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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.10.2023, RV/7103540/2022

Nicht häusliches Arbeitszimmer und andere Werbungskosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache

***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Dr.Karl Renner Promenade 10, 3100 St. Pölten,

über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer ***Bf1*** (im Folgenden: Bf.) erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Angestellter einer IT Servicefirma.

In seiner Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2017 vom machte der Bf. u.a. Werbungskosten iHv 290,03 Euro für Arbeitsmittel, 7,40 Euro für Fachliteratur und 5.121,83 Euro als "sonstige Werbungskosten" geltend, die auch die hier strittigen Kosten für ein außerhalb des Wohnungsverbandes gelegenes Arbeitszimmer enthalten.

Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2017 vom reduzierte das Finanzamt die Werbungskosten in Summe auf 1.026,77 Euro und setzte einen Teil der als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen als Sonderausgaben an, da es sich um Sanierungskosten gehandelt habe.

Die Zustellung des Einkommensteuerbescheides 2017 erfolgte am elektronisch in die FinanzOnline-Nachrichten (Databox) des Bf.

In der vom steuerlichen Vertreter eingebrachten Beschwerde vom wird die Anerkennung der für das Jahr 2017 angefallenen Kosten für ein nicht im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer iHv 4.397,48 Euro beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde mit Hinweis auf § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. d EStG 1988 als unbegründet abgewiesen. Da das Arbeitszimmer nur an 2 Tagen pro Woche genutzt werde, liege kein ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich genutztes Arbeitszimmer vor.

Die Zustellung der Beschwerdevorentscheidung erfolgte am direkt in die FinanzOnline-Nachrichten (Databox) des Bf. ist aber dem steuerlichen Vertreter, der über eine Zustellvollmacht verfügt, laut eigenen Angaben zugegangen.

Im Vorlageantrag vom verwies der steuerliche Vertreter darauf, dass sich das streitgegenständliche Arbeitszimmer nicht im Wohnungverband des Bf. befinde und auch - da es getrennt zugänglich - von vornherein nicht zum Wohnungsverband der Eltern des Bf. gehöre. Es sei strikte dem ausschließlichen Gebrauch des Bf. als Büroraum vorbehalten.

Im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit verfüge der Bf. weder über einen eigenen Schreibtisch, noch über eine eigene Bürofläche des Dienstgebers, sondern habe ausschließlich die Gelegenheit, wenn dies notwendig ist, irgendeinen zur Zeit freien Schreibtisch mit entsprechender technischen Ausstattung an Ort und Stelle des Büros des Dienstgebers zu benützen.

Der Arbeitgeber habe mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung geschlossen, welche die Rahmenbedingungen für Homeoffice regle, wobei Homeoffice in der Betriebsvereinbarung "Remote Working" genannt wird. Aufgrund dieser Betriebsvereinbarung habe ein großer Teil der Belegschaft diese Möglichkeit genutzt, wobei der Arbeitgeber explizit von einem bestimmten Anteil "Remote Working" ausgegangen sei und es daher nicht möglich sei, dass die gesamte Belegschaft gleichzeitig am Dienstort ihren Dienst verrichtet. Das Arbeitszimmer sei daher notwendig.

Weiters werde das Arbeitszimmer an 2 Tagen die Woche genutzt, den Rest der Zeit bleibe es gänzlich ungenutzt. Daher werde es ausschließlich beruflich genutzt.

In Beantwortung eines Vorhaltes des Finanzamtes legte der Bf. mit Schreiben vom u.a. eine Bestätigung seines Arbeitgebers datiert mit vor. Daraus ergibt sich, dass dem Bf. die Möglichkeit von homeoffice eingeräumt wurde, allerdings nicht im Rahmen der "Remote-Vereinbarung", weshalb ihm auch kein Kostenersatz gewährt wurde. Auch wurde ihm weder ein Breitbandanschluss zur Verfügung gestellt, noch wurden Aufzeichnungen zu den Homeofficetagen vorgelegt.

Der Bf. ergänzte, dass der Weg zur Arbeit in eine Richtung 1:50 Stunden betrage, weshalb es nur die Nutzung des Arbeitszimmers ermögliche, seinen elterlichen Pflichten nachzukommen und überdies CO2 einspare.

