Beibehaltung eines Wohnsitzes/gewöhnlichen Aufenthaltes iSd § 26 BAO im Elternhaus in Kärnten im Rahmen eines fast vierjährigen Forschungsaufenthalts an einer Universität in den USA? Unbeschränkte/beschränkte Steuerpflicht?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Martin C. WITTMANN in der Beschwerdesache Dr.rer.nat ***Bf1***, vertreten durch Mag. Christof Singer, Steuerberater, Bahnhofstraße 8, 9500 Villach, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom , Steuernummer ***3***, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Am erließ das Finanzamt einen ESt-Bescheid für das Jahr 2016 (Arbeitnehmerveranlagung, ANV) und begründete diesen damit, dass die Einkünfte der Beschwerdeführerin (im Folgenden Bf) gem DBA-USA in Österreich voll versteuert worden seien und die ausländische Steuer angerechnet worden sei. Als Zustelladresse verwendete die belangte Behörde die zum damaligen Zeitpunkt aufrechte Adresse des Hauptwohnsitzes der Bf in ***5***.
Mit Schriftsatz vom erhob die Bf Beschwerde und führte begründend aus, dass sie die Möglichkeit erhalten habe, im Zeitraum vom bis an der ***31*** (im Folgenden JHU) in Baltimore, USA, im Bereich der Forschung tätig zu werden. Die vorerst zeitlich begrenzte Beschäftigung sei im Jahr 2016 unbefristet verlängert worden. Nachdem die Bf im März 2016 ein Jobangebot der ***4*** Wien (im Folgenden Meduni) erhalten habe, sei sie auf eigenen Wunsch Ende Mai 2016 nach Österreich zurückgekehrt. Von einer regelmäßigen Heimkehr nach Österreich während ihres USA-Aufenthalts könne aufgrund der Entfernung und der Vollzeitbeschäftigung keinesfalls ausgegangen werden. Die Bf sei bis zum Zeitpunkt der Übersiedelung in die USA polizeilich in Wien gemeldet gewesen. Um weiterhin Post, etc empfangen zu können, habe Sie einen Wohnsitz bei Ihren Eltern in Kärnten angemeldet. Die Eintragung im Melderegister (im Folgenden ZMR) habe in diesem Fall nur Indizwirkung. Ein Wohnsitz im steuerrechtlichen Sinne setze voraus, dass er dem Steuerpflichtigen ein seinen Bedürfnissen angemessenes Wohnen regelmäßig ermögliche. Der Steuerpflichtige müsse die Wohnung unter objektiv erkennbaren Umständen innehaben, also für den eigenen Wohnbedarf tatsächlich nützen können (Verweis auf ). Da es sich um das Elternhaus handle, könne nicht davon ausgegangen werden, dass dieses der vermeintlich Steuerpflichtigen für die eigenen Zwecke uneingeschränkt zur Verfügung gestanden sei. Mangels Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt sowie inländischen Einkünften sei die Bf in den Monaten Jänner bis Mai 2016 in Österreich nicht steuerpflichtig gewesen. Trete ein beschränkt/nicht Steuerpflichtiger während des Kalenderjahres in die unbeschränkte Steuerpflicht ein (und umgekehrt), seien zwei Steuerabschnitte gegeben (Verweis auf ). Grundsätzlich beginne die Steuerpflicht gem § 1 Abs 2 EStG mit der Begründung eines Wohnsitzes - iSd obigen Ausführungen - oder des gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte die belangte Behörde ihren Bescheid vom ab und anerkannte die begehrten Umzugskosten iHv 403,98 Euro steuermindernd. Betreffend der Frage der strittigen unbeschränkten Steuerpflicht der Bf für das gesamte Jahr 2016 führte das Finanzamt aus, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen nach Auffassung der belangten Behörde jedenfalls in Österreich liege. Die Bf habe seit dem Kalenderjahr 1984 in ***5***, ihren Hauptwohnsitz und diesen bis beibehalten, auch als sie in der Zeit vom bis in Wien einen Nebenwohnsitz gehabt habe. Bis zum Kalenderjahr 2000 sei dies der einzige Wohnsitz in Österreich gewesen. Es könne davon ausgegangen werden, dass die Bf auch während ihres USA-Aufenthaltes befugt Zutritt zu ihrem Elternhaus gehabt habe und es sei auch nicht nachvollziehbar, warum sich an dieser Situation etwas geändert haben sollte. Die sog "polizeiliche Meldung" laut ZMR sei zwar weder eine notwendige Voraussetzung noch ein hinreichender Beweis für die Innehabung einer Wohnung, welche auf ein Beibehalten und Benutzen der Wohnung schließen ließen, sei aber ein Indiz für das Erfüllen des Tatbestandes für einen Wohnsitz gem § 26 Abs 1 BAO. Die Erfüllung des Tatbestandes für einen Wohnsitz gem § 26 Abs 1 BAO führe hier in Kombination mit nachfolgend angeführten Elementen zur getroffenen Entscheidung. Die Bf sei laut Dachverband der Sozialversicherungsträger in der österreichischen Pensionsversicherung weiterversichert gewesen; habe auch in der Zeit ihres Aufenthaltes in den USA ein inländisches Bankkonto besessen; das Visum sei für den Zeitraum der Forschungstätigkeit ausgestellt worden; die Bf sei durchgängig in Österreich mit ihrem Hauptwohnsitz gemeldet gewesen (Wohnort ihrer Eltern), was sehr wohl auf eine Heimatverbundenheit hindeute. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen sei durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln. Entscheidend sei letztendlich, welcher Vertragsstaat für die Person der bedeutungsvollere sei. Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen sei regelmäßig auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen. Eine zusammenfassende Wertung aller im vorliegenden Fall gegebenen Umstände ergebe, dass im Zeitraum 2012 bis 2016 Österreich jedenfalls der bedeutungsvollere Staat und damit der Mittelpunkt der Lebensinteressen gewesen sei.
