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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 02.10.2023, RV/1100014/2020

da dem FA vor dem Ende der Steuererklärungsfrist bekannt war, dass der Beschwerdeführer Einkünfte aus Liechtenstein bezieht, war hinsichtlich dieser Einkünfte eine Hinterziehung nicht möglich. Daher war die Verjährung nach dem Ablauf von fünf Jahren eingetreten.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Mag. Armin Treichl, die Richterin Mag.a Natascha Gassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Eva-Maria Düringer und Mag. Tino Ricker in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch BGR Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung GmbH&Co KG, Färbergasse 15, 6850 Dornbirn ,über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Einkommensteuer 2009, Einkommensteuer 2010 und Einkommensteuer 2011 Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin Claudia Zengin zu Recht erkannt:

I. Den Beschwerden wird Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer, welcher seit dem Jahr 2000 als Einzelunternehmer ein Ingenieurbüro in Dornbirn betrieb, ersuchte mit Schreiben vom das Finanzamt um Rechtsauskunft im Hinblick auf die beabsichtigte Begründung eines weiteren Ingenieurbüros in Liechtenstein als Einzelunternehmer oder allenfalls unter Beteiligung einer weiteren Person im Wege einer Personengesellschaft. Nach Abklärung mit der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Tirol und Vorarlberg wurde dem Beschwerdeführer mit Rechtsauskunft vom mitgeteilt, dass mangels einer entsprechenden gehobenen Vorbildung (lediglich Abschluss einer HTL, kein Universitätsstudium) keine ziviltechnikerähnliche Tätigkeit im Sinne der VwGH-Rechtsprechung vorliege und daher die in Liechtenstein erzielten Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 23 EStG bzw. Unternehmensgewinne im Sinne des Art 7 DBA Liechtenstein zu qualifizieren wären.

Im Zuge der Übermittlung der Einkommensteuererklärung 2005 wurde dem Finanzamt mit Schreiben vom mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer nunmehr Progressionseinkünfte aus dem Betrieb eines Einzelunternehmens als Heizungs-, Lüftungs- und Klimaingenieur am Standort in FL-9490 Vaduz erklärt habe. Da er in den Jahren 2004 bis 2006 an der Donauuniversität Krems einen facheinschlägigen Universitätslehrgang absolviert habe, und zwar den akademischen Lehrgang zum Master of building science mit der Fachvertiefung Klima-Engineering, bestehe kein Zweifel, dass die Tätigkeit im Rahmen seines Ingenieurbüros als der eines Ziviltechnikers "unmittelbar ähnlich" und die Einkünfte daher als solche aus selbständiger Tätigkeit zu qualifizieren seien, für die das Besteuerungsrecht Liechtenstein zukomme. Aus diesem Grund seien die Einkünfte aus dem liechtensteinischen Ingenieurbüro in die liechtensteinische Steuererklärung aufgenommen worden und dort ordnungsgemäß versteuert worden. Diese seien in Österreich lediglich im Rahmen des Progressionsvorbehaltes zu berücksichtigen.

Aus der dem Finanzamt übermittelten Kopie der liechtensteinischen Steuererklärung für 2005 (Hilfsformular A, Seite 2) war ersichtlich, dass der Beschwerdeführer u.a. an der ***1*** in Liechtenstein beteiligt war. Ebenso lag dem Finanzamt am eine Veröffentlichung des liechtensteinischen Volksblatts vom mit den Firmendaten der ***1*** vor, aus welcher sich neben der Zustelladresse (***) ergab, dass der Beschwerdeführer als Mitglied des Verwaltungsrats und Geschäftsführer mit Einzelunterschrift im Firmenregister eingetragen war.

Aufgrund der dem Finanzamt zum Zeitpunkt der erstmaligen Erlassung der Einkommensteuerbescheide 2006 bis 2008 vorliegenden Unterlagen und Informationen wurden die in Liechtenstein erzielten Einkünfte aus dem Betrieb eines Einzelunternehmens der Zuteilungsregel des Art 14 DBA Liechtenstein (Selbständige Arbeit) unterstellt und unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung ausgenommen.

