Geschäftsführerhaftung, Beschwerdeführer ist technischer Leiter, Mitgeschäftsführer als finanzieller Leiter wohnhaft in England, Einbringlichmachung bei diesem nicht ohne Schwierigkeiten, keine lange Zeitdauer
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende R-1, die Richterin R-2 sowie die fachkundigen Laienrichter R-3 und R-4 in der Beschwerdesache Bf., A-1, vertreten durch Hopmeier Wagner Kirnbauer Rechtsanwälte OG, Rathausstraße 15, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer N-1, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines Vertreters Rechtsanwalt Mag. DDr. Paul Hopmeier, der Vertreterin des Finanzamtes P-1 sowie der Schriftführerin P-2 zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer (Bf.) gemäß § 9 Abs. 1 BAO iVm § 80 BAO als Haftungspflichtiger für nachstehende Abgaben der G-1 in der Höhe von € 476.902,14 zur Haftung herangezogen:
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Abgabe | Zeitraum | Fälligkeit | Betrag |
Umsatzsteuer | 2016 | 8.624,84 | |
Umsatzsteuer | 11/2017 | 12.995,08 | |
Lohnsteuer | 12/2017 | 24.605,17 | |
Dienstgeberbeitrag | 12/2017 | 4.097,28 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 12/2017 | 399,74 | |
Säumniszuschlag 2 | 2017 | 318,70 | |
Säumniszuschlag 1 | 2017 | 470,66 | |
Säumniszuschlag 1 | 2017 | 74,98 | |
Kammerumlage | 10-12/2017 | 47,17 | |
Umsatzsteuer | 12/2017 | 3.333,41 | |
Körperschaftsteuer | 01-03/2018 | 437,00 | |
Lohnsteuer | 01/2018 | 25.157,13 | |
Dienstgeberbeitrag | 01/2018 | 3.770,67 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 01/2018 | 386,73 | |
Säumniszuschlag 1 | 2017 | 594,31 | |
Säumniszuschlag 1 | 2017 | 193,40 | |
Säumniszuschlag 2 | 2017 | 288,55 | |
Umsatzsteuer | 01/2018 | 543,69 | |
Lohnsteuer | 02/2018 | 33.475,60 | |
Dienstgeberbeitrag | 02/2018 | 4.537,43 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 02/2018 | 465,38 | |
Säumniszuschlag 2 | 2017 | 215,04 | |
Säumniszuschlag 1 | 2018 | 296,67 | |
Säumniszuschlag 2 | 2017 | 235,33 | |
Säumniszuschlag 1 | 2018 | 492,10 | |
Säumniszuschlag 1 | 2018 | 81,95 | |
Säumniszuschlag 1 | 2018 | 66,67 | |
Umsatzsteuer | 02/2018 | 2.176,10 | |
Lohnsteuer | 03/2018 | 36.674,79 | |
Dienstgeberbeitrag | 03/2018 | 4.913,78 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 03/2018 | 503,98 | |
Körperschaftsteuer | 04-06/2018 | 437,00 | |
Lohnsteuer | 04/2018 | 33.033,95 | |
Dienstgeberbeitrag | 04/2018 | 4.743,56 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 04/2018 | 486,52 | |
Säumniszuschlag 3 | 2017 | 288,55 | |
Säumniszuschlag 2 | 2017 | 264,32 | |
Säumniszuschlag 2 | 2017 | 68,70 | |
Säumniszuschlag 2 | 2017 | 60,83 | |
Säumniszuschlag 1 | 2018 | 503,14 | |
Säumniszuschlag 1 | 2018 | 75,41 | |
Säumniszuschlag 1 | 2018 | 669,51 | |
Säumniszuschlag 1 | 2018 | 90,75 | |
Lohnsteuer | 05/2018 | 39.631,88 | |
Dienstgeberbeitrag | 05/2018 | 9.179,13 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 05/2018 | 941,45 | |
Säumniszuschlag 3 | 2017 | 215,04 | |
Säumniszuschlag 2 | 2018 | 148,33 | |
Säumniszuschlag 2 | 2018 | 246,05 | |
Säumniszuschlag 1 | 2018 | 733,50 | |
Säumniszuschlag 1 | 2018 | 98,28 | |
Lohnsteuer | 06/2018 | 35.628,83 | |
Dienstgeberbeitrag | 06/2018 | 5.178,57 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 06/2018 | 531,14 | |
Säumniszuschlag 3 | 2017 | 235,33 | |
Säumniszuschlag 2 | 2018 | 251,57 | |
Säumniszuschlag 3 | 2017 | 264,32 | |
Säumniszuschlag 3 | 2017 | 68,70 | |
Säumniszuschlag 3 | 2017 | 60,83 | |
Säumniszuschlag 2 | 2018 | 334,76 | |
Säumniszuschlag 1 | 2018 | 660,68 | |
Säumniszuschlag 1 | 2018 | 94,87 | |
Säumniszuschlag 1 | 2018 | 792,64 | |
Säumniszuschlag 1 | 2018 | 183,58 | |
Lohnsteuer | 07/2018 | 29.666,74 | |
Dienstgeberbeitrag | 07/2018 | 4.426,23 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 07/2018 | 453,97 | |
Körperschaftsteuer | 07-09/2018 | 437,00 | |
Säumniszuschlag 3 | 2018 | 148,33 | |
Säumniszuschlag 3 | 2018 | 246,05 | |
Säumniszuschlag 2 | 2018 | 366,75 | |
Säumniszuschlag 1 | 2018 | 712,58 | |
Säumniszuschlag 1 | 2018 | 103,57 | |
Säumniszuschlag 1 | 2017 | 172,50 | |
Lohnsteuer | 08/2018 | 33.788,72 | |
Dienstgeberbeitrag | 08/2018 | 4.977,74 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 08/2018 | 510,54 | |
Umsatzsteuer | 08/2018 | 1.510,96 | |
Lohnsteuer | 09/2018 | 41.792,46 | |
Dienstgeberbeitrag | 09/2018 | 5.894,05 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 09/2018 | 604,52 | |
Säumniszuschlag 3 | 2018 | 251,57 | |
Säumniszuschlag 2 | 2018 | 330,34 | |
Säumniszuschlag 1 | 2018 | 593,33 | |
Säumniszuschlag 1 | 2018 | 88,52 | |
Umsatzsteuer | 09/2018 | 1.395,66 | |
Lohnsteuer | 10/2018 | 34.527,73 | |
Dienstgeberbeitrag | 10/2018 | 4.707,25 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 10/2018 | 482,80 | |
Körperschaftsteuer | 10-12/2018 | 439,00 | |
Säumniszuschlag 3 | 2018 | 334,76 | |
Säumniszuschlag 2 | 2018 | 396,32 | |
Säumniszuschlag 2 | 2018 | 91,79 | |
Säumniszuschlag 1 | 2018 | 675,77 | |
Säumniszuschlag 1 | 2018 | 99,55 |
Die Geltendmachung der Haftung liege im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten habe. Innerhalb dieser Grenzen seien Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" sei dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO hätten die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen oblägen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalteten, entrichtet würden.
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO hafteten die in § 80 Abs. 1 BAO erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden könnten.
Die Haftung nach § 9 BAO sei eine Ausfallshaftung und werde subsidiär geltend gemacht unter der Voraussetzung der objektiven Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden.
Der Bf. sei vom D-1 bis zur Konkurseröffnung eingetragener handelsrechtlicher Geschäftsführer der genannten Gesellschaft gewesen. Er sei somit mit der Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten betraut gewesen.
Schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigten zur Haftungsinanspruchnahme. Die Haftungsinanspruchnahme setze eine Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraus. Zu den abgabenrechtlichen Pflichten gehörten vor allem die Abgabenentrichtung aus den Mitteln, die der Vertreter verwalte, die Führung gesetzmäßiger Aufzeichnungen, die zeitgerechte Einreichung von Abgabenerklärungen und die Offenlegungs- und Wahrheitspflicht. Nach ständiger Rechtsprechung habe der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls angenommen werde, dass die Pflichtverletzung schuldhaft gewesen sei.
Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer sei Folgendes festzuhalten:
Gemäß § 21 Abs. 1 UStG habe der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 UStG und des § 16 UStG selbst zu berechnen habe. Der Unternehmer habe eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Für die haftungsgegenständlichen Zeiträume sei die Umsatzsteuer gemeldet bzw. rechtskräftig veranlagt, jedoch nicht entrichtet worden.
Der Geschäftsführer hafte auch dann für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden seien, hierzu nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.
Seien mehrere potentielle Haftungspflichtige vorhanden, richte sich nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH die haftungsrechtliche Verantwortung danach, wer mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut sei. Der von den finanziellen, insbesondere steuerlichen Angelegenheiten ausgeschlossene Geschäftsführer sei in der Regel nicht in Anspruch zu nehmen. Verletze jedoch der mit den abgabenrechtlichen Angelegenheiten nicht befasste Vertreter seine eigenen Pflichten dadurch grob, dass er trotz Unregelmäßigkeiten des zur Wahrnehmung abgabenrechtlicher Angelegenheiten bestellten Geschäftsführers nichts unternehme, um Abhilfe zu schaffen, so sei er auch haftbar, es sei denn, dass ihm triftige Gründe die Erfüllung dieser wechselseitigen Überwachungspflicht unmöglich machten. Allerdings komme eine Überprüfung der Tätigkeit des mit der Abgabenentrichtung betrauten und hierfür verantwortlichen Geschäftsführers durch den Geschäftsführer nur in Betracht, wenn ein Anlass vorliege, an der Ordnungsgemäßheit seiner Geschäftsführung zu zweifeln (vgl. ; ).
Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz gälten für Abfuhrabgaben, insbesondere für die Lohnsteuer. Nach § 78 Abs. 3 EStG habe der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlichen zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. Eine solche Ausnahme bestehe auch für die Kapitalertragssteuer.
Es werde auf die Bestimmungen des § 7 Abs. 2 BAO verwiesen, wonach sich persönliche Haftungen auf Nebenansprüche erstreckten.
Die der Haftung zugrundeliegenden Abgabenbescheide seien im Konvolut beigefügt.
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In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde brachte der Bf. vor, die dem angefochtenen Haftungsbescheid zugrundeliegenden Bescheide nicht zu bekämpfen. Vielmehr gehe er davon aus, dass jene Grundlagenbescheide ihre Richtigkeit hätten.
2. Sachverhalt und Beweisantrag
2.1 Absicht der Behörde zur Heranziehung zur Haftung gemäß §§ 9 iVm 80 BAO
Dem Bf. sei am ein Schreiben des Finanzamtes vom zugestellt worden, mit dem er über die Absicht der Behörde informiert worden sei, ihn zur Haftung für Abgabenschulden gemäß §§ 9 iVm 80 BAO heranzuziehen. Am habe der Bf. eine umfassende Stellungnahme samt 21 Beilagen eingebracht, auf die das Finanzamt im angefochtenen Haftungsbescheid mit keiner Silbe bezugnehme. Ein wesentlicher Teil der folgenden Ausführungen zum Sachverhalt und alle hiermit nochmals vorgelegten Beilagen seien bereits in jener Stellungnahme enthalten gewesen.
2.2 Erledigung mit der MA 6 der Stadt Wien
Auch die Stadt Wien (MA 6) habe zunächst versucht, den Bf. zur Haftung für lohnabhängige Abgaben im Zusammenhang mit der Insolvenz der GmbH heranzuziehen. Der Bf. habe daher eine mit der Stellungnahme an das Finanzamt vom im wesentlichen inhaltsgleiche Beschwerde an die MA 6 der Stadt Wien gerichtet und die tatsächlichen kaufmännischen Geschäftsführer über die Androhung seiner Inanspruchnahme informiert. In weiterer Folge seien die gesamten Abgabenschulden bei der MA 6 von den tatsächlich Verantwortlichen bezahlt worden, sodass seiner Beschwerde mit der Beschwerdevorentscheidung vom stattgegeben worden sei.
Beweis:
- Beschwerdevorentscheidung MA 6 der Stadt Wien, Beilage ./Y
- Akt zu AZ N-2 der MA 6 der Stadt Wien
2.3 Die Stellung der G-1 innerhalb des Konzerns
Die Gesellschaft sei eine Tochtergesellschaft eines börsennotierten schwedischen Weltkonzerns gewesen und habe für ihren Konzern wichtige technische Leistungen erbracht. Sie habe mit ihrer technischen Kompetenz im Konzern ein Alleinstellungsmerkmal gehabt und sei für den Konzern besonders wichtig gewesen. Die Finanzierung der GmbH sei stets durch Zahlungen aus dem Konzern erfolgt, entsprechende Zusagen seien vorgelegen und laufend wiederholt und eingehalten worden, worauf sich der Bf. verlassen habe und auch verlassen habe können und dürfen.
2.4 Ressortverteilung auf Geschäftsführerebene
2.4.1 Bf. war technischer Leiter ("CTO")
Der Bf. sei zwar formell als Geschäftsführer der GmbH im Firmenbuch eingetragen, jedoch im Unternehmen der Gesellschaft "Chief Technical Officer - CTO", also der technische Leiter gewesen.
Die kaufmännischen Agenden seien von den weiteren drei im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführern (Beilage ./C), die in anderen Konzerngesellschaften beschäftigt gewesen seien, wahrgenommen worden. Selbst die Überweisungen von den Konten der GmbH seien im Rahmen der Konzernorganisation von Konzernunternehmen unter Aufsicht jener drei anderen Konzerngesellschafter durchgeführt worden.
2.4.2 Rolle des P-3 (CFO, Finanzchef)
Die Rolle des P-3 als CFO (Chief Financial Officer), sprich Finanzchef, der über Zahlungen entschieden, Zahlungen freigegeben und sich auch um deren Finanzierung gekümmert habe, zeige sich insbesondere auch angesichts der hiermit vorgelegten E-Mails Beilagen ./D, ./E, ./F, ./G, ./H und ./J. P-3 sei insbesondere für das Konto der GmbH zeichnungsberechtigt gewesen (siehe unten unter Punkt 2.5.3).
2.5 Zeichnungsberechtigung
2.5.1 E-Mail mit Schema für Zeichnung auf Bankkonten
Der angeschlossenen E-Mail und den darin enthaltenen Anweisungen aus dem Konzern (Beilage ./K) sei zu entnehmen, dass das Zahlungs- und Finanzwesen vom Konzern der GmbH gesteuert gewesen sei und dass relevante Überweisungen vom Konzern hätten freigegeben und gezeichnet werden müssen.
2.5.2 Korrespondenz mit Bank zu Zeichnungsberechtigungen
Zudem verweise der Bf. auf die dieser Stellungnahme angeschlossene Korrespondenz zu den Zeichnungsberechtigungen der GmbH bei der Bank für Konzernmitarbeiter, die als Konvolut Beilage ./L vorgelegt werde ("sowohl Lese- als auch Beauftragungsgewalt").
2.5.3 Zeichnungsberechtigung des P-3, Anfrage an Vertreter
Der Bf. lege weiters mit dieser Stellungnahme als Beweis der Zeichnung und Durchführung von Überweisungen für die Gesellschaft durch Konzernmitarbeiter das angeschlossene Konvolut an Korrespondenz als Beilage ./M vor. Es handle sich dabei insbesondere um umfassenden Mailverkehr zwischen der britischen Konzerngesellschaft, der Office Administratorin, der Bank Austria und dem Bf. bezüglich der diversen Beantragungen der Zugänge etc. Jene angeschlossenen Unterlagen (Beilage ./M) bewiesen insbesondere, dass P-3 Zugriff auf das Bankkonto der Gesellschaft gehabt habe und dass dessen Mitarbeiter auch in seinem Namen Überweisungen von jenem Bankkonto durchgeführt hätten. Er sei jedenfalls über das Geschäftskonto als selbständig vertretungsberechtigter Geschäftsführer der Gesellschaft hierüber verfügungsberechtigt und habe über dieses Konto auch verfügt.
Die Vertreter des Bf. hätten die Rechtsvertretung des P-3 um Bestätigung ersucht, dass P-3 und weitere im Ausland ansässige Personen, zeichnungsberechtigt auf den Konten der GmbH gewesen seien. Wie bereits im Fristerstreckungsantrag vom erwähnt worden sei, sei eine inhaltliche Stellungnahme nach Rücksprache mit P-3 lediglich versprochen worden, aber nie erfolgt (Beilage ./A). Eine nochmalige Urgenz sei nur insoweit beantwortet worden, als die Rechtsvertretung des P-3 mit ihrem Mandanten Rücksprache gehalten hätte. Eine inhaltliche Stellungnahme oder gar eine schriftliche Bestätigung sollten sie in diesem Zusammenhang nicht erhalten haben (Beilage ./N). Sinn und Zweck dieser Rücksprache bleibe im Dunkeln.
2.5.4 Beweisantrag: Anfrage an die kontoführende Bank
Die Vertreter des Bf. hätten daher das bereits mit Fristerstreckungsantrag vom vorgelegte Schreiben an die Ombudsstelle der Bank (Beilage ./B) gerichtet, welches jedoch - trotz Urgenz - nicht beantwortet worden sei. Der Bf. stelle daher - abermals, wie schon in der Stellungnahme vom - den höflichen Beweisantrag an das Finanzamt bzw. das Bundesfinanzgericht, bei jener Bank (*** Bank Ombudsstelle) anzufragen, welche anderen Personen als der Bf. auf den Konten der G-1 zeichnungsberechtigt gewesen seien.
2.6 Überraschender Eintritt der Zahlungsunfähigkeit
Das am D-2 eröffnete Konkursverfahren der GmbH sei die Folge der für alle Beteiligten überraschenden Nichteinhaltung der letzten Zahlungszusagen durch den Konzern der GmbH gewesen. Bis dahin habe kein Grund für den Bf. bestanden, von einer Insolvenz oder Insolvenzantragspflicht der GmbH auszugehen, vielmehr sei höchstens eine kurzfristige Zahlungsstockung vorgelegen.