Am stellte die Bf den Antrag, die Beschwerde dem BFG vorzulegen und begründete dies damit, dass es in Österreich während des Aufenthaltes in den USA keinerlei wesentliche private oder wirtschaftliche Interessen gegeben habe, die auf das Vorliegen eines Mittelpunktes der Lebensinteressen schließen ließen. Es habe keine aufrechte Ehe bestanden. Die Bf habe keine Kinder, es habe keinen Lebensgefährten und keinen Telefonvertrag gegeben. Sie habe keine Wohnung gehabt, über die sie die Verfügungsmacht gehabt haben könnte. Es habe keinen aufrechten Mietvertrag gegeben. Lediglich das österreichische Bankkonto sei beim Wegzug in die USA nicht gekündigt worden, da das anfangs erhaltene ***12***-Stipendium auf das österreichische Bankkonto überwiesen worden sei. Die Pensionsversicherungsbeiträge seien in Österreich rückerstattet worden. Die Tatsache, dass sie an der Adresse ihres Elternhauses seit 1984 gemeldet gewesen sei, deute vielmehr darauf hin, dass sie sich nicht bewusst gewesen sei, dass eine Wohnsitzmeldung vorzunehmen gewesen sei. Keinesfalls könne aufgrund dieser polizeilichen Meldung darauf geschlossen werden, dass sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen dort begründet habe. Dies sei auch aufgrund der Tatsache denkunmöglich, dass die Bf ihr Studium in Wien absolviert habe und keinerlei berufliche Möglichkeiten in ihrem Forschungsbereich in Kärnten angeboten würden. Selbstverständlich habe die Bf während ihrer Aufenthalte in Österreich (jeweils 2 Wochen zu Weihnachten; 1,5 Wochen im Sommer) Zutritt zum Elternhaus gehabt, was jedoch keinesfalls das Vorliegen eines Wohnsitzes gem § 26 Abs 1 BAO begründe. Sie verfüge im Elternhaus weder über abgetrennte Räumlichkeiten oder sonstige Einrichtungen (eigenes Bad, Küche, etc), die auf das Vorliegen eines Wohnsitzes schließen lassen könnten. Sie zahle bei ihren Eltern keine Miete, habe keinen eigenen Stromzähler, kein Türschild, keinen getrennten Eingang, etc. Es handle sich um ein Einfamilienhaus im engeren Sinne. Das ehemalige Kinderzimmer im Elternhaus der Bf werde seit vielen Jahren von ihrem jüngeren Bruder (eines von 5 Geschwistern der Bf) bewohnt. Bei ihren Besuchen schlafe sie für gewöhnlich auf dem Sofa. Bei Auslandsaufenthalten über zwei Jahren sei bei Nichtvorliegen eines befristeten Dienstverhältnisses jedenfalls davon auszugehen, dass eine Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen vorliege. Insb dann, wenn sämtliche anderen Umstände darauf schließen ließen, dass die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ebenfalls für eine Verlagerung des Lebensmittelpunktes sprächen. Der Ansicht folge auch die st Rsp des VwGH: "Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln, wobei entscheidend ist, welcher Vertragsstaat für eine Person der bedeutungsvollere ist" (Verweis auf ; , Ra 2016/15/0057). Es werde um entsprechende Aufhebung des ESt-Bescheides, sowie der Beschwerdevorentscheidung vom und anschließender Veranlagung des Zeitraumes 06-12/2016 unter Ausschluss der ausländischen Einkünfte ersucht.
Im Vorlagebericht vom hielt die belangte Behörde der Bf entgegen, dass deren Behauptung, wonach die vorerst zeitlich befristete Beschäftigung in den USA im Jahr 2016 unbefristet verlängert worden sei, jeder Grundlage entbehre. Vielmehr stelle sich der Sachverhalt anhand der vorliegenden Unterlagen wie folgt dar: Die Bf habe im Zeitraum bis für ihre Forschungstätigkeiten an der JHU in Baltimore vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) ein (steuerfreies) ***7***-Auslandsstipendium mit Rückkehrphase erhalten. Dieses Stipendium sowie die Refundierung der Kosten für eine freiwillige Pensionsversicherung in dieser Zeit seien der Bf auf ein österreichisches Bankkonto ausgezahlt worden. Im Anschluss daran sei ihre Forschungstätigkeit an der JHU wiederholt bis zum verlängert worden (s Schreiben der JHU vom , , und ). Für die Tätigkeit in dieser Zeit habe sie ein Stipendium von der American ***36*** Society erhalten. Danach sei sie nach Österreich zurückgekehrt, um im Rahmen der geförderten Rückkehrphase aus dem ***12***-Stipendium an der Meduni, an der sie bereits vor ihrer Forschungstätigkeit in den USA beschäftigt gewesen sei, ihre Arbeit aufzunehmen. Für den Aufenthalt in den USA sei der Bf ein J1-Visum (Nichteinwanderungsvisum für Teilnehmer an Austauschprogrammen - Professoren, Gelehrte, Lehrer - s https://at.usembassy.gov/de/visas-de/niv) ausgestellt bzw mehrmals verlängert worden. In der Zeit ihres USA-Aufenthaltes sei die Bf von bis und von bis in Österreich pensionsversichert (Weiterversicherung laut SV-Datenauszug) gewesen. Ab sei die Bf im Rahmen ihres Angestelltenverhältnisses zur Meduni sozialversichert gewesen. Das Finanzamt sei der Ansicht, dass die Bf aufgrund dieses Sachverhalts - insb aufgrund des befristeten Aufenthalts in den USA sowie der anschließenden geplanten Rückkehr nach Österreich - den Mittelpunkt der Lebensinteressen im gesamtem Zeitraum in Österreich beibehalten habe.