Im Vorlagebericht ergänzte das Finanzamt den Sachverhalt wie folgt:

"Laut ZMR-Abfrage vom befindet sich an der Adresse des Arbeitszimmers ein Nebenwohnsitz des Bf.

In Verbindung mit dem Ankauf und Einbau einer Badewanne (siehe Rechnung ***2*** vom , Dok.24, Seite 6) zusätzlich zu einer Dusche (siehe Rechnung ***2*** vom , Dok.27, Seite 2) spricht dies aus Sicht des Finanzamtes dafür, dass der "Altbau" vom Bf. nicht nur rein als Arbeitszimmer genutzt wird"

Weiters sei zu berücksichtigen, dass dem Bf. gemäß § 33 Abs. 4 Z. 1 EStG 1988 im Jahr 2017 der Alleinverdienerabsetzbetrag iHv 494 Euro nicht zustehe, weil die Einkünfte seiner Lebensgefährtin ***LG*** (VNR 1234567890) im Jahr 2017 mehr als 6.000 Euro betragen hätten (aktenkundig ist der Bezug von Wochengeld iHv 7.069,86 Euro).

Weiters stehe im Jahr 2017 für seinen Sohn ***S*** (VNR 9876543210) der Kinderfreibetrag iHv 440 Euro nicht zu, weil dieser am geboren wurde (gemäß § 106a Abs. 1 EStG 1988 steht der Kinderfreibetrag nur für Kinder zu, für die dem Steuerpflichtigen oder seiner Lebensgefährtin für mehr als 6 Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag zusteht).

Mit Schreiben vom hat das BFG den Bf. eingeladen, zu den Ergänzungen des Finanzamtes (Alleinverdienerabsetzbetrag bzw. Kinderfreibetrag) Stellung zu nehmen. Weiters wurde der Bf. aufgefordert zu erläutern, warum das Arbeitszimmer für die Berufsausübung unbedingt notwendig ist und ersucht, die Kosten belegmäßig nachzuweisen.

Mit Stellungnahme vom erklärte der steuerliche Vertreter, dass es zwar keine Remote-Vereinbarung, sehr wohl aber eine Homeoffice-Vereinbarung des Bf. mit dem Dienstgeber gäbe. Wie bereits angeführt, stünden am Standort des Dienstgebers nicht ausreichend Arbeitsplätze zur Verfügung, weshalb es im Interesse des Dienstgebers sei, dass der Bf. - wie auch andere Dienstnehmer - die Möglichkeit des Homeoffice nutze.

Mit Hinweis auf erklärte er weiters, dass es Dienstnehmer freistünde, ihre Arbeitsmittel selbst zu wählen. Die Einsparung von CO2 liege überdies im öffentlichen Interesse.

Zum Nachweise der Kosten für das Arbeitszimmer schrieb der Vertreter wörtlich:

"Wenngleich eigentlich vorausgesetzt werden sollte, dass sowohl die geltend gemachten Kosten wie auch das bereits erwähnte Anlageverzeichnis Gegenstand des Steueraktes sein müssten, steht der Beschwerdeführer nicht an, diese urkundlichen Nachweise der Betriebsausgaben und eines allenfalls damit geschaffenen Betriebsvermögens vorzulegen.

Sollte die Vorlage jeder einzelnen Rechnung, wie sie im Anlageverzeichnis aufgezählt wurden, begehrt werden, wird um Mitteilung ersucht, da im Bestreben einer Überfrachtung des Aktes die diesbezüglichen Kopien noch nicht vorgelegt wurden. Es wird jedoch auf die detaillierte Aufschlüsselung der Anlagen des Jahres 2017 verwiesen.

Beweis: Betriebskosten und Werbungskosten - Aufstellung samt Anlageverzeichnis"

Die Ausführungen des Finanzamtes zum Alleinverdiener-Absetzbetrag bzw. zum Kinderfreibetrag seien zutreffend.

In einem Nachtrag zur Stellungnahme vom führte der steuerliche Vertreter an, dass im Streitjahr 2017 für 1044 Mitarbeiter lediglich 814 Arbeitsplätze zur Verfügung gestanden seien. In den Folgejahren sei der Anteil der Arbeitsplätze kontinuierlich verringert worden.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am wurde ermittelt, welche Kosten der Bf. als Werbungskosten beantragt bzw. nachgewiesen hat.

