Internatskosten bis zum 16. Lebensjahr als Betreuungskosten, wenn für Kind erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird, aber dann kein Pauschbetrag für auswärtige Berufsausbildung.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch BKS Steuerberatung GmbH & Co KG, Untere Hauptstr 10, 3150 Wilhelmsburg an der Traisen, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Einkommensteuer 2018 sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Vorweg wird darauf hingewiesen, dass die Beschwerdesache mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom der bislang zuständigen Gerichtsabteilung wegen Versetzung der Richterin in den Ruhestand abgenommen und zum Stichtag der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugeteilt wurde.
Mit der Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung vom beantragte der Beschwerdeführer - soweit gegenständlich relevant - die Berücksichtigung für Kinderbetreuung iHv 1.916,01 €, für Heilmittel für die Tochter ***T*** iHv 81,93 € sowie das pauschale für auswärtige Berufsausbildung der Tochter ***T*** für vier Monate. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer die Kosten im Ausmaß von 50 % tragen würde und das Kind zu 50 % behindert sei; die erhöhte Familienbeihilfe sei von Jänner bis Dezember bezogen worden.
Mit Schreiben vom wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, für die beantragte auswärtige Berufsausbildung für ***T*** eine Schulbestätigung oder ein Zeugnis vorzulegen.
Am legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung der Landwirtschaftlichen Fachschule *** vor, aus der hervorgeht, dass ***T*** im Schuljahr 2018/2019 von bis diese Schule sowie das angeschlossene Internat besucht hat. Aus einer Aufstellung gehen folgende geltend gemachten Aufwendungen hervor (Belege für die einzelnen Beträge wurden vorgelegt):
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Apotheke | 81,83 |
Arbeitskleidung | |
Clinic & Job Dress | 62,71 |
Clinic & Job Dress | 73,80 |
Hornbach | 34,35 |
Engelbert Strauss | 33,96 |
Engelbert Strauss | 63,48 |
Engelbert Strauss | 210,11 |
Schule *** (Lern- und Arbeitsmittel) | 200,00 |
Summe | 678,41 |
Schule *** (4x Internatskosten je 309,40) | 1.237,60 |
Mit Bescheid vom wurde die Einkommensteuer 2018 veranlagt. Folgende außergewöhnliche Belastungen wurden berücksichtigt:
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Pauschbeträge nach der VO über außergewöhnliche Belastungen wegen der Behinderung eines Kindes | 1.572,00 |
Nachgewiesene Kosten aus der Behinderung eines Kindes nach der VO für außergewöhnliche Belastungen | 81,83 |
Kosten für die auswärtige Berufsausbildung eines Kindes | 220,00 |
Kinderfreibetrag für ein haushaltszugehöriges Kind gemäß § 106a Abs. 1 EStG 1988 | 440,00 |
Begründend wurde ausgeführt, dass die Kinderbetreuungskosten nicht berücksichtigt worden seien, weil das Kind zu Beginn des Kalenderjahres das 10. Lebensjahr bereits vollendet hätte.
In der Beschwerde vom beantragte der Beschwerdeführer die Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten für ***T***, Behinderung der Tochter ***T*** sowie die auswärtige Berufsausbildung (Schule: 1.237,60; Arbeitsmittel: 678,41).
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde Folgendes ausgeführt:
"Gemäß § 34 Abs 8 EStG gelten Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 110 Euro pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.
Allgemein kann man aufgrund der Bestimmungen in § 2 Abs 1 Verordnung des Bundes-ministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, StF: BGBl. Nr. 624/1995 iVm § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305 iVm Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992, StF: BGBl. Nr. 608/1993 die Zumutbarkeit der täglichen Hin-und Rückfahrt eruieren und klären, ob im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht.
Besteht jedoch eine solche, ist dem Grunde nach keine außergewöhnliche Belastung gegeben. Besteht im Einzugsbereich keine solche, so ist jeder Aufwand im Zusammenhang mit der Berufsausbildung des- Kindes mit dem monatlichen Pauschbetrag iHv € 110,00 abgegolten.
Die Aufwendungen für Internatskosten, Kleidung und Arbeitsmittel konnten daher keine Berücksichtigung finden."
Im Vorlageantrag vom , eingebracht durch die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers, wurde der Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Senat sowie auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.
Die Aufwendungen für die auswärtige Berufsausbildung würden die Tochter ***T*** betreffen, für die eine Behinderung vorliege und auch die erhöhte Familienbeihilfe bezogen werde. Daher gehe die Begründung mit Verweis auf die Kinderbetreuungskosten bis zum 10. Lebensjahr ins Leere, da für Kinder auf Grund einer Behinderung die Kinderbetreuungskosten bis zum 16. Lebensjahr zustehen würden (§ 34 Abs. 9 Z 2 EStG 1988).