Mit Vorhalt vom forderte das BFG die stV der Bf auf, Nachweise, Belege, Pläne, Grundrisse des Elternhauses in Kärnten etc, vorzulegen.
Die Bf beantwortete diesen Vorhalt mit Schreiben vom .
Das BFG übermittelte die Vorhaltsbeantwortung der Bf vom am dem Finanzamt zur Stellungnahme, welche es mit Schriftsatz vom abgab. Für das Vorliegen eines Wohnsitzes iSd § 26 Abs 1 BAO sei die tatsächliche Gestaltung der Dinge maßgebend. Um einen Wohnsitz zu begründen, bedürfe es der tatsächlichen Verfügungsmacht über bestimmte Räumlichkeiten, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind. Auch Untermietzimmer könnten sogar eine Wohnung und damit einen Wohnsitz gem § 26 Abs 1 BAO darstellen (Verweis auf ). Da ein Mensch mehrere Wohnungen haben könne, seien gleichzeitig auch mehre Wohnsitze möglich. Auch ein Zimmer in der elterlichen Wohnung, über das über einen längeren Zeitraum ausschließlich der Steuerpflichtige verfügen könne, stelle einen Wohnsitz dar (Verweis auf ). Aus der Vorhaltsbeantwortung der Bf vom iVm den übermittelten Gebäudegrundrissen gehe für die belangte Behörde unzweifelhaft hervor, dass der Bf im Jahr 2016 in ihrem Elternhaus Räumlichkeiten zur Verfügung gestanden seien, die sie jederzeit für den eigenen Wohnbedarf benutzen habe können. Sie habe daher in Österreich einen Wohnsitz gehabt und sei somit das gesamte Jahr 2016 im Inland unbeschränkt steuerpflichtig gewesen. Zur Ansässigkeit bzw zum Mittelpunkt der Lebensinteressen iSd Art 4 Abs 1 lit a DBA-USA führte das Finanzamt aus, dass eine zusammenfassende Wertung erforderlich sei; es zähle das Gesamtbild der Lebensverhältnisse (Verweis auf ). Entscheidend sei letztlich, welcher Vertragsstaat für die Person der bedeutungsvollere sei (Verweis auf , mwN). Im ggst Fall sprächen folgende Kriterien für eine durchgehende Ansässigkeit der Bf in Österreich: 2016 Rückkehrer-Stelle im Inland aufgrund des ***12***-Auslandsstipendiums; laut Versicherungsdatenauszug sei die Bf von - sowie von - in der gesetzlichen Pensionsversicherung freiwillig (weiter-)versichert gewesen; mehrere Schreiben der JHU (, 11.5., 15.7., 14.9. und ) belegten, dass der Aufenthalt der Bf (inkl J1-Visum) als Gastwissenschafterin wiederholt befristet verlängert worden sei; Beibehaltung des österreichischen Bankkontos; nur die notwendigsten Dinge habe die Bf in die USA mitgenommen, andere Wertgegenstände seien im Elternhaus in Kärnten verblieben; Lebensgefährte in Wien während USA-Aufenthalt. Aus den von der Bf übermittelten Unterlagen ergäbe sich, dass die Bf im Jahr 2016 in den USA Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit iHv 18.757,70 Dollar bezogen habe, die in den USA der Besteuerung unterzogen worden seien. Da die Bf im Streitjahr in Österreich ansässig gewesen sei, seien diese Einkünfte gem Art 15 iVm Art 22 DBA-USA in Österreich der Besteuerung zu unterwerfen und die in den USA für die Einkünfte bezahlte Steuer anzurechnen.
Mit Schreiben vom replizierte die Bf auf die Stellungnahme des Finanzamtes vom insb, dass die Bf zu keinem Zeitpunkt angegeben habe, dass es sich bei einem Kinderzimmer, das die Bf im Elternhaus benutzen habe können, um ein Zimmer handle, das ihr allein zur Verfügung stehe, in dem sie ihre persönlichen Sachen aufbewahren könne und das sie ggf auch verschließen habe können. Vielmehr habe sie bei ihren Aufenthalten jenes Zimmer der verfügbaren Zimmer bewohnt, welches gerade frei gewesen bzw nicht von ihren Geschwistern verwendet worden sei.
