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Verfahrenshilfe – Einzel – Beschluss, BFG vom 03.10.2023, VH/7100013/2023

Verfahrenshilfe bewilligt

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** über den Antrag des Antragstellers ***Bf***, ***Bf-Adr*** vertreten durch Winternitz Rechtsanwalts GmbH, Burgring 1, 1010 Wien, vom , auf Gewährung der Verfahrenshilfe für das Verfahren über die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einstellung der Vollstreckung, Steuernummer ***BFStNr***, beschlossen:

Dem Antragsteller wird gemäß § 292 BAO Verfahrenshilfe bewilligt.

Die Rechtsanwaltskammer Wien wird hiervon gemäß § 292 Abs. 10 BAO benachrichtigt.

Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurden die auf § 12 AbgEO gestützten Einwendungen des Antragstellers, in denen er beantragte, eine gegen ihn geführte Abgabenexekution einzustellen, abgewiesen. In der dagegen erhobenen Beschwerde stellte er einen Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe, weil ihm die Bestreitung der Verfahrenskosten durch die Teilpfändung seiner Alterspension nicht ohne Beeinträchtigung seines notwendigen Unterhalts möglich sei. In Entsprechung eines Mängelbehebungsauftrages vom ergänzte der Beschwerdeführer den Antrag dahingehend, dass gemäß § 292 Abs. 8 Z. 3 BAO die Bestellung des Verfahrenshelfers der Rechtsanwaltskammer obliegen soll. Weiters übermittelte er eine Darstellung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse in Form eines Vermögensverzeichnisses (§ 292 Abs. 8 Z. 4 BAO). Demnach bezieht der Antragsteller eine Alterspension bei der Pensionsversicherungsanstalt i.H.v. € 1.143,00 monatlich. Er bewohnt eine Mietwohnung, für die er monatlich € 420,00 Mietzins aufzuwenden hat. Weiters hat er für eine Zusatzkrankenversicherung bei der ***Versicherung*** AG (Pol.Nr.***) monatlich € 212,69 aufzuwenden. Der Antragsteller verfügt über eine Forderung gegen ***A*** i.H.v. ATS 200.000,00 (€ 14.534,57), tituliert durch das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , ***GZ***, sowie über eine (nicht titulierte) Darlehensforderung gegen die ***B*** AG mit Sitz in Liechtenstein i.H.v. € 13.807,00 aufgrund eines Darlehensvertrages vom . Diese Forderungen konnten bislang nicht einbringlich gemacht werden. Hinsichtlich der Forderung gegen die ***B*** AG steht zudem der Verdacht eines Betruges im Raum, zumal der für diese Gesellschaft auftretende Ing. ***C*** kurz nach der Darlehenszuzählung untergetaucht ist. Über weiteres Vermögen verfügt der Antragsteller nicht. Er ist niemandem unterhaltspflichtig und auch selbst nicht unterhaltsberechtigt. Abgesehen von der verfahrensgegenständlichen Abgabenforderung hat keine weiteren Schulden.

Gemäß § 292 Abs. 1 BAO ist auf Antrag einer Partei (§ 78), wenn zu entscheidende Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen, ihr für das Beschwerdeverfahren Verfahrenshilfe vom Verwaltungsgericht insoweit zu bewilligen,
1. als die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten und
2. als die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Die Voraussetzung, dass die zu entscheidenden Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen, ist in verfassungskonformer Auslegung dahingehend zu verstehen, dass auch besondere Schwierigkeiten bei der Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhaltes, also Fragen tatsächlicher Natur, einen Anspruch auf Verfahrenshilfe begründen, zumal Tatsachenfragen regelmäßig in Rechtsfragen münden; weiters sind stets auch die Fähigkeiten des betroffenen Antragstellers, sein Anliegen wirksam zu vertreten, zu berücksichtigen (). Im vorliegenden Fall ist strittig, ob hinsichtlich des gegen den Antragsteller betriebenen Abgabenanspruches Einhebungsverjährung gemäß § 238 Abs. 1 BAO eingetreten ist. Die belangte Behörde hält dem entgegen, dass zahlreiche Handlungen gesetzt worden seien, die gemäß § 238 Abs. 2 BAO eine Unterbrechung der Verjährung erwirkt hätten, sodass der betriebene Anspruch noch nicht verjährt sei. Im Beschwerdeverfahren ist daher zu prüfen, ob diese Handlungen tatsächlich gesetzt wurden und gegebenenfalls ob sie die Voraussetzungen für eine Unterbrechungshandlung i.S.d. § 283 Abs. 2 BAO erfüllen. Hierbei kann sich bei jeder einzelnen dieser Handlung eine Reihe von rechtlichen Fragen (z.B. ist sie im erforderlichen Ausmaß nach außen getreten, wurde mit ihr der gegenständliche Abgabenanspruch geltend gemacht) ergeben, die für einen juristischen Laien nicht ohne Weiteres ersichtlich und beurteilbar sind. Die Voraussetzung der "besonderen Schwierigkeit" liegt daher vor.