Beantragt würden die Schulkosten für einen besonderen Schultyp aufgrund der Behinderung und die Aufwendungen für Arbeitsmittel. Somit gehe auch die Begründung in der Beschwerdevorentscheidung ins Leere.
Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde. Ergänzend zur Beschwerdevorentscheidung wurde vorgebracht, dass mit dem Pauschbetrag für auswärtige Berufsausbildung die erhöhten Aufwendungen aufgrund der Auswärtigkeit (Fahrtkosten, Internatskosten) abgedeckt seien. Aufgrund der 50%igen Kostentragung durch den Beschwerdeführer könnten auch nur 50 % des Pauschbetrages berücksichtigt werden.
Aufgrund der Zuerkennung des Pauschbetrages für die auswärtige Berufsausbildung sei eine zusätzliche Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten unzulässig.
Mit Schreiben der steuerlichen Vertretung vom zog der steuerliche Vertreter die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und auf Senatszuständigkeit zurück. Gleichzeitig wurde auf die Geltendmachung der Kosten für Bekleidung (Arbeitsmittel) verzichtet und klargestellt, dass bei der Kostentragung ein Eingabefehler passiert sei und die Kosten vom Beschwerdeführer zu 100 % getragen worden seien.
Mit Vorhalt vom wurde dem Finanzamt das Schreiben des steuerlichen Vertreters vom übermittelt, die Rechtsmeinung der Richterin dargelegt und um Stellungnahme ersucht.
Am langte beim Bundesfinanzgericht ein Schreiben des Finanzamtes ein, in dem dargelegt wurde, dass der Pauschbetrag für auswärtige Berufsausbildung die erhöhten Aufwendungen aufgrund der Auswärtigkeit abdecken würde. Dazu würden jedenfalls auch die Internatskosten zählen. Dem Steuerpflichtigen stünde nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 kein Wahlrecht dahin zu, etwa nachweisbare höhere Kosten geltend zu machen.
Als Kosten für Kinderbetreuung seien nur die unmittelbaren Kosten für die Kinderbetreuung selbst abzugsfähig (inkl. Verpflegungskosten und Bastelgeld).
Bis zum Besuch der Pflichtschule sei in der Regel von Kinderbetreuung auszugehen. Danach seien die Aufwendungen für den Schulbesuch und für die Betreuung außerhalb der Schule zu trennen. Die Kosten für die Betreuung während der schulfreien Zeit (z.B. Nachmittags-betreuung oder Ferienbetreuung) seien abzugsfähig. Die Rechnung habe eine detaillierte Darstellung zu enthalten, aus der die Gesamtkosten und die abzugsfähigen Kosten für die Kinderbetreuung hervorgehen würden.
Für Kinder, für die erhöhte Familienbeihilfe bezogen werde, stehe gemäß § 5 der VO über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II Nr. 416/2001, zur Abgeltung der Mehraufwendungen ein monatlicher pauschaler Freibetrag von 262 € zu. Zusätzlich sei das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- und Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte im nachgewiesenen Ausmaß absetzbar. Ebenfalls zusätzlich zum pauschalen Freibetrag könnten Kinderbetreuungskosten im nachgewiesenen Ausmaß gemäß § 34 Abs. 9 EStG 1088 in den Monaten, in denen für das Kind erhöhte Familienbeihilfe bezogen worden sei, geltend gemacht werden (bis zum 16. Lebensjahr).
Bei übersteigenden Kosten stehe es dem Steuerpflichtigen frei, anstelle des Pauschbetrages die tatsächlichen Kinderbetreuungskosten gemäß § 34 Abs. 6 dritter Teilstrich EStG 1988 geltend zu machen, die bei behinderten Kindern mit erhöhter Familienbeihilfe immer im vollen Umfang und ohne Kürzung durch den Selbstbehalt eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden.
Aus Sicht des Finanzamtes sei der erforderliche Nachweis, welcher Teil, der von der Schule als Internatskosten bezeichneten Aufwendungen auf die tatsächliche Kinderbetreuung außerhalb der Schulzeit, die Verpflegung und die jedenfalls bereits mit dem Pauschbetrag für auswärtige Berufsausbildung abgegoltenen reinen Unterbringungskosten entfallen würde, nicht erbracht.
Ein pauschale Abzugsfähigkeit der gesamten als Internatskosten bezeichneten Aufwendungen als Kinderbetreuung erscheine nicht gegeben.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Für die am ***XX***.2003 geborene Tochter des Beschwerdeführers wurde im beschwerde-relevanten Zeitraum erhöhte Familienbeihilfe bezogen.