Strittig ist in casu, ob die Bf ihren Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich durch den Forschungsaufenthalt in den USA von bis aufgegeben hat und somit im Streitjahr 2016 (bis zum ) in Österreich der beschränkten oder unbeschränkten Steuerpflicht unterlag.
II. Über die Beschwerde wurde erwogen:
1. Sachverhalt
Die Bf ist mit ihrem Studienbeginn in Wien im Jahr 2000 aus dem Elternhaus in Kärnten ausgezogen und hat somit ihren Wohnsitz iSd Abgabenvorschriften dort, wo sie eine Wohnung innehat uU, die darauf schließen lassen, dass sie diese beibehalten und benutzen wird, in Kärnten aufgegeben und diesen in Wien begründet. Zu ihrem Elternhaus kehrte sie zu besonderen Anlässen wie Weihnachten, Ostern, Geburtstagen bzw teilweise während der Universitätsferien zurück. Seither hat sie keinen Wohnsitz iSd § 26 Abs 1 BAO mehr in ihrem Elternhaus in Kärnten innegehabt.
Die Bf (Jahrgang 1981) war im Streitjahr 2016 österreichische Staatsbürgerin, nicht verheiratet und hatte seit 2013, also während ihrer Zeit in den USA einen Lebensgefährten, der jedoch in Wien wohnte. Diese Beziehung blieb auch bei ihrer Rückkehr nach Österreich im Jahr 2016 aufrecht und sie zog mit ihm am ins EU-Ausland. Sie hatte im Beobachtungszeitraum keine Kinder. Ihre Eltern sowie ihre 5 Geschwister (3 Brüder, 2 Schwestern, geboren ***33*** sowie ***34***) lebten und leben nach wie vor in Österreich.
Die Bf begründete mit Beginn ihres USA-Aufenthaltes einen Wohnsitz zur Dienst- bzw Forschungsverrichtung. Das Elternhaus in Kärnten wurde von ihr lediglich während ihrer Österreich-Besuche von Herbst 2012 bis Mai 2016 jeweils zu Weihnachten bzw im Sommer für je höchstens zwei Wochen am Stück genutzt.
Bei den Kärnten-Besuchen in ihrem Elternhaus während ihres USA-Forschungsaufenthaltes benutzte sie jenes der verfügbaren Zimmer zum Übernachten, welches gerade frei war und nicht von ihren Geschwistern verwendet wurde, bzw schlief auf dem Sofa.
Weder hatte sie in der Zeit während ihres Auslandsaufenthaltes einen aufrechten Mietvertrag noch besaß sie eine Wohnung im Eigentum in Österreich.
In den USA bewohnte die Bf eine 2-Zimmer-Wohnung mit ca 50 m².
Von bis wurde der Forschungsaufenthalt der Bf in den USA durch ein (steuerfreies) ***7***-Auslandsstipendium des FWF gefördert. Danach hat sie ein Stipendium der American ***36*** Society für 1 Jahr erhalten. Von 2015 bis zum Ende ihres USA-Aufenthaltes erzielte die Bf Einkünfte aus Forschungsgeldern der NIH, einer Behörde des US-Gesundheitsministeriums. Sowohl das Stipendium als auch die Forschungsgelder der NIH wurden von den Vorgesetzten der Bf an der JHU, nämlich von Prof. ***19*** und von Prof. ***20*** eingeworben.
Ende Mai 2016 kehrte die Bf nach Österreich zurück. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Bf bereits eine Fixzusage, dass Prof. ***29*** Grants des National Institute of Allergy and Infectious Diseases bzw Training Grants in Environmental Health Sciences für eine längerfristige Anstellung der Bf in den USA in Anspruch nehmen konnte. Des Weiteren wäre eine Weiteranstellung sowie Fortführung der wissenschaftlichen Karriere der Bf am Department of Environmental Health and Engineering der JHU bzw einer Selbstfinanzierung durch Einreichung eines eigenen "R01-Projektes" (Grant des NIH) möglich gewesen.
Am nahm die Bf das Beschäftigungsverhältnis zum österreichischen Arbeitgeber (Meduni) wieder auf.
2. Beweiswürdigung
Beweis wurde erhoben insb durch Einsichtnahme in den Beschwerdeakt, die österreichische und die US-Steuererklärung, den Versicherungsdatenauszug, das öffentliche Grundbuch, das ZMR sowie in die von der Bf im Rahmen der Vorhaltsbeantwortungen vom , , , , , sowie vom übermittelten Unterlagen.
Ein wesentlicher Teil der den Sachverhaltsfeststellungen zugrunde liegenden Dokumente wurde von der Bf selbst vorgelegt.
Die Daten zur Sozialversicherung ergeben sich aus dem Versicherungsdatenauszug und sind somit erwiesen. Die Feststellungen, dass, wann und wo die Bf Wohnsitze innehatte, beruhen auf den diesbzgl Vorbringen und sind unstrittig. Die Meldedaten, insb der Umstand der Hauptwohnsitzmeldung in Österreich, stammen aus dem ZMR.
Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Bf ihre Eltern regelmäßig besucht hat und bei ihnen jenes Zimmer bzw jene Schlafgelegenheit - insb wenn alle ihre 5 Geschwister (später auch samt Partnern und deren Kindern) gleichzeitig anwesend waren - benutzt hat, die gerade frei waren, weswegen sie weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt iSd § 26 BAO begründet hat. Nachvollziehbar ist auch angesichts der Unkenntnis der steuerlichen Vorschriften, dass sie ihren melderechtlichen Hauptwohnsitz im Elternhaus in Kärnten bis 2018 nie umgemeldet hat.
In Entsprechung der Norm des § 167 Abs 2 BAO hat das BFG unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Hiebei genügt gem st höchstgerichtlicher Jud, wenn von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen ist, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle andere Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl Ritz/Koran, BAO7, 2021, § 167, Rz 8, und die dort zitierte VwGH-Jud).
Das BFG muss den Bestand einer Tatsache aber auch nicht im "naturwissenschaftlich-mathematisch exakten Sinn" nachweisen (vgl nur ).
3. Rechtslage
Das Bundesgesetz vom über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl 1988/400 idF BGBl I 2009/26, lautet auszugsweise:
"1. TEIL
PERSÖNLICHE STEUERPFLICHT
§ 1.
(1)Einkommensteuerpflichtig sind nur natürliche Personen.
(2)Unbeschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.
(3)Beschränkt steuerpflichtig sind jene natürlichen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nur auf die im §98 aufgezählten Einkünfte.
[…]
4. TEIL
VERANLAGUNG
Allgemeine Veranlagung und Veranlagungszeitraum
§ 39.
(1)Die Einkommensteuer wird nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraumes) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Hat der Steuerpflichtige lohnsteuerpflichtige Einkünfte bezogen, so erfolgt eine Veranlagung nur, wenn die Voraussetzungen des §41 vorliegen. Sind im Einkommen Einkünfte aus Kapitalvermögen enthalten, so bleiben Überschüsse aus dieser Einkunftsart außer Ansatz, wenn sie 22Euro nicht übersteigen.
(2)Hat die Steuerpflicht nicht während des vollen Veranlagungszeitraumes bestanden, so wird das während der Dauer der Steuerpflicht bezogene Einkommen zugrunde gelegt. Bei Wegfall der Steuerpflicht kann die Veranlagung sofort vorgenommen werden.
[…]"
Das Bundesgesetz über allgemeine Bestimmungen und das Verfahren für die von den Abgabenbehörden des Bundes, der Länder und Gemeinden verwalteten Abgaben (Bundesabgabenordnung - BAO), BGBl 1961/194 idF BGBl 1988/412, lautet auszugsweise:
"6. Wohnsitz, Aufenthalt, Sitz.
§ 26.
(1) Einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften hat jemand dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.
(2) Den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinn der Abgabenvorschriften hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Wenn Abgabenvorschriften die unbeschränkte Abgabepflicht an den gewöhnlichen Aufenthalt knüpfen, tritt diese jedoch stets dann ein, wenn der Aufenthalt im Inland länger als sechs Monate dauert. In diesem Fall erstreckt sich die Abgabepflicht auch auf die ersten sechs Monate. Das Bundesministerium für Finanzen ist ermächtigt, von der Anwendung dieser Bestimmung bei Personen abzusehen, deren Aufenthalt im Inland nicht mehr als ein Jahr beträgt, wenn diese im Inland weder ein Gewerbe betreiben noch einen anderen Beruf ausüben."
4. Rechtliche Beurteilung
4.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) entfalten bloß eine Schrankenwirkung insofern, als sie eine sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen. Ob Steuerpflicht besteht, ist also zunächst stets nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen. Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein DBA eingeschränkt wird (vgl jüngst , mwN). Die Frage, ob eine Person in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig ist, richtet sich nicht nach DBA, sondern ausschließlich nach den inländischen steuerrechtlichen Vorschriften (vgl , mwN).
Es ist sohin zunächstnach innerstaatlichem Recht zu prüfen, ob im hier vorliegenden Fall unbeschränkte Steuerpflicht für das gesamte Streitjahr 2016 besteht, ob also die Bf - dass sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hätte, wird auch von der belangten Behörde nicht angenommen - im Streitzeitraum einen Wohnsitz in Österreich hatte.
"Sache" des ESt-Verfahrens ist die Festsetzung der ESt für ein bestimmtes Jahr, ohne, dass das BFG an den vom Finanzamt herangezogenen Tatsachenkomplex gebunden wäre (). Ist - wie im Beschwerdefall - die Frage der Einstufung als unbeschränkt steuerpflichtig ungewiss oder strittig, so ist das BFG berechtigt, seine Anschauung an Stelle jener des Finanzamtes zu setzen ().
Gem § 1 Abs 2 EStG sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte. Der Steuersatz bemisst sich nach dem (Gesamt-)Einkommen, worin innerstaatlich der Progressionsvorbehalt seine Rechtsgrundlage findet (vgl und , 2010/15/0021, mwN).