Der "notwendige Unterhalt" i.S.d. § 292 Abs. 1 Z. 1 BAO, der durch die Bestreitung der Verfahrenskosten nicht beeinträchtigt werden soll, liegt über dem Existenzminimum und unter dem standesgemäßen Unterhalt (statistisches Durchschnittseinkommen eines unselbstständig Erwerbstätigen; Ritz/Koran., BAO, 7. Aufl. [2021], Rz. 10 zu § 292 mwN). Der Antragsteller hat keine Unterhaltsverpflichtungen und bezieht als ASVG-Pensionist Sonderzahlungen (§ 105 ASVG), sodass für ihn die Existenzminimum-Tabelle 1 a m (monatlicher Bezug mit Sonderzahlungen) maßgeblich ist. Demnach beträgt das für den Antragsteller maßgebliche monatliche Existenzminimum € 1.119,00. Sein Einkommen übersteigt diesen Betrag um lediglich € 24,00 und liegt damit wohl unter dem "notwendigen Unterhalt" i.S.d. § 292 Abs. 1 Z. 1 BAO. Es besteht daher kein Zweifel, dass die Kosten des Beschwerdeverfahrens (es fallen jedenfalls noch die Kosten für die mündliche Verhandlung, allenfalls auch Kosten für weitere Schriftsätze an) den notwendigen Unterhalt des Beschwerdeführers beeinträchtigen würden.

"Offenbar aussichtslos" i.S.d. ist die beabsichtigte Rechtsverfolgung insbesondere bei Unschlüssigkeit des Begehrens oder bei unbehebbarem Beweisnotstand. Bei einer nicht ganz entfernten Möglichkeit des Erfolges liegt keine Aussichtslosigkeit vor. Mutwillig ist eine Beschwerde dann, wenn sich die Partei der Unrichtigkeit ihres Standpunktes bewusst ist oder bewusst sein muss (§ 292 Abs. 5 BAO). Hinweise dafür, dass die Beschwerde offenbar aussichtslos und/oder mutwillig wäre, liegen nicht vor.

Die Verfahrenshilfe war daher zu bewilligen und war gemäß § 292 Abs. 10 S. 2 BAO hiervon die Rechtsanwaltskammer Wien zu verständigen, der die Bestellung des Verfahrenshilfeanwaltes obliegt.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt hier nicht vor. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten Judikatur des VwGH und des VfGH.

Belehrung und Hinweise

Dem Antragsteller steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (Freyung 8, 1010 Wien) zu erheben. Die Beschwerde ist direkt beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Personen mit geringem Einkommen und Vermögen können einen Antrag auf Gebührenbefreiung und/oder auf kostenlose Beigebung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwaltes stellen. Der Verfahrenshilfeantrag selbst ist gebührenfrei und muss nicht von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt eingebracht werden. Es muss aber die Rechtssache, für die Verfahrenshilfe begehrt wird, angegeben und bekannt gegeben werden, ob die beschwerdeführende Partei von der Entrichtung der Eingabengebühr befreit werden will und/oder ob ihr eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt beigestellt werden soll. Das Antragsformular samt Vermögensbekenntnis kann beim Verfassungsgerichtshof elektronisch, postalisch oder persönlich eingebracht werden. Das Formular für postalische oder persönliche Einbringung liegt in der Geschäftsstelle des Verfassungsgerichtshofes auf; es kann auch von der Website des Verfassungsgerichtshofes (www.vfgh.gv.at; im Bereich Kompetenzen und Verfahren / Verfahrenshilfe) heruntergeladen werden. Die Einbringung per E-Mail ist keine zulässige Form der elektronischen Einbringung. Zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen wird auf die Website des Verfassungsgerichtshofes verwiesen.

Dem Antragsteller steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung, wenn das Bundesfinanzgericht dies in seinem Spruch zugelassen hat, eine ordentliche, ansonsten eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Revision ist schriftlich innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung der Entscheidung beim Bundesfinanzgericht, 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b, einzubringen. Sie ist - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt (in Abgaben- und Abgabenstrafsachen auch von einer Steuerberaterin bzw. einem Steuerberater oder einer Wirtschaftsprüferin bzw. einem Wirtschaftsprüfer) abzufassen und einzubringen. Bei entsprechend ungünstiger Einkommens- und Vermögenslage kann Verfahrenshilfe gewährt werden. Wird die Verfahrenshilfe bewilligt, entfällt die Eingabengebühr und es wird eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt bestellt, die oder der den Schriftsatz verfasst. Der Antrag ist im Falle der ordentlichen Revision beim Bundesfinanzgericht einzubringen. Das Antragsformular ist elektronisch auf der Website des Bundesfinanzgerichtes (https://www.bfg.gv.at/public/faq.html) erhältlich. Zur Erhebung einer außerordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof (Postfach 50, 1016 Wien) einzubringen; bereits der Antrag hat diesfalls eine Begründung zu enthalten, warum die Revision für zulässig erachtet wird. Das Antragsformular für postalische oder persönliche Einbringung ist im Servicecenter des Verwaltungsgerichtshofes (Judenplatz 11, 1010 Wien) oder elektronisch auf der Website des Verwaltungsgerichtshofes (www.vwgh.gv.at; im Bereich Verfahren/Verfahrenshilfe) erhältlich, auf welche auch zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen verwiesen wird.

Die für eine allfällige Beschwerde oder Revision zu entrichtenden Eingabengebühren von 240,00 Euro ergeben sich aus § 17a Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 und § 24a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985.

Die belangte Behörde ist nicht Partei des Verfahrens betreffend Gewährung der Verfahrenshilfe, ihr steht daher kein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss zu (vgl. ; ).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 292 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:VH.7100013.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at