In der Zeit von bis hat das Kind die erste Klasse der Landwirtschaft-lichen Fachschule *** in *** besucht und im der Schule angeschlossenen Internat gewohnt.
Die Kosten für die Unterbringung im Internat iHv 1.237,60 € (4 x 309,40 €) wurden vom Beschwerdeführer getragen.
Zusätzlich wurden Aufwendungen iHv 478,41 € für Arbeitsmittel (Kleidung) und 200,00 € für Lern- und Arbeitsmittel geltend gemacht.
Laut telefonischer Auskunft des Sekretariats des Bildungszentrums Landwirtschaftliche Fachschule *** handelt es sich um eine Schule des Landes NÖ, die wahlweise als Halbinternat oder Ganzinternat geführt wird.
Unter dem Titel "Internat" wird die Schule auf ihrer Internetseite *** wie folgt beschrieben:
Unser neu errichtetes Schülerwohnheim bietet 170 Schüler*innen die Möglichkeit, in modern ausgestatteten 2-Bett- oder Mehrbettzimmern direkt am Schulstandort zu wohnen. Zu einem abwechslungsreichen Aufenthalt tragen viele Gemeinschafträume mit zeitgemäßer Einrichtung und technischer Ausstattung bei.
Durch das Leben im Internat wollen wir gemeinschaftliche Werte vermitteln und die soziale Einstellung stärken. Für die Freizeit steht den Schüler*innen ein attraktives sowie vielseitiges Angebot zur Verfügung.
Diese Neigungsgruppen werden zur Freizeitgestaltung angeboten:
sportliche Aktivitäten (Fußball, Volleyball), Blasmusik, Schulchor, Jagd, Obstverarbeitung, Jungzüchter, forstliche Wettbewerbe - Wettkampfschneiden
Zudem stehen zahlreiche Gemeinschaftsräume und Sportmöglichkeiten in der Schule und im Internatsbereich zur Verfügung: Aufenthaltsbereiche in jedem Stockwerk mit Buffet-Bereich, Fernseher und gemütlichen Sitzecken, Fitnessraum, Tischtennis u. Wuzzler-Tisch, Billard, Bibliothek, EDV Raum, Freiluftklasse im Pavillon, Fußballplatz, Basketball- und Beachvolleyball-Platz, Kletterwand
Internatsgebühren:
Die Kosten für das Internat betragen
- für interne Schüler*innen € 317,81/Monat
- für halbinterne Schüler*innen € 141,48/Monat"
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte entscheidungsrelevante Sachverhalt steht unbestritten fest und findet Deckung in den vorgelegten Belegen.
In Zusammenhang mit der 100 %igen Kostentragung des Beschwerdeführers ist auf das glaubhafte Vorbringen der steuerlichen Vertretung vom hinzuweisen sowie auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Zeitraum über ein deutlich höheres Einkommen (Gesamtbetrag der Einkünfte: 39.767,02 €) als seine Gattin (Gesamtbetrag der Einkünfte: 10.621,02 €) verfügte und darüber hinaus die Gattin keine Aufwendungen in Zusammenhang mit der Tochter ***T*** steuerlich geltend gemacht hat.
Auf dem von der Landwirtschaftlichen Fachschule *** ausgestellten Beleg vom wurde von der Direktion bestätigt, dass ***T*** im Schuljahr 2018/2019 die erste Klasse besucht hat und das der Schule angeschlossene Internat besucht hat. Die monatlichen Internatskosten betrugen 309,40 €.
Auf der Homepage der Schule wird unter dem Titel "Internat" dargelegt, was den SchülerInnen im Rahmen des Internats geboten wird, nämlich sportliche Aktivitäten (Fußball, Volleyball), Blasmusik, Schulchor, Jagd, Obstverarbeitung, Jungzüchter, forstliche Wettbewerbe - Wettkampfschneiden. Weiters werden den SchülerInnen Aufenthaltsbereiche in jedem Stockwerk mit Buffet-Bereich, Fernseher und gemütlichen Sitzecken, Fitnessraum, Tischtennis u. Wuzzler-Tisch, Billard, Bibliothek, EDV Raum, Freiluftklasse im Pavillon, Fußballplatz, Basketball- und Beachvolleyball-Platz und eine Kletterwand geboten.
Aus dieser Darstellung geht zweifelsfrei hervor, dass mit den Internatskosten ausschließlich jener Teil des Schullebens abgedeckt ist, der Freizeit und Verpflegung der SchülerInnen betrifft.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
§ 34 Abs. 9 EStG 1988 lautet:
Aufwendungen für die Betreuung von Kindern bis höchstens 2 300 Euro pro Kind und Kalenderjahr gelten unter folgenden Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung:
1. Die Betreuung betrifft
- ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 oder
- ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 2.