Die ESt wird gem § 39 Abs 1 EStG nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraumes) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Hat der Steuerpflichtige lohnsteuerpflichtige Einkünfte bezogen, so erfolgt eine Veranlagung, wenn die Voraussetzungen des § 42 leg cit vorliegen. Hat die Steuerpflicht nicht während des vollen Veranlagungszeitraumes bestanden, so wird gem § 39 Abs 2 EStG das während der Dauer der Steuerpflicht bezogene Einkommen zugrunde gelegt. Unter Steuerpflicht iSd § 39 Abs 2 EStG ist die unbeschränkte Steuerpflicht zu verstehen. Verlegt ein Steuerpflichtiger seinen Wohnsitz während eines Kalenderjahres ins Inland und wird dadurch unbeschränkt steuerpflichtig, so müssen für den Zeitraum der beschränkten Steuerpflicht und für den der unbeschränkten Steuerpflicht zwei getrennte Veranlagungen durchgeführt werden (vgl , Marschner in Jakom, EStG16, 2023, § 1, Rz 8 mwN).
Das EStG enthält keine Definition des Begriffes "Wohnsitz", weshalb für dessen Auslegung § 26 BAO maßgebend ist. Eine Person hat einen Wohnsitz iSd Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung uU innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Kumulativ vorliegen müssen somit die Voraussetzungen "Wohnung", "Innehabung derselben" sowie "Beibehaltung und Benutzung". Maßgeblich ist nach Lehre und st Rsp nicht die rechtliche, sondern die tatsächliche Gestaltung der Dinge, entscheidend ist die tatsächliche Verfügungsmacht (, mwN; Ritz/Koran, BAO7, 2021, § 26, Rz 4). Abzustellen ist stets auf das Gesamtbild und die Erfüllung des Gesamttatbestandes mit all den angeführten (beweglichen) Tatbestandselementen (zB ; , RV/1667-L/02; Stoll, BAO-Kommentar, S 333). Die Wohnung muss eingerichtet sein (vgl zB ; Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG13, § 1, Tz 10; Ritz/Koran, BAO7, 2021, § 26, Rz 1 ff). Eine Wohnung iSd § 26 Abs 1 BAO sind Räumlichkeiten, die nach der Verkehrsauffassung zum Wohnen geeignet sind, also ohne wesentliche Änderung jederzeit zum Wohnen benützt werden können und ihrem Inhaber nach Größe und Ausstattung ein dessen Verhältnissen entsprechendes Heim bieten (vgl aus der st Rsp ; , 2011/15/0133, mwN). Steuerrechtlich ist somit das Bestehen eines Wohnsitzes stets an die objektive Voraussetzung der Innehabung einer Wohnung geknüpft. Innehaben bedeutet, über eine Wohnung tatsächlich und/oder rechtlich verfügen zu können, sie also jederzeit ohne Einholung der Zustimmung einer anderen Person für den eigenen Wohnbedarf benützen zu können (vgl nur ). Es fehlt an der erforderlichen Bestimmtheit der Räumlichkeiten, wenn dem Steuerpflichtigen unterschiedliche, nämlich die jeweils gerade freistehenden Räumlichkeiten zur Benutzung zur Verfügung stehen (). Der Steuerpflichtige muss rechtlich und/oder tatsächlich die Möglichkeit haben, nach seinem Willen die Zeit der Eigennutzung in determinierten Räumen zu bestimmen. Die bloße Verfügungsmacht über eine Wohnung im Sinne einer Schlüsselgewalt - dh dass Dritte vom Betreten der Wohnstätte ausgeschlossen werden können - und jederzeitigen tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit genügt noch nicht, einen Wohnsitz iSd § 26 Abs 1 BAO zu begründen ().
Das Innehaben einer Wohnung "unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen" wird, drückt ua ein Zeitmoment aus, das sich auf die in Betracht kommende Wohnsitzbegründung bezieht (Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG13, § 1, Tz 11/1 mwN; RV/0090-I/11). Konkret hat der VwGH im Erk vom , 310/69, die tatsächliche Benutzung von vier Wochen (in 2 von 3 Jahren) bzw von 2 Monaten (in einem Jahr) als ausreichend für das Vorliegen eines Wohnsitzes angesehen (; , 91/16/0138). Die Rsp zum wortgleichen Wohnsitzbegriff des § 8 AO 1977 bzw des § 13 StAnpG macht ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinanderfolgender Zeiträume zu Erholungszwecken eine Wohnung noch nicht zum Wohnsitz (zB BFH, BStBl 1989 II 182; 5 bis 6 Wochen jährlich zu Erholungszwecken sind zu kurz für die Annahme eines Wohnsitzes, BFH, BStBl 1968 II 439). Nach der Jud des BFG/UFS wird eine tatsächliche Mindestnutzung von 2 bis 3 Monaten für eine Wohnsitzbegründung verlangt (; RV/0090-I/11; ). Als Anhaltspunkt für eine Mindestfrist für die Innehabung der Wohnung uU, die auf die Beibehaltung und Nutzung schließen lassen, wird in der Literatur auf die Sechsmonatsfrist des § 26 Abs 2 BAO abgestellt, wobei entscheidend ist, ob die ursprüngliche Absicht auf einen längeren Aufenthalt als 6 Monate gerichtet war (Ritz/Koran, BAO7, 2021, § 26, Rz 9; Unger in Althuber/Tanzer/Unger, BAO-Handbuch, 2015, § 26, 124 mwN).
Die Möglichkeit zum Schlafen, zur Körperpflege, zur Zubereitung von Essen und zur Aufbewahrung persönlicher Gegenstände muss gewährleistet sein (s Ritz/Koran, BAO7, 2021, § 26, Rz 1 und die dort zitierte Rsp). Es muss somit die Möglichkeit bestehen, sein Leben an diesem Wohnsitz "autonom" zu führen; ohneeigenesBad oder Kochgelegenheit lässt sich etwa ein Zimmer nicht als Wohnung nutzen (zB ; , zum ehemaligen Kinderzimmer mit Verweis auf ).