Wie den hiermit vorlegten Berichten der Masseverwalterin im Konkurs der GmbH (Beilage ./P) zu entnehmen sei, hätten auch die äußerst erfahrene Insolvenzrechtspezialistin und Masseverwalterin RA P-4 sowie der ebenfalls äußerst erfahrene Insolvenzrechtspezialist und Schuldnervertreter (und laufend bestellter Masseverwalter) RA P-5 auch im Insolvenzverfahren der GmbH eine Zahlung der Konzernobergesellschaften, welche einen gerichtlich zugelassenen, von der Masseverwalterin befürworteten und von den Gläubigern angenommenen Zahlungsplan ermöglicht hätten (Beilage ./U), erwartet.
Wie zuvor der Bf., so seien sodann auch die Masseverwalterin RA P-4 sowie der Schuldnervertreter RA P-5 überrascht gewesen, als die vom Konzern der GmbH zugesagten Zahlungen ausgeblieben seien, der angenommene Sanierungsplan nicht habe bestätigt werden können und sogar das Honorar des Schuldnervertreters RA P-5 sowie der Steuerberatung der GmbH nicht bezahlt worden sei (Beilage ./X).
Man kann vom technischen Leiter eines Unternehmens nicht erwarten, skeptischer oder weniger leicht zu überraschen zu sein, als äußerst erfahrene und renommierte Insolvenzrechtspezialisten, Wirtschaftsanwälte und Insolvenzverwalter (RA P-4 und RA P-5) sowie Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater.
Wie der Fall G-2 (siehe beiliegender Zeitungsartikel (Beilage ./Q) und beiliegende Einstellungsbegründung der WKStA (Beilage ./R) eindrucksvoll gezeigt habe, dürften sich Manager auf in der Vergangenheit eingehaltene Finanzierungszusagen des Konzerns verlassen.
Wie dem angeschlossenen Artikel aus der "Presse" vom zu entnehmen sei, sei im Strafverfahren gegen die Manager der G-2 Gruppe in Folge des Gutachtens des gerichtlich bestellten Buchsachverständigen RA StB WP P-6 festgestellt worden, dass die Zahlungsunfähigkeit der G-2 erst an jenem Tag eingetreten gewesen sei, an welchem auch der Insolvenzantrag gestellt worden sei, insbesondere, weil man sich zu Recht auf die laufende Finanzierung durch den Konzern verlassen habe und verlassen habe dürfen. Die entsprechende Einstellungsbegründung der WKStA werde mit dieser Stellungnahme ebenfalls (als Beilage ./R) vorgelegt.
Wesentlich seien darin insbesondere die Seiten 55 und 85, in welchen jeweils ausgeführt werde, dass aufgrund der Zusagen der Muttergesellschaft keine Insolvenz eingetreten gewesen sei (Seite 85) und dass sich die Manager der sodann insolvent gewordenen Tochtergesellschaft auf jene Zusagen verlassen hätten dürfen (Seite 55).
Das treffe auch auf den vorliegenden Fall der G-1 zu: Im vorliegenden Fall sei dem Bf. von Seiten des Konzerns der GmbH laufend versichert worden, insbesondere auch die Abgabenverbindlichkeiten der Gesellschaft zu bezahlen, was auch regelmäßig eingehalten worden sei (siehe vorgelegte Korrespondenz, insbesondere Beilage ./T).
3. Beschwerdegründe
Der Bf. fechte den Haftungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit in Folge der Verletzung von Verfahrensvorschriften an.
3.1 Überschriften
Die Gliederung der im Folgenden ausgeführten Berufungsgründe sowie dieses gesamten Schriftsatzes durch Überschriften diene nur der Übersichtlichkeit. Der Bf. erstatte ausdrücklich sein gesamtes Vorbringen in diesem Schriftsatz zu jedem darin genannten Punkte und Aspekte des angefochtenen Haftungsbescheids sowie zu jedem Beschwerdegrund.
3.2 Verjährung (insbesondere Einhebungsverjährung)
Die ohnehin wie im Folgenden dargelegt nicht vorliegende Haftung des Bf. für die dem angefochtenen Haftungsbescheid gegenständlichen Abgaben sei verjährt. Mittlerweile sei diesbezüglich insbesondere die Einhebungsverjährung eingetreten.
3.3 Erhebliche Begründungs- und Verfahrensmängel
Der angefochtene Haftungsbescheid leide an erheblichen Begründungsmängeln, die sich insbesondere an Folgendem zeigten:
3.3.1 Ignorieren der ausführlichen Stellungnahme vom
Das Finanzamt habe die ausführliche Stellungnahme des Bf. vom , der auch 21 Beilagen angeschlossen gewesen seien, offensichtlich völlig ignoriert. Sie finde keine Erwähnung oder Berücksichtigung im angefochtenen Haftungsbescheid. Das Finanzamt habe diesbezüglich offensichtlich in keiner Weise ermittelt. Damit liege insbesondere ein wesentlicher Verfahrensmangel vor.
3.3.2 Ermessungsübung und Verschulden nicht begründet
Die Inanspruchnahme eines Geschäftsführers durch einen Haftungsbescheid sei eine Ermessensentscheidung. Solche Ermessensentscheidungen und die damit einhergehende Ermessensausübung seien vom Finanzamt zu begründen. Der angefochtene Haftungsbescheid enthalte jedoch überhaupt keine Begründung für die Inanspruchnahme des Bf. als Geschäftsführer der GmbH.
Der angefochtene Haftungsbescheid enthalte insbesondere keine Ausführungen zu den bereits im bisherigen Verfahren geführten Nachweisen zum mangelnden Verschulden des Bf. Der Bescheid sei damit nicht überprüfbar.
Damit liege insbesondere ein wesentlicher Verfahrensmangel vor. Schließlich hätte das Finanzamt beim Versuch, die Ermessensentscheidung und das hierfür erforderliche Verschulden des Bf. zu begründen, erkennen können und erkennen müssen, dass tatsächlich kein Verschulden des Bf. für die Nichtentrichtung der dem angefochtenen Haftungsbescheid gegenständlichen Abgaben vorliege.
3.4 Rechtswidrigkeit des Inhalts
Die mit dem angefochtenen Haftungsbescheid geltend gemachte Haftung des Bf. setze ein Verschulden des Bf. an der Nichtentrichtung der dem Haftungsbescheid gegenständlichen Abgaben voraus. Das sei hier einfach nicht gegeben:
3.4.1 Kein Verschulden des Bf.
Den Bf. treffe kein Verschulden daran, dass die dem angefochtenen Haftungsbescheid gegenständlichen Abgaben nicht entrichtet worden seien.
Aus den oben, insbesondere in Punkt 2 sowie bereits in der Stellungnahme vom samt Beilagen und den angeschlossenen Beilagen dargestellten Gründen, sei dem Bf. eben gerade nicht vorzuwerfen, dass die gegenständlichen Abgaben in Folge schuldhafter Verletzung der ihm auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten hereingebracht werden hätten können. Vielmehr sei dem Bf. angesichts der auch den Rechtsanwalt der Schuldnerin und die Masseverwalterin der Schuldnerin noch während des Insolvenzverfahrens täuschenden Finanzierungszusagen seitens des Konzerns nichts vorzuwerfen.
Der angefochtene Haftungsbescheid leide insbesondere an Rechtswidrigkeit des Inhalts, weil die erforderliche Haftungsvoraussetzung des Verschuldens des Bf. nicht bestehe. Der Haftungsbescheid nehme zur Frage eines Verschuldens als Haftungsvoraussetzung keine Stellung. Hätte das Finanzamt die beantragten Beweise aufgenommen, hätte sich das mangelnde Verschulden an der Nichtzahlung der haftungsgegenständlichen Abgaben herausgestellt.