2. Das Kind hat zu Beginn des Kalenderjahres das zehnte Lebensjahr oder, im Falle des Bezuges erhöhter Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 für das Kind, das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet. Aufwendungen für die Betreuung können nur insoweit abgezogen werden, als sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
3. Die Betreuung erfolgt in einer öffentlichen institutionellen Kinderbetreuungseinrichtung oder in einer privaten institutionellen Kinderbetreuungseinrichtung, die den landesgesetzlichen Vorschriften über Kinderbetreuungseinrichtungen entspricht, oder durch eine pädagogisch qualifizierte Person, ausgenommen haushaltszugehörige Angehörige.
4. Der Steuerpflichtige gibt in der Einkommensteuererklärung die Betreuungskosten unter Zuordnung zu der Versicherungsnummer (§ 31 ASVG) oder der Kennnummer der Europäischen Krankenversicherungskarte (§ 31a ASVG) des Kindes an.
Die Bestimmung des § 34 Abs. 9 EStG 1988 wurde mit dem Steuerreformgesetz 2009, BGBl. I Nr. 26/2009 eingefügt. Den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (54 BlgNR 24. GP, 16f) ist zu entnehmen, dass nur die Kosten für die "ausschließliche Kinderbetreuung" zu berücksichtigen sind, der Betreuungszweck muss somit wesentlicher Bestandteil der Dienstleistung sein. Die Kosten der Vermittlung der Betreuung, der Fahrten zur Kinderbetreuung, der Schulgelder für Privatschulen, der Aufwendungen für jegliche Unterrichtstätigkeiten (beispielsweise Nachhilfeunterricht) sowie der Vermittlung besonderer Fähigkeiten (zB Musikunterricht, Computerkurse, etc.) können nach Judikatur und Rechtsprechung nicht im Rahmen des § 34 Abs. 9 EStG 1988 berücksichtigt werden.
Nach Peyerl in Jakom EStG 14, 2021, Rz 87ff zu § 34, erfasst Absatz 9 Aufwendungen für die Betreuung von Kindern bis zum 10. bzw 16. Lebensjahr in bestimmten Einrichtungen bzw durch bestimmte Personen bis zu einem Höchstbetrag pro Kind und Kalenderjahr.
Die Finanzverwaltung (siehe dazu LStR 2002 Rz 884d) hält an der restriktiven Auslegung des Begriffs "Betreuung" in § 34 Abs. 9 EStG 1988 in jüngster Zeit nicht mehr fest und anerkennt nunmehr auch Verpflegungsleistungen, sofern sie mit der Betreuungsleistung untrennbar verbunden sind, ohne Abzug einer Haushaltsersparnis. Auch ist nach Rz 884d der LStR 2002 nunmehr bis zum Besuch der Pflichtschule in der Regel von Kinderbetreuung auszugehen, sodass auch Aufwendungen für Ballettstunden, Musikunterricht, Beiträge zu Sportvereinen und oder Zahlungen für Reitstunden als abzugsfähig erachtet werden (siehe dazu zB Kufner/Ninaus, RdW 2011/598; Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG, § 34 Anmerkung 77i; kritisch Baldauf, SWK 2013 S. 606).
Für die Frage, ob geltend gemachte Kosten als Betreuungskosten iSd § 34 Abs. 9 EStG 1988 berücksichtigt werden können, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ) entscheidend, ob diese Kosten Leistungen betreffen, bei denen der Unterricht (Anstreben eines umfassenden erzieherischen Ziels im Zusammenhang mit der Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten) im Vordergrund steht. Es ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber den Begriff der "Betreuung" (vgl. hiezu auch das Urteil des deutschen Bundesfinanzhofes vom , III R 29/11) einschränkend dahin versteht, dass er jene Leistungen nicht umfassen soll, bei denen die unterrichtende Tätigkeit, also das Anstreben eines umfassenden erzieherischen Ziels im Zusammenhang mit der Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Vordergrund steht.
Das Bundesfinanzgericht hat in Übereinstimmung mit der Verwaltungspraxis Verpflegungs-kosten dann als abzugsfähig erachtet, wenn die einheitliche Gesamtleistung "Kinderbetreuung" nur in Anspruch genommen werden kann, wenn auch ein Beitrag für eine im Rahmen der Betreuung erfolgende Verabreichung von Mahlzeiten geleistet wird (; , RV/7102768/2013; ). Eine solche lediglich als einheitliche Gesamtleistung angebotene "Kinderbetreuung" liegt im Beschwerdefall vor, zumal ein Internatsbesuch ohne gleichzeitiger Verpflegung der Schülerin nicht möglich ist.