Nach Überprüfung der Unterlagen und Berichtigung der Rechenfehler (die Werbungskosten wurden doppelt summiert) ergibt sich folgendes Bild der beantragten Gesamtkosten (in Euro). Die Abweichungen zur Erklärung ergeben sich durch falsche Summierung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ADSL-Festnetz 85% der Gesamtkosten von 120,00
102,00
mobiles Internet 85% der Gesamtkosten von 166,64
141,64
Arbeitsmittel
290,03
Fachliteratur
7,40
Betriebsratsumlage
194,06
Arbeitszimmer
4.397,48
Summe
5.132,61

Die Kosten des Arbeitszimmers setzen sich aus Betriebskosten von 841,17 Euro (anteilige Versicherung, Kanal & Müll, Rauchfangkehrer, Heizmaterial und Grundsteuer) sowie der Heizungssanierung (Heizkessel) und weiterer Installationsarbeiten zusammen, deren Kosten auf 10 Jahre aufgeteilt wurden. Das Arbeitszimmer ist ein Teil eines Doppelhauses, das ursprünglich seinen Großeltern gehörte und der Bf. im Jahr 2006 von seinen Eltern erhalten hat.

Das Finanzamt gab an, dass nach seinen Unterlagen die Kosten für Arbeitsmittel, Fachliteratur und Betriebsratsumlage unstrittig beruflich veranlasst seien. Die Kosten für das Internet seien ebenfalls beruflich veranlasst, allerdings sei nach Ansicht des Finanzamtes nach den Erfahrungen des täglichen Lebens ein Privatanteil von 40% anzusetzen.

Der Bf. entgegnete, dass er aufgrund der beruflichen Befassung mit der EDV in seiner Freizeit das Internet üblicherweise kaum nutze. Das "mobile Internet" sei ein Stick, den er ausschließlich nutze, wenn er beruflich mit dem Laptop unterwegs sei. Die berufliche Notwendigkeit des Arbeitszimmers erläuternd bekräftigte er, dass er für "Online-Konferenzen" Ruhe brauche, die er auf dem ständig wechselnden Arbeitsplatz im Großraumbüro nicht habe. Zwischen ihm und seinem Vorgesetzten gäbe es eine Vereinbarung über seine Homeoffice Tage, die der Betriebsvereinbarung folge. Laut dieser seien max. 10 Homeoffice-Tage pro Monat ohne zusätzlichen Entgeltsanspruch vorgesehen, woran sich sein unmittelbarer Vorgesetzter halte. Es gäbe zwar keine explizite, sehr wohl aber eine implizite Verpflichtung zur Arbeit im Homeoffice.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Der Beschwerdeführer ist als IT Consultant bei der Firma ***F*** beschäftigt. Er betreut nach eigenen Angaben Kunden in Europa und Asien, wobei er mit diesen hautsächlich mittels Online-Konferenzen kommuniziert (Beantwortung des Ergänzungsersuchens vom ).

Strittig ist der Abzug von Kosten für ein nicht im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer iHv 4.397,48 Euro als Werbungskosten, der Privatanteil der Internet-Kosten, der Abzug des Alleinverdiener-Absetzbetrages und des Kinderfreibetrages.

Der Bf. lebt in ***Bf1-Adr*** und nutzt am Standort ***1*** ein Büro. Das Büro befindet sich in einem Haus, das in seinem Eigentum steht und in dem auch seine Eltern leben. Das Büro hat einen gesonderten Eingang (Unwidersprochene Angaben im Vorlageantrag).

Das Arbeitszimmer wird an 2 Tagen pro Woche genutzt (Vorbringen des Bf.) und die Tage mit seinem unmittelbaren Vorgesetzten abgesprochen (Angabe in der mündlichen Verhandlung). Aufzeichnungen wurden keine vorgelegt. Die Nutzung des Arbeitszimmers wird dem Bf. von seinem Dienstgeber nicht gesondert abgegolten. Der Dienstgeber stellt im Streitjahr für 1044 Mitarbeiter 814 Arbeitsplätze zur Verfügung (Vorbringen des stV vom )

Die beantragten Kosten für das Arbeitszimmer setzen sich aus Abschreibung einer Sanierung (verteilt auf 10 Jahre) iHv 3.556,31 Euro und anteiligen laufenden Betriebskosten iHv 841,17 Euro zusammen.