4. Beweisantrag und vorgelegte Beweismittel
Der Bf. lege folgende Beweismittel zum Nachweis seines obigen Vorbringens vor und beantrage folgende Beweisaufnahmen (Einvernahmen etc.):
- P-3, geb. D-3, A-2, als Zeuge;
- P-7, geb. D-4, A-3, als Zeuge;
- P-8, geb. D-5, A-4, als Zeuge;
- P-9 (ehemaliger Marketing Direktor), A-5, als Zeuge;
- P-10 (ehemalige Sales Mitarbeiterin), A-6, als Zeugin;
- Rechtsanwältin P-4 (Masseverwalterin der G-1), A-7, als Zeugin;
- Rechtsanwalt P-5 (Schuldnervertreter der G-1), A-8, als Zeuge;
- Steuerberater P-11, A-9, als Zeuge;
- Firmenbuchauszug G-1, Beilage ./C;
- E-Mail von P-3 vom , Beilage ./D;
- E-Mail von P-3 vom , Beilage ./E;
- E-Mail von P-3 vom , Beilage ./F;
- E-Mail von P-3 vom , Beilage ./G;
- E-Mail von P-3 vom 23.02i2018, Beilage ./H;
- E-Mail von P-3 vom , Beilage ./J:
- E-Mail des Konzerns vom samt "Payment Authoriser Mandate", Beilage ./K;
- Konvolut E-Mails und Unterlagen inkl. Passkopien und Bankformulare zu Zeichnungsberechtigungen von Konzernmitarbeitern auf Bankkonten aus 2011 und 2012, Beilage ./L;
- Konvolut Korrespondenz zu Zahlungsverkehr, Beilage ./M;
- E-Mail Verkehr an Rechtsvertretung von P-3 vom 18.02. bzw. , Beilage ./N;
- Auszug aus der Insolvenzdatei der G-1, Beilage ./O;
- Konvolut Bericht der Masseverwalterin der G-1 an das Konkursgericht, Beilage ./P;
- Artikel aus "Die Presse" vom zur Insolvenz der G-2 Gruppe, Beilage ./Q;
- Einstellungsbegründung der WKStA im Ermittlungsverfahren gegen Manager der G-2 Gruppe, Beilage ./R;
- Personenorganigramm der Gruppe der G-1, Beilage ./S;
- Konvolut E-Mails mit Zahlungszusagen des Konzerns der G-1, Beilage ./T;
- E-Mail des Konzerns an den Schuldnervertreter RA P-5 mit Zahlungszusage für Sanierungsplan, Beilage ./U;
- Börsenprospekt- und Information des Konzerns der G-1, Beilage ./V;
- Konzernorganigramm der Gruppe der G-1, Beilage ./W;
- E-Mail P-5 Do 19:43, Beilage ./X;
- Beschwerdevorentscheidung MA 6 der Stadt Wien, Beilage ./Y;
- Beizuschaffender Akt zu AZ N-2 der MA 6 der Stadt Wien.
Wie bereits oben ausgeführt, hätten die Vertreter des Bf. das bereits mit Fristerstreckungsantrag vom vorgelegte Schreiben an die Ombudsstelle der Bank gerichtet (Beilage ./B), welches jedoch - trotz Urgenz - nicht beantwortet worden sei. Der Bf. stelle daher - abermals, wie schon in der Stellungnahme vom - und wie bereits oben in Punkt 2 den höflichen Beweisantrag an das Finanzamt und an das Bundesfinanzgericht bei jener Bank (*** Bank Ombudsstelle) anzufragen, welche anderen Personen als der Bf. auf den Konten der GmbH im dem angefochtenen Haftungsbescheid gegenständlichen Zeitraum zeichnungsberechtigt gewesen seien.
Abschließend beantragte der Bf. die Entscheidung durch den Senat und Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, dass die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter gemäß § 9 Abs. 1 BAO neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit hafteten, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden könnten.
Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen hätten alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen oblägen, und seien befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie hätten insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalteten, entrichtet würden (§ 80 Abs. 1 BAO).
Für die Haftung nach § 9 BAO sei nur die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten von Bedeutung. Abgabenrechtliche Pflichten würden nicht erfüllt, wenn Abgaben, die zu entrichten gewesen wären, nicht entrichtet worden seien. Nach der Judikatur seien eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, die Stellung als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit Voraussetzung für die Haftung. Die Haftung nach § 9 BAO sei eine Ausfallshaftung. Voraussetzung sei die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden. Uneinbringlichkeit liege vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos gewesen seien oder voraussichtlich erfolglos wären. Uneinbringlichkeit liege etwa vor bei Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens.
Maßgebend für die Vertreterhaftung nach § 9 BAO sei die gesellschaftsrechtliche Stellung als Geschäftsführer. Dies gelte unabhängig davon, ob die betreffende Person tatsächlich als Geschäftsführer tätig sei oder z.B. nur ein "Pro-forma-Geschäftsführer" oder "nur auf dem Papier" (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl., § 9 Rz 1, mit Verweis auf die dort angeführte Judikatur). Die Bestellung des Geschäftsführers durch Gesellschafterbeschluss werde mit der Fassung des entsprechenden Gesellschafterbeschlusses und der Annahme der Bestellung durch den Bestellten wirksam; die Eintragung ins Firmenbuch habe nur deklarative Bedeutung. Die Bestellung eines Geschäftsführers sei somit ein zweiseitiger Akt, der der Zustimmung des in Aussicht genommenen Geschäftsführers bedürfe ().
Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen sei, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel gehabt habe, bestimme sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. Bei Selbstbemessungsabgaben (z.B. Lohnsteuer) sei entscheidend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Führe ein Geschäftsführer als Vertreter der Gesellschaft geschuldete Abgaben nicht spätestens zum Fälligkeitstag ab, liege eine objektive Verletzung der den Geschäftsführer treffenden abgabenrechtlichen Pflichten vor. Haftungsbegründend könne sich diese Pflichtverletzung (unter der Voraussetzung der erschwerten Einbringlichkeit beim Abgabenschuldner) jedoch nur dann auswirken, wenn dem Geschäftsführer an der Pflichtverletzung auch ein Verschulden in Form eines vorsätzlichen oder fahrlässigen Handelns oder Unterlassens anzulasten sei. Da § 9 BAO keine bestimmte Schuldform fordere, genüge für die Haftungsinanspruchnahme leichte Fahrlässigkeit.
Werde der Vertreter an der Erfüllung seiner Verpflichtungen gehindert, schließe dies ein Verschulden an der Verletzung seiner Pflichten ebenfalls nicht aus. Diesfalls wäre der Geschäftsführer verhalten, entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der unbehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden (Ritz/Koran, aaO, § 9 Rz 17). Das Einverständnis, nur formell als Geschäftsführer zu fungieren, somit auf die tatsächliche Geschäftsführung keinen Einfluss zu nehmen, stelle eine derartige Beschränkung der Befugnisse eines Geschäftsführers dar und sei auch nicht als Aufgaben- bzw. Zuständigkeitsverteilung anzusehen ().
Auf den Grund der Übernahme der Geschäftsführerfunktion sowie auf allfällige Einflüsse Dritter auf die Geschäftsführung komme es nicht an. Für das Verschulden im Sinne des § 9 BAO sei daher nicht maßgeblich, ob der Geschäftsführer seine Funktion tatsächlich ausgeübt habe, sondern ob er als Geschäftsführer bestellt gewesen sei und ihm die Ausübung der Funktion oblegen wäre (). Die Haftungsinanspruchnahme setze eine Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraus. Die Pflichtverletzung müsse zur Uneinbringlichkeit geführt haben. Habe der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so dürfe die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung ursächlich für die Uneinbringlichkeit gewesen sei.
Verfüge der Vertretene über (wenn auch nicht ausreichende) Mittel, dürfe der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als die übrigen Schulden (Gleichbehandlungsgrundsatz). Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliege dem Vertreter; dieser und nicht die Behörde habe eine entsprechende Quote zu berechnen. Vermöge der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, hafte er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Werde dieser Nachweis nicht angetreten, könne dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (). Nicht die Abgabenbehörde habe das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Vertreter das Fehlen ausreichender Mittel. Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz gälten für Abfuhrabgaben, insbesondere für die Lohnsteuer. Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO gehe hinsichtlich der Lohnsteuer über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden hinaus. Die Lohnsteuer sei daher - ungeachtet des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller andrängenden Gläubiger - zur Gänze zu entrichten. Die Nichtabfuhr von Lohnsteuer, die auf den ausbezahlten Arbeitslohn entfalle, könne nicht mit dem Fehlen ausreichender Mittel gerechtfertigt werden. Nach § 78 Abs. 3 EStG habe der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten (Ritz/Koran, aaO, § 9 Rz 11d). Jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne stelle eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO dar, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichten (). Dieser Nachweis sei trotz Aufforderung nicht erbracht worden.
Die Geltendmachung der Haftung liege im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten habe. Innerhalb dieser Grenzen seien Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" sei dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen. Die Geltendmachung der Haftung stelle die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruchs dar. Der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, überwiege bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung in der Regel auch allfällige Billigkeitsgründe, die für eine Abstandnahme von der Heranziehung zur Haftung ins Treffen geführt würden.
Beweisanträge nach § 183 BAO hätten das Beweismittel und das Beweisthema (somit die Tatsachen und Punkte, die durch das angegebene Beweismittel geklärt werden sollten) anzugeben. Beweisanträgen, die nicht ausreichend erkennen ließen, welche konkreten Tatsachenbehauptungen im Einzelnen durch das Beweismittel erwiesen werden sollten, brauche die Abgabenbehörde nicht zu entsprechen. Ein Beweisantrag sei nur dann erheblich, wenn Beweisthema eine Tatsache sei, deren Klärung, wenn sie schon nicht (sachverhalts-) erheblich sei, zumindest mittelbar beitragen könne, Klarheit über eine (sachverhalts-) erhebliche Tatsache zu gewinnen. Von der Aufnahme beantragter Beweise sei u.a. dann abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt würden oder unerheblich seien.
Unbestritten sei, dass der Bf. vom D-1 bis zur Konkurseröffnung eingetragener handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma G-1 im Firmenbuch eingetragen gewesen sei und als solcher zum Kreis der potenziell Haftungspflichtigen zähle, die bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen zur Haftung gemäß § 9 BAO herangezogen werden könnten.