Indem der Gesetzgeber bei behinderten Kindern, die erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 beziehen, den Abzug von Kinderbetreuungskosten bis zum 16. Lebensjahr zulässt, erachtet er offenbar den Betreuungsbedarf dieser Kinder als gleich hoch wie jenen von Kindern, die eine solche erhöhte Familienbeihilfe nicht beziehen und das 10. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Das BFG vertritt deshalb die Ansicht, dass bei Kindern, für die erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird, nicht nur bis zum zehnten Lebensjahr, sondern bis zum vollendeten 16. Lebensjahr im Regelfall die Betreuungkomponente im Vordergrund steht. Die von Judikatur und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze in Zusammenhang mit der steuerlichen Berücksichtigung von Betreuungskosten iSd § 34 Abs. 9 EStG 1988 sind daher analog auf Kinder anzuwenden, für die erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird.
In einem Rechtssatz zur Entscheidung RV/3100020/2019 hat das BFG Folgendes ausgesprochen: "Werden tatsächliche Kosten einer auswärtigen Berufsausbildung als außergewöhnliche Belastungen aus dem Titel der Behinderung eines Kindes zur Gänze berücksichtigt, steht daneben der Pauschbetrag für auswärtige Berufsausbildung (§ 34 Abs 8 EStG) nicht zu." Aus diesem Rechtssatz ist ableitbar, dass grundsätzlich die Kosten für eine auswärtige Berufsausbildung als Betreuungskosten gemäß § 34 Abs. 9 EStG abzugsfähig sind, wenn die Betreuungskomponente im Vordergrund steht. Eine zusätzliche Berücksichtigung des Pauschbetrages für auswärtige Berufsausbildung ist nicht möglich.
Für die im Jahr 2003 geborene Tochter des Beschwerdeführers wurde erhöhte Familienbeihilfe bezogen. Jene Aufwendungen, die unter dem Titel Internatskosten geltend gemacht werden, betreffen die Verpflegung von ***T*** und ihre Betreuung außerhalb der Schulstunden. Dies geht aus der Aufzählung auf der Homepage der Schule unter dem Titel "Internat" zweifelsfrei hervor. Der Einwand des Finanzamtes, der erforderliche Nachweis, welcher Teil der von der Schule als Internatskosten bezeichneten Aufwendungen auf die tatsächliche Kinderbetreuung außerhalb der Schulzeit, die Verpflegung und jedenfalls bereits mit dem Pauschbetrag für auswärtige Berufsausbildung abgegoltenen reinen Unterbringungskosten entfalle, fehle, geht damit ins Leere. Dies insbesondere deshalb, weil neben den tatsächlichen Kosten für Kinderbetreuung der Pauschbetrag für die auswärtige Berufsausbildung nicht zusteht.
Dem Finanzamt ist zuzustimmen, wenn es vorbringt, dass dem Steuerpflichtigen nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 kein Wahlrecht zwischen dem Pauschbetrag für auswärtige Berufsausbildung und den diesbezüglichen tatsächlichen Kosten zusteht. Allerdings besteht die Möglichkeit, die Internatskosten unter dem Titel Betreuungskosten geltend zu machen, wenn die Voraussetzung dafür vorliegen, was einem Wahlrecht zwischen Pauschbetrag für auswärtige Berufsausbildung und tatsächlichen Kosten für Betreuungskosten gleichkommt.
Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten und nachgewiesenen Kosten für die Unterbringung im Internat in der Landwirtschaftlichen Fachschule *** konnten daher als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt unter dem Titel Betreuungskosten anerkannt werden (1.237,60 €). Die zusätzliche Berücksichtigung des Pauschbetrages für auswärtige Berufsausbildung ist nicht möglich.
Die geltend gemachten Aufwendungen für Arbeitsmittel (478,41 €) und für Lern- und Arbeitsmittel (200,00 €) sind unbestritten solche für den eigentlichen Unterricht.
Diese Kosten konnten nicht berücksichtigt werden, da für diese Aufwendungen nicht die Betreuung des Kindes sondern dessen Ausbildung ausschlaggebend und vorrangig war und somit eine Subsumption unter § 34 Abs. 9 EStG 1988 nicht möglich ist. Der diesbezügliche Antrag wurde von der steuerlichen Vertretung mit Schreiben vom zurückgezogen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Dieses Erkenntnis folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Darüber hinaus war keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 Abs. 9 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100471.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at