Die Lebensgefährtin und Mutter der Kinder des Bf. bezog im Streitjahr aktenkundig Wochengeld iHv 7.069,86 Euro und sein Sohn ***S***, für den er den strittigen Kinderfreibetrag geltend machte, kam am zur Welt. Diese Tatsachen werden vom Bf. nicht bestritten.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Rechtslage

§ 138 BAO:

(1) Auf Verlangen der Abgabenbehörde haben die Abgabepflichtigen und die diesen im § 140 gleichgestellten Personen in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht (§ 119) zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Kann ihnen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden, so genügt die Glaubhaftmachung.

(2) Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere, Schriften und Urkunden sind auf Verlangen zur Einsicht und Prüfung vorzulegen, soweit sie für den Inhalt der Anbringen von Bedeutung sind.

§ 16 EStG 1988 idF BGBl 118/2015:

(1) Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im folgenden ausdrücklich zugelassen ist. Hinsichtlich der durchlaufenden Posten ist § 4 Abs. 3 anzuwenden. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. (…)

§ 20 EStG 1988 idF BGBl 118/2015:

(1) Bei den einzelnen Einkünften dürfen nicht abgezogen werden:

1. Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge.

2. a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

b) Betrieblich oder beruflich veranlaßte Aufwendungen oder Ausgaben, die auch die Lebensführung des Steuerpflichtigen berühren, und zwar insoweit, als sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung unangemessen hoch sind. Dies gilt für Aufwendungen im Zusammenhang mit Personen- und Kombinationskraftwagen, Personenluftfahrzeugen, Sport- und Luxusbooten, Jagden, geknüpften Teppichen, Tapisserien und Antiquitäten.

c) Reisekosten, soweit sie nach § 4 Abs. 5 und § 16 Abs. 1 Z 9 nicht abzugsfähig sind.

d) Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände der Wohnung. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig.

e) Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d angeführten Betrag übersteigen.

3. (…)

§ 33 EStG 1988 idF BGBl 118/2015:

(4) Darüber hinaus stehen folgende Absetzbeträge zu:

1. Alleinverdienenden steht ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich

- bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro,

- bei zwei Kindern (§ 106 Abs. 1) 669 Euro.

Dieser Betrag erhöht sich für das dritte und jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um jeweils 220 Euro jährlich.

Alleinverdienende sind Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1), die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragene Partner sind und von ihren unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten oder eingetragenen Partnern nicht dauernd getrennt leben oder die mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer Lebensgemeinschaft leben. Für Steuerpflichtige im Sinne des § 1 Abs. 4 ist die unbeschränkte Steuerpflicht des Ehegatten oder eingetragenen Partners nicht erforderlich. Voraussetzung ist, dass der (Ehe-)Partner (§ 106 Abs. 3) Einkünfte von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt. Die nach § 3 Abs. 1 Z 4 lit. a, weiters nach § 3 Abs. 1 Z 10, 11 und 32 und auf Grund zwischenstaatlicher oder anderer völkerrechtlicher Vereinbarungen steuerfreien Einkünfte sind in diese Grenzen mit einzubeziehen. Andere steuerfreie Einkünfte sind nicht zu berücksichtigen. Der Alleinverdienerabsetzbetrag steht nur einem der (Ehe-)Partner zu. Erfüllen beide (Ehe-) Partner die Voraussetzungen im Sinne der vorstehenden Sätze, hat jener (Ehe-)Partner Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag, der die höheren Einkünfte im Sinne der Z 1 erzielt. Haben beide (Ehe-)Partner keine oder gleich hohe Einkünfte im Sinne der Z 1, steht der Absetzbetrag dem haushaltsführenden (Ehe-)Partner zu.

§ 106 EStG 1988 idF BGBl 135/2009

(1) Als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten Kinder, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner (Abs. 3) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 zusteht.

(2) Als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch Kinder, für die dem Steuerpflichtigen mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Unterhaltsabsetzbetrag nach § 33 Abs. 4 Z 3 zusteht.

(3) (Ehe-)Partner ist eine Person, mit der der Steuerpflichtige verheiratet ist oder mit mindestens einem Kind (Abs. 1) in einer Lebensgemeinschaft lebt. Einem (Ehe-)Partner ist gleichzuhalten, wer in einer Partnerschaft im Sinn des Eingetragene Partnerschaft-Gesetzes - EPG eingetragen ist.