In der Sachverhaltsdarstellung im Bericht vom gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung wurde unter anderem festgestellt, dass der Beschwerdeführer seine Tätigkeit als Einzelunternehmer in den Büros der ***1*** ausübte bzw. überwiegend für diese tätig und in deren Betrieb durch eine auf Dauer ausgelegte Tätigkeit in der Geschäftsführung bzw. im operativen Bereich der Gesellschaft tätig war, indem er für den Abschluss von Verträgen mit der Dauer von mehr als 3 Jahren und/oder einem Gegenwert von mehr als 50.000,00 CHF sowie für den Abschluss von Verträgen, die den Charakter von Dauerschuldverhältnissen aufweisen (zB. Miet- und Pachtverträge, Versicherungsverträge, etc.) allein zuständig war und dies auch mehrfach ausgeübt hat. Weiters sind für das Einzelunternehmen keinerlei Kosten für die Nutzung der Infrastruktureinrichtung (Miete, Telefon, EDV, etc.) des Büros in Vaduz bzw. Schaan angefallen, da diese von der ***1*** getragen wurden.

Auf Grund dieser Tatsachen ist das Finanzamt Feldkirch zum Schluss gekommen, dass die vom Beschwerdeführer als Einkünfte seines liechtensteinischen Einzelunternehmens erklärten Einkünfte in den Jahren 2006 bis 2008 als in Österreich steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit umzuqualifizieren seien. Für die Jahre 2009 bis 2011 hat sich der Sachverhalt nicht geändert. Alle für die steuerliche Beurteilung wesentlichen Fakten der Jahre 2009 bis 2011 waren dem Finanzamt seit dem Jahr 2011 bekannt.

Mit Vorhalt vom forderte das Finanzamt Feldkirch den Beschwerdeführer auf, Umsatz- und Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2009 bis 2011 einzureichen.

Am sind die angeforderten Steuererklärungen beim Finanzamt eingelangt.

Mit Bescheiden vom hat das Finanzamt Feldkirch dem Beschwerdeführer Einkommensteuer für die Jahre 2009 bis 2011 vorgeschrieben.

2. Beweiswürdigung

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt und steht außer Streit.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Gemäß § 207 Abs 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe auf Grund eines erfüllten Entstehungstatbestandes festzusetzen, der Verjährung (Bemessungsverjährung).

Die Frist der Bemessungsverjährung beträgt bei der Einkommensteuer fünf Jahre.

Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist gemäß § 207 Abs 2 Satz 2 BAO idF des Art 3 BBKG 2010, BGBl I 2010/105, zehn Jahre.

Der Tatbestand der hinterzogenen Abgaben ist dabei nach § 33 FinStrG zu beurteilen (vgl , vom , 92/13/0178, vom , 97/16/0056, vom , 2002/16/0190, und vom , 99/15/0127, 0131).

§ 33 Abs 3 lit a FinStrG lautet:

"Eine Abgabenverkürzung nach Abs 1 oder 2 ist bewirkt,

a) mit Bekanntgabe des Bescheides, mit dem bescheidmäßig festzusetzende Abgaben zu niedrig festgesetzt wurden oder wenn diese infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Entstehung des Abgabenanspruches mit dem Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist (Anmeldefrist, Anzeigefrist) nicht festgesetzt werden konnten,"

