Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 10.10.2023, RV/5100209/2020

Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung bei fehlender Beschwerde

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***StB***, gegen die Bescheide des ***FA*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom zu Steuernummer ***BF1StNr1*** betreffend Einkommensteuer 2010, 2011, 2012 und 2013 beschlossen:

Die Beschwerdevorentscheidungen vom betreffend Einkommensteuer 2010, 2011, 2012 und 2013 werden aufgehoben.

Der Vorlageantrag vom wird als unzulässig (geworden) zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Mit Bescheiden vom hat das Finanzamt die Verfahren betreffend Einkommensteuer 2010, 2011, 2012 und 2013 gemäß § 303 Abs. 1 BAO wiederaufgenommen.

Mit weiteren Bescheiden vom wurde für die genannten Jahre die Einkommensteuer neu festgesetzt.

Die steuerliche Vertreterin des Beschwerdeführers brachte mit Schriftsatz vom , eingelangt am , folgende Beschwerde ein:

St.Nr.: ***BF1StNr1***; ***Bf1***
Beschwerde gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens betr. die Einkommensteuer 2010-2013 vom
Antrag auf Aussetzung der Einhebung für € 1.581,00

Im Namen und im Auftrag unseres Klienten erheben wir gegen die Bescheide vom über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Einkommensteuer 2010-2013 innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der

BESCHWERDE.

Die Beschwerde richtet sich gegen die Wiederaufnahme der Verfahren für 2010 bis 2013 an sich und die damit verbundenen neuen Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2013.

Begründung:
Für den Abgabezeitraum 2010-2013 ist bereits Verjährung i. s. d. § 207 ff BAO eingetreten, da keine vorsätzliche Verletzung von abgabenrechtlichen Verpflichtungen und somit keine Hinterziehung gem. § 33 Abs 1 FinStrG vorliegt.

Wir stellen daher den Antrag die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens für 2010-2013 ersatzlos aufzuheben.

Zusätzlich stellen wir den Antrag auf Aussetzung der Einhebung für den Betrag von € 1.581,00 (Einkommensteuer 2010-2013) bis zur Erledigung dieser Beschwerde, da dieser Betrag bei positiver Beschwerdeerledigung zur Gänze dem Abgabenkonto wieder gutgeschrieben wird.

Für den Fall der Vorlage dieser Beschwerde an das Bundesfinanzgericht wird eine mündliche Verhandlung beantragt.

In der Hoffnung auf Stattgabe unserer Beschwerde verbleiben wir

mit freundlichen Grüßen

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom sprach das Finanzamt aus, dass die Beschwerde vom gegen den "Einkommensteuerbescheid 2010", den "Einkommensteuerbescheid 2011", den "Einkommensteuerbescheid 2012" und den "Einkommensteuerbescheid 2013" als unbegründet abgewiesen wird. In der Bescheidbegründung (Verf 67) wurde näher erläutert, warum nach Ansicht des Finanzamtes die zehnjährige Verjährungsfrist zur Anwendung gelange.

Gegen diese Beschwerdevorentscheidungen richtet sich der Vorlageantrag vom . Auf der zweiten Seite desselben wurde unter dem Punkt "Begründung" ausgeführt: "Vorweg wird ausdrücklich außer Streit gestellt, dass Tatsachen neu hervorgekommen sind, die bei rechtzeitiger Kenntnis einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Auch die angesetzten Zahlen sind unstrittig." Das Recht zur Wiederaufnahme der Verfahren sei jedoch (aus näher dargelegten Gründen) bereits verjährt.

Mit weiterer Beschwerdevorentscheidung vom wurde die am eingelangte Beschwerde "gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2010 bis 2013 vom " abgewiesen. Darin wurde unter anderem ausgeführt, dass hinsichtlich der Jahre 2012 und 2013 die allgemeine Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 BAO noch nicht abgelaufen gewesen sei und betreffend die Jahre 2010 und 2011 aus näher dargestellten Erwägungen von einer vorsätzlichen Abgabenverkürzung auszugehen wäre.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde vom betreffend "Wiederaufnahmen § 303 BAO und ESt 2010 - 2013" dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Aufgrund der Versetzung der zuständig gewesenen Richterin in den Ruhestand wurde mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichtes vom die Gerichtsabteilung 6036 zur Entscheidung (unter anderem) in der gegenständlichen Rechtssache zuständig.

Rechtslage und Erwägungen

Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann gemäß § 264 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag).

Wurde trotz fehlender Bescheidbeschwerde eine Beschwerdevorentscheidung erlassen und dagegen ein Vorlageantrag eingebracht, so hat das Verwaltungsgericht die Beschwerdevorentscheidung (ersatzlos) aufzuheben und den Vorlageantrag als unzulässig (geworden) zurückzuweisen (Ritz, BAO7, § 281a Tz 5 mit Hinweis auf ). Ein solcher Fall liegt gegenständlich vor:

Die Beschwerde vom richtet sich ausdrücklich nur gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren. Daran ändert auch der zweite Satz der Beschwerdeschrift nichts, wird in diesem doch lediglich zum Ausdruck gebracht, dass mit den angefochtenen Wiederaufnahmebescheiden neue Einkommensteuerbescheide verbunden sind. Im Vorlageantrag vom wird ausdrücklich bestätigt, dass die (in den Einkommensteuerbescheiden) angesetzten Zahlen "unstrittig" sind. Da mit der Beschwerde vom die neuen Einkommensteuerbescheide gar nicht angefochten wurden, fehlen in dieser Beschwerde auch eine Erklärung, in welchen Punkten die Einkommensteuerbescheide angefochten würden (§ 250 Abs. 1 lit. b BAO) und eine Erklärung, welche Änderungen beantragt würden (§ 250 Abs. 1 lit. c BAO). Das Finanzamt ging damit zu Unrecht davon aus, dass sich die Beschwerde vom auch gegen die neuen Einkommensteuerbescheide richten würde. Würde man der Rechtsansicht des Finanzamtes folgen, hätte dieses vor Erlassung der Beschwerdevorentscheidung zunächst ein Mängelbehebungsverfahren durchführen müssen, im Zuge dessen sich die unberechtigte Annahme einer Beschwerde gegen die neuen Einkommensteuerbescheide ebenfalls gezeigt hätte.

Da im gegenständlichen Fall somit zu Unrecht Beschwerdevorentscheidungen betreffend Einkommensteuer 2010, 2011, 2012 und 2013 erlassen wurden, waren diese ersatzlos aufzuheben. Aufgrund dieser Aufhebung ist der Vorlageantrag vom unzulässig geworden, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Hinsichtlich der Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide wird auf die Verständigung gemäß § 281a BAO vom heutigen Tag verwiesen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage lag gegenständlich nicht vor. Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung setzt nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 262 BAO die Einbringung einer Bescheidbeschwerde voraus. Fehlt eine solche Beschwerde, ist die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung rechtswidrig und dieselbe daher aufzuheben. Ein Vorlageantrag setzt nach dem ebenfalls eindeutigen Wortlaut des § 264 Abs. 1 BAO eine Beschwerdevorentscheidung voraus.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100209.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at