Ebenso unstrittig sei die Uneinbringlichkeit der aushaftenden Abgabenschulden bei der Primärschuldnerin und deren Fälligkeit während der Zeit, in welcher der Bf. als deren Geschäftsführer bestellt gewesen sei. Dass die Haftungsschulden zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit nicht entrichtet worden seien, werde ebenfalls nicht in Abrede gestellt.
Der Bf. bestreite jedoch das ihm zur Last gelegte Verschulden, weil nicht er für die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Primärschuldnerin verantwortlich gewesen sei, sondern lediglich der technische Leiter gewesen wäre, er zwar formell als Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen gewesen wäre, die Geschäfte aber tatsächlich von den drei weiteren im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführern geführt worden seien.
Die in der Beschwerde vom gestellten Beweisanträge seien aus Sicht der Abgabenbehörde unerheblich, weil nicht entscheidend sei, wer auf dem Firmenkonto zeichnungsberechtigt gewesen sei oder Banktermine initiiert und die Geschäftsführeragenden tatsächlich wahrgenommen habe.
Seitens des Bf. seien mehrfach von ihm unterschriebene Jahresabschlüsse beim Firmenbuchgericht eingereicht worden, somit könne er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er mit den steuerlichen Angelegenheiten nicht betraut gewesen wäre.
Als bestellter Geschäftsführer habe er die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederzulegen. Habe er dies nicht getan, dann müsse er die haftungsrechtlichen Konsequenzen tragen (vgl. z.B. , und ). Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigten dann zur Haftungsinanspruchnahme, wenn die Verletzung schuldhaft erfolgt sei. Das tatbestandsmäßige Verschulden könne in einem vorsätzlichen oder einem fahrlässigen Handeln oder Unterlassen bestehen. Eine bestimmte Schuldform sei somit hierfür nicht erforderlich (z.B ). Daher reiche leichte Fahrlässigkeit aus (z.B. ; ). Einem Unternehmer, der keine Sorgfalt gezeigt und sich ausschließlich auf Fremdangaben Dritter (hier: "Die Finanzierung der G-1 erfolgte stets durch Zahlungen aus dem Konzern, entsprechende Zusagen lagen vor und wurden laufend wiederholt und eingehalten, worauf sich der Bf. verließ") verlassen habe, sei Fahrlässigkeit zuzurechnen, weil er die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen habe.
Infolge der oben dargestellten schuldhaften Verletzung der in § 119 BAO normierten Pflichten durch den Bf. habe die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen können, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben gewesen sei.
Ein zentrales Ermessenskriterium sei die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls durch die Geltendmachung der Haftung. Der Abgabenbehörde stehe es grundsätzlich frei, mehrere oder auch nur einzelne Personen, die eine für den Abgabenausfall kausale schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten zu verantworten hätten, zur Haftung heranzuziehen; diese Ermessensentscheidung sei entsprechend zu begründen.
Ein Ermessensspielraum liege etwa dann nicht mehr vor, wenn die Abgabenforderung beim anderen potenziell Haftungspflichtigen uneinbringlich sei oder die Einhebung zumindest mit großen Schwierigkeiten verbunden wäre, da die Wohnsitze der weiteren im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführern im Ausland gelegen seien.
Da der Abgabenausfall auf ein Verschulden des Bf. zurückzuführen sei und ein berechtigtes öffentliches Interesse an einer Abgabeneinbringung im Haftungsweg bestehe, sei die Geltendmachung der Haftung zweckmäßig.
Die Beschwerde sei daher abzuweisen gewesen.
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Fristgerecht beantragte der Bf. mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und brachte ergänzend vor:
Entgegen der sich im Wesentlichen auf allgemeine nicht konkret fallbezogene Ausführungen zur Haftung von Geschäftsführern beschränkenden Begründung der Abgabenbehörde treffe den Bf. am aufgelaufenen Abgabenrückstand, hinsichtlich dessen er zur Haftung herangezogen werde, keinerlei Verschulden; auch leichte Fahrlässigkeit sei zu verneinen, da er stets die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße und nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt eingehalten habe.
Die Abgabenbehörde sei nur deshalb zu einer abweisenden Entscheidung gelangt, weil sie alle in der Beschwerde konkret angeführten Beweismittel und Beweisanträge zu Unrecht als irrelevant angesehen und von deren Aufnahme Abstand genommen habe.
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In der am durchgeführten mündlichen Senatsverhandlung wurde vorgebracht:
Vertreter:
"Ich verweise auf die schriftlichen Ausführungen. Es geht in diesem Verfahren im Besonderen um eine Ermessensentscheidung hinsichtlich der Haftungsinanspruchnahme meines Mandanten, daher haben wir auch die Zuständigkeit des Senates beantragt. Mein Mandant wird in der Folge ausführen, wie es zu Nichtentrichtung der verfahrensgegenständlichen Abgaben gekommen ist. Folgt man der am veröffentlichen Entscheidung des VwGH Ra 2019/13/0066 (ÖSZB 2023/95) ergibt sich, dass eine eklatant unrichtige und unvertretbare Ermessensentscheidung im bisherigen Verfahren vom FA vorgenommen wurde."
Vorsitzende:
"Anhand der Auflistung der offenen Abgabenschuldigkeiten der G-1 sieht man, dass ab Jänner 2018 bis zur Konkurseröffnung Selbstberechnungsabgaben (Umsatzsteuer und lohnabhängige Abgaben) zwar gemeldet, jedoch nicht entrichtet wurden.
Haben im Jänner 2018 finanzielle Schwierigkeiten der Gesellschaft begonnen oder gab es diese auch schon zuvor?"
Bf.:
"Für mich war zu Beginn des Jahres 2018 nicht ersichtlich, dass das Unternehmen finanzielle Schwierigkeiten hat. Es wurde eineinhalb Jahre zuvor noch die Mutterfirma an die Stockholmer Börse gebracht. Es gab schon zuvor immer wieder Zahlungsstockungen, jedoch wurden laufend von der Mutterfirma Geldbeträge zugeführt. Ich war für technische Belange zuständig und bin davon ausgegangen, dass die Abgaben wiederum entrichtet werden."
Vorsitzende:
"Es ist nach der Kontolage der G-1 so, dass es bereits seit dem Sommer 2014 stets Außenstände bei der Abgabenbehörde gibt und daher eine Veranlassung bestand, die Entrichtung der Selbstberechnungsabgaben, so man sie nicht selbst vornimmt, zumindest zu kontrollieren und zu überwachen. Was sagen Sie dazu?"
Bf.:
"Wir haben sie kontrolliert und überwacht. Es sind immer wieder Zahlungen erfolgt. Ich habe mich um die Auftragslage gekümmert. Die Zahlungen erfolgten im Auftrag aus London, teilweise auch über unser österreichisches Konto. Ich habe mich dafür nicht zuständig gesehen."
Vertreter:
"Wer war zeichnungsberechtigt auf dem Konto in Wien?"
Bf.:
"Auf dem Konto waren 3 Mitarbeiter aus London, P-3 sowie unsere Sekretärin und Buchhalterin, zeichnungsberechtigt. Ich habe seinerzeit das Konto eröffnet."
Vertreter:
"Haben Sie Überweisungen an die Abgabenbehörde vorgenommen?"
Bf.:
"Die Überweisungen wurden stets von London beauftragt. Bei Gehältern habe ich die Aufgabe gehabt, die Mitarbeiter zu kontrollieren, ob auch tatsächlich gearbeitet wurde.
Zu Beginn des Jahres 2018 hat die wirtschaftliche Lage sehr gut ausgesehen, wir haben als Sicherheitsfirma langfristige Verträge bekommen, unter anderem auch die G-3. Es gab in dem Jahr aber auch eine Änderung in der Eigentümerstruktur der Muttergesellschaft, die auch auf uns Auswirkungen hatte, weil sie außer dem technischen Bereich alle Zuständigkeiten übernommen hat.
Es kamen zu den bisherigen Leitern auch neue Führungskräfte aus Südafrika dazu. Die Umsetzung des Börsenganges erfolgte im Jahr 2018."
Amtsbeauftragte:
"Wer hat die steuerlichen Agenden der G-1 in Österreich geregelt?"
Bf.:
"Die Unterlagen gingen über die Sekretärin an die Steuerberatungskanzlei. Die Selbstbemessungsabgaben hat eine österreichische Steuerberatungskanzlei errechnet und die Zahlungsaufforderungen und Abrechnungen der Sekretärin übermittelt, die diese Unterlagen nach London geschickt hat."
Amtsbeauftragte:
"Die Jahresabschlüsse tragen jedoch Ihre Unterschrift."
Bf.:
"Die habe ich unterschrieben, nachdem mir P-3 gesagt hat, dass alles ok ist und ich unterschreiben soll."
Amtsbeauftragte:
"Sind oder waren Ihnen die Aufgaben eines Geschäftsführers bewusst?"
Bf.:
"Wir waren 4 Geschäftsführer. Es war mir nicht bewusst, dass ich auch steuerliche Aufgaben habe. Ich habe gedacht, dass dies von dem Geschäftsführer erledigt wird, der auch dafür zuständig ist. Ich bin seinerzeit Geschäftsführer geworden, weil ich der einzige war, der in Österreich wohnhaft ist. Ich sollte stets nur für technische Belange zuständig sein. In London hat das Unternehmen eine Größe, dass sogar die Finanzabteilung wesentlich größer ist, als unser Unternehmen in Österreich war. Die Firma hatte 3 Stockwerke in einem bekannten Finanzgebäude, die Finanzabteilung ein ganzes Stockwerk."