Eine Voraussetzung für die Bewirkung einer Abgabenverkürzung durch Nichterfüllung einer Erklärungs-, Anmelde- oder Anzeigepflicht ist somit, dass der Abgabenbehörde die Entstehung des Abgabenanspruches überhaupt nicht bekannt geworden ist. Dies ist zB dann der Fall, wenn das Finanzamt von der Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit nichts gewusst hat. War hingegen das Entstehen des Abgabenanspruches dem Grunde nach bekannt, so kann die Abgabenverkürzung nicht mehr nach § 33 Abs 3 lit a 2. Halbsatz FinStrG bewirkt werden (). Eine solche Abgabenverkürzung wäre diesfalls aber dennoch verwirklicht, wenn die Abgabenbehörde aufgrund der Nichtabgabe im Schätzungswege eine zu niedrige Abgabenfestsetzung vornimmt. Damit wird die Verkürzung aber erst gemäß § 33 Abs 3 lit a 1. Halbsatz FinStrG mit Bescheiderlassung bewirkt. Das bedeutet, dass etwa ein bereits wegen der Veranlagung zur Einkommensteuer beim Finanzamt geführter Abgabepflichtiger durch das Unterlassen der Abgabe von Steuererklärungen für ein Veranlagungsjahr keine Abgabenverkürzung hinsichtlich der bekannten Abgabenpflichten nach § 33 Abs 3 lit a 2. Halbsatz bewirken kann (Köck in FinstrG Bd. 1 2018, 5. Aufl. 2018, § 33, I. Kommentar zu § 33 Rz 41).

Da im gegenständlichen Fall dem Finanzamt Feldkirch auf Grund der Betriebsprüfung im Jahr 2011 spätestens am bekannt gewesen ist, dass die liechtensteinischen Einkünfte des Beschwerdeführers steuerpflichtig sind, kann der Beschwerdeführer durch die Nichtabgabe der Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2010 bis 2011 keine Abgabenverkürzung bewirken, da die Erklärungsfrist für 2010 erst mit Ablauf des geendet hat. Die Erklärungsfrist für das Jahr 2011 ist mit Ablauf des geendet.

Die Erlassung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2010 und 2011 im Jahr 2019 erfolgte daher außerhalb der Verjährungsfrist. Die angefochtenen Bescheide sind daher ersatzlos aufzuheben.

Im Sinne der Vorschriften der Bundesabgabenordnung bedeutet Bemessungsverjährung das Verbot, den an sich noch bestehenden Abgabenanspruch nach Ablauf der Verjährungszeit geltend zu machen. Es handelt sich also bei dieser Institution der Verjährung überwiegend um eine Einrichtung zum Schutz des Abgabenschuldners; neben das Interesse am Rechtsfrieden und an der Vermeidung von Beweisschwierigkeiten tritt auch der Gedanke, dass Forderungsrechte nicht verewigt werden (Stoll, Das Steuerschuldverhältnis in seiner grundlegenden Bedeutung für die steuerliche Rechtsfindung, 141) und die vermögenswerten Interessenlagen zur Ruhe kommen sollen.

Sinn der Verjährungsbestimmungen ist es nämlich, dass infolge Zeitablaufes Rechtsfriede eintritt. Der Anspruchsverlust für den Abgabengläubiger soll jedoch erst dann erfolgen, wenn dieser nichts unternommen hat, um den Anspruch rechtzeitig geltend zu machen, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre. Wurde jedoch die Abgabe vorsätzlich nicht entrichtet, wobei nicht entscheidend ist, ob der Abgabenschuldner selbst vorsätzlich gehandelt hat, so darf dies nicht zum Nachteil des Abgabengläubigers und damit auch der Allgemeinheit ausschlagen ().

Das Finanzstrafgesetz definiert den Vorsatz in § 8 Abs 1 FinStrG wortgleich wie § 5 Abs 1 StGB. Danach ist Gegenstand des Vorsatzes die Verwirklichung eines äußeren Sachverhaltes, der dem Tatbild eines Strafgesetzes entspricht. Der Täter handelt vorsätzlich, wenn er einen solchen Sachverhalt verwirklichen will. Nur auf die Herbeiführung des (tatbildlichen) Sachverhaltes muss sich der Vorsatz richten (EB StGB). Dabei ist es aber bei den Verkürzungstatbeständen nicht erforderlich, dass der Vorsatz auf einen bestimmten (zahlenmäßig genauen) Erfolg, wohl aber überhaupt auf eine Abgabenverkürzung gerichtet ist (VwSlg 9564, ). Das Gesetz unterscheidet drei Arten des Vorsatzes, nämlich die Absichtlichkeit (§ 38 Abs 2 FinStrG), die Wissentlichkeit (§ 33 Abs 2 FinStrG) und den bedingten Vorsatz (§ 8 Abs 1 zweiter Halbsatz FinStrG).