2.2. Aufwendungen Arbeitszimmer

§ 16 EStG 1988 bestimmt, dass Werbungskosten alle Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen sind. § 20 EStG 1988 enthält Bestimmungen, durch die die Sphäre der Einkommenserzielung von der steuerlich unbeachtlichen Sphäre der Einkommensverwendung abgegrenzt werden (). Sie ergänzen die Bestimmung des § 16 EStG 1988 und versagen den Abzug von Aufwendungen, die sowohl beruflich als auch privat veranlasst sind (Jakom/Peyerl, EStG 2022, § 20 Rz 1).

Bei der Nutzung von Privatvermögen zur Einkünfteerzielung ergeben sich typischerweise derartige Abgrenzungsprobleme. Daher wurde der Bf. bereits vom Finanzamt aufgefordert, die berufliche Veranlassung des Arbeitszimmers darzulegen. Dazu hat er im Schreiben vom angegeben:

"Zu diesem Zweck nutze ich ein Büro in ***1***, wodurch sich das notwendige Pendeln nach ***3*** (Bürostandort ***F***) reduziert. Das Wegfallen der erheblichen Fahrzeiten nach ***3*** ins Büro ermöglicht es mir früher nach der Arbeit bei meiner Familie bzw. Kindern zu sein, wodurch ich auch meinen Aufgaben der Kindererziehung nachkommen kann. Weiters wird so ein wesentlicher Beitrag zur C02 Einsparung und zu den Klimazielen erreicht. Beides Ziele von gesellschaftlichem Interesse bzw. Nutzen.

Das Haus ***1*** wird ausschließlich als Büro für berufliche Zwecke genutzt.

(…)

Im Rahmen der Betriebsvereinbarung "remote working" ist mit meinem Arbeitgeber vereinbart, dass ein Teil der Arbeitsleistung im Büro in ***3*** und ein Teil im Büro in ***1*** erbracht wird. Im Durchschnitt ergeben sich 3 Tage Arbeit im Büro in ***3*** und 2 Tage Arbeit im Büro in ***1***."

Im Rahmen der Anfragebeantwortung durch den steuerlichen Vertreter vom bekräftigte dieser, dass es aufgrund fehlender Platzkapazitäten am Betriebsstandort in ***3*** (...) im Interesse des Dienstgebers gelegen sei, dass der Bf. in seinem Arbeitszimmer tätig werde. Eine gesonderte schriftliche Vereinbarung sei nicht getroffen worden und zusätzliches Entgelt nicht bezahlt worden. Überdies liege die Einsparung von CO2 im öffentlichen Interesse.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärte der Bf., dass er durch die fehlenden Platzkapazitäten bzw. der fehlenden Ruhe implizit dazu gezwungen gewesen sei, seine Haushälfte als Arbeitszimmer zu nutzen.

Nach der zur Rechtslage vor dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl 1996/201, ergangenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürfen Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer nur dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn
- nach der Tätigkeit des Steuerpflichtigen die betriebliche oder berufliche Nutzung eines Arbeitszimmers erforderlich (notwendig) ist und
- der als Arbeitszimmer bestimmte Raum tatsächlich ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich genutzt und auch dementsprechend eingerichtet ist ().

Diese aus den Abzugsverboten des § 20 Abs. 1 Z. 1 und Z. 2 lit. a EStG 1988 abgeleiteten Anforderungen an Aufwendungen für ein Arbeitszimmer wurden durch die Schaffung der Bestimmung des § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. d EStG 1988 mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl 1996/201 nicht beseitigt und bestehen neben den im § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. d EStG 1988 formulierten Voraussetzungen weiter (Nicht abzugsfähig sind: "Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände der Wohnung. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig "; , mit Hinweis auf , , und ).

Dies gilt auch für einen außerhalb des Wohnungsverbandes gelegenen Arbeitsraum (VwGH , ).

Das Abstellen auf die Notwendigkeit ist dabei die Prüfung der beruflichen Veranlassung und nimmt im Wesentlichen zwei kumulative Ausprägungen an: Einerseits unter dem Gesichtspunkt der
- Auslastung des verwendeten Raumes und andererseits im Hinblick auf die Frage,
- ob dem Steuerpflichtigen nicht schon an seiner Dienststelle ein geeigneter Arbeitsplatz zur Verfügung steht (; vgl. dazu mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung Doralt/Kofler, EStG § 20 Tz 104/9), wobei das Fehlen eines geeigneten Arbeitsplatzes an der Dienststelle nicht eine rechtliche Voraussetzung, sondern nur ein Indiz für die berufliche Veranlassung des Aufwandes ist.