Auch regelmäßige und längere Verwandtenbesuche führen zu keinem Wohnsitz (zB ). Am Studienort wohnende Studenten behalten den Wohnsitz idR bei den Eltern; anders, wenn sie sich vom Elternhaus wirtschaftlich gelöst haben (Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG13, § 1, Tz 16 mwN). Volljährige Kinder ohne eigenen Hausstand haben in der elterlichen Wohnung einen abgeleiteten Wohnsitz (Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG, § 1, Tz 7; Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG13, § 1, Tz 15). Verneint hat der VwGH einen Wohnsitz im Inland beim bloß "zeitweisen" Aufenthalt (2 bis 3 Monate im Jahr) während des Urlaubes in einem Zimmer der elterlichen Wohnung - von welchem allerdings konkret nie festgestellt wurde, ob es der ausschließlichen Benutzung durch den Steuerpflichtigen diente oder ein Gästezimmer darstellte -, in der er auch Bekleidungaufbewahrte ().
Der Mittelpunkt der Lebensinteressen hat für die Bestimmung des Wohnsitzes (unbeschränkte Steuerpflicht) grundsätzlich keine Bedeutung (Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG13, § 1, Tz 17 mwN).
Die polizeiliche Meldung im ZMR ist kein Kriterium für eine Wohnsitznahme nach steuerlichen Verhältnissen; sie hat allenfalls eine Indizwirkung (vgl ; Ra 2018/15/0111, mwN).
Gem § 26 Abs 2 EStG hat eine Person den gewöhnlichen Aufenthalt iSd Abgabenvorschriften dort, wo sie sich uU aufhält, die erkennen lassen, dass sie an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Der gewöhnliche Aufenthalt ist ein Ersatz-(Subsidiär-)Tatbestand, doch erübrigt er die uU schwierige Wohnsitzprüfung. Der Steuerpflichtige kann mehrere Wohnsitze haben, aber nur einen gewöhnlichen Aufenthalt, da letzterer eine körperliche Anwesenheit voraussetzt (zB mwN). Es genügt, dass der Steuerpflichtige für eine gewisse Dauer "in diesem Land" verweilt. Der Aufenthalt im Inland bloß während der Ferien reicht zur Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts nicht aus (; erforderlich ist eine gewisse sachlich-räumliche Beziehung zum Aufenthaltsort ().
Unter Berücksichtigung dieser Rsp lässt sich für den konkreten Fall Folgendes festhalten:
Die Bf hatte im Inland keinen Wohnsitz, da sie dort keine Wohnung innehate uU, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Sie musste jene Schlafmöglichkeit in Anspruch nehmen, die sich ihr gerade bot. Aufgrund der familiären Situation (kinderreiche Familie mit 6 Geschwistern, die bis auf den jüngsten Bruder der Bf im Streitjahr allesamt bereits volljährig waren) ist das Vorbringen der Bf plausibler, wonach sie als damals kinderlose Tochter mit 35 Jahren dort übernachten musste, wo gerade Platz war. Von Räumen, die den Verhältnissen der Bf angemessen sind, sodass sie ihr ein entsprechendes Heim bieten können, wie es die st Rsp des VwGH verlangt, kann keine Rede sein. Die Bf hatte nämlich kein "eigenes" Zimmer ausschließlich für sich "inne", weil sie - wie bereits ausgeführt - jenes verwenden musste, das gerade frei war.
Die Bf hatte zwar einen Schlüssel zum Elternhaus, jedes ihrer Geschwister jedoch auch. Damit konnte sie weder ihre Eltern noch ihre Geschwister vom Betreten "ihres Kinderzimmers" - bzw von jenem Zimmer, das gerade nicht von anderen Geschwistern benötigt wurde - und schon gar nicht vom Betreten des Wohnhauses in toto ausschließen. Die Bf verfügte daher nicht einmal über die "Schlüsselgewalt" über einen Raum. Auch das bloße Überlassen eines Zimmers zur vorübergehenden Nutzung begründet keinen Wohnsitz (zB ).
Der Bf stand somit jedenfalls kein einziges Zimmer in ihrem Elternhaus über einen längeren Zeitraumausschließlich zur Verfügung (vgl ). Es mangelt deshalb im ggst Fall auch an der Innehabung einer Wohnung iSd § 26 BAO.
Wie bereits oben ausgeführt, führen nach der st Rsp des VwGH auch regelmäßige und längere Verwandtenbesuche zu keinem Wohnsitz (zB ).
All diese gesetzlichen und judikativen Vorgaben vorausgestellt, zeigt sich sohin zur Frage des Wohnsitzes bzw gewöhnlichen Aufenthaltes der Bf nachfolgendes Bild: Die Bf wohnte seit Herbst 2000, also seit Beginn ihres Studiums, das sie mit 19 Jahren begann, am Studienort in Wien. Seit dem Veranlagungsjahr 2006 (bis zum - unmittelbar dem Beginn ihres USA-Aufenthaltes vorangehenden - Jahr 2011) hatte die Bf (nicht bloß geringfügige) Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit aus ihrer Tätigkeit bei der Meduni in Wien. Daraus ist zu schließen, dass sich die Bf vom Elternhaus in Kärnten wirtschaftlich gelöst hat. Sie hatte zudem seit 2000 einen eigenen Hausstand, nämlich in ihrer zu Studien- und danach zu Forschungszwecken eigens angemieteten Wohnung in Wien, die ihr durchgehend und nicht nur unter dem Semester zur Verfügung stand, weswegen die Bf auch keinen abgeleiteten Wohnsitz in ihrem Elternhaus mehr hatte.
