Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.09.2023, RV/6100450/2022

Außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt mangels Nachweises einer Behinderung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/6100450/2022-RS1
Die Kosten der Unterbringung in einem Seniorenwohnheim können als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Sie sind jedenfalls dann um (für die Aufenthaltstage) bezogenes Pflegegeld zu kürzen, wenn kein Nachweis einer Behinderung erbracht wurde.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 des ***FA*** vom und über die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 des ***FA*** vom jeweils zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin reichte am die Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung für 2018 elektronisch beim Finanzamt ein. Sie gab an, dass sie steuerbefreite Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von EUR 2.717,00 bezogen habe. Weiter beanspruchte sie die Berücksichtigung von Krankheitskosten von EUR 18.000,- und pauschalen Kosten für Diätverpflegung (Magen) als außergewöhnliche Belastungen. Sie gab an, dass ein Grad der Behinderung von 25 % vorgelegen habe und dass sie während des ganzen Jahres Pflegegeld bezogen habe.

Mit Einkommensteuerbescheid 2018 vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für ein Einkommen von EUR 24.763,46 mit EUR 291,00 fest. Das Finanzamt bezog dabei steuerbefreite Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Pensionsbezüge) von EUR 2.789,66 (Rentenbetrag von EUR 2.862,66 abzüglich EUR 146,00 an Krankenversicherungsbeiträgen zuzüglich eines Zuschusses zur Krankenversicherung von EUR 73,00) in die Bemessungsgrundlagen ein. An Krankheitskosten berücksichtigte es EUR 504,00 und an behinderungsbedingten außergewöhnlichen Belastungen EUR 349,00; nicht jedoch die Kosten für Diätverpflegung. Die Begründung dazu lautet: "… Kosten einer speziellen Diätverpflegung auf Grund einer Krankheit können nur unter folgenden Voraussetzungen ohne Selbstbehalt berücksichtigt werden: Führt eine der Krankheiten zu einer Behinderung von mindestens 25 % und beträgt davon der Anteil der Behinderung wegen des die Diät erfordernden Leidens mindestens 20 %, ist keine Kürzung um den Selbstbehalt vorzunehmen. Da diese Nachweise nicht erbracht wurden, konnten wir das geltend gemachte Pauschale für die Diät wegen innerer Krankheiten (Magen) nur mit Abzug eines Selbstbehaltes berücksichtigen (ds EUR 42,-- mtl.). Wir haben die Kosten für Medikamente im beantragten Ausmaß von 309,-- € und die Aufwendungen Schlüsselsafe Rotes Kreuz 40 € als zusätzliche Kosten im Zusammenhang mit der Behinderung angesetzt.".

In ihrer Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 brachte die Beschwerdeführerin vor: "…das FA hat mich am um Belegvorlage für 2018 ersucht. Die Belege habe ich am über Finanz Online als Sonstiger Antrag übermittelt und Wiederaufnahme für das Diätpauschale ohne Selbstbehalt beantragt: * Das FA hat die Wiederaufnahme am abgelehnt. Dagegen erhebe ich Beschwerde. * Das Diät-Pauschale Innere Krankheit habe ich mit Bescheinigung von HA Dr. Emanuel Hackl vom beantragt - siehe Anlage…".

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab und begründete dies wie folgt: "…Da eine Einstufung durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) von einer mindestens 25-prozentige Behinderung nicht vorliegt, war eine Berücksichtigung der Aufwendungen ohne Abzug des Selbstbehaltes nicht möglich. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen."

Die Beschwerdeführerin beantragte mit Eingabe vom die Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und brachte wiederum vor: "…das FA hat mich am um Belegvorlage für 2018 ersucht. Die Belege habe ich am über Finanz Online als Sonstiger Antrag übermittelt und Wiederaufnahme für das Diätpauschale ohne Selbstbehalt beantragt: (1) Das FA hat die Wiederaufnahme am abgelehnt. Dagegen erhebe ich Beschwerde. (2) Das Diät-Pauschale Innere Krankheit habe ich mit Bescheinigung von HA Dr. Emanuel Hackl vom beantragt. (3) Da ich seit Jahren Pflegegeld erhalte, steht mir das Diät-Pauschale ohne Selbstbehalt zu…".