Der Bf. begründet die Notwendigkeit damit, dass am Betriebsstandort rechnerisch weniger Arbeitsplätze vorhanden sind als Mitarbeiter und dass er an der Dienststelle Online-Konferenzen nicht in Ruhe abhalten könne. Außerdem räumt er ein, dass er bei Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers durch Wegfall der weiten Anreise mehr Zeit mit den Kindern verbringen könne und CO2 einspare.

Die Zeit mit den Kindern ist eindeutig der Privatsphäre zuzuordnen: Bei Nutzung eines Arbeitszimmers, um die Betreuung eines Kindes zu ermöglichen, entfällt nach Ansicht des VwGH die Notwendigkeit (, ). Die Einsparung an CO2 ist aus Umweltschutzgründen begrüßenswert, hat aber nichts mit der beruflichen Notwendigkeit zu tun.

Aus Sicht der Auslastung des Arbeitszimmers hat der Bf. ausdrücklich erklärt, dass er das Zimmer an 2 Tagen pro Woche nutzt. Sein Arbeitgeber erlaubt nicht mehr als 10 Homeofficetage pro Monat, da er laut Betriebsvereinbarung ab 11 Homeofficetagen eine Entschädigung zu leisten hat. Der Umstand, dass der Arbeitgeber dem Bf. die Kosten für das Arbeitszimmer nicht im Rahmen der betrieblich vorgesehenen Remote-Vereinbarung gesondert abgelten will, indiziert gleichzeitig, dass es für den Arbeitgeber nicht unbedingt notwendig ist, dass der Bf. von zuhause aus arbeitet.

Die Möglichkeit der Benutzung eines jederzeit zugänglichen Arbeitszimmers beim Arbeitgeber steht der Notwendigkeit eines häuslichen Arbeitszimmers entgegen ( unter Hinweis auf Hofstätter/Reichel, EStG 1988, § 20 Tz 6.1; Doralt/Kofler, EStG11, § 20 Tz 104/9; Krafft in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG 12. GL § 20 Anm 37; Jakom/Baldauf EStG, 2015, § 20 Tz 42; sowie ).

Dem Bf. steht an seiner Dienststelle grundsätzlich täglich ein Arbeitsplatz zur Verfügung. Soweit der Bf. vorbringt, dass Online-Konferenzen besser in Ruhe abgehalten werden können, so mag das zwar stimmen, jedoch ist es in der Arbeitswelt Realität, dass auch in Großraumbüros telefoniert wird oder Skype-Konferenzen abhalten werden. Für die rechtliche Beurteilung macht es keinen Unterschied, ob es sich beim vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsplatz um ein fix zugeteiltes Zimmer oder einen wechselnden Arbeitsplatz handelt (vgl. zur Art des Arbeitsplatzes zB ). Für eine Optimierung der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitnehmer besteht aus steuerlicher Sicht keine Notwendigkeit iSd Rechsprechung des VwGH.

Prüft man berufliche Veranlassung nach den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Notwendigkeit (vgl. Ra 20106/13/0028), so ergibt sich, dass die Arbeitsleistung überwiegend nicht im Arbeitsraum erbracht wird (die Nutzung erfolgt an 2 von 5 Arbeitstagen in der Woche) und dass dem Bf. an seiner Dienststelle ein geeigneter Arbeitsplatz zur Verfügung steht (auch wenn der Bf. darlegt, dass das Arbeiten im privaten Arbeitsraum besser möglich sei). Stattdessen überwiegen die der Privatsphäre zuzuordnenden Vorteile des Arbeitszimmers: Die privaten Lebensumstände des Bf. werden dadurch gefördert, dass er seine Eltern besuchen bzw. seine Familie länger sehen kann und sich an den Tagen Fahrtzeit und -kosten spart.

Da sich das Arbeitszimmer für die Berufsausübung des Bf. als nicht notwendig erweist, weil es nur an zwei Tagen pro Woche genutzt wird und dem Bf. am Betriebsstandort ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht, ist ein Abzug als Werbungskosten nicht möglich. Damit erübrigt sich auch ein genaues Auseinandersetzen mit den geltend gemachten Kosten.