Die belangte Behörde spricht insb in ihrem Vorlagebericht vom wiederholt davon, dass die Bf insb aufgrund des befristeten Aufenthalts in den USA sowie der anschließend geplanten Rückkehr nach Österreich den "Mittelpunkt der Lebensinteressen" im gesamtem Zeitraum in Österreich beibehalten habe. Die Bf übte jedenfalls ihre Forschungstätigkeit von 2012 bis 2016 in den USA aus, somit weit länger als die gem § 26 Abs 2 BAO erforderlichen 6 Monate. Spätestens seit Erhalt des Stipendiums der American ***36*** Society im Jahr 2014 ist es augenscheinlich, dass die Bf in den USA auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte und nicht (mehr) in Österreich. Wie bereits oben ausführlich dargestellt, sind nach der st Rsp Verwandtenbesuche und Urlaube in Österreich unschädlich.
Selbst wenn man im Beschwerdefall davon ausginge, dass die Bf im Streitjahr mehrere Wohnsitze (1 in den USA, 1 in Kärnten und 1 in Wien?) begründet hätte und man daher den Subsidiärtatbestand des gewöhnlichen Aufenthalts prüfen müsste, würde man - unter Anwendung der st Rsp des VwGH - zum Ergebnis kommen, dass dieser bis zum ebenso in den USA lag, da sich die Bf unbestreitbar nicht nur vorübergehend körperlich von 2012 bis Mitte 2016 in den USA aufgehalten hat, also eine gewisse sachlich-räumliche Beziehung zu Baltimore aufgebaut hatte.
Hat die Steuerpflicht nicht während des vollen Veranlagungszeitraumes bestanden, so wird das während der Dauer der Steuerpflicht bezogene Einkommen zugrunde gelegt (§ 39 Abs 2 EStG).
Die bis in den USA bezogenen Einkünfte unterlagen jedenfalls nicht der unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich. Somit war in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob diese der beschränkten Steuerpflicht im Inland unterliegen könnten. Gem § 98 Abs 1 Z 4 EStG unterliegen jene Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 25 EStG) der beschränkten ESt-Pflicht, die im Inland oder auf österreichischen Schiffen ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist. Die Arbeit wird im Inland ausgeübt, wenn der Steuerpflichtige im Inland persönlich tätig geworden ist bzw verwertet, wenn sie zwar nicht im Inland persönlich ausgeübt wird, aber ihr wirtschaftlicher Erfolg der inländischen Volkswirtschaft unmittelbar zu dienen bestimmt ist. Evidentermaßen wurde die Bf von 1.1. bis in Österreich nicht persönlich tätig und die Forschungstätigkeit wurde auch nicht im Inland verwertet, da ihre Forschungstätigkeit aus Forschungsgeldern der NIH/JHU finanziert bzw für diese erbracht wurde, weshalb ihr wirtschaftlicher Erfolg der österreichischen Volkswirtschaft nicht unmittelbar zu dienen bestimmt war.
Die Bf bezog somit bis keine Einkünfte nach § 98 EStG, weshalb in Österreich auch keine beschränkte ESt-Pflicht besteht.
Da die Bf jedoch erst seit in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig ist, umfasst das österreichische Besteuerungsrecht - abweichend vom bekämpften Bescheid - lediglich die seit Juni 2016 bezogenen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Diese Einkünfte sind sohin auf Grundlage der von der Bf vorgelegten Gehaltsabrechnungen für Juni bis Dezember 2016 neu zu berechnen und der ESt-Ermittlung für 2016 zugrunde zu legen (siehe Anhang zur Entscheidung).
4.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen iSd Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die im Beschwerdefall strittige Frage des Vorliegens/der Aufgabe eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Inland ist eine in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren iRd freien Beweiswürdigung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu klärende Tatfrage des BFG. Hiezu liegt (einheitliche) Rsp des VwGH vor, von dieser in casu auch nicht abgewichen wurde. Das BFG orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an der zitierten einheitlichen höchstgerichtlichen Jud, darüber hinaus hing die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles ab. Schließlich ist zur Frage des Wohnsitzes bzw dessen Aufgabe allgemein darauf zu verweisen, dass eine in freier Beweiswürdigung getroffene Feststellung des BFG auf Sachverhaltsebene zu treffen und daher nicht revisibel ist (vgl , mwN). Ob sohin die Beweiswürdigung im Zusammenhang mit dem Nachweis bzw der Glaubhaftmachung der Wohnsitzaufgabe idS materiell richtig ist, dass die Ergebnisse mit der objektiven Wahrheit übereinstimmen, entzieht sich der Prüfung durch den VwGH (vgl ). Eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG auf (), weshalb insgesamt die Revision für nicht zulässig zu erklären war.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 26 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.4100505.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at