Amtsbeauftragte:
"Haben Sie sich je in der Erfüllung Ihrer Aufgaben als Geschäftsführer behindert gefühlt?"
Bf.:
"Ich hatte 10 bis 20 Sicherheitsexperten zu managen, dies war meine Aufgabe."
Amtsbeauftragte:
"Waren für Sie Schwierigkeiten aufgrund der unregelmäßigen Zahlungen durch die Muttergesellschaft ersichtlich?"
Bf.:
"Ja, als der Insolvenzantrag gekommen ist."
Vertreter:
"Ich möchte gerne, dass mein Mandant in eigenen Worten zusammenfassend schildern kann, wie er Geschäftsführer geworden ist und was sein Aufgabengebiet in der Firma war."
Bf.:
"Ich bin Informationssicherheitsexperte. Bei meinem vorhergehenden Arbeitgeber, der G-4, hat es so ausgesehen, als würde meine Abteilung aufgesplittet werden, daher habe ich einen neuen Job gesucht. Ich habe auf einer Veranstaltung die 3 anderen Geschäftsführer der G-1 kennengelernt und sie haben angeboten, dass wir als ganzes Team in eine Firma kommen, die sie aufbauen würden. Diese weiteren 3 Geschäftsführer hatten zuvor schon Firmen im Payment Bereich. Es war geplant, für die Paymentkunden den neuen Bereich Sicherheit anzubieten. Zu einem bestehenden Kundenkreis sollten Sicherheitssysteme dazukommen. Meine Aufgabe war es, das Team aufzubauen, das die Prüfaufgaben übernimmt. Administration, Finance und Sales wurden aus England gesteuert. Wir haben 3 Jahre lang Aufbauarbeiten geleistet, dann wurden von der Mutterfirma neue Unternehmen gekauft und es kam für uns auch die Aufgabe dazu, Mitarbeiter in anderen Unternehmen auszubilden (Schwesterunternehmen)."
Amtsbeauftragte an den Vertreter:
"Sie haben gemeint, dass diese Ausführungen im Zusammenhang mit dem Ermessen wichtig wären."
Vertreter:
"Dass eine schuldhafte Pflichtverletzung vorliegt, ist eine Rechtsfrage.
Ich hätte gerne noch einmal ausführlicher die Aufgabenbereiche der Geschäftsführer von meinem Mandanten dargestellt."
Bf.:
"Ich war für das technische Team und die Dienstleistungen, die wir angeboten haben, zuständig. Für Finanzen war P-3 verantwortlich. Ich hatte mit dem Steuerberater zu tun, wenn er mich konkret zu einem bestimmten Service befragt hat, sonst nicht. P-7 war Shareman of the Board. Er hat Personalentscheidungen getroffen."
Die Berichterstatterin hielt dem Bf. die Mail vom (Beilage ./J) vor.
Bf.:
"Der Steuerberater hat mir gesagt, dass eine Zahlung nicht erfolgt ist. Dies war im Mai 2018. Ich habe nach England geschrieben, dass die Zahlung vorgenommen werden soll, da wir sonst die Firma verlieren. Die Antwort war, ich solle mich nicht aufregen, die Zahlung werde prompt erfolgen, ich solle mich auf die G-3 konzentrieren. Am Tag vor der Konkurseröffnung kamen noch Zusagen, dass Geldbeträge kommen werden. Wir hatten dann auch eine Liquiditätsprüfung im Zuge der Konkurseröffnung, auch da hat wiederum Herr P-3 mit den Beamten gesprochen."
Vertreter:
"Ich stelle den Antrag auf Verlesung der Beilagen A bis V. zum Beweis dafür, dass der Bf. lediglich für technische Angelegenheiten, nicht jedoch für die Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten zuständig gewesen ist und das Unternehmen in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht von den 3 in England wohnhaften Geschäftsführern geleitet wurde."
Frage des Vertreters an seinen Mandanten:
"Kennen Sie diese Beilagen und entsprechen sie den Tatsachen?"
Bf.:
"Diese Beilagen zeigen, dass ich nicht für die finanziellen Angelegenheiten zuständig war, und bestätigen mein heute getätigtes Vorbringen. Ich bin Informationstechniker und war zuvor nicht Geschäftsführer und bin es auch jetzt nicht mehr. Ich war nur eingetragen, da ich in Österreich wohnhaft bin."
Berichterstatterin:
"Hinsichtlich der Haftungsbescheide der Stadt Wien wurde vorgebracht, dass die anderen 3 Geschäftsführer letztlich die Abgabenschuldigkeiten bezahlt haben, weswegen der Beschwerde gegen die Haftungsinanspruchnahme stattgegeben wurde. Haben Sie auch hinsichtlich der Abgabenschuldigkeiten in diesem Verfahren die anderen Geschäftsführer informiert und sie aufgefordert, die Abgabenschuldigkeiten doch zu bezahlen?"
Bf. und Vertreter:
"Ja, dies wurde mehrmals an die anderen Geschäftsführer herangetragen, sie haben jedoch keine Zahlungen geleistet und den Kontakt abgebrochen."
Nach kurzer Diskussion zu unterschiedlichen Verfahrensrechten und der Feststellung, dass ein Verfahren nach der Bundesabgabenordnung keinen Unmittelbarkeitsgrundsatz kenne, wurde auf die Verlesung der im Akt befindlichen Beilagen verzichtet.
Die Vertreterin des Finanzamtes beantragte die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde.
Der Vertreter des Bf. beantragte die Stattgabe der Beschwerde und Aufhebung des angefochtenen Bescheides und führte in seinem Schlussplädoyer aus:
"Hinsichtlich der Lohnsteuer besteht zwar das Gebot, bei Fehlen ausreichender Geldmittel bereits die Löhne nicht in voller Höhe auszubezahlen und die darauf entfallende Lohnsteuer bei Ausbezahlung zurückzubehalten. Diese Vorgabe trifft jedoch auf die Umsatzsteuer und die weiteren verfahrensgegenständlichen Abgaben nicht zu. Es ist jedoch hinsichtlich der dem Bf. angelasteten schuldhaften Pflichtverletzung zu berücksichtigen, dass ihn an der Anhäufung der Außenstände kein Verschulden trifft, da die Entrichtung der Abgaben stets im Aufgabenbereich der weiteren 3 Geschäftsführer angesiedelt war und jeweils bei Geldbedarf die Zuschüsse in ausreichendem Ausmaß aus England kamen, daher trifft den Bf. kein Verschulden hinsichtlich der Nichtentrichtung der Umsatzsteuervorauszahlungen.
Zudem wird, das Ermessen betreffend, auf die Entscheidung des VwGH vom Mai 2023 verwiesen, wonach überlange Verfahrensdauern im Ermessen eine Berücksichtigung zu finden haben. Dies betrifft den Zeitabstand zwischen Entstehung der Abgabenschuld bzw. dem Feststehen der Uneinbringlichkeit und einer Haftungsinanspruchnahme. Dazu gibt es keine Ermessensübung im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung der Behörde, die sich lediglich darauf bezieht, dass der Bf. zur Vermeidung des endgültigen Abgabenausfalls zur Haftung herangezogen werden müsse. Des Weiteren ist ein Zeitraum zwischen Entstehung des Abgabenanspruches zu Beginn des Jahres 2018 und eine Haftungsinanspruchnahme mit Bescheid vom im Sinne der Judikatur des VwGH zu berücksichtigen.
Es wird auch eingewendet, dass das Finanzamt bei Feststehen der Uneinbringlichkeit nicht versucht hat, die Abgabenschuldigkeiten bei den in England wohnhaften Geschäftsführern einbringlich zu machen. Großbritannien war in den Jahren 2018 bis 2021 noch in der EU befindlich. Zwischen dem Entstehen der Abgabenschuldigkeiten und der Inanspruchnahme zur Haftung liegt ein Zeitraum von über 5 bis 6 Jahren."
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Rechtsgrundlagen
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Persönliche Haftungen erstrecken sich gemäß § 7 Abs. 2 BAO auch auf Nebenansprüche im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2. Zu diesen Nebenansprüchen gehören gemäß § 3 Abs. 2 lit. d insbesondere die Nebengebühren der Abgaben, wie die Stundungs- und Aussetzungszinsen, der Säumniszuschlag und die Kosten (Gebühren und Auslagenersätze) des Vollstreckungs- und Sicherungsverfahrens, worunter gemäß § 26 AbgEO insbesondere Pfändungsgebühren und die durch die Vollstreckungsmaßnahmen verursachten Barauslagen (somit auch Postgebühren) fallen.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Haftungsvoraussetzungen
- Abgabenforderungen gegen die vertretene Gesellschaft
- Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen
- Stellung des Geschäftsführers als Vertreter
- abgabenrechtliche Pflichtverletzung des Vertreters
- dessen Verschulden an der Pflichtverletzung
- Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit der Abgaben (Kausalität)
Abgabenforderungen
Dem angefochtenen Bescheid liegen auf dem Abgabenkonto der G-1 aushaftende Selbstbemessungsabgaben, insbesondere Umsatzsteuer und Lohnabgaben, sowie seitens des Bf. unbestrittene Festsetzungsbescheide, vor allem von Säumniszuschlägen und Körperschaftsteuervorauszahlungen, zugrunde.