Am reichte die Beschwerdeführerin auch die Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2019 elektronisch beim Finanzamt ein. Sie gab an, dass sie EUR 2.717,00 an steuerbefreiten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit bezogen habe. Weiter beanspruchte sie die Berücksichtigung von Krankheitskosten von EUR 18.000,- und pauschalen Kosten für Diätverpflegung (Magen) als außergewöhnliche Belastungen. Sie gab an, dass ein Grad der Behinderung von 25 % vorgelegen habe und dass sie während des ganzen Jahres Pflegegeld bezogen habe.

Mit Einkommensteuerbescheid 2019 vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für ein Einkommen von EUR 15.700,98 mit -2.819,00 fest. Das Finanzamt bezog dabei steuerbefreite Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Pensionsbezüge) von EUR 2.879,07 (Rentenbetrag von EUR 2.954,40 abzüglich EUR 150,67 an Krankenversicherungsbeiträgen zuzüglich eines Zuschusses zur Krankenversicherung von EUR 75,34) in die Bemessungsgrundlagen ein. An behinderungsbedingten außergewöhnlichen Belastungen berücksichtigte es EUR 9.971,09; nicht jedoch die Kosten für Diätverpflegung. Die Begründung dazu lautet: "Die außergewöhnliche Belastung im Zusammenhang mit der Behinderung in Höhe von € 9.971,09 wurde wie folgt ermittelt: Seniorenwohnheim 22.01. - € 6.821,68 abzüglich Pflegegeld Pflegestufe 4 (01/2019 anteilig für 10 Tage à € 23,-- = € 230,--, 02/2019 € 689,80, 03/2019 anteilig für 18 Tage à € 23,-- = € 414,--) € 1.333,80 abzüglich Haushaltsersparnis (01/2019 anteilig für 10 Tage à € 5,23 = € 52,30, 02/2019 € 156,96, 03/2019 anteilig für 18 Tage à € 5,23 = € 94,14) € 303,40. Die von Ihnen bezogene Unterstützung des Landes Salzburg für die Kurzzeitpflege in Höhe von € 700,-- wurde in Abzug gebracht. Medikamente 22.01. - (ohne Wäsche patchen) € 107,45; Hilfswerk Salzburg Überweisung am € 84,05; Medikamente ab € 156,70; Seniorenwohnheim 04.09. - (HHE bereits abgezogen) € 7.897,61 abzüglich Pflegegeld 4 Monate à € 689,80 € 2.759,20.

Die Ausgaben für Wäsche patchen, Anschlusskabel Kopfhörer, Porto, Frisör und Fußpflege fallen unter die privaten Lebenshaltungskosten und sind gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG nicht abzugsfähig. Eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ist ausgeschlossen, da diesen Ausgaben das Merkmal der Außergewöhnlichkeit (§ 34 Abs. 2 EStG) und der Zwangsläufigkeit (§ 34 Abs. 3 EStG) fehlt…"

In ihrer Beschwerde vom brachte die Beschwerdeführerin vor: "(1) AGB Diätpflege für Innere Krankheiten in Höhe von EUR 504,00 wurde von mir beantragt aber vom FA ohne Begründung verweigert. Bescheinigung HA Dr. Hackl vom liegt dem FA bereits vor und gebe ich nochmals in die Anlage. (2) AGB Pflege im SWH über EUR 15.728,00. laut Belege (Anlage). (3) Das erhaltene PPFLEGEGELD darf bei der AGB nur mit den Behinderungen aber nicht mit den anderen AGB-Positionen saldiert werden. Dieser Teil des Pflegegeldes muss dem Behinderten laut VfGH verbleiben. (4) Für die DRV-Renten 2018 + 2019 habe ich bereits am gemäß EU-DSGVO um Mitteilung der von der deutschen Finanzverwaltung gemeldeten Daten ersucht, weil sie mit meinen Belegen nicht übereinstimmen."

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab und begründete dies wie folgt: "Magendiät: Der Nachweis der Notwendigkeit zur Einhaltung einer Krankendiätverpflegung im Sinne des § 2 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 idgF kann durch eine Bescheinigung eines Arztes oder durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) erfolgen. Ein Nachweis ist bis dato nicht erfolgt. … Nicht um ein Pflegegeld zu kürzen sind daher nur jene in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung aufgezählten Fällen. § 2 regelt Pauschbeträge für bestimmte Krankheiten. Diese sind nicht Gegenstand des Antrages. § 3 regelt Ersätze für ein Kfz, wenn die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht möglich ist. Auch dies ist nicht Gegenstand des Antrages. Es bleibt daher nur § 4 der Verordnung. Gemäß § 4 sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) und Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen. Es muss sich also um Kosten einer Heilbehandlung handeln oder um Kosten die nicht regelmäßig anfallen. Nicht erfasst sind hierbei die regelmäßig anfallenden Pflegekosten. Bei den Kosten eines Seniorenheimes bzw. Pflegeheimes handelt es sich aber genau um solche Pflegekosten, die regelmäßig anfallen.

ausländische Pension: Die Höhe der ausl. Pension wurde durch die Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd bekanntgegeben."