Der Vorsatz wird vom FinStrG als verwirklichen wollen umschrieben. Was aber gewollt ist, muss immer, wenn vielleicht auch nur am Rande des Bewusstseins, vorgestellt sein (EB StGB). Die allgemeine Umschreibung des Vorsatzes im § 8 Abs 1 erster Halbsatz FinStrG umfasst daher neben dem Wollen auch das Wissen. Vorsatz ist somit nur dann gegeben, wenn Wissen und Wollen vorliegen. Beides kann im Einzelfall in verschiedener Stärke ausgeprägt sein.

Die Untergrenze des Vorsatzes bildet der Eventualvorsatz (dolus eventualis, bedingter Vorsatz). Hier erstrebt der Täter die Verwirklichung des Unrechtssachverhaltes nicht, sondern handelt um anderer Zwecke willen. Er rechnet auch nicht damit, dass er ihn bestimmt herstellen werde, hält es allerdings für möglich, dass seine Handlung neben dem, was er mit ihr erstrebt, den deliktischen Sachverhalt verwirklichen werde (EB StGB). Voraussetzung für die Annahme des Eventualvorsatzes ist nicht ein Wissen um eine Tatsache oder um ihre Wahrscheinlichkeit im Sinne eines Überwiegens der dafür sprechenden Momente, sondern es genügt das Wissen um die Möglichkeit (). Unter Möglichkeit ist hier nicht das Bestehen eines abstrakten, in Anbetracht der allgemeinen Unsicherheit der menschlichen Erkenntnis zumeist möglichen letzten Zweifels an der Richtigkeit auch gründlich geprüfter Unterlagen zu verstehen, sondern die Möglichkeit in einem konkreten Sinne, wie sie etwa einem durch Bedenken erweckten Zweifel entspricht. Dem Täter muss die Verwirklichung eines Tatbildes als nahe liegend erschienen sein (Triffterer, AT 2, 166; Twardosz in Tannert/Kotschnigg, FinStrG, § 8 Rz 34 mwN aus der Rsp). Ein "Rechnen müssen" reicht allerdings für das Vorliegen bedingten Vorsatzes ebenso wenig aus wie bloßer Unbedacht oder Leichtsinn. Dies besagt lediglich, dass den Täter eine Sorgfaltspflicht getroffen hat (,88/14/ 0222]; ; Twardosz in Tannert/Kotschnigg, FinStrG, § 8 Rz 34).

Auf Grund des oben festgestellten Sachverhalts ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine legale Gestaltungsmöglichkeit der Steuervermeidung wählen wollte. Dies geht insbesondere daraus hervor, dass er dem Finanzamt im Zuge der Übermittlung der Einkommensteuererklärung 2005 mit Schreiben vom mitgeteilt hat, dass er nunmehr Progressionseinkünfte aus dem Betrieb eines Einzelunternehmens als Heizungs-, Lüftungs- und Klimaingenieur am Standort in FL-9490 Vaduz erklärt habe. Da er in den Jahren 2004 bis 2006 an der Donauuniversität Krems einen facheinschlägigen Universitätslehrgang absolviert habe, und zwar den akademischen Lehrgang zum Master of building science mit der Fachvertiefung Klima-Engineering, bestehe kein Zweifel, dass die Tätigkeit im Rahmen seines Ingenieurbüros als der eines Ziviltechnikers "unmittelbar ähnlich" und die Einkünfte daher als solche aus selbständiger Tätigkeit zu qualifizieren seien, für die das Besteuerungsrecht Liechtenstein zukomme. Aus diesem Grund seien die Einkünfte aus dem liechtensteinischen Ingenieurbüro in die liechtensteinische Steuererklärung aufgenommen worden und dort ordnungsgemäß versteuert worden. Diese seien in Österreich lediglich im Rahmen des Progressionsvorbehaltes zu berücksichtigen.