Verjährung
Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.
Gemäß § 238 Abs. 2 BAO wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
Durch die Anmeldung im Insolvenzverfahren wird gemäß § 9 Abs. 1 IO die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen. Die Verjährung der Forderung gegen den Schuldner beginnt von neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden ist.
Dem Einwand des Bf., dass die haftungsgegenständlichen Abgaben gemäß § 238 BAO verjährt wären, ist entgegenzuhalten, dass auf Grund des vom D-2 bis D-6 anhängigen Insolvenzverfahrens, bei dem diese Forderungen angemeldet waren, die Verjährung gemäß § 9 Abs. 1 IO unterbrochen war, die daher gemäß § 9 Abs. 1 zweiter Satz IO frühestens 5 Jahre nach Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden ist, eintreten hätte können.
Darüber hinaus wurden ab dem (dem ältesten Fälligkeitstag) weitere Unterbrechungshandlungen gemäß § 238 Abs. 2 BAO unternommen, die die fünfjährige Einhebungsverjährungsfrist jeweils neu in Gang setzten, nämlich insbesondere die an sämtliche Geschäftsführer der G-1 am erlassenen Haftungsprüfungsvorhalte, wodurch die Verjährungsfrist bis hinausgeschoben wurde.
Daraus erhellt, dass eine Verjährung der Einhebung nicht eingetreten ist.
Uneinbringlichkeit
Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().
Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit fest, da mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom D-6 der über das Vermögen der G-1 am D-2 eröffnete Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben wurde.
Vertreterstellung
Unbestritten ist, dass der Bf. im Zeitraum vom D-1 bis zum D-2 (Konkurseröffnung) im Firmenbuch eingetragener Geschäftsführer der genannten GmbH war.
Schuldhafte Pflichtverletzung
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (, 0038). Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. ).
Vom Bf. wurde bestritten, dass ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag, da er einwandte, dass er lediglich technischer Leiter (CTO), hingegen P-3 der Finanzchef (CFO) gewesen sei bzw. die kaufmännischen Agenden von den weiteren im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführern, nämlich P-8, P-7 und P-3 (alle vom D-7 bis zur Konkurseröffnung im Firmenbuch eingetragen), wahrgenommen worden seien.
Dem entspricht die Aktenlage allerdings nur teilweise, nämlich hinsichtlich des P-3 als CFO (Börsenprospekt und Information des Konzerns der GmbH, 2016, Beilage ./V) sowie des Bf. als CTO (Organigramm, Beilage ./S; Börsenprospekt und Information des Konzerns der GmbH, 2016, Beilage ./V). Hingegen bezeichnete er sich in seinen E-Mails als CEO - Chief Executive Officer.
Weiters geht aus der E-Mail vom (Beilage ./L) hervor, dass der Bf. für das "Finance Department" des Konzerns, nämlich P-12, P-13 und P-3, einen Zugang zum Online Banking (offenbar bei der inländischen Bank der G-1) in Auftrag gab. Die beiden erstgenannten Personen könnten allerdings mangels Geschäftsführungsbefugnis der inländischen GmbH - außer sie wären faktische Geschäftsführer - nicht zur Haftung herangezogen werden.
Der Bf. wendet sich mit diesem Vorbringen inhaltlich gegen das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung. Sind nämlich mehrere potentielle Haftungspflichtige vorhanden, richtet sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die haftungsrechtliche Verantwortung danach, wer mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut ist. Der von den finanziellen, insbesondere steuerlichen Angelegenheiten ausgeschlossene Geschäftsführer ist in der Regel nicht in Anspruch zu nehmen. Dieser haftet jedoch selbst, wenn er eigene Pflichten dadurch grob verletzt, dass er es unterlässt, Abhilfe gegen Unregelmäßigkeiten des zur Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten Bestellten zu schaffen. In einem solchen Fall könnte ihn nur entschuldigen, dass ihm die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten aus triftigen Gründen unmöglich gewesen wäre (. Ra 2020/13/0084).
Verletzt jedoch der mit abgabenrechtlichen Angelegenheiten nicht befasste Vertreter seine eigenen Pflichten dadurch grob, dass er trotz Unregelmäßigkeiten des zur Wahrnehmung abgabenrechtlicher Angelegenheiten bestellten Geschäftsführers nichts unternimmt, um Abhilfe zu schaffen, so ist er auch haftbar, es sei denn, dass ihm triftige Gründe die Erfüllung dieser wechselseitigen Überwachungspflicht unmöglich machen. Allerdings kommt eine Überprüfung der Tätigkeit des mit der Abgabenentrichtung betrauten und hiefür verantwortlichen Geschäftsführers durch den Geschäftsführer nur in Betracht, wenn ein Anlass vorliegt, an der Ordnungsmäßigkeit seiner Geschäftsführung zu zweifeln (vgl. ; ).
Aus dem vom Bf. vorgelegten elektronischen Schriftverkehr geht hervor, dass der CFO P-3 von der Buchhaltung der G-1 (P-14 und P-15) um Zustimmung zu anstehenden Zahlungen ersucht und der Bf. davon informiert wurde.
Weiters schrieb der Bf. mit dem Betreff "Overdue Tax Payment" (überfällige Steuerzahlung) am an P-3 und P-14 folgende E-Mail:
"We should have paid a minimum of 50k on Monday to ensure the Austrian IRS doesn't shut us down, I was under the impression this was communicated and taken care of.
I cannot guarantee that they will not declare bankruptcy on us in the next day or two. My impression was this would be paid and refunded by us once the HRS payment comes through.
The deadline of the 30th has gone by without payment and we are now at the mercy of the IRS who told us they would shut us down if we don't pay."
Daraus ergibt sich, dass der Bf. über die aushaftenden Abgabenrückstände und mangelnden Steuerzahlungen offenbar laufend informiert war und nicht erst, wie er behauptete, im Zeitpunkt des Konkursantrages.
Festgestellt wird durch Einsicht in das Abgabenkonto der Gesellschaft, dass vor allem die monatlich zu meldenden Selbstbemessungsabgaben, die seit der Buchung vom zu einer wachsenden Zahllast führten, nicht bzw. verspätet entrichtet wurden. Mit der Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Umsatzsteuer 11/2017 (, die Zahlungsfrist der dem Fälligkeitstag nach älteren Umsatzsteuer 2016 endete erst am ) bestand bereits ein Rückstand von € 292.326,20, der bis zur am D-2 erfolgten Konkurseröffnung auf € 580.963,47 angewachsen war, wobei in diesem Zeitraum Zahlungen in Höhe von € 86.358,16 geleistet und € 103.532,86 an sonstigen Gutschriften verbucht wurden.
Der Bf. hatte daher die Tätigkeit des mit der Abgabenentrichtung betrauten und hiefür verantwortlichen Geschäftsführers P-3 zu überprüfen, da ein Anlass vorlag, an der Ordnungsmäßigkeit seiner Geschäftsführung zu zweifeln, was auch durch die vorgelegten E-Mails hinreichend dokumentiert wurde. Allerdings hätte der Bf. infolge seiner Kenntnis Maßnahmen zur Entrichtung der aushaftenden Abgaben ergreifen müssen. Dass diese erfolgt wären, hat er nicht einmal behauptet.
Sieht sich ein Geschäftsführer in der Wahrnehmung seiner Pflichten gehindert und ist es ihm nicht möglich, dafür Sorge zu tragen, dass den abgabenrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen wird, hat er gegebenenfalls die Geschäftsführung zurückzulegen.
Siehe : Ein Geschäftsführer, der sich in der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten durch die Gesellschafter oder durch dritte Personen behindert sieht, hat entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der unbehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden. Auch binden im Innenverhältnis erteilte Weisungen den Geschäftsführer insoweit nicht, als sie ihn zur Verletzung zwingender gesetzlicher Verpflichtungen nötigen (Hinweis E , 86/13/0148).
Von den Parteien beantragte Beweise sind gemäß § 183 Abs. 3 BAO aufzunehmen, soweit nicht eine Beweiserhebung gemäß § 167 Abs. 1 zu entfallen hat. Von der Aufnahme beantragter Beweise ist abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt werden oder unerheblich sind, wenn die Beweisaufnahme mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand verbunden wäre, es sei denn, dass die Partei sich zur Tragung der Kosten bereit erklärt und für diese Sicherheit leistet, oder wenn aus den Umständen erhellt, dass die Beweise in der offenbaren Absicht, das Verfahren zu verschleppen, angeboten worden sind, im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht überdies dann, wenn das Beweisanbot der Parteien der Verfahrensförderungspflicht (§ 270 Abs. 2) widerspricht Von der Aufnahme eines im Vorlageantrag gestellten Beweisantrages darf das Verwaltungsgericht nicht mit der Begründung absehen, dass der Beweisantrag der Verfahrensförderungspflicht (§ 270 Abs. 2) widerspricht. Gegen die Ablehnung der von den Parteien angebotenen Beweise ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.
