gegen den Schuldner gemäß § 206 Abs. 3 IO in der derzeit geltenden Fassung nur aufrechnen, soweit er bei einer Fortdauer des Insolvenzverfahrens nach §§ 19 und 20 zur Aufrechnung berechtigt wäre.
§§ 199, 201, 202, 203, 204 Abs. 1 dritter Satz, §§ 206, 207 210, 210a, 213 und 216 in der Fassung des Restruktrierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes sind gemäß § 238 Abs. 6 IO auf Abschöpfungsverfahren anzuwenden, wenn der Antrag auf Einleitung nach dem bei Gericht einlangt.
Da im gegenständlichen Fall das Abschöpfungsverfahren vor dem eingeleitet wurde, ist § 206 Abs. 3 IO idF vor dem Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinien-Umsetzungsgesetz anzuwenden.
Im gegenständlichen Fall ist strittig, ob die aus der Arbeitnehmerveranlagung resultierende Einkommensteuergutschrift für das Jahr 2022 vom an den Bf. zurückzuzahlen ist.
In Wahrheit besteht jedoch Streit über die Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto des Bf. Über den engen Wortlaut der Bestimmung des § 216 BAO hinaus geht es im Abrechnungsbescheidverfahren nicht nur um das Erlöschen einer Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung, sondern um die Klärung umstrittener abgabenbehördlicher Gebarungsakte schlechthin (vgl. ).
Mit der Thematik der Rückzahlung ist somit untrennbar die Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung, damit die Klärung der Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto des Bf., verbunden, da sich die Frage nach der Verrechenbarkeit einer Abgabenforderung mit der strittigen Gutschrift nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Vorfrage für die Entscheidung über das Bestehen eines (rückzahlbaren) Guthabens stellt ().
In ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Aufrechnungsvorschriften des Insolvenzrechts grundsätzlich der Vorrang vor den Verrechnungsregeln der BAO zu (zB ).
Gemäß § 206 Abs. 3 IO idF BGBl I Nr. 29/2010 kann der Drittschuldner gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden, eine Forderung gegen den Schuldner nur aufrechnen, soweit er bei einer Fortdauer des Insolvenzverfahrens nach §§ 19 und 20 zur Aufrechnung berechtigt wäre.
Gemäß § 20 Abs. 1 IO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger (hier Finanzamt) erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Schuldner der Insolvenzmasse geworden ist. Diese Beschränkung der Aufrechnung gilt nur im Insolvenzverfahren. Auf eine Aufrechnung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens findet diese Bestimmung keine Anwendung.
Im gegenständlichen Fall befindet sich der Bf. jedoch nicht mehr in einem offenen Insolvenzverfahren, sondern in einem Abschöpfungsverfahren, in dem die vorgenannten Beschränkung der Aufrechnung keine Anwendung findet (vgl. zu § 20 KO 2006/150155)
Der Verwaltungsgerichthof vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass Einkommensteuergutschriften nicht der Aufrechnungsbeschränkung des § 206 Abs. 3 IO unterliegen (zB ):
"Die Einkommensteuer setzt das Vorliegen von Einkünften, hier aus nichtselbständiger Arbeit, voraus. Der Abgabenanspruch hat seine Grundlage im Einkommensteuergesetz, das zum öffentlichen Recht zählt. Bei den in Rede stehenden Rückforderungsansprüchen der Beschwerdeführerin handelt es sich um negative Abgabenansprüche. Auch solche Ansprüche entstehen kraft Gesetzes (Ritz, BAO3, § 4 Tz. 2). Der Abgabenanspruch auf Einkommensteuer des Bundes setzt zwar Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit voraus, seine Rechtsgrundlage findet sich aber im öffentlichen Recht. Bei der im Beschwerdefall entstandenen Einkommensteuergutschrift handelt es sich rechtlich nicht um ein Arbeitseinkommen, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch gegenüber dem Abgabengläubiger (Bund). Solche Ansprüche unterliegen keinem Pfändungsschutz (vgl. Heller/Berger/Stix, Kommentar zur EO, III/2005). Dem Aufrechnungsverbot des § 206 Abs. 3 KO unterliegen nicht nur Forderungen auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis, sondern auch solche auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion. Bei der Auslegung des Begriffes wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion kann § 290a Abs. 1 Z. 2 bis 12 EO als Grundlage dienen (vgl. Deixler-Hübner, in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen, § 12a KO, Tz. 4). Dass die in Rede stehenden Einkommensteuergutschriften solchen dort genannten Leistungen gleichzusetzen wären, trifft nicht zu."
Die Aufrechnung der Einkommensteuergutschrift erfolgte daher grundsätzlich zu Recht.
Der Bf. bringt vor, dass die Konkursforderungen erstmals am ausgesetzt worden seien. Er habe diesbezüglich keinen Bescheid erhalten. Seitdem hätten sich seine finanziellen Verhältnisse nicht verbessert, sondern sogar verschlechtert. Somit sei eine Grundlage gemäß § 294 Abs. 1 lit. a BAO nicht gegeben. Er verweise auf mit der Geschäftszahl 95/15/0042 und . Der Widerruf der Löschung sei bescheidlos umgesetzt worden, sodass er die Beschwerde nicht auf diesen Widerruf beziehen könne.
Dem ist entgegenzuhalten, dass die Insolvenzforderungen nicht gelöscht wurden, sondern gemäß § 231 BAO deren Einbringung ausgesetzt wurde. Dies ist eine innerbehördliche Maßnahme und erfolgt ohne Bescheid.
Wenn die Gründe, die zur Aussetzung geführt haben, wegfallen, ist die ausgesetzte Einbringung gemäß § 231 Abs. 2 BAO wieder aufzunehmen. Einer förmlichen Verfügung der Wiederaufnahme der ausgesetzten Einbringung bedarf es nicht, weil diese eine formlose behördeninterne Maßnahme ist (vgl. ).
Zum Zeitpunkt der Stellung des Rückzahlungsantrages wies das Abgabenkonto des Bf. ein Guthaben iHv € 2.098,00 aus. Jedoch muss gemäß § 215 Abs. 1 und 2 BAO geprüft werden, ob dieses Guthaben für andere Abgabenschuldigkeiten des Abgabepflichtigen bei derselben oder einer anderen Abgabenbehörde zu verwenden ist. Eine Verrechnung nach § 215 Abs. 1 und 2 BAO setzt lediglich voraus, dass die zu tilgenden Abgabenschuldigkeiten fällig sein müssen.
Die Gründe, die zur Aussetzung der Einbringung gemäß § 231 Abs. 1 BAO geführt hatten fielen in Höhe der sich aus der Arbeitnehmerveranlagung ergebenden Gutschrift weg und war die ausgesetzte Einbringung in dieser Höhe wieder aufzunehmen, womit die Abgabenschuldigkeiten wieder fällig waren. Die Verrechnung des Guthabens erfolgte daher zu Recht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Erkenntnis folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und liegt daher keine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, vor. Die Revision ist nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 239 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 231 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 231 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 20 Abs. 1 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 215 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 199 Abs. 2 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 206 Abs. 3 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102058.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at