Aus der dem Finanzamt übermittelten Kopie der liechtensteinischen Steuererklärung für 2005 (Hilfsformular A, Seite 2) war ersichtlich, dass der Beschwerdeführer u.a. an der ***1*** in Liechtenstein beteiligt war. Ebenso lag dem Finanzamt am eine Veröffentlichung des liechtensteinischen Volksblatts vom mit den Firmendaten der ***1*** vor, aus welcher sich neben der Zustelladresse (***) ergab, dass der Beschwerdeführer als Mitglied des Verwaltungsrats und Geschäftsführer mit Einzelunterschrift im Firmenregister eingetragen war.

Dem Beschwerdeführer als Techniker können nicht so detaillierte Kenntnisse des Steuerrechts unterstellt werden, dass er weiß, dass die von ihm als liechtensteinischer Einzelunternehmer erzielten Einkünfte als Geschäftsführereinkünfte umzuqualifizieren sind, zumal den die Veranlagung der Jahre 2006 bis 2008 durchführenden Steuerexperten des Finanzamtes auch nicht in den Sinn gekommen ist, durch Vorhalte abzuklären, ob die vom Beschwerdeführer erklärten Einkünfte als liechtensteinischer Einzelunternehmer tatsächlich Einkünfte aus selbständiger Arbeit sind oder ob diese Einkünfte zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Mitarbeiter der ***1*** umzuqualifizieren sind.

§ 9 FinStrG lautet:

"Dem Täter wird weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet, wenn ihm bei einer Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlief, der ihn das Vergehen oder das darin liegende Unrecht nicht erkennen ließ; ist der Irrtum unentschuldbar, so ist dem Täter grobe Fahrlässigkeit zuzurechnen. Dem Täter wird Fahrlässigkeit auch dann nicht zugerechnet, wenn ihm bei der Tat eine entschuldbare Fehlleistung unterlief."

Beim Verbotsirrtum fehlt dem Täter das Unrechtsbewusstsein und er ist sich nicht im Klaren, dass er mit seinem Verhalten gegen die Rechtsordnung verstößt (Fuchs/Zerbes, AT I10 23/19). Selbst ein vorsätzliches Finanzvergehen kann dem Täter bei Vorliegen eines Verbotsirrtums iSd § 9 FinStrG - unabhängig von der Frage der Entschuldbarkeit - nicht als Vorsatztat angelastet werden (Leitner/Brandl/Kert, Handbuch Finanzstrafrecht4 Rz 544).

Allgemein wird zwischen aktuellem und potenziellem Unrechtsbewusstsein differenziert. Aktuelles Unrechtsbewusstsein liegt vor, wenn der Täter zumindest latent vorhandenes Unrechtsbewusstsein hat. Das laienhafte Wissen, gegen die Rechtsordnung zu verstoßen, ist nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen ausreichend. Nicht erforderlich ist, dass der Verstoß gegen eine (finanz)strafrechtliche Bestimmung erkannt wird (Fuchs/Zerbes, AT I10 23/5 ff). Potenzielles Unrechtsbewusstsein liegt hingegen vor, wenn der Täter den Verstoß gegen die Rechtsordnung nicht erkennt, ihm dies aufgrund des Missachtens einer Erkundigungspflicht allerdings zum Vorwurf gemacht werden kann (Köck ua, FinStrG I5 § 9 Rz 6a; Fuchs/Zerbes, AT I10 23/1). Anders als im StGB ist im Anwendungsbereich des FinStrG bloß potenzielles Unrechtsbewusstsein für eine Vorsatzhaftung nicht ausreichend (Leitner/Brandl/Kert, Handbuch Finanzstrafrecht4 Rz 546). Es kommt dann allenfalls eine Bestrafung wegen eines Fahrlässigkeitsdelikts in Betracht.