In ihrem Vorlageantrag vom brachte die Beschwerdeführerin wiederum vor: "(1) AGB Diätpflege für Innere Krankheiten in Höhe von EUR 504,00 wurde von mir beantragt aber vom FA ohne Begründung verweigert. Bescheinigung HA Dr. Hackl vom liegt dem FA bereits vor und gebe ich nochmals in die Anlage. (2) AGB Pflege im SWH über EUR 15.728,00. laut Belege sh Anlage. (3) Das erhaltene Pflegegeld darf nur mit den Behinderungen aber nicht mit den anderen AGB-Positionen saldiert werden. Dieser Teil des Pflegegeldes muss dem Behinderten laut VfGH verbleiben. (4) Das BMF (Finddok) und Prof Doralt erläutern mehrfach, dass das Pflegegeld nur für Pflege-Personal-Aufwand verwendet werden darf und nicht für AGB-Sachaufwands-Kosten. (5) Für die DRV-Renten 2018 + 2019 habe ich bereits am gemäß EU-DSGVO um Mitteilung der von der deutschen Finanzverwaltung gemeldeten Daten ersucht, weil sie mit meinen Belegen nicht übereinstimmen."

Das Finanzamt legte beide Beschwerden am dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte, sie jeweils abzuweisen. Aufgrund der Verwaltungspraxis, wonach bei Pflegegeldbezug von einem Grad der Behinderung von mindestens 25 % ausgegangen werde, seien trotz des diesbezüglich nicht erbrachten Nachweises die geltend gemachten Kosten für Medikamente und einen Schlüsselsafe im Jahr 2018 und für die Unterbringung im Seniorenheim als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt anerkannt worden.

Mit Schreiben vom forderte das Bundesfinanzgericht die Beschwerdeführerin zur Vorlage eines Nachweises über eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (bzw. einen festgestellten Grad der Behinderung) und über die Notwendigkeit der Einnahme von Diätverpflegung auf. Die Beschwerdeführerin reagierte nicht auf dieses Schreiben.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin hat ausweislich der von der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd an das Finanzamt übermittelten Meldungen im Jahr 2018 EUR 2.862,66 und im Jahr 2019 EUR 2.954,40 an Pensionsauszahlungen sowie Zulagen zur Krankenversicherung (EUR 73,00 im Jahr 2018 und EUR 75,34 im Jahr 2019) erhalten. Sie hat laut vorliegenden Bestätigungen der Pensionsversicherungsanstalt im Jahr 2018 EUR 146,04 und im Jahr 2019 EUR 150,67 an Krankenversicherungsbeiträgen für eine ausländische Leistung entrichtet. Diese Umstände hat das Finanzamt in den angefochtenen Bescheiden berücksichtigt.

Nicht erwiesen ist, dass bei der Beschwerdeführerin eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (ein Grad der Behinderung) vorläge. Eine diesbezügliche amtliche Bescheinigung ist nicht aktenkundig und wurde trotz Aufforderung seitens des Finanzamtes und des Bundesfinanzgerichts von der Beschwerdeführerin nicht vorgelegt.

Nicht erwiesen ist, dass bei der Beschwerdeführerin eine medizinische Diagnose gestellt worden wäre, aufgrund derer die Einnahme von Diätverpflegung geboten wäre. Die Beschwerdeführerin hat trotz Aufforderung seitens des Finanzamtes und seitens des Bundesfinanzgerichts keine diesbezüglichen Belege oder Beweismittel vorgelegt.

Die Beschwerdeführerin hat in den Streitjahren pflegebedingte Geldleistungen (Pflegegeld: EUR 4.255,20 im Jahr 2018 und EUR 7.860,30 im Jahr 2019) bezogen, was in den vom BVA Pensionsservice übermittelten Lohnzetteln dokumentiert ist.