Dem Beweisantrag des Bf. auf Befragung der Firmenbank, welche anderen Personen als der Bf. auf den Konten der G-1 zeichnungsberechtigt gewesen seien, war nicht zu entsprechen, da gemäß § 183 Abs. 3 BAO die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt werden und zudem unerheblich sind, da der Bf. mit dem Beweisantrag zum Ausdruck gebracht hat, dass jedenfalls er selbst auf dem Firmenkonto zeichnungsberechtigt war.
Für die übrigen unter Punkt 4. der Beschwerde angeführten Beweisanträge gilt einerseits ebenfalls, dass die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt werden, und andererseits, dass die Abgabenbehörden und das Bundesfinanzgericht Beweisanträgen, die nicht ausreichend erkennen lassen, welche konkreten Tatsachenbehauptungen im Einzelnen durch das Beweismittel erwiesen werden sollen, nicht zu entsprechen brauchen (vgl. ).
Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht (; ), weshalb auch der Hinweis auf den Fall G-2, wonach sich Manager auf in der Vergangenheit eingehaltene Finanzierungszusagen des Konzerns verlassen dürften, ins Leere geht.
Aus dem Vorbringen des Bf. hinsichtlich des überraschenden Eintritts der Zahlungsunfähigkeit, da Zahlungszusagen durch den Konzern der G-1 unvorhergesehen nicht eingehalten worden seien, lässt sich jedoch noch nicht auf eine völlige Mittellosigkeit der Gesellschaft schließen, zumal das Insolvenzverfahren die Ausschüttung einer Konkursquote ergab und auch der zuletzt eingereichte Jahresabschluss zum liquide Mittel (Kassenbestand, Schecks, Guthaben bei Kreditinstituten) in der Höhe von € 133.940,88 auswies.
Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten ().
Im gegenständlichen Fall bringt der Bf. jedoch keine triftigen Gründe, aus denen ihm die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen wäre, vor. Insbesondere wurde nicht behauptet, dass dem Bf. keine Mittel zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben zur Verfügung gestanden bzw. dass von ihm sämtliche Gläubiger gleichbehandelt worden wären.
Am Bf., dem als Geschäftsführer der Primärschuldnerin ausreichend Einblick in die Gebarung zustand, wäre es gelegen gewesen, das Ausmaß der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen (), da nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen hat, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel ().
Weist der Haftungspflichtige nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ().
Den im Rahmen der besonderen Behauptungs- und Konkretisierungspflicht zur Feststellung des für die aliquote Erfüllung der Abgabenschuld zur Verfügung stehenden Teiles vom Gesamtbetrag der liquiden Mittel geforderte Liquiditätsstatus hat der Bf. jedoch trotz mehrmaliger Aufforderung (im Haftungsvorhalt, im Haftungsbescheid und in der Beschwerdevorentscheidung) nicht aufgestellt.
Im Hinblick auf die unterlassene Behauptung und Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mittel zur Erfüllung der vollen Abgabenverbindlichkeiten kommt eine Beschränkung der Haftung der Bf. bloß auf einen Teil der von der Haftung betroffenen Abgabenschulden nicht in Betracht ().
Für aushaftende Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer gelten aber ohnedies Ausnahmen vom Gleichheitsgrundsatz (; , 2000/15/0168), da nach § 78 Abs. 3 EStG der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hat.
Kausalität
Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.
Ermessen
Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().
Die Auswahl der zur Leistung der Abgabenschuld heranzuziehenden Gesamtschuldner, die Belastung der einzelnen mit der Gesamtschuld oder nur einem Teil davon, die Bestimmung des Zeitpunktes und der Reihenfolge der Heranziehung der einzelnen Gesamtschuldner liegt im Ermessen der Behörde. Ermessen des Abgabengläubigers eines Gesamtschuldverhältnisses bedeutet das Recht der Ausnützung jener Gläubigerschritte, die dazu führen, den Abgabenanspruch zeitgerecht, sicher, auf einfachstem Weg unter Umgehung von Erschwernissen und unter Vermeidung von Gefährdungen hereinzubringen. Würden nun dadurch, dass auf die besonderen Umstände des Schuldverhältnisses und der Schuldnerbeziehungen Rücksicht genommen wird, Gläubigerinteressen nicht beeinträchtigt, dann erschiene es nicht ermessensgerecht (damit nicht iSd Gesetzes), würde sich die Abgabenbehörde über die besonderen Gegebenheiten des Gesamtschuldverhältnisses hinwegsetzen. Vor allem die Regelungen im Innenverhältnis dürfen nicht unberücksichtigt bleiben. Wenn bei gleichen Gläubigerchancen und Gläubigerrisiken, wenn bei so und so gesicherter Gläubigerposition mehrere Lösungsmöglichkeiten bestehen und ohne Beeinträchtigung der berechtigterweise zu wahrenden Gläubigerinteressen vertreten werden können, dann wäre es ermessensfehlerhaft, würde bei Geltendmachung des Anspruches, bei Auswahl der Schuldner und bei Festlegung des Ausmaßes ihrer Heranziehung nicht auf das Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern Bedacht genommen werden. Trifft eine Abgabenschuld zwei oder mehrere Gesamtschuldner, so wird sich die Behörde im Rahmen ihrer Ermessensübung nicht ohne sachgerechten Grund an jene Partei halten dürfen, die nach dem vertraglichen Innenverhältnis die Steuerlast nicht tragen sollte ().
Eine andernfalls eintretende Gefährdung der Einbringlichkeit wird dies jedoch nahelegen. Bei Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung bei dem anderen Gesamtschuldner bleibt für die Inanspruchnahme des verbleibenden Gesamtschuldners kein Spielraum für die Ermessensübung ().
Liegen Umstände vor, die eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe erkennen lassen, wird die Vorschreibung an den Gesamtschuldner, der nach dem Innenverhältnis die Abgabe nicht tragen sollte, naheliegen. Die Vorschreibung an einen der Gesamtschuldner ist auch dann begründet, wenn die Einhebung beim anderen Gesamtschuldner zumindest mit großen Schwierigkeiten verbunden ist ().
Eine ermessenswidrige Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners läge allenfalls vor, wenn aushaftende Abgabenschulden von anderen Gesamtschuldnern ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeiten rasch hätten eingebracht werden können ().
Da die übrigen Geschäftsführer, insbesondere der CFO, im Nicht-EU-Ausland, nämlich in Großbritannien, wohnhaft sind, sind keine gleichen Gläubigerchancen und Gläubigerrisiken für die Abgabenbehörde gegeben und damit die rasche Einbringlichmachung der haftungsgegenständlichen Abgabenschulden bei einer Haftungsinanspruchnahme dieser Personen ohne Gefährdung bzw. Schwierigkeiten nicht möglich.
Das Ermessen der Abgabenbehörde, ausschließlich den im Inland wohnhaften Bf. als Errichter der Gesellschaft und deren von Anfang an amtierender Geschäftsführer zur Haftung heranzuziehen, wurde daher rechtsrichtig ausgeübt.
Auch dem Einwand des steuerlichen Vertreters des Bf., dass der belangten Behörde ein Verschulden anzulasten sei, da sie nicht bereits bei Feststehen der Uneinbringlichkeit versucht habe, die Abgabenschuldigkeiten bei den in England wohnhaften weiteren Geschäftsführern einbringlich zu machen, da damals Großbritannien noch in der EU gewesen sei, muss entgegengehalten werden, dass Großbritannien bereits am aus der EU ausgetreten ist, daher noch vor der Konkursbeendigung vom D-6 sowie der am an alle Geschäftsführer der G-1 ergangenen Haftungsprüfungsvorhalte.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB ; ) ist dem Element der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit im Rahmen der behördlichen Ermessensübung besondere Bedeutung beizumessen.
Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder dem Hervorkommen der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung anderseits ist ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf ().
Im gegenständlichen Fall lagen sämtliche Zahlungstermine für die im Haftungsbescheid enthaltenen Abgaben im Jahr 2018. Da das Konkursverfahren am D-2 eröffnet wurde und mangels Feststehens des Ausmaßes der Uneinbringlichkeit vor der Beendigung des Insolvenzverfahrens am D-6 eine Haftungsinanspruchnahme nicht möglich war, kann angesichts der bereits am ergangenen Haftungsprüfungsvorhalte und des innerhalb der nach der Judikatur des VwGH noch angemessenen Frist am erlassenen Haftungsbescheides keine überlange Verfahrensdauer festgestellt werden (vgl. ).
Vom Bf. wurden somit keine Gründe vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken hätten können.
Ergebnis
Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bf. als Haftungspflichtiger für die Abgabenschuldigkeiten der G-1 zu Recht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt hier nicht vor. Die Entscheidung erfolgt vielmehr der dargestellten Judikatur des VwGH.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 238 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 238 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 9 Abs. 1 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 183 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101303.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at