Kahl/Kert (in Leitner/Brandl/Kert, Handbuch Finanzstrafrecht4 Rz 545) weisen darauf hin, dass im Bereich des FinStrG höhere Anforderungen an das Unrechtsbewusstsein des Täters gestellt werden sollten als im allgemeinen Strafrecht. Dies vor dem Hintergrund, dass im Hinblick auf die Komplexität steuerrechtlicher Vorschriften nicht zwingend davon ausgegangen werden kann, dass der Steuerpflichtige latentes Unrechtsbewusstsein hat. Die Frage, ob Unrechtsbewusstsein gegeben war, wird sich vor diesem Hintergrund vielfach als Frage der Verletzung von Erkundigungspflichten darstellen.

Wird eine Rechtsauskunft bei verlässlichen Fachleuten eingeholt, ist in der Regel davon auszugehen, dass ein entschuldbarer Verbotsirrtum vorliegt (Fuchs/Zerbes, AT I10 23/27). Ein Steuerpflichtiger kann sich auf die Auskunft eines Steuerberaters bzw eines anderen berufsmäßigen Parteienvertreters grundsätzlich verlassen (vgl Seiler/Seiler, FinStrG5 § 9 Rz 43 mwN aus der Rsp). Es bestehen in diesem Fall nur sehr eingeschränkte Kontrollpflichten (Leitner/Brandl/Kert, Handbuch Finanzstrafrecht4 Rz 512 ff, 562). Eine weitergehende Verpflichtung, die Auskünfte des Beraters zu hinterfragen, wird nur dann anzunehmen sein, wenn ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit offensichtlich sind oder angebracht wären (Köck ua, FinStrG I5 § 9 Rz 11; zum Überwachungsverschulden des Steuerpflichtigen vgl etwa ). Strafrechtlich relevante grobe Fahrlässigkeit wird in diesen Fällen allerdings regelmäßig nicht vorliegen (Seiler/Seiler, FinStrG5 § 9 Rz 43). Eine andere Beurteilung kann aber dann geboten sein, wenn der Steuerpflichtige seinem Steuerberater den zu beurteilenden Sachverhalt in vorwerfbarer Weise unrichtig mitgeteilt oder nicht vollumfänglich offengelegt hat (Leitner/Brandl/Kert, Handbuch Finanzstrafrecht4 Rz 562).

Im gegenständlichen Fall hat sich der Beschwerdeführer bei seinem Steuerberater erkundigt und hat diesem gegenüber den vollständigen Sachverhalt offengelegt. Auf Grund der äußerst komplexen Steuerrechtsmaterie war es dem Beschwerdeführer unmöglich zu erkennen, dass die Rechtsmeinung seines Steuerberaters unrichtig ist. Dem Beschwerdeführer kann daher kein Vorsatz unterstellt werden, da er einem Irrtum iSd § 9 FinStrG erlegen ist.

Dies gilt auch für den Steuerberater des Beschwerdeführers, da im gegenständlichen Fall eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vorliegt, zu der weder Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs noch einschlägige Literatur existiert. Zudem geht der Senat davon aus, dass der Steuerberater als Gesellschafter-Geschäftsführer einer sehr erfolgreichen Steuerberatungskanzlei nicht das Risiko eingeht, seine Berufsbefugnis zu verlieren, weil er einem nicht allzu bedeutenden Klienten bei einer Steuerhinterziehung behilflich ist.

Der Senat ist davon überzeugt, dass wenn dem Beschwerdeführer bzw seinem Steuerberater bekannt gewesen wäre, dass die von ihm gewählte Vorgangsweise eine vorsätzliche Abgabenverkürzung bewirken würde, sie einen anderen Weg der legalen Steuervermeidung gewählt hätten.

Da weder der Beschwerdeführer noch sein Steuerberater vorsätzlich gehandelt haben, ist auch der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 ersatzlos aufzuheben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Alle im gegenständlichen Fall zu lösenden Rechtsfragen sind bereits durch den Verwaltungsgerichtshof geklärt. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.1100014.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at