Die Beschwerdeführerin hat im Jahr 2018 EUR 309,- für Medikamente und EUR 40,- für einen Schlüsselsafe für das Rote Kreuz aufgewendet, was durch die beigebrachten Belege nachgewiesen wurde.

Die Beschwerdeführerin hat im Jahr 2019 EUR 6.821,68 (ohne Abzug der Haushaltsersparnis von EUR 5,23 pro Tag) für den Zeitraum 22.1.- und EUR 7.897,61 (nach Abzug der Haushaltsersparnis von EUR 5,23 pro Tag) für den Zeitraum 4.9.- für die Unterbringung im Seniorenwohnheim aufgewendet. An weiteren Kosten im Zusammenhang mit der Unterbringung im Seniorenwohnheim hat die Beschwerdeführerin EUR 348,20 aufgewendet (Kosten für Medikamente bzw. eine Überweisung an das Hilfswerk Salzburg). Nach Verrechnung mit dem anteiligen Pflegegeld für die Aufenthaltstage im Seniorenwohnheim ergeben sich Aufwendungen von insgesamt EUR 9.971,09 (vgl. die vom Finanzamt angestellte Berechnung, welche der Beschwerdeführerin vom Bundesfinanzgericht nochmals zur Kenntnis gebracht wurde).

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Streit besteht darüber, ob die von der Beschwerdeführerin wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen getragenen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen aufgrund einer bestehenden Behinderung zu berücksichtigen sind oder nicht.

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens außergewöhnliche Belastungen abzuziehen, wenn sie außergewöhnlich sind, zwangsläufig erwachsen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Eine wesentliche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit liegt dann vor, wenn die Belastung einen vom Einkommen des Steuerpflichtigen vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt (§ 34 Abs. 4 EStG 1988). Dies trifft für die Kosten der im Jahr 2018 erworbenen Medikamente sowie eines Schlüsselsafes und für die Kosten der Unterbringung in einem Seniorenwohnheim im Jahr 2019 dem Grunde nach zu. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin wird durch die Aufwendungen für die Unterbringung in einem Seniorenwohnheim nur insoweit beeinträchtigt, als diese nicht durch bezogenes Pflegegeld abgedeckt sind (so auch ). Das Pflegegeld hat nämlich den Zweck, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen so weit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen (). Die Aufwendungen von EUR 9.971,09 (Kosten für das Seniorenwohnheim abzüglich der Haushaltsersparnis und des anteiligen Pflegegeldes) sind im Jahr 2019 als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Nach § 34 Abs. 6 EStG 1988 können Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung (§ 35 Abs. 1 EStG 1988) ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen. Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25 % beträgt (§ 1 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl 303/1996). Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen (§ 35 Abs. 2 EStG 1988). Die Beschwerdeführerin hat den Nachweis des Vorliegens einer Behinderung nicht erbracht. Die Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen als solche aus dem Titel der Behinderung kommt daher nicht in Betracht. Der Selbstbehalt nach § 34 Abs. 4 EStG 1988 ist daher zu berücksichtigen.

Gemäß § 2 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen können bei Magen- oder einer anderen inneren Krankheit EUR 42,- pro Kalendermonat als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten berücksichtigt werden. Beträgt die Minderung der Erwerbsfähigkeit weniger als 25 %, ist dieser Betrag ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten nach Abzug des Selbstbehaltes gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 zu berücksichtigen. Da für die Beschwerdeführerin weder eine Diagnose nachgewiesen wurde, aufgrund derer die Notwendigkeit der Einnahme von Krankendiätverpflegung bescheinigt wäre, noch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit dokumentiert wurde, kommt die Berücksichtigung eines Pauschales für Krankendiätverpflegung schon dem Grunde nach nicht und somit weder ohne noch mit Anrechnung des Selbstbehaltes in Betracht.

Die angefochtenen Bescheide waren daher abzuändern. Die vom Finanzamt verfolgte Verwaltungsübung dahin, dass bei Pflegegeldbezug ein zumindest 25-prozentiger Grad der Behinderung angenommen wird, ist gesetzlich nicht gedeckt.

2.2. Zu Spruchpunkt II. (Revisionszulässigkeit)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Würdigung der festgestellten Sachverhaltselemente ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war nicht zu lösen.

Berechnung der Einkommensteuer 2018

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Berechnung der Einkommensteuer 2019

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Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100450.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at