2.3. Weitere Werbungskosten

Neben den Aufwendungen für das Arbeitszimmer sind dem Bf. im Streitjahr Kosten für einen ADSL-Festnetz-Anschluss iHv 120,00 Euro und für mobiles Internet iHv 166,64 Euro erwachsen.

Bei Aufwendungen für Telefon oder Internet ist in der Regel eine klare Unterscheidung zwischen beruflicher und privater Verwendung nicht möglich (vgl zB ). Die Aufteilung der Kosten in einen beruflichen und privaten Teil ist nicht rechtswidrig (, u.w.m.). Die Vorgangsweise, einen anzunehmenden Privatanteil durch griffweise Schätzung zu ermitteln, hat der Verwaltungsgerichtshof vom Grundsätzlichen her in seinem Erkenntnis vom , 94/13/0203 als an sich unbedenklich angesehen (vgl auch ).
Soweit das Finanzamt aufgrund der Erfahrungen bei anderen Abgabepflichtigen griffweise einen Privatanteil von 40% angesetzt hat, ist dies nicht zu beanstanden. Der Bf. konnte dem mangels Unterlagen nur durch den Hinweis, dass er seine Freizeit lieber mit den Kindern verbringt, entgegentreten. Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent (vgl zB ). Da die Angaben des Bf. nicht überprüfbar sind, erscheint es geboten, der Praxis des Finanzamtes entsprechend, auch im Beschwerdefall einen Privatanteil von 40% anzunehmen. Als Werbungskosten für Internetnutzung sind daher 60% der angefallenen Kosten anzusetzen.

Die berufliche Veranlassung von Kosten für Arbeitsmittel (290,03 Euro), Fachliteratur (7,40 Euro) und die Betriebsratsumlage (194,06 Euro) wird auch vom Finanzamt nicht bestritten. Die Kosten können daher in voller Höhe in Abzug gebracht werden.

2.4. Alleinverdienerabsetzbetrag

Alleinverdienende iSd § 33 Abs 4 EStG 1988 sind Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1), die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer Lebensgemeinschaft leben. Voraussetzung ist, dass der
(Ehe-)Partner (§ 106 Abs. 3) Einkünfte von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt.

Da die Lebensgefährtin und Mutter der Kinder des Bf. im Streitjahr 2017 unstrittig Einkünfte von mehr als 6.000 Euro erzielt hat, ist der Abzug des Alleinverdienerabsetzbetrages beim Bf. ausgeschlossen.

2.5. Kinderfreibetrag

Gem. § 106a EStG steht der Kinderfreibetrag nur für Kinder iSd § 106 EStG 1988 zu. Als Kind iSd Bestimmung gilt ein Kind, für das dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 zusteht.

Da der Sohn des Bf. am zur Welt kam, konnte der Kinderabsetzbetrag rein rechnerisch nicht für 6 Monate zustehen. Der Abzug des Kinderfreibetrages für den Sohn ***S*** ist daher ausgeschlossen.

2.6. Zusammenfassung

Der Abzug von Kosten für das Arbeitszimmer scheidet aus, weil das Arbeitszimmer für die Berufsausübung nicht notwendig ist (vgl hier 2.2.). Als weitere Werbungskosten sind insgesamt 663, 47 Euro abzugsfähig (statt der tatsächlich belegten übrigen Werbungskosten von 735,132 Euro bzw. der im angefochtenen Bescheid irrtümlich zu hoch angesetzten Kosten von 1.026,77 Euro; vgl. hier 2.3.). Die abzugsfähigen Werbungskosten setzen sich wie folgt zusammen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ADSL-Festnetz 60% der Gesamtkosten von 120,00
72,00
mobiles Internet 60% der Gesamtkosten von 166,64
99,98
Arbeitsmittel
290,03
Fachliteratur
7,40
Betriebsratsumlage
194,06
Summe
663,47

Der Alleinverdiener-Absetzbetrag kann wegen Überschreitens der Zuverdienstgrenze nicht abgezogen werden, der Kinderfreibetrag kommt nur für ein Kind zum Ansatz, weil für den Sohn ***S*** der Kinderabsetzbetrag nicht für 6 Monate zustand.

Die Berechnung der Steuer ist dem Berechnungsblatt zu entnehmen.

2.